Mechanismus zur Reparatur von verklumpten Proteinen aufgeklärt

Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 19.11.2012

Heidelberger Wissenschaftler entschlüsseln die Funktion bestimmter molekularer Chaperone

Verklumpte Proteine können mit Hilfe zellulärer Reparatursysteme aufgelöst werden – ein Prozess, der für das Überleben von Zellen gerade unter Stressbedingungen von vitaler Bedeutung ist. Der fundamentale Mechanismus zur Auflösung von Proteinaggregaten, bei dem bestimmte molekulare Chaperone zum Einsatz kommen, ist jetzt von Heidelberger Wissenschaftlern entschlüsselt worden. Beteiligt waren Forscher des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums, die mit Experten des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien zusammengearbeitet haben. Die Forschungsergebnisse wurden in zwei zeitgleich erscheinenden Arbeiten in der Fachzeitschrift „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlicht.

Proteine bestehen aus langen Ketten aufeinanderfolgender Aminosäuren und üben lebensnotwendige Funktionen in jeder Zelle aus. Um Funktionalität zu erreichen, muss zunächst jede Aminosäurekette eine bestimmte dreidimensionale Struktur einnehmen – sie muss sich falten. Eine Änderung der Wachstumsbedingungen wie zum Beispiel ein Anstieg der Umgebungstemperatur kann dazu führen, dass Proteine ihre Struktur verlieren und sich entfalten. Dabei besteht die Gefahr, dass entfaltete Proteinketten miteinander verklumpen und Proteinaggregate bilden. „Kommt es zur Bildung solcher Aggregate, hat dies den Funktionsverlust der Proteine zur Folge und kann zum Zelltod führen, wie dies bei neurodegenerativen Erkrankungen, etwa Alzheimer und Parkinson, oder auch bei Alterungsvorgängen der Fall ist“, so Prof. Dr. Bernd Bukau, der Direktor des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) ist und zugleich am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) forscht.

Eine Verklumpung muss jedoch nicht unbedingt den Endpunkt im Lebenszyklus eines Proteins darstellen. „Zellen besitzen Reparatursysteme für beschädigte Proteine, sogenannte molekulare Chaperone, die sogar aggregierte Proteine auflösen und zurückfalten können“, erläutert Privatdozent Dr. Axel Mogk, der ebenfalls dem ZMBH und dem DKFZ angehört. Die „Reparatur“ wird durch ein kooperierendes Team von zwei Chaperonen – der französische Ausdruck für „Anstandsdame“ – mit den Bezeichnungen Hsp70 und Hsp100 bewerkstelligt. Die Heidelberger Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass die Aktivität des Hsp100-Chaperons durch einen eingebauten molekularen Schalter reguliert wird.

Dieser Schalter ist zunächst so positioniert, dass er den Energieverbrauch, das heißt die ATP-Hydrolyse, und damit die Aktivität des Hsp100-Chaperons drosselt. Das kooperierende Hsp70-Protein verändert die Stellung des Schalters und aktiviert Hsp100 direkt am Proteinaggregat. In diesem Zustand läuft der „Motor“ des ringförmigen Hsp100-Proteins auf vollen Touren, entwickelt seine komplette Leistungsfähigkeit und kann einzelne Ketten aus dem Aggregat herausziehen. Das herausgelöste, entfaltete Protein hat danach wieder die Chance, die Faltung von vorne zu beginnen. Die Heidelberger Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass die Aktivitätskontrolle von Hsp100 durch den eingebauten Schalter von essentieller Bedeutung für diese komplizierte Proteinmaschine ist, da der Regulationsverlust in hyperaktiven – also permanent aktivierten – Hsp100-Proteinvarianten zum Zelltod führt.

Die Forschungsarbeiten sind Teil der DKFZ-ZMBH-Allianz, der strategischen Zusammenarbeit des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg. Am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) werden neue theoretische Ansätze zur Interpretation der rasch wachsenden Menge experimenteller Daten entwickelt.

Originalveröffentlichungen:

F. Seyffer, E. Kummer, Y. Oguchi, J. Winkler, M. Kumar, R. Zahn, V. Sourjik, B. Bukau & A. Mogk: Hsp70 proteins bind Hsp100 regulatory M domains to activate AAA+ disaggregase at aggregate surfaces, Nature Structural & Molecular Biology, 18 November 2012, doi: 10.1038/nsmb.2442

Y. Oguchi, E. Kummer, F. Seyffer, M. Berynskyy, B. Anstett, R. Zahn, R.C. Wade, A. Mogk & B. Bukau: A tightly regu-lated molecular toggle controls AAA+ disaggregase, Nature Structural & Molecular Biology, 18 November 2012, doi: 10.1038/nsmb.2441

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Biochemiker entdecken neuen Mechanismus bei der Bildung von Ribosomen

Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 02.11.2012

Als Anhalter in den Zellkern: Protein steuert synchronisierten Transport von Ribosomenbestandteilen

Einen neuen Mechanismus bei der Bildung von Ribosomen haben Wissenschaftler des Biochemie-Zentrums der Universität Heidelberg entdeckt. In einem interdisziplinären Ansatz beschreiben die Heidelberger Forscher gemeinsam mit Kollegen aus der Schweiz und Japan ein bislang unbekanntes Protein, das bei der Ribosomenherstellung in Eukaryoten – dies sind alle Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern besitzen – eine besondere Rolle spielt. Dieses Protein sorgt dafür, dass bestimmte für die Bildung der Ribosomen erforderliche Bestandteile wie „Anhalter“ gemeinsam an den Ort transportiert werden, an dem der Herstellungsprozess stattfindet. Die Forschungsergebnisse wurden in „Science“ veröffentlicht.

Ribosomen – die Proteinfabriken der Zelle – sind makromolekulare Komplexe aus Ribonukleinsäuren (RNA) und ribosomalen Proteinen (r-Proteine), die in einer speziellen dreidimensionalen Struktur arrangiert sind. Die korrekte Ribosomenherstellung ist von entscheidender Bedeutung für das Überleben aller Zellen und ein nach strengen Regeln ablaufender Prozess. Die Bildung neuer Ribosomen vollzieht sich bei Eukaryoten hauptsächlich im Zellkern. Dazu müssen die für die Herstellung erforderlichen r-Proteine aus dem Zellplasma an den Ort im Zellkern transportiert werden, an dem die Ribosomen zusammengesetzt werden. Bisher war unklar, ob r-Proteine, die eine ähnliche Funktion besitzen und daher in der Ribosomenstruktur funktionelle Cluster bilden, nicht auch zusammen in den Zellkern transportiert werden.

Die Wissenschaftler haben nun ein Protein entdeckt, das den gemeinsamen Transport bestimmter r-Proteine in funktionalen Clustern in den Zellkern koordiniert. Es trägt den Namen Symportin1, der den „synchronisierten Import“ bezeichnet. „Symportin1 synchronisiert den Import der beiden r-Proteine Rpl5 und Rpl11 in den Zellkern und unterstützt deren Einbau in die wachsende Ribosomenstruktur“, erläutert Prof. Dr. Irmgard Sinning vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH). „Dabei kommt ein logistisches Konzept zum Einsatz, das aus dem Alltag bekannt ist, etwa wenn wir im Auto einen Anhalter mitnehmen oder uns ein Taxi teilen, weil wir dasselbe Ziel haben“, sagt Dr. Gert Bange vom BZH, der gemeinsam mit Dr. Dieter Kressler (jetzt Universität Fribourg) Erstautor der Veröffentlichung ist.

Die Wissenschaftler der Universität Heidelberg und der Universität Fribourg (Schweiz) haben bei ihrer Forschung eng mit Kollegen der japanischen Universität Osaka zusammengearbeitet. „Die Kombination verschiedener Methoden in einem Spektrum von ‚klassischer‘ Zellbiologie bis hin zu neuen biophysikalischen Ansätzen war die entscheidende Grundlage dafür, dass wir diesen bisher nicht bekannten biologischen Mechanismus nun detailliert beschreiben können“, betont Prof. Dr. Ed Hurt, der ebenfalls Mitglied des BZH ist. Bei den Untersuchungen kam die Kristallisationsplattform des Biochemie-Zentrums zum Einsatz; die Forschungsarbeiten wurden vom Exzellenzcluster „CellNetworks“ der Universität Heidelberg unterstützt.

Originalpublikation:
D. Kressler, G. Bange, Y. Ogawa, G. Stjepanovic, B. Bradatsch, D. Pratte, S. Amlacher, D. Strauß, Y. Yoneda, J. Katahira, I. Sinning, E. Hurt: Synchronizing Nuclear Import of Ribosomal Proteins with Ribosome Assembly, Science (2 November 2012), Vol. 338 no. 6107, 666-671, doi: 10.1126/science.1226960

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Bärtierchen funktionieren wie Instantkaffee

Pressemitteilung der Universität Stuttgart vom 15.10.2012

Proteine von Überlebenskünstlern identifiziert

„Einfach Wasser zugeben“ – diese Vorgehensweise ist von Lebensmittelprodukten wie etwa Instantkaffee bekannt, die dann innerhalb kürzester Zeit zu verwenden sind. Doch das Prinzip funktioniert auch, um Zellen zu stabilisieren. Welche Proteine dabei im Spiel sind, hat der Stuttgarter Bärtierchenforscher Dr. Ralph Schill gemeinsam mit Kollegen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, der Molekularbiologie an der Technischen Fachhochschule Wildau und der Bioinformatik an der Universität Würzburg jetzt erstmals umfassend nachgewiesen.

Bärtierchen leben hierzulande zwischen Moosen und sind häufigen Veränderungen des Mikroklimas ausgesetzt, die ihr Überleben direkt beeinflussen. Doch die nur einen Millimeter großen Winzlinge sind echte Überlebenskünstler: Wenn es Bärtierchen zu kalt oder zu trocken wird, ziehen sie ihre Beinchen ein und kugeln sich zu so genannten Tönnchen zusammen. In diesem Stadium trocknen alle Zellen komplett aus und die Tierchen können lange Zeiträume überdauern. Regnet es und die Umgebung wird wieder feucht, dann quellen die Tiere auf und können innerhalb einer knappen halben Stunde wieder aktiv werden, als ob es den Tod auf Zeit nicht gegeben hätte.

Diese Fähigkeiten, die junge und erwachsenen Tiere, aber auch Embryonen zeigen, waren schon Ende des 18. Jahrhunderts bekannt und stehen seither im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses – seit knapp zehn Jahren auch an der Universität Stuttgart, wo Dr. Ralph Schill und seine Arbeitsgruppe die faszinierenden Modellorganismen als eine der ganz wenigen Forschergruppen weltweit erfolgreich im Labor halten. Studien über die Gene und Proteine, die für die Austrockungstoleranz eine Rolle spielen, gibt es daher inzwischen eine ganze Reihe. Dagegen fehlte es bisher an einer umfassenden Charakterisierung von Proteinen und entsprechenden Datenbanken. Der Forschergruppe um Dr. Schill gelang es jetzt erstmals, mehr als 3.000 Proteine in Bärtierchen- Embryonen sowie in getrockneten und aktiven Bärtierchen zu identifizieren und zu vergleichen. Dabei wurden eine ganze Reihe neuer Stress-, Transport und Kanalproteine entdeckt, die auch bei anderen, ebenfalls trockentoleranten Organismen vorkommen. Verschiedene Stressproteine können andere Proteine in den Zellen beim eintrocknen stabilieren. Nach dem Rehydrieren kommen vor allem Reparaturproteine zum Einsatz, die beschädigte Stukturen neu falten oder effektiv beseitigen, um diese zu ersetzen.

Diese ausführliche Proteomanalyse ist ein weiterer Schritt, um zu verstehen, wie sich Leben in der Natur selbst über lange Zeiträume konservieren kann. Mit den Erkenntnissen lassen sich neue Methoden entwickeln, um Makromoleküle, Zellen und ganze Organismen besser zu konservieren. Bis sich die Ergebnisse in eine praktische Anwendung, zum Beispiel in Biobanken, umsetzen lassen, müssen Ralph Schill und seine Kollegen allerdings noch einiges von den Bärtierchen lernen.

Originalpublikation:
Schokraie E, Hotz-Wagenblatt A, Warnken U, Mali B, Frohme M, Förster F, Dandekar T, Hengherr S, Schill RO, Schnölzer M (2012) Comparative proteome analysis of Milnesium tardigradum in early embryonic state versus adults in active and anhydrobiotic state.
PLoS ONE 7(9): e45682. doi:10.1371/journal.pone.0045682

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RNA-Moleküle packen aus

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 02.10.2012

Forscher klären, wie Erbinformationen in Zellen gelesen werden

Die richtige Verpackung der DNA im Zellkern entscheidet darüber, ob die genetische Information sicher verstaut ist oder aktiv abgelesen werden kann. Regensburger und Münchner Wissenschaftler haben jetzt gezeigt, dass kleine RNA-Moleküle die verpackte DNA gezielt zugänglich machen und so das Ablesen bzw. Abschreiben der DNA ermöglichen.

Unsere Erbinformation ist auf einem etwa zwei Meter langen und zwei Milliardstel Meter (Nanometer) schmalen DNA-Molekül verschlüsselt. Dieser extrem dünne und empfindliche DNA-Faden ist an Proteine gebunden, die das Molekül geschützt und kompakt in dem 100.000-fach kleineren Zellkern unterbringen. Die verpackte DNA, die auch als Chromatin (DNA-Protein-Komplex) bezeichnet wird, ist dabei wie die Perlen einer Kette auf Millionen von aneinander gereihten, kleinen Proteinspulen aufgewickelt. Die Perlenkette liegt demnach nicht ausgestreckt vor, sondern ist mehrfach gewunden. Das auf diese Weise stark verdichtete Chromatin schützt die DNA, jedoch wird diese gleichzeitig unzugänglich für das Auslesen der enthaltenen Erbinformation. Entsprechend muss die Zelle Mechanismen besitzen, um die jeweils benötigte Information zu finden und die entsprechende DNA-Region gezielt auszupacken.

Zwei Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Gernot Längst (Universität Regensburg) und Prof. Dr. Axel Imhof (LMU München) konnten nun bei der Fruchtfliege Drosophila einen neuen Mechanismus identifizieren, bei dem sogenannte snoRNA-Moleküle an das Chromatin binden und die DNA-Verpackung gezielt öffnen. Auf diese Weise ermöglichen sie das Auslesen der Erbinformation. snoRNAs sind kleine RNA-Moleküle, die in großer Zahl im Zellkern vorkommen, aber bislang von der Forschung mit anderen Aufgaben in der Zelle in Verbindung gebracht wurden.

Wie es zu fehlerhaften Freilegungen der DNA-Verpackung und damit zur Degeneration von Zellen kommen kann, ist eine der zentralen Fragestellungen der Entwicklungsbiologie und der Tumormedizin. Die Untersuchungen aus Regensburg und München ermöglichen ein tieferes Verständnis dieser Prozesse. Es gilt nun zu untersuchen, inwieweit sich die Beobachtungen der Forscher auch für Säugetierarten bestätigen lassen.

Die Ergebnisse sind vor Kurzem in der renommierten Fachzeitschrift „Molecular Cell“ veröffentlicht worden (DOI:10.1016/j.molcel.2012.08.021). (Alexander Schlaak)

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Ein Laser als Minischere

Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum vom 28.09.2012

Genaktivität im gesamten Erbgut von vielzelligen Pilzen auf einen Schlag analysiert

RUB-Biologen verknüpfen Laserschnitttechnik mit modernen Sequenziermethoden

Mit einer Kombination aus mikroskopischer Laserschere und modernen Sequenziermethoden haben Biologen der Ruhr-Universität die Genaktivität im gesamten Erbgut bestimmter Pilze auf einen Schlag analysiert. Gerade bei Organismen in Millimetergröße ist das eine besondere Herausforderung, da nur wenig Zellmaterial zur Verfügung steht. Die Methode nutzten die Wissenschaftler vom RUB-Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik, um die Entwicklung von kleinen vielzelligen Pilzen zu untersuchen. Die Ergebnisse berichten sie in der Fachzeitschrift BMC Genomics.

Die Genaktivität unterscheidet sich von Gewebe zu Gewebe

In vielzelligen Organismen enthält jede Zelle das gleiche Erbgut, allerdings ist oft nur ein Teil der Gene aktiv. Diese Unterschiede in der sogenannten Genexpression bewirken die Variation im Aufbau und der Physiologie von Zellen. Die Genexpression ist somit der Schlüssel, um die Entwicklung vielzelliger Organismen zu verstehen. „In großen Organismen wie Pflanzen ist es meist kein Problem, an genügend Ausgangsmaterial für die Untersuchung der Genexpression zu gelangen“, erklärt PD Dr. Minou Nowrousian. „Bei Mikroorganismen bestehen Organe allerdings oft nur aus wenigen Zellen, die außerdem teilweise in andere Gewebe eingebettet sind und sich schlecht von diesen trennen lassen.“ Um dennoch die Genaktivität während der Entwicklung bestimmter gerade mal 0,5 Millimeter großer sexueller Strukturen von Pilzen analysieren zu können, kombinierten die Bochumer Biologen um Prof. Dr. Ulrich Kück und Minou Nowrousian die Laser-Mikrodissektion mit modernen Sequenziertechniken.

So funktioniert die Laser-Mikrodissektion

Bei der Laser-Mikrodissektion schneiden Wissenschaftler unter dem Lichtmikroskop definierte Bereiche aus einer Probe mit einem Laserstrahl aus. Mit dieser Laser-Minischere sammelten die RUB-Forscher die Fruchtkörper, also die sexuellen Strukturen, des Pilzes Sordaria macrospora, der seit Jahrzehnten ein Modellorganismus für die Entwicklungsbiologie ist. Aus den Fruchtkörpern isolierten sie die RNA, die die Genaktivität reflektiert. Mit Hilfe der „Next-Generation“-Sequenzierung entschlüsselten sie dabei die Aktivität von allen Genen des Erbguts gleichzeitig.

Ein Transkriptionsfaktor steuert die Genaktivität in jungen Fruchtkörpern

Die Bochumer Forscher verglichen den Wildtyp-Pilz mit einer Mutante, die keine reifen Fruchtkörper bilden, sich also nicht sexuell vermehren kann. Dazu untersuchten sie die Genexpression in jungen, unreifen Fruchtkörpern. Sie zeigten, dass Fruchtkörper-spezifische Gene in der Mutante teilweise nicht funktionierten. Das defekte Gen enthielt die Bauanleitung für einen sogenannten Transkriptionsfaktor – ein Protein, das andere Gene an- oder abschaltet. Außerdem fand das RUB-Team heraus, dass der Fruchtkörper ein vollständig anderes Genaktivitätsmuster aufweist als nicht-reproduktive Gewebe. „Mit der neuen Methodenkombination wollen wir nun die Genaktivität in weiteren Mutanten und Entwicklungsstadien untersuchen, um die molekularen Mechanismen der Entwicklung vielzelliger Pilze besser zu verstehen“, so Prof. Kück.

Pilze: ökologische und wirtschaftliche Bedeutung

Pilze haben einen großen Einfluss auf nahezu alle Ökosysteme. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zum Abbau tierischer und pflanzlicher Abfallprodukte und somit zum globalen Kohlenstoffkreislauf. Manche Arten leben mit Pflanzen oder Tieren in Symbiose, andere Arten sind Krankheitserreger. In der chemischen und pharmazeutischen Industrie werden Pilze für die Produktion von Antibiotika und Enzymen genutzt. Die Ausbildung von krankheitserregenden oder symbiotischen Interaktionen sowie die Produktion von medizinisch oder biotechnologisch relevanten Stoffen ist oft an bestimmte Entwicklungsstadien im Lebenszyklus eines Pilzes gebunden. Die Analyse der Entwicklung ist daher nicht nur für die Grundlagenforschung sondern auch für die industrielle Anwendung entscheidend. (Julia Weiler)

Titelaufnahme:
I. Teichert, G. Wolff, U. Kück, M. Nowrousian (2012): Combining laser microdissection and RNA-seq to chart the transcriptional landscape of fungal development, BMC Genomics, doi: 10.1186/1471-2164-13-511

Externer Link: www.ruhr-uni-bochum.de