Optimale Auslastung von Versandkartons

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2024

Online bestellte Produkte kommen häufig in überdimensionalen Kartons vor der Haustür an. Die Ausmaße der Pakete sind oftmals viel größer als der Inhalt. So landet etwa ein Parfum in einem Schuhkarton-großen Umkarton, Polstermaterialien füllen den leeren Raum. Nachhaltig ist das nicht. Abhilfe schafft die Optimierungssoftware CASTN des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, indem sie kundenindividuell die optimale Karton-Auftrag-Kombination zusammenstellt. Ausgeklügelte Algorithmen berechnen die beste Auslastung der Pakete auf Basis der Artikel- und Auftragsstruktur.

Der Onlinehandel unterliegt einem stetigen Wandel – aktuelle Trends und saisonale Schwankungen beeinflussen die Artikel- und Auftragsstruktur. Mit der steigenden Vielfalt an Produkten und der variierenden Auftragsstruktur wächst mit der Zeit auch das Spektrum an Versandkartonagen. Obwohl die zur Verfügung stehenden Verpackungen immer vielfältiger werden, nimmt der Volumennutzungsgrad häufig ab. Wenig Platz beanspruchende Artikel wie Parfums, Kosmetika oder Schmuck landen in überdimensionierten Kartons. Das liegt vor allem daran, dass Verpackungen nicht auf die veränderten Anforderungen wie Abmessungen und Gewicht der Produkte und Aufträge abgestimmt sind. Dieses Problem adressieren Forschende am Fraunhofer IML mit der Kartonset-Optimierungssoftware CASTN (Carton Set Optimization). Die Entwicklung der Software wurde vom Fraunhofer-Leistungszentrum für Logistik und IT gefördert.

CASTN stellt für Versandunternehmen ein optimal auf deren jeweilige Auftrags- und Artikelstruktur abgestimmtes Kartonset zusammen. »Will ein Händler etwa ein Set mit zehn verschiedenen Kartons an seinen Packstationen einsetzen, so müssen diese auf die Auftrags- und Artikelstruktur angepasst werden, um den bestmöglichen Volumennutzungsgrad zu erzielen. Die Produkte müssen also möglichst viel Volumen des Kartons ausfüllen, sodass nur wenig Füllmaterial wie Polsterfolie verwendet werden muss«, erläutert Lukas Lehmann, Wissenschaftler am Fraunhofer IML. Um dies zu realisieren, spielt das Entwicklerteam des Fraunhofer IML die Kundendaten (Bestell- und Artikelstammdaten sowie Verpackungsspezifikationen) in CASTN ein. Um einen repräsentativen Zeitraum und saisonale Schwankungen abzubilden, bewähren sich in der Regel die Daten eines Jahres. Mithilfe dieser Inputparameter berechnen zwei miteinander verknüpfte Software-Algorithmen im Zusammenspiel das optimale Kartonset. Dabei werden Kundenanforderungen wie minimale oder maximale Packgrößen ebenso berücksichtigt wie die Vorgaben der Logistikdienstleister.

30 Prozent Artikel, 70 Prozent Luft

Zentral für CASTN sind zwei Algorithmen: Der erste verwendet einen evolutionären Ansatz, um verschiedene Kartonsätze auf der Grundlage von Parametern wie der Anzahl der zulässigen Kartons oder der maximalen und minimalen Abmessungen zu erstellen. Der zweite Algorithmus, ein Bin-Packing-Algorithmus, sorgt dafür, dass die Bestellungen effizient in die ausgewählten Kartons gepackt werden. Ziel ist es, das minimale Packvolumen und das kleinste Gesamtvolumen mit der Ware herzustellen. Am Ende dieses Vorgangs bewertet die Software jeden einzelnen Karton eines Sets und prüft, wie gut das Innenvolumen mit dem bestehenden Auftrag ausgenutzt wurde. Diese Informationen fließen wieder in den evolutionären Algorithmus, der anhand des Scorings der Kartons neue, bessere Sets zusammenstellt. Dies erfolgt iterativ so lange, bis keine weitere Verbesserung des Volumennutzungsgrades erreicht wird. »Die Kunden kennen den Volumennutzungsgrad ihrer Kartons häufig nicht, dieser liegt meist nur bei rund 30 Prozent. Sie wissen nicht, wieviel Luft sie verschicken. Das berechnet unsere Software«, sagt der Forscher. Im Anschluss an die Optimierung erfolgen die Analyse und Beratung mit dem Kunden, um die geeigneten Kartonsets auszuwählen.

Mehrere Industriepartner mit jeweils eigenem Onlinehandel konnten bereits von der Kartonset-Optimierung profitieren und ihre Volumenauslastung bei gleichzeitiger Reduzierung der Anzahl der Kartonvarianten um 35 bis 45 Prozent steigern.

Mehr Umweltschutz im E-Commerce

Im nächsten Schritt wollen Lehmann und sein Team den Funktionsumfang der Software um komplexe Geometrien von Artikeln und zusätzliche Artikeleigenschaften erweitern. »Mit CASTN wollen wir mehr Nachhaltigkeit in der Logistik fördern. Durch optimal abgestimmte Kartonsets lassen sich Verpackungs- und Füllmaterial reduzieren. Das führt zu einer besseren Auslastung der Lkws, kann Platzverschwendung vermeiden und CO2-Emissionen senken«, sagt Lehmann. Versendende Unternehmen können durch den Einsatz von CASTN einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und zugleich Verpackungs- und Transportkosten einsparen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick März 2024

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Food Fermentation: The Science of Cooking with Microbes
Pia Sörensen (Harvard University) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 28-42 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Hüftprothesen-Lockerungen: Coburger Student wirbt 150.000 Euro für Forschung ein

Pressemitteilung der Hochschule Coburg vom 16.02.2024

Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) des Bundesforschungs-Ministeriums (BMBF) hat ein neues Format, um Innovationen aus der Forschung schneller in die Praxis zu bringen: Für DATIpilot gab es deutschlandweit etwa 3000 Bewerbungen. Das Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) der Hochschule Coburg war mit seiner Idee erfolgreich und erhält 150.000 Euro Förderung. Master-Student Jan Lützelberger und Prof. Dr. Klaus Drese von der Hochschule Coburg überzeugten mit „UltraHip“, einer Sensorik zur Früherkennung von Hüftprothesen-Lockerungen mithilfe von Ultraschall.

Zwei Millimeter sind zu viel. „Das ist wie ein dicker Pappkarton“, sagt Jan Lützelberger. Aber erst wenn ein so dicker Spalt zwischen Hüftprothese und Knochen klafft, wird das Problem auf dem Röntgenbild deutlich sichtbar. „Mit unserem neuen, ultraschallbasierten Verfahren können wir im Mikrometerbereich messen. Eine Prothesenlockerung wird auf diese Weise schon erkannt, wenn der Spalt nur so dünn ist wie ein Blatt Papier.“ Die frühzeitige Diagnose hat das Potenzial, Schmerzen, Komplikationen beim Folgeeingriff und stärkere Knochenschädigungen zu vermeiden. Lützelberger hat das neue Messverfahren im Rahmen seiner Bachelorarbeit am Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) entwickelt. Der Sonneberger hat Technische Physik an der Hochschule Coburg studiert und suchte ein praxisnahes Abschlussarbeitsthema. Angewandte Forschung ist ihm wichtig. Er wollte „etwas, das auch den Menschen hilft. Und jeder kennt doch jemanden, der eine künstliche Hüfte hat.“

Eine geniale Verbindung von Körper und Technik – aber nicht für die Ewigkeit

Der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks ist einer der häufigsten medizinischen Eingriffe in Deutschland. Eine Routine-OP: Ins weiche Mark im Inneren des Oberschenkelknochens wird ein metallischer Prothesenschaft geschlagen. Als Gelenk wird darauf eine Kugel geschraubt, die wiederum mit einer Pfanne im Becken verbunden wird. Im Oberschenkel bildet sich dann neuer Knochen, der den Prothesenschaft umschließt und die Prothese hält. „Cool, oder? Was der menschliche Körper alles kann, ist – “, Jan Lützelberger schüttelt den Kopf, in seinen Augen strahlt Begeisterung: „einfach Wahnsinn!“ Eine künstliche Hüfte ist eine geniale Verbindung von Körper und Technik. Aber sie hält nicht ewig. Mal liegt es an einer bakteriellen Infektion, mal ist‘s einfach Abnutzung: Irgendwann lockert sich das Implantat. Klassische medizinische Verfahren wie Röntgen oder CT sind nicht geeignet, um das frühzeitig festzustellen. Deshalb kamen Ärzte des Regiomed-Klinikum Coburg mit dem ISAT ins Gespräch. Dr. Alexander Franck, Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, unterstützt das UltraHip-Team schon lange mit seiner medizinischen Expertise.

Spaltmessung mithilfe von Schallwellen

ISAT-Leiter Prof. Dr. Klaus Drese berichtet, dass bereits 2017 die Idee entstand, den Abstand zwischen Hüftprothese und Knochen mithilfe von Schallwellen zu ermitteln. „Ursprünglich gab es den Ansatz, mit sogenannten geführten Wellen zu arbeiten. Auf die jetzige Methodik sind wir über andere Projekte gestoßen“, erklärt Drese. Auf den Oberschenkel wird ein Schallwandler aufgesetzt, ein Gerät, das etwa die Größe und Form eines Lippenstiftes hat. Es sendet und empfängt Schallwellen. Fleisch, Knochen, Spalt, Metall: Jede Schicht verändert die Schallwellen und genau diese Veränderung wird per Software ausgewertet, um punktgenaue Informationen über den Spalt zu erhalten – wie dick er ist und was sich darin befindet. „In dem Thema steckte eine große Chance.“ Drese nickt seinem Studenten dabei anerkennend zu. Jan Lützelberger hat die Chance genutzt.

Die Ergebnisse seiner Bachelorarbeit wurden vergangenes Jahr bereits in einem bedeutenden wissenschaftlichen Fachmagazin, dem Journal Sensors, veröffentlicht, er präsentierte sie auch schon auf einer Konferenz. Im März wird ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) den Georg-Simon-Ohm-Preis feierlich überreichen. Viel Ansehen für einen 24-jährigen Nachwuchs-Wissenschaftler. „Ich habe viele verschiedene Aspekte mitbekommen“, erzählt er. Medizinerinnen und Mediziner denken anders als Physiker oder Physikerinnen. „Und die Firmen haben wieder einen ganz anderen Fokus. Durch die Anwendungsnähe am ISAT fühle ich mich einfach fitter als wenn ich alles im Studium nur theoretisch gelernt hätte.“ Seit dem Bachelorabschluss studiert er Simulation und Test an der Hochschule Coburg und schreibt jetzt schon an seiner Masterarbeit zur neuen Ultraschall-Messtechnik.

Erfolg beim DATI-Pitch

Drese erklärt: „Ziel ist, die Technologie so weiterzuführen, dass sie zu einer Firma transferiert werden kann. Wir suchen einen Industriepartner.“ Für die Weiterentwicklung gibt es nun schon einmal 18 Monate lang Unterstützung durch die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) des Bundesforschungsministeriums. Das neue Konzept DATIpilot soll gute Ideen und Forschungsleistungen schneller zu den Unternehmen und zu den Menschen bringen. Von 3000 eingereichten Projekten wurden 600 dazu eingeladen, ihre Idee im Rahmen eines Pitch-Vortrags auf der Bühne zu präsentieren – bei 23 Veranstaltungen zwischen November 2023 und März 2024 in verschiedenen deutschen Städten. Wer eingeladen ist, gehört automatisch auch zur Jury, die entscheidet, welche Projekte eine Förderung erhalten. Mit dem besonders innovativen Gedanken, dem hohen gesellschaftlichen Nutzen, einer passenden Umsetzungsstrategie und einem mitreißenden Pitch konnte „UltraHip – Nicht-Invasives Ultraschall-Messverfahren zur Frühdiagnostik der Lockerung bei Hüftprothesen“ das Publikum überzeugen. (Natalie Schalk)

Externer Link: www.hs-coburg.de