JKU Technologie: Künstliche Nanofasern sollen Nerven heilen

Pressemitteilung der Johannes Kepler Universität Linz vom 18.11.2024

Wird das Nervensystem beschädigt, kann das zur Lähmung der Gesichtsmuskulatur, der Finger und Hände oder auch der Füße und Zehen führen. Betroffene leiden oft sehr lange darunter, mitunter ihr ganzes Leben lang. Eine neue Technologie der Johannes Kepler Universität Linz zeigt erste vielversprechende Ergebnisse, die Heilungschancen deutlich zu erhöhen.

Schäden am peripheren Nervensystem sind so einschneidend, weil die Nervenbahnen sich nur sehr langsam regenerieren. Um die Lebensqualität dieser Patient*innen zu erhöhen, werden dringend Implantate benötigt, die genau diese Regeneration unterstützen.

„Speziell bei schweren Defekten von Nervenbahnen brauchen die Nervenzellen gezielte Unterstützung, um die Unterbrechung zwischen den beschädigten Nervenenden zu überbrücken“,erklärt DI Dr. Sebastian Lifka vom JKU Institut für Medizin- und Biomechatronik und Erstautor des im Rahmen des Projekts entstandenen Papers. Bislang werden in der klinischen Praxis den Patient*innen Stücke von weniger wichtigen peripheren Nerven entnommen und in die Lücken der beschädigten Nervenbahnen eingesetzt. Diese Gewebestücke dienen dann den Nervenzellen als Stütze und Leitstruktur bei der Regeneration. Das Problem: Durch den Vorgang wird natürlich der Spender*innennerv beschädigt, sodass immer noch Lähmungen und Gefühlsausfälle auftreten.

Neuer JKU Ansatz
Ein neuer Ansatz ist ein Implantat aus künstlichen Nanofasern, das die beiden Nervenenden verbindet. Diese ausgerichteten Nanofasern unterstützen die Nervenzellen beim Überbrücken des Defekts, indem sie den Zellen die Wachstumsrichtung vorgeben und ihnen Halt bieten.

Den JKU Forscher*innen ist es gelungen, die dafür nötigen Nanofasern mit einem speziellen Elektrospinning-Verfahren herzustellen.

Dabei wird eine Polymerlösung auf mikroskopisch kleiner Ebene durch elektrische Hochspannung massiv beschleunigt. Während des Flugs härtet die Polymerlösung aus und bildet die eigentliche Nanofaser, die sich dann auf einem Kollektor ansammelt. Um die für die Nervenregeneration notwendige parallele Ausrichtung der Fasern zu erreichen, wird der Kollektor mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute um die eigene Achse gedreht. Die Nanofaser wickelt sich dadurch, ähnlich einer Seilwinde, auf dem Kollektor auf und erzeugt somit ein Nanofaser-Vlies, bei dem die Fasern parallel ausgerichtet sind-

Der Natur nachempfunden
Um das Nanofaser-Vlies unbeschädigt vom Kollektor entfernen zu können, weist dieser eine spezielle Oberflächenstruktur auf, die sich die JKU Wissenschaftler*innen von Spinnen abgeschaut haben. „Die Tiere vermeiden mit dieser Struktur, dass sie an den eigenen Fäden festkleben“, so Univ.-Prof. Werner Baumgartner, der das Institut für Medizin- und Biomechatronik an der JKU leitet.

Tests erfolgreich
Erste Versuche, ein gerichtetes Wachstum von speziellen Nervenzellen zu erzielen, waren bereits erfolgreich. Dabei wurden Maus-Schwann-Zellen (das sind spezielle Gliazellen des peripheren Nervensystems, die das Axon einer Nervenzelle umhüllen und isolieren) verwendet. Dabei zeigte sich, dass sich die Nervenzellen tatsächlich an den Fasern orientierten und gezielt in Faserrichtung wuchsen (Abbildung 3).

Wichtiger Ansatz
„Im Gegensatz zum Zentralnervensystem ist eine Regeneration verletzter oder durchtrennter Axone im peripheren Nervensystem schwierig. Die Verwendung eines Implantates aus künstlichen Nanofasern,die den Defekt überbrücken und die neuronale Wachstumsrichtung während des Regenerationsprozesses vorgeben kann, wäre deshalb ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung des funktionellen Langzeitergebnisses nach peripheren Nervenverletzungen. Von ebenso großem Interesse wäre auch, diese Technologie auf das Zentralnervensystem, insbesondere bei Patient*innen mit Querschnittslähmungen, zu übertragen“, meint Univ.-Prof. Dr. Andreas Gruber, Vorstand der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Kepler Universitätsklinikum.

Auch Prof. Dr. Raimund Helbok, Leiter der Universitätsklinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum, sieht großes Potenzial: „Die Regeneration von Nervenfasern ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt vieler internationaler Arbeitsgruppen. Bei der hier beschriebenen Methode handelt es sich um einen innovativen und spannenden Forschungsansatz. Grundlagenwissenschaften dieser Art sind deshalb extrem wichtig, um den Fortschritt in der Medizin in diesem Bereich voranzutreiben.“

Bis es soweit ist, muss allerdings noch viel geforscht werden. Klar ist aber: „Implantate aus gerichteten Nanofasern stellen einen vielversprechenden Ansatz dar, die Heilung von Verletzungen der Nervenbahnen zu beschleunigen und zu verbessern“,hofft Lifka auf verbesserte Behandlungsmethoden von Nervenverletzungen.

externer Link: https://www.jku.at/

Raum-Zeit-Kristall: Wichtiges Puzzleteil auf dem Weg zu neuen optischen Materialien

Pressemitteilung des Karlsruher Institut für Technologie vom 12.11.2024

Forschende des KIT konstruieren maßgeschneiderte Materialien für die optische Informationsverarbeitung. Photonische Raum-Zeit-Kristalle sind Materialien, die drahtlose Kommunikation oder Lasertechnologien leistungsfähiger und effizienter machen könnten. Sie zeichnen sich durch die periodische Anordnung spezieller Materialien aus, in drei Raumrichtungen wie auch in der Zeit, und ermöglichen so eine präzise Kontrolle der Lichteigenschaften. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun zusammen mit Partnern der Aalto University, der University of Eastern Finland und der Harbin Engineering University in China gezeigt, wie sich solche vierdimensionalen Materialien für die praktische Anwendung nutzen lassen. Über ihre Arbeit berichten sie im Fachmagazin Nature Photonics. (DOI: 10.1038/s41566-024-01563-3).

Photonische Zeitkristalle bestehen aus Materialien, die im Raum überall gleich beschaffen sind, deren Eigenschaften sich aber zeitlich periodisch ändern. Durch diese zeitliche periodische Änderung lässt sich die spektrale Zusammensetzung von Licht gezielt verändern und verstärken, beides sind entscheidende Faktoren für die optische Informationsverarbeitung. „Dies eröffnet neue Freiheitsgrade, birgt aber auch viele Herausforderungen“, sagt Professor Carsten Rockstuhl vom Institut für Theoretische Festkörperphysik und Institut für Nanotechnologie des KIT. „Die vorliegende Studie ebnet den Weg, diese Materialien für informationsverarbeitende Systeme einzusetzen, in denen alle Lichtfrequenzen genutzt und verstärkt werden sollen.“

Vierdimensionalen photonischen Kristallen ein Stück näher

Die zentrale Kenngröße eines photonischen Zeitkristalls ist seine Bandlücke im Impulsraum. Zur Erläuterung: Der Impuls ist ein Maß dafür, in welche Richtung sich das Licht ausbreitet. Eine Bandlücke beschreibt, in welche Richtungen sich das Licht ausbreiten muss, damit es verstärkt wird: Je breiter die Bandlücke, desto größer ist die Verstärkung. „Bisher müssen wir in photonischen Zeitkristallen für eine große Bandlücke die zeitlich periodische Änderung der Materialeigenschaften, etwa den Brechungsindex, intensivieren. Nur dann wird Licht überhaupt verstärkt“, erklärt Puneet Garg, einer der beiden Erstautoren der Studie. „Da die Möglichkeiten hierfür bei den meisten Materialien begrenzt sind, ist dies eine große Herausforderung.“

Als Lösung kombinierte das Forschungsteam die photonischen Zeitkristalle mit einer zusätzlichen räumlichen Struktur und konstruierte somit „photonische Raum-Zeit-Kristalle“: Es baute photonische Zeitkristalle aus Silizium-Kugeln ein, die das Licht „einfangen“ und etwas länger halten als bisher möglich. So reagiert das Licht wesentlich besser auf die zeitlich periodische Änderung der Materialeigenschaften. „Wir sprechen hier von Resonanzen, die die Wechselwirkung von Licht und Materie verstärken“, sagt Xuchen Wang, ebenfalls Erstautor. „In so optimal abgestimmten Systemen erstreckt sich die Bandlücke fast über den gesamten Impulsraum, das heißt: Das Licht wird unabhängig von seiner Ausbreitungsrichtung verstärkt. Dies könnte das fehlende Puzzleteil auf dem Weg zur praktischen Nutzung solcher neuen optischen Materialien sein.“

„Wir freuen uns sehr über diesen Durchbruch bei den photonischen Materialien und sind gespannt auf die langfristigen Auswirkungen unserer Forschung“, sagt Rockstuhl. „So kann das enorme Potenzial der modernen optischen Materialforschung ausgeschöpft werden. Die Idee ist nicht auf Optik und Photonik beschränkt, sondern kann für viele Systeme in der Physik angewandt werden und potenziell neue Forschungen in verschiedenen Bereichen anregen.“

Das Forschungsprojekt wurde in dem Sonderforschungsbereich „Waves: Analysis and Numerics“ durchgeführt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), und ist eingebettet in den Helmholtz-Forschungsbereich Information.

externer Link: https://www.kit.edu/

Neue Entdeckung: Wie Kieselalgen CO₂ so effektiv binden können

Pressemitteilung der Universität Basel vom 17. Oktober 2024

Winzige Kieselalgen im Ozean sind Meister darin, Kohlendioxid (CO₂) aus der Umwelt zu binden. Sie speichern bis zu 20 Prozent des CO₂ auf der Erde. Ein Team der Universität Basel hat nun in genau diesen Algen eine Proteinhülle entdeckt, die für eine effiziente CO₂-Fixierung sorgen. Diese grundlegende Entdeckung kann neue Ideen für biotechnische Ansätze liefern, um so das CO₂ in der Atmosphäre zu reduzieren.

Kieselalgen sind so klein, dass man sie mit dem blossen Auge nicht sehen kann. Und doch sind sie eine der produktivsten Algenarten im Ozean und spielen eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Durch Fotosynthese absorbieren sie grosse Mengen aus der Umwelt und wandeln es in Nährstoffe um, mit denen sie einen Grossteil des Lebens im Ozean ernähren. Trotz ihrer Bedeutung ist wenig darüber bekannt, wie sie diesen Prozess so effizient durchführen.

Forschende um Prof. Dr. Ben Engel am Biozentrum der Universität Basel haben nun gemeinsam mit Forschenden der University of York, Grossbritannien, und der Kwansei-Gakuin University, Japan, eine Proteinhülle entdeckt, die bei der CO₂-Fixierung der Kieselalgen eine Schlüsselrolle spielt. Mithilfe modernster bildgebender Technologien wie der Kryoelektronenmikroskopie (Kryo-EM) konnten die Forschenden die molekulare Architektur der sogenannte PyShell-Proteinhülle aufklären und ihre genaue Funktionsweise entschlüsseln. Die Ergebnisse sind in zwei Studien in «Cell» veröffentlicht.

Effektive CO2-Fixierung durch PyShell

Fotosynthese findet in Pflanzen und Algen statt, genauer gesagt in ihren Chloroplasten, wo die Energie der Sonne von den sogenannten Thylakoidmembranen gesammelt wird. Die Energie wird dann verwendet, um dem Enzym Rubisco bei der Fixierung von CO₂ zu helfen.

Algen haben dabei einen Vorteil: Sie packen ihr gesamtes Rubisco in kleine Kompartimente, sogenannte Pyrenoide, in denen das CO₂ effizienter gebunden werden kann: «Wir haben jetzt herausgefunden, dass die Pyrenoide der Kieselalgen von einer gitterartigen Proteinhülle umgeben sind», sagt Dr. Manon Demulder, Mitautorin beider Studien. «Diese PyShell verleiht dem Pyrenoid nicht nur seine Form, sondern sorgt auch für eine hohe CO₂-Konzentration in diesen Kompartimenten. Dadurch können die Rubiscoproteine effizient CO₂ aus dem Ozean binden und in Nährstoffe umwandeln.»

Berührungsfreie Diagnose soll Krankheiten am Geruch erkennen

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 19.11.2024

Krankheiten wie Mukoviszidose oder Covid am Geruch zu erkennen, ohne Blut abzunehmen, ohne Abstrich und ohne jede Art von Berührung: Hieran forschen Dr. Sybelle Goedicke-Fritz und ihr Team in der Arbeitsgruppe von Professor Michael Zemlin an der Kinderklinik der Universität des Saarlandes. Ziel ist, Infektionen anhand von Geruchs-Mustern aufzuspüren, die individuell sind wie Fingerabdrücke. Die Forscherinnen und Forscher trainieren Gassensorik-Messgeräte darauf, diese Muster in der Umgebungsluft ausfindig zu machen. So soll Frühgeborenen und Kindern der Stress diagnostischer Eingriffe erspart bleiben. Ein späteres Anwendungsgebiet wäre aber auch, Infizierte schnell zu erkennen, bevor sie ein Krankenhaus besuchen oder ins Flugzeug steigen.

Wer krank ist, riecht anders. Das Phänomen ist vielen aus eigener Wahrnehmung bekannt. Die Körpergerüche verändern sich, sei es der Atem oder die Ausdünstungen über die Haut. „Schon in der Antike nutzte Hippokrates seinen Geruchssinn, um Krankheiten zu erkennen. Das ist also ein sehr altes Wissen“, sagt Dr. Sybelle Goedicke-Fritz, die das Forschungslabor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes leitet. Der menschliche Körper mit seiner reichen Bakterienflora gibt schon im gesunden Zustand fortwährend Moleküle in seine Umgebung ab. Im Krankheitsfall produzieren der körpereigene Stoffwechsel und auch derjenige der Bakterien andere chemische Verbindungen – und zwar je nach Erkrankung unterschiedliche. „Bei jeder Infektion oder Abwehrreaktion des Körpers entsteht eine charakteristische Entzündungsreaktion, die dazu führt, dass bestimmte Geruchsstoffe gebildet werden. Diese flüchtigen organischen Substanzen werden etwa ausgeatmet oder treten mit dem Schweiß aus“, erklärt die promovierte Immunologin und Zellbiologin.

Infektionen mit verschiedenen Erregern wie auch entzündungsbedingte Vorgänge unterscheiden sich vom Geruch her also sehr individuell. Diese eigenen Stoffwechselprodukte der Krankheiten, die zu den typischen Gerüchen führen, wollen Sybelle Goedicke-Fritz und ihr Team messen und zuordnen. „Das Muster, das Krankheiten und Infektionen auf Gasmessgeräten hinterlassen, ist vergleichbar einem Fingerabdruck. Diese Muster sind auch bei anderen Menschen mit der gleichen Krankheit wiedererkennbar. Wir sprechen dabei auch von einem Geruchs-Abdruck, auf Englisch Smellprint“, erläutert Sybelle Goedicke-Fritz, die mit ihrem Team bestimmten Krankheiten solche Fingerabdrücke abnehmen will, um sie leichter und schneller zu entlarven.

Hierzu sammeln Goedicke-Fritz und ihr Team an der Universitäts-Kinderklinik im saarländischen Homburg bei Kindern mit Covid-Infektionen, mit Mukoviszidose und weiteren Erkrankungen Messwerte aus Ausatemluft, Speichel, Auswurf oder Schweiß. „Um die spezifischen Geruchs-Profile der Erkrankungen zu erstellen, messen wir volatile, also flüchtige organische Verbindungen, bekannt auch als VOCs“, erklärt Sybelle Goedicke-Fritz. Diese Substanzen sind in der Ausatemluft oder verschiedenen Bioproben wie Stuhl und Urin nachweisbar. Hierbei kommen mobile Gasmessgeräte in Handygröße sowie chemische und weitere Methoden zum Einsatz, die ermöglichen, berührungsfrei Moleküle in der Umgebungsluft von Proben auszuwerten. „Für unsere Studien nutzen wir Halbleitergassensor-Systeme der Arbeitsgruppe von Messtechniker Professor Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes, außerdem Polymersensoren sowie verschiedene Spektrometer wie die Ionenmobilitätspektrometrie und Gaschromatografie-Verfahren zusammen mit Forschern aus Hannover“, sagt die Forscherin. Die gemessenen Werte gleichen sie und ihr Team ab mit Messungen an Kontrollgruppen sowie mit Vergleichsdiagnosen aus dem Labor wie Bluttests, Abstrichen oder PCR-Testergebnissen.

„Auch Doktorandinnen, Doktoranden und Studierende arbeiten an dieser Forschung mit“, sagt Goedicke-Fritz, die auch die Nachwuchsgruppe für nicht-invasive Diagnostik leitet und sich derzeit zu diesem Thema habilitiert, um es in der Lehre einzubringen. Alles, was aus der Umgebung der Kinder gemessen werden kann, versuchen die Forscherinnen und Forscher auszuwerten, um so viele Geruchsinformationen wie möglich zu sammeln. Als vielversprechend zeigen sich dabei auch Hinterlassenschaften in Windeln. Die inzwischen promovierte Medizinerin Michelle Bous wertete für ihre Doktorarbeit Stuhl- und Urinproben aus Windeln aus, was ebenfalls charakteristische VOC-Muster erkennen ließ. „Wir konnten flüchtige organische Verbindungen identifizieren, die wir Infektionen oder etwa einer Blutvergiftung zuordnen können“, sagt Michelle Bous, die hierfür bereits unter anderem den Forschungspreis der Werner-Zeh-Stiftung erhielt. In ihrer Doktorarbeit entwickelte die Medizinerin, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungslabor der Kinderklinik arbeitet, eine Methode, um solche Geruchs-Profile kontaktlos bei Frühchen zu untersuchen.

Die Forschungen laufen in mehreren Studien. Sybelle Goedicke-Fritz und ihrem Team ist es bereits gelungen, Smellprints der Geruchsstoffe von mehreren Krankheiten mit Hilfe der Messgeräte zu erfassen. Das Forschungsteam konnte auch bereits Bakterien anhand der Stoffwechselprodukte, die sie freisetzen, voneinander unterschieden wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia cepacia complex oder Stenotrophomonas maltophilia. „Können wir solche Bakterienscreenings weiterentwickeln, wären schnell wichtige Rückschlüsse auf die nötige Therapie möglich, ohne dass Ärzte auf aufwändigere Laborwerte warten müssen“, erklärt Sybelle Goedicke-Fritz. „Können wir eine Infektion mit Bakterien erkennen, ist damit die wichtige Frage beantwortet, ob Antibiotika eingesetzt werden können. Antibiotika wirken nur bei Bakterien, sind hingegen wirkungslos bei allen Arten von Viren“, erläutert sie.

Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung fördert die Forschungen zu Covid-Infektionen sowie zu Krankenhauskeimen. Auch der Mukoviszidose-Verein fördert die Arbeiten. Bei der angeborenen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose verringern heute wirksame Therapien die Schleimproduktion in der Lunge. Was für die Betroffenen eine große Erleichterung bedeutet, führt jedoch dazu, dass es schwerer wird, die Patienten regelmäßig auf bakterielle Erreger zu untersuchen, da der abgehustete Auswurf fehlt. „Nach wie vor ist es bei Mukoviszidose nicht möglich, durch nicht-invasive diagnostische Messmethoden, also ohne Eingriff, ein objektives Bild des Entzündungsstatus der Lunge wiederzugeben“, erklärt Sybelle Goedicke-Fritz.

Außerdem wollen die Forscherinnen und Forscher Geruchs-Fingerabdrücke für zahlreiche andere Krankheiten und Infektionen erstellen und der Frage auf den Grund gehen, ob es bei gefährdeten Kindern aussagekräftige Änderungen in ihrem persönlichen Geruchs-Profil gibt. Ins Auge gefasst haben Sybelle Goedicke-Fritz und ihr Team unter anderem Magen-Darm-Erkrankungen wie Helicobacter-Infektion, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Lactoseintoleranz und Fructosemalabsorption, intrauterine Infektionen bei Schwangeren wie ungeborenem Kind, den Schweregrad von Herzinsuffizienz, Wachstums-, Pubertäts-, Schilddrüsenstörungen, aber auch Störungen der Nebenniere oder Diabetes mellitus.

Die Forscherinnen lernen mit den gefundenen Geruchs-Fingerabdrücken Messgeräte an, diese Muster binnen Sekunden bestimmten Infektionen oder Krankheiten zuzuordnen. Damit kann diese Forschung Grundlage sein auch für weitere Vorsorgemaßnahmen im Falle etwa von hochansteckenden Krankheiten: In der Zukunft könnte sie entsprechend weiterentwickelt schnelle Eingangstests in Kliniken ermöglichen und so die Testzentren mit ihren Wartezeiten vor den Krankenhäusern wie zu Covidzeiten ablösen.

Frühgeborenen und Kindern soll der Stress diagnostischer Eingriffe erspart bleiben.

Antrieb für die Forschungen ist der Schutz von Frühgeborenen. Jedes Pflaster, jede Blutabnahme, jedes Kabel, das drückt, bedeutet für ihre kleinen Körper Stress. „Für Früh- und kleine Neugeborene sind schmerzhafte Eingriffe wie Venenpunktionen und die wichtige permanente Verlaufskontrolle belastend. Gleiches gilt natürlich auch für ältere chronisch kranke Kinder. Außerdem dauern Laboruntersuchungen ihre Zeit und bei lebensgefährlichen Infektionen oder einer Blutvergiftung zählt jede Sekunde“, erklärt der Direktor der Universitätskinderklinik, Professor Michael Zemlin. In Deutschland werden jährlich mehr als 60.000 Kinder zu früh geboren. „Ihre Lunge ist anatomisch wie auch biochemisch noch nicht vollständig entwickelt. Gerade für sie stellen Infektionen oder chronische Erkrankungen ein hohes Risiko dar“, erklärt der Mediziner. Für einige dieser Erkrankungen gibt es noch keine Methode zur Früherkennung. „Das Geruchsscreening, an dem wir in Homburg arbeiten, wäre ein bedeutendes diagnostisches Werkzeug, um Infektionen, chronische pulmonale Erkrankungen wie Bronchopulmonale Dysplasie oder auch eine Blutvergiftung früh zu erkennen“, sagt Michael Zemlin.

externer Link: https://www.uni-saarland.de