Biowasserstoff aus Holzabfällen

Presseinformation der Fraunhofer Gesellschaft vom 02.12.2024

Holzabfälle werden bislang kostenintensiv entsorgt und in Verbrennungsanlagen allenfalls energetisch verwertet. In der Region Schwarzwald nutzen Fraunhofer-Forschende die wertvolle Ressource zur Herstellung von Biowasserstoff. Im Verbundvorhaben H2Wood – BlackForest wurden eigens Fermentationsverfahren mit wasserstoffproduzierenden Bakterien und Mikroalgen zur biotechnologischen Erzeugung des grünen Energieträgers entwickelt. Bereits 2025 soll eine Pilotanlage zur Produktion von Biowasserstoff in Betrieb genommen werden. Eine im Rahmen des Projekts veröffentlichte Untersuchung beleuchtet darüber hinaus die Potenziale, Barrieren und Handlungsmaßnahmen zur regenerativen Wasserstofferzeugung aus Rest- und Altholz in der Region Schwarzwald.

In der Region Schwarzwald sind zahlreiche holzverarbeitende Unternehmen ansässig, unter anderem haben sich dort viele Möbelhersteller niedergelassen. Bei der Verarbeitung der Möbel, aber auch bei der Entsorgung von Paletten und beim Abbruch von Gebäuden fallen große Mengen an Holzabfällen an, die bislang in Verbrennungsanlagen entsorgt werden. Da Altholz häufig Holzschutzmittel enthält, die aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung längst verboten sind, muss die Abluft der Verbrennung zudem kostenintensiv gereinigt werden. Für Fraunhofer-Forschende war dies der Anlass, nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten des regionalen Holzabfalls zu suchen. Die Idee: Man könnte das Rest- und Altholz für die Herstellung von regenerativem Wasserstoff verwenden und mithilfe biotechnologischer Prozesse Biowasserstoff aus den Abfällen gewinnen – ganz im Sinne einer holzbasierten Kreislaufwirtschaft. Der Trick: Die Forschenden nutzen den aus dem Holz gewonnenen Zucker für die Produktion von Wasserstoff mittels Bakterien. Dabei entstehendes CO2 setzen sie für die Herstellung von Mikroalgen ein, die auch Wasserstoff produzieren können. An der Realisierung des 2021 initiierten Verbundvorhabens H2Wood – BlackForest sind neben dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA auch die Universität Stuttgart, Institut für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF, und der Campus Schwarzwald beteiligt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF fördert das Projekt mit 12 Millionen Euro.

Der Herstellungsprozess des Biowasserstoffs startet mit der Vorbehandlung des Alt- und Restholzes. Zunächst werden die Holzabfälle, etwa Paletten oder alte Garten-zäune, aufgeschlossen und in ihre Grundbestandteile zerlegt. Hierzu kochen die Forschenden das Holz unter Druck bei bis zu 200 °C in einem Ethanol-Wasser-Gemisch. Lignin sowie Klebstoffe, Lösemittel und Lacke aus den Holzabfällen lösen sich im Ethanol, sodass die chemischen Störstoffe hierbei von der Holzfaser getrennt werden. Im nächsten Schritt wird die beim Kochen übrigbleibende Holzfaserfraktion, die Cellulose, und teilweise die Hemicellulose in einzelne Zuckermoleküle – Glucose und Xylose – gespalten, die den wasserstoffproduzierenden Mikroorganismen als Futter bzw. als Substrat dienen. »Das Trennen von Holz in seine Fraktionen ist ein Prozess, der Erfahrung voraussetzt. Wir nutzen hier unsere jahrelange Expertise, die wir mit dem Aufbau unserer Lignocellulose-Bioraffinerie in Leuna erwerben konnten«, sagt Dr. Ursula Schließmann, stellvertretende Institutsleiterin am Fraunhofer IGB in Stuttgart, bei dem die Projektkoordination und die Technologieentwicklung liegt. Für die Umwandlung der gewonnenen Zucker in Wasserstoff haben die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IGB zwei miteinander verknüpfte Fermentationsverfahren mit wasserstoffproduzierenden Bakterien und Mikroalgen etabliert.

Neben Wasserstoff fallen kohlenstoffbasierte Koppelprodukte an

Bei der Vorbehandlung fallen Nebenprodukte an wie Lignin und bei der biotechnolo-gischen Umwandlung des Holzes wird neben Wasserstoff CO2 freigesetzt, das über die Mikroalgenproduktion zu Koppelprodukten wie beispielsweise Stärke und Carotinoiden umgewandelt wird. Dr. Schließmann erläutert den Kaskaden-Prozess: »Bei der Fraktionierung des Holzes werden die Holzfasern von Lignin befreit, das neben Cellulose und Hemicellulose zwanzig bis dreißig Prozent der Holzzellwandsubstanz bildet. Dieses Lignin, als eines der Koppelprodukte, ist vielseitig einsetzbar – etwa in Verbundwerkstoffen. Ein Anwendungsbeispiel sind Verschalungen im Auto.« Aus den langen Zuckerkettenmolekülen der Cellulose wiederum wird Glucose gebildet, die in den Fermenter mit Bakterien gegeben und als Kohlenstoff-Quelle dem Bakterienwachstum dient. Die Bakterien produzieren Wasserstoff und CO2. Aus dem Gasgemisch trennen die Forschenden das CO2 ab und führen es dem Algenreaktor, einem Photobioreaktor, zu. Die Mikroalgen sind in der Lage, als Kohlenstoff-Quelle CO2 zu nutzen, und sich zu vermehren. Anders als Bakterien benötigen sie keinen Zucker. »Die Stoffwechselprodukte der Bakterien, also der vermeintliche Abfallstrom CO2, stellt also die Nahrung für die Mikroalgen dar und geht nicht als schädliches Klimagas in die Abluft. Die Mikroalgen synthetisieren daraus unter Lichteinfluss Carotinoide bzw. Pigmente als weitere, von unterschiedlichen Industriebranchen verwertbare Koppelprodukte.« In einem zweiten Schritt werden die Mikroalgen in einen speziell dafür entwickelten Reaktor überführt, in dem sie mittels direkter Photolyse Wasserstoff freisetzen.

Biotechnologisches Verfahren mit hoher Wasserstoff-Ausbeute

Die Projektpartner rechnen mit einer hohen Ausbeute: Aus einem Kilogramm Altholz lassen sich zunächst etwa 0,2 Kilogramm Glucose gewinnen. »Anschließend können wir damit mit anaeroben Mikroorganismen 50 Liter H2 herstellen«, sagt Dr. Schließmann. Bei der Fermentation mit den anaeroben Bakterien entsteht auch zu gleichen Anteilen, also 50 Prozent, CO2. Nach Abtrennung des Wasserstoffs aus dem Gasgemisch lassen sich aus ca. zwei Kilogramm CO2 im Photobioreaktor ein Kilogramm Mikroalgenbiomasse erzeugen. Diese Biomasse hat einen Stärkegehalt von bis zu 50 Prozent. Zudem enthält sie das Farbpigment Lutein. Das Koppelprodukt Algenbiomasse könnte beispielsweise mittels Bakterien für Kunststoffkomponenten genutzt werden.

Die modular erweiterbare Pilotanlage mit den drei Biorektoren wird derzeit aufgebaut. Anfang 2025 soll die Bioraffinerie am Campus Schwarzwald den Betrieb aufnehmen. Unterschiedliche Prozessschritte lassen sich künftig modular kombinieren – eine ideale Voraussetzung für die Erprobung neuer Technologien.

Wasserstoff-Roadmap für die Region Schwarzwald

Im Projekt widmet sich das Fraunhofer IPA gemeinsam mit dem Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF im Rahmen einer Untersuchung der Frage, wie der lokale Bedarf an grünem Wasserstoff in den Sektoren Industrie, Verkehr sowie Haushalte und Gebäude gedeckt werden kann und welche Mengen an Rest- und Altholz für dessen Erzeugung verfügbar sind. Ergebnis dieser Wasserstoff-Roadmap sind zudem Handlungsempfehlungen für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft in der Region Schwarzwald. Die vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen die Förderung von Forschung und Entwicklung, den Ausbau der regionalen Wasserstoffinfrastruktur sowie die Stärkung der Sektorkopplung, um den Wasserstoff als integralen Bestandteil der Energiewende zu etablieren. »Die Untersuchung zeigt, dass die Region Schwarzwald ein signifikantes Potenzial für die Erzeugung von Wasserstoff aus lokalen Ressourcen besitzt, dieses Potenzial jedoch nur durch die Weiterentwicklung der Technologien und den Ausbau der Infrastruktur vollständig ausgeschöpft werden kann«, sagt Vladimir Jelschow, Wissenschaftler am IPA und einer der Autoren der Wasserstoff-Roadmap.

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Ein Nanopartikel wie ein weihnachtlicher Stern

Presseinformation der Universität Tübingen vom 18.12.2024

Experimente mit einem Silbercluster in der Chemie ergaben eine sechszählige Struktur.

Pünktlich zur Winter- und Weihnachtszeit haben Professor Andreas Schnepf, Dr. Claudio Schrenk und Mike Kordan vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Tübingen ihre Forschungsarbeit zu einem neuen künstlichen Nanopartikel mit sechszähliger Struktur veröffentlicht: Sein Molekülmodell erinnert an einen Eiskristall oder ein weihnachtliches Fensterbild. Damit eroberte das Tübinger Team den begehrten Platz auf dem Titelbild der Fachzeitschrift Chemistry A European Journal.

Der Nanogrößenbereich bewegt sich in den Millionstel Millimetern. Teilchen in der Größe von ein bis hundert Nanometern können natürlicherweise zum Beispiel bei Vulkanausbrüchen oder Waldbränden entstehen, sie werden aber auch synthetisch hergestellt, um bestimmte Eigenschaften zu erreichen. Die Konstruktion künstlicher Nanopartikel mit unterschiedlichen Funktionen ist ein großer Forschungsbereich. Einsatzmöglichkeiten für die winzigen Teilchen gibt es zum Beispiel bei Haushaltsprodukten oder in der Medizin für den Medikamententransport im Körper. In der Chemie können Nanopartikel zur Steuerung bestimmter Reaktionen verwendet werden.

Vohersagen kaum möglich

Bei den künstlichen metallischen Nanopartikeln sei bisher häufig Gold verwendet worden, berichtet Andreas Schnepf. Er hat gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe bei der Erforschung von Nanopartikeln nun mit Silber experimentiert. „Uns interessiert der Grenzbereich zwischen den Silberatomen im Festkörper und verschiedenen Molekülen. Wir lernen viel darüber, wie diese sich verhalten.“ Das Ziel sind Nanopartikel mit interessanten Eigenschaften, die auch stabil sind. Dazu werden Silbercluster im Labor mit unterschiedlichen Liganden hergestellt und getestet.

„Das ist klassische Laborarbeit. Unser Verständnis der Nanopartikelchemie reicht nicht aus, um theoretisch per Computerprogramm Vorhersagen über die Eigenschaften und Stabilität von neuen Konstruktionen zu treffen“, erklärt der Chemiker. „Auch können wir die Liganden eines solchen Partikels nicht einfach Schritt für Schritt austauschen. Mit jedem neuen Molekül kann sich alles ändern.“ Auch die Struktur lasse sich nicht vorausberechnen. Schnepf und seine Arbeitsgruppe synthetisierten den bisher größten Silbercluster, der nur Phosphine – Phosphorethylgruppen – und Halogenide, hier Chlor, als Liganden hat: Ag108(PEt3)24Cl6, so die chemische Summenformel.

„Die meisten Nanopartikel haben eine kugelige Form. Unser Silbercluster hat uns überrascht. Er ist sechseckig und sieht von der Seite aus wie ein flaches Paket“, sagt Schnepf. Seine Arbeit gehöre klar in die Grundlagenforschung, sagt er. Künftige Anwendungsbereiche des neuen Nanopartikels könnten vor allem in der Katalyse liegen, also der Lenkung bestimmter chemischer Reaktionen, sowohl für die Forschung selbst als auch in der Technik.

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Mit KI schneller zu besseren Photovoltaik-Materialien

Presseinformation des Karlsruher Institut für Technologie vom 13.12.2024

Forschende zeigen, wie der Einsatz maschinellen Lernens die Suche nach neuen halbleitenden Molekülen für Perowskit-Solarzellen enorm beschleunigt. Perowskit-Solarzellen gelten als flexible und nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Solarzellen auf Siliziumbasis. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gehören zu einem internationalen Team, das innerhalb weniger Wochen neue organische Moleküle gefunden hat, mit denen sich der Wirkungsgrad von Perowskit-Solarzellen steigern lässt. Das Team kombinierte dabei geschickt den Einsatz von KI mit vollautomatischer Hochdurchsatz-Synthese. Die entwickelte Strategie ist auf andere Bereiche der Materialforschung übertragbar, etwa auf die Suche nach neuen Batteriematerialien. Die Forschenden berichten aktuell in Science (DOI: 10.1126/science.ads0901). 

Wer unter 1 000 000 Molekülen jene herausfinden will, die als Leiter positiver Ladung Perowskit-Solarzellen besonders effizient machen, muss diese Million Moleküle herstellen und testen – oder so vorgehen, wie es Forschende rund um Tenure-Track-Professor Pascal Friederich vom Institut für Nanotechnologie des KIT und Professor Christoph Brabec vom HI ERN und getan haben. „Mit nur 150 gezielten Experimenten konnte ein Durchbruch erzielt werden, der sonst Hunderttausende von Tests erfordert hätte. Der entwickelte Workflow eröffnet neue Möglichkeiten für die schnelle und kosteneffiziente Entdeckung leistungsstarker Materialien in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern“, sagt Brabec. Mit einem der so entdeckten Materialien steigerten sie den Wirkungsgrad einer Referenz-Solarzelle um rund zwei Prozent auf 26,2 Prozent. „Dieser Erfolg zeigt, dass man bei der Entwicklung neuer Energiematerialien mit einer geschickten Strategie enorm Zeit und Ressourcen einsparen kann“, so Friederich.

Ausgangspunkt am HI ERN war eine Datenbank mit den Strukturformeln von rund einer Million virtuellen Moleküle, die aus handelsüblichen Substanzen herstellbar wären. Von 13 000 dieser virtuellen Moleküle, nach dem Zufallsprinzip ausgelesen, berechneten die Forschenden am KIT mit etablierten quantenmechanischen Methoden Energieniveaus, Polarität, Geometrie und andere Merkmale.

KI-Training mit Daten von nur 101 Molekülen

Aus diesen 13 000 Molekülen wählten die Forschenden wiederum 101 Moleküle aus, die sich in ihren Merkmalen möglichst stark unterschieden. Diese wurden am HI ERN mit Hilfe eines Robotersystems automatisch hergestellt und damit ansonsten baugleiche Solarzellen gefertigt. Anschließend maßen sie deren Wirkungsgrad. „Für den Erfolg unserer Strategie war entscheidend, dass wir dank unserer hochautomatisierten Syntheseplattform wirklich vergleichbare Proben erzeugten und somit verlässliche Werte für den Wirkungsgrad ermittelten“, sagt Christoph Brabec, der die Arbeiten am HI ERN leitete.

Mit den erzielten Wirkungsgraden und den Merkmalen der zugehörigen Moleküle trainierten die Forschenden des KIT ein KI-Modell. Das Modell schlug dann weitere 48 Moleküle zur Synthese vor, basierend auf zwei Kriterien: ein erwartender hoher Wirkungsgrad und unvorhersehbare Eigenschaften. „Wenn sich das Machine-Learning-Modell bei der Prognose des Wirkungsgrades unsicher ist, lohnt es sich, das Molekül herzustellen, um es näher zu untersuchen“, erklärt Pascal Friederich das zweite Kriterium. „Es könnte mit einem hohen Wirkungsgrad überraschen.“

Tatsächlich ließen sich mit den von der KI vorgeschlagenen Molekülen überdurchschnittlich effiziente Solarzellen bauen, darunter auch solche, die modernste andere Materialien übertreffen. „Wir können nicht sicher sein, wirklich das Beste unter einer Million Moleküle gefunden zu haben, aber wir sind ganz gewiss nahe am Optimum“, sagt Friederich, Tenure-Track-Professor für Künstliche Intelligenz in der Materialwissenschaft.

KI versus chemische Intuition

Die Forschenden können die Molekülvorschläge der KI in gewissem Ausmaß nachvollziehen, da die verwendete KI angibt, welche Merkmale der virtuellen Moleküle für ihre Vorschläge ausschlaggebend waren. Es zeigte sich, dass sich die KI-Vorschläge teilweise auch auf Merkmale stützten, z.B. das Vorhandensein bestimmter chemischer Gruppen wie Amine, die Chemiker bisher weniger beachtet hatten.

Christoph Brabec und Pascal Friederich sind überzeugt, dass ihre Strategie vielversprechend für die Materialforschung auch in anderen Anwendungsbereichen ist oder auf die Optimierung ganzer Bauelemente ausgeweitet werden kann.

Die Forschungsergebnisse, die in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Erlangen-Nürnberg, des südkoreanischen Ulsan National Institute of Science, der chinesischen Xiamen University und der University of Electronic Science and Technology in Chengdu, China, entstanden sind, wurden kürzlich im renommierten Journal „Science“ veröffentlicht.

externer Link: https://www.kit.edu

Hybrides Quantencomputing für Produktion und Logistik: JKU Linz und QMware zeigen Anwendungspotenzial für die produzierende Industrie

Pressemitteilung der Johannes Kepler Universität vom 11.12.2024

Quantencomputing bietet Lösungen für hochkomplexe Probleme und treibt Innovationen in Bereichen wie Medizin, Logistik und Finanzen voran. Die Johannes Kepler Universität Linz nimmt dabei gemeinsam mit dem Start-up QMware eine Vorreiterinnenrolle ein.

Trotz seiner frühen Entwicklungsphase zeigt die Technologie bereits transformative Ansätze. Die JKU leistet hier schon länger Pionierarbeit. Im jüngsten Projekt zeigt das Team um Dr. Felix Gemeinhardt (Abteilung theoretische Biophysik der JKU) gemeinsam mit dem Quantencomputing-Start-up QMware, wie diese neuartige Form der Datenverarbeitung einen echten Mehrwert in der produzierenden Industrie leisten kann. Die Kooperation wurde im Rahmen des European Digital Innovation Hub AI5Production durchgeführt und gefördert.

Konkreter Anwendungsfall: Das Lot-Sizing-Problem
Im Rahmen des „Test Before Invest“-Projekts haben sich fachübergreifend das Institut für Wirtschaftsinformatik – Software Engineering sowie das Institut für Produktions- und Logistikmanagement an der JKU mit dem Quantencomputing-Start-up QMware zusammengetan, um anhand einer konkreten Problemstellung den Mehrwert des Quantencomputing für industrielle Anwendungen zu prüfen. Das Projekt „Hybrid quantum-classical optimization for the lot-sizing problem (HyQOLoS)“ betrachtet Herausforderungen, wie sie in der produzierenden Industrie an der Tagesordnung sind: Das Lot-Sizing-Problem fragt, wie viel eines Produkts wann produziert oder bestellt werden sollte, um Kosten zu minimieren. Faktoren wie Lagerkosten und Produktionskapazitäten machen diese Planungbesonders komplex. Das HyQOLoS-Projekt kombiniert klassische und Quantenmethoden, um schwierige Teilprobleme effizient zu lösen und damit die Unternehmensprozesse zu optimieren.

Hybrides Quantencomputing: Ein neuer Ansatz für komplexe Rechenleistungen
Quantencomputing steckt zwar noch in den Anfängen, doch hybride quanten-klassische Lösungen ebnen bereits den Weg für praktische Anwendungen. Das Wiener Start-up QMware hat sich auf die Kombination von klassischer und quantenbasierter Technologie spezialisiert. Mit der hybriden Cloud-Plattform von QMware konnte das Team der JKU neue Algorithmen entwickeln und testen, die klassische und quantenbasierte Ansätze intelligent verknüpfen. Diese Algorithmen nutzen die jeweiligen Stärken beider Ansätze und bieten dadurch praxisorientierte Lösungen für industrielle Herausforderungen. Die Entwicklung solcher hybriden Ansätze verlangt nicht nur spezialisierte Hardware, sondern auch innovative Software, die klassische und quantenbasierte Komponenten effizient integriert. Dieser Ansatz zeigt, wie sich das Potenzial des Quantencomputings schon heute auf konkrete Problemstellungen anwenden lässt.

HyQOLoS: Zukunftsaussichten und industrielle Anwendungen
Mit HyQOLoS haben die JKU und QMware bewiesen, dass hybrides Quantencomputing praktische Mehrwerte schafft und eine Basis für künftige technologische Entwicklungen legt. Das Team hat eine prototypische Anwendung hervorgebracht, die reale industrielle Herausforderungen bewältigen kann. Gleichzeitig zeigt das Projekt, wie KMUs durch Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Programmen wie dem European Digital Innovation Hub AI5Production innovative Lösungen umsetzen können.

externer Link: https://www.jku.at/

Mit Simulationssoftware auf dem Weg zu klimaresilienten Gebäuden

Presseinformation der Fraunhofer Gesellschaft vom 02.12.2024

Sturm, Hagel, Hochwasser, Überschwemmungen – Wetterextreme haben in den vergangenen Jahren Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Im Projekt ResCentric haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI eine Simulationssoftware entwickelt, mit der sich Risiken bei baulichen Infrastrukturen identifizieren, die Wahrscheinlichkeit und die Höhe der Kosten von Schäden berechnen und Maßnahmen zum Schutz von Immobilien bei Klimarisiken ermitteln lassen. Im Fokus steht die Resilienz von Gebäuden.

Nicht zuletzt die Überschwemmungen im Ahrtal und die Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland im Juni dieses Jahres haben gezeigt, wie verwundbar unsere Infra-strukturen sind. Nach Angaben des Verbands der Deutschen Versicherungsgesellschaft (GDV) steigen die versicherten Schäden an Häusern, Hausrat und Betrieben jedes Jahr um Beträge im mehrstelligen Millionenbereich. Vorbeugende bauliche Maßnahmen und Anpassungen an Klimafolgen werden angesichts der Zunahme von Extremwetterereignissen unerlässlich. Im Projekt ResCentric hat das Fraunhofer EMI gemeinsam mit einem Industriepartner eine Software für die Bewertung der Folgen von Wetterextremen entwickelt. Die Simulationssoftware bewertet die Schäden und Ausfallzeiten von mehrstöckigen Verwaltungs- und Bürogebäuden, Industriehallen oder Einfamilienhäusern, wobei der Schwerpunkt auf Starkregen-Hochwasser- und Starkwindszenarien liegt. In künftigen Versionen sollen auch Hitzewellen und Waldbrände berücksichtigt werden.

»Starkregen ist besonders gefährlich, da er ohne Vorwarnung einsetzt. Er tritt immer häufiger auf und richtet oftmals großen Schaden an. Unser übergeordnetes Ziel ist die Stärkung der Resilienz urbaner Strukturen«, sagt Dr. Julia Rosin, Wissenschaftlerin am Fraunhofer EMI in Efringen-Kirchen bei Freiburg. Mit ihrem Team entwickelt sie die Plattform, mit der sich die monetären Auswirkungen von klimatischen Extremwetterereignissen bewerten und Strategien zur Schadensminderung ermitteln lassen, wobei die Kosten im Vergleich zu finanziellen Schäden berücksichtigt und Intensitäten, Risiken und Auftretenswahrscheinlichkeiten von Klima-Extremen einkalkuliert werden. »Die Software versetzt uns in die Lage, gebäudespezifisch zu berechnen, welche Kosten infolge von Schäden durch Klimaphänomene auftreten und wie hoch die Kosten der Instandsetzung sind. Besonders an unserer Entwicklung ist, dass wir die Kosten präzise ihrer Ursache zuordnen können. Zudem können wir die ausfallbedingten Einnahmeverluste infolge fehlender Mieten oder durch Produktionsausfälle analysieren und so ermitteln, wann sich Maßnahmen zur Verbesserung der Immobilien amortisieren«, so Rosin. Von den Berechnungen profitieren Immobilieninvestoren, Versicherungsgesellschaften, Rückversicherungen, Wohnungsbaugesellschaften, aber auch Verwaltungsbehörden. Darüber hinaus lassen sich neben den eigentlichen Schäden auch Versagensmuster identifizieren, mögliche Schadenswahrscheinlichkeiten quantifizieren, Verbesserungsmaßnahmen qualifizieren und deren Effizienz bewerten. Ob Türen, Fenster, Lichtschächte und Tiefgarageneinfahrten – alles gehört auf den Prüfstand. »Moderne Türen mit dreifacher Dichtung können verhindern, dass Wasser eindringt. Auch durch den Austausch von Fenstern mit Dreifachverglasung kann man Wasserschäden vorbeugen. Unsere Software liefert einen ganzen Katalog an präventiven Maßnahmen inklusive der jeweils anfallenden Kosten.«

Auf dem Prüfstand: Schadensberechnung von Gebäuden

Immobilienunternehmen können ihren Immobilienbestand bzw. ihr Gebäudeportfolio in die Software einlesen, die dann in Sekundenschnelle für ein spezielles Gebäude und ein Wetterereignis eine entsprechende Schadensprognose berechnet. Dies gelingt unter anderem mithilfe von generischen Gebäudemodellen, einem zentralen Element der Software. Das sind vereinfachte mathematische Modelle, die typische Merkmale von Gebäuden in Bezug auf ihre Struktur, Materialien und Bauweise berücksichtigen. Diese Modelle stellen eine breite Palette von Gebäudetypen dar und können verwendet werden, um die Vulnerabilität einer großen Anzahl von Gebäuden gegenüber Hochwasser zu bewerten. Probabilistische Analysen generischer Gebäudemodelle basieren auf der Verwendung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen für verschiedene Parameter, z. B. die Höhe des Hochwassers, der Fließgeschwindigkeit des Wassers, Windstärken, die Größe von Hagelkörnern, herumfliegende Gegenstände oder Festigkeitswerte der Konstruktionswerkstoffe. Durch die Kombination dieser Wahrscheinlichkeitsverteilungen können Rosin und ihr Team statistische Aussagen über die Wahrscheinlichkeit zu erwartender Schäden ableiten. »Wir berechnen quasi ein Typengebäude und übertragen die Ergebnisse auf alle Gebäude, die diesem ähnlich sind«, erklärt die Forscherin. Aktuell liegen Gebäudemodelle von mehrstöckigen Verwaltungs- und Bürogebäuden, Industriehallen und Einfamilienhäusern vor, das Portfolio soll jedoch sukzessive erweitert werden. Ebenfalls geplant ist, die Software künftig über Schnittstellen mit digitalen Stadtmodellen zu verknüpfen. Kommunen könnten dann städtebaulich auf die Anforderungen des Klimawandels reagieren und nötige Vorkehrungen umsetzen.

externer Link: https://www.fraunhofer.de/