Chemiker aus dem Saarland und San Diego beschreiben neues Kohlenstoff-Molekül in Nature

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 21.09.2023

Wissenschaftler der Universitäten San Diego und des Saarlandes haben jüngst ein neues Kohlenstoff-Molekül entdeckt. Dieses Molekül ist eine Weiterentwicklung der so genannten Carbene. Diese Stoffe, deren künstliche Erzeugung vor einigen Jahrzehnten erstmals gelang, haben heute eine überragende Bedeutung in der Industrie, etwa in OLED-Displays oder als Katalysatoren in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Ihre wegweisenden Erkenntnisse haben die Wissenschaftler nun in Nature publiziert.

Die Welt der Stoffe und Moleküle folgt in der Natur festen Regeln. So besagt die sogenannte Oktett-Regel, dass Kohlenstoffmoleküle mit jeweils acht Elektronen pro Atomhülle stabil sind. In jüngster Zeit gelang es der Chemie jedoch, diese Regeln bis zu einem gewissen Grad zu brechen, um Moleküle zu erschaffen, die ganz neuartige und in der modernen Welt gefragte Eigenschaften haben. Dies gelang vor drei Jahrzehnten mit den Carbenen, welche nur noch sechs Valenzelektronen aufweisen.

Anfangs wusste man noch nicht so recht, wozu die neuartigen Verbindungen nützlich sein könnten. „Sehr schnell stellte sich dann heraus, dass Carbene eine überragende Rolle in der organischen Photovoltaik und Mikroelektronik, etwa bei der Entwicklung so genannter organischer LED-Bildschirme, kurz OLEDs, spielen werden“, führt Dominik Munz als Beispiel an. Carbene seien inzwischen auch in der chemisch-pharmazeutischen Industrie als Katalysatoren von chemischen Prozessen nicht mehr wegzudenken, so Munz weiter.

Dem Professor für Koordinationschemie an der Universität des Saarlandes ist es nun gemeinsam mit Kollegen der Universität San Diego gelungen, von diesem Molekül noch zwei weitere Elektronen zu entfernen, so dass eine ganz neue Stoffklasse entstehen kann. Ihre Erkenntnisse sind so bedeutsam, dass sie es nun ins Fachmagazin Nature geschafft haben.

„Die internationale Zusammenarbeit beruht auf meiner Postdoc-Phase in den USA, die ich in der Arbeitsgruppe von Guy Bertrand an der Universität von San Diego verbracht habe“, erklärt der Wissenschaftler. „In dieser Zeit sowie in den letzten Jahren haben wir solche Moleküle quantenchemisch vorhergesagt und uns auch überlegt, wie man diese im Labor herstellen könnte.“ Durch eine elegante Synthesemethode ist es nun Ying Kai Loh, Postdoktorand bei Professor Bertrand an der Universität San Diego, gelungen, solch ein Molekül tatsächlich im Labor zu erschaffen.

Ob damit ebenfalls derart umwälzende Anwendungen wie mit den Carbenen möglich sind, steht in den Sternen. Vor 30 Jahren jedenfalls standen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Oktett-Regel damals brechen konnten, ebenfalls vor der Frage: „Und nun?“

Der Rest ist Geschichte.

Originalpublikation:
Loh, Y.K., Melaimi, M., Gembicky, M. et al. A crystalline doubly oxidized carbene. Nature (2023).

Externer Link: www.uni-saarland.de

Künstliche Intelligenz: Erfolge auf dem Weg zur vollautomatisierten Baustelle

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 22.09.2023

Forschende des KIT haben eine Plattform entwickelt, die mittelständischen Unternehmen hilft, Dokumente zu digitalisieren und zu strukturieren

Künstliche Intelligenz ermöglicht ein digitales und vernetztes Datenmanagement in der Bauwirtschaft. Wie nützlich dies vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen ist, zeigt das vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordinierte Projekt „SDaC – Smart Design and Construction“. Das auf eine verlustfreie Informationsweitergabe zwischen Organisationen und Softwaresystemen gerichtete Projekt bildet einen wichtigen Forschungsbeitrag zur Mensch-Maschine-Kollaboration. Bei einem Abschlussevent stellten die Forschenden die Ergebnisse vor.

Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) Menschen in der Bauwirtschaft unterstützen? Welche Aufgaben können Maschinen lernen? Diesen Fragen widmete sich das vom KIT koordinierte Projekt „SDaC – Smart Design and Construction“. „Wir haben eine Plattform entwickelt, auf der sich unter anderem Dokumente aus Projekten, beispielsweise PDF-Lieferscheine, digitalisieren und strukturieren lassen“, sagt der wissenschaftliche Leiter von SDaC, Professor Shervin Haghsheno vom Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) des KIT. Außerdem entstanden gemeinsam mit den Projektpartnern neun KI-Demonstratoren, die Organisationen der Bauwirtschaft bei der Bauplanung und -realisierung unterstützen sollen. „Dabei haben wir vor allem Wert auf Transparenz und Erklärbarkeit gelegt“, so Haghsheno weiter. Die Demonstratoren sind auf der Plattform für Interessierte einsehbar und lassen sich testen, um die Mehrwerte von KI für die Bauwirtschaft zu erleben. Das TMB betreibt die aufgebaute Plattform und die entwickelten Demonstratoren über den Projektabschluss hinaus in einem Netzwerk weiter, um den Wissens- und Praxisaustausch zum Thema KI in der Bauwirtschaft zu unterstützen.

„Die Ergebnisse des Projekts bilden einen wichtigen Baustein in unserer Forschung zur Digitalisierung in der Bauwirtschaft, besonders zur Mensch-Maschine-Kollaboration“, sagt Shervin Haghsheno. Bei der Bauwirtschaft handele es sich um ein stark fragmentiertes Ökosystem mit vielen Schnittstellen, erklärt Projektleiterin Svenja Lauble vom TMB. „Daher ist eine verlustfreie Informationsweitergabe zwischen Organisationen und Softwaresystemen häufig nur schwer möglich. Mit SDaC haben wir die Mehrwerte von KI gezeigt, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Gerade diese haben mit vielen Datenformaten zu tun, die häufig nicht digital und strukturiert vorliegen.“

Plattform ermöglicht Digitalisierung von Dokumenten

Zusätzlich haben die Projektbeteiligten in SDaC eine Übersicht von 230 Softwareunternehmen erstellt, die sich mit KI für die Bauwirtschaft befassen. Auf einer Seite können KI-Expertinnen und Experten ihre Leistungen für Bau- oder Bausoftwareunternehmen anbieten. Schulungen und Netzwerkveranstaltungen werden ebenfalls organisiert. Auf der Basis des Demonstrators „Lieferscheine digitalisieren“ haben die Forschenden zudem eine App realisiert, die ab Herbst 2023 in den App-Stores zum Download bereitsteht. Jede Baustelle erhält Lieferscheine im Papierformat, die zur Rechnungsprüfung und Dokumentation manuell aufbereitet werden müssen – die App bietet eine einfache Möglichkeit, sie zu digitalisieren.

Folgeprojekt befasst sich mit intelligenten Sanierungsmaßnahmen

Einzelne in SDaC entstandene Demonstratoren werden im Folgeprojekt „NaiS – Nachhaltige intelligente Sanierungsmaßnahmen“ weiterentwickelt, das ebenfalls vom KIT koordiniert wird. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt verknüpft Daten aus verschiedenen Quellen mithilfe von KI-Technologien auf einer digitalen Plattform, um Sanierungsmaßnahmen objektiv zu bewerten und zu optimieren.

Aus dem Projekt SDaC heraus hat sich außerdem das Start-up Valoon in Dortmund gegründet. Sein Ziel ist, Informationen aus bestehenden Kommunikationskanälen wie WhatsApp intelligent aufzubereiten und zu strukturieren.

Mehr als 40 Projektpartner aus Wissenschaft und Wirtschaft waren an SDaC beteiligt. Das Projekt wurde in einem bundesweiten Innovationswettbewerb zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz ausgezeichnet und vom BMWK über 3,5 Jahre mit rund 9 Millionen Euro gefördert. (or)

Externer Link: www.kit.edu

In 0,956 Sekunden von Null auf Hundert

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 12.09.2023

Mit ihrem selbstgebauten Elektro-​Rennwagen «mythen» haben Studierende der ETH Zürich und der Hochschule Luzern den bisherigen Beschleunigungsweltrekord gebrochen. Innerhalb von nur 0,956 Sekunden und 12,3 Metern beschleunigte der Bolide von 0 auf 100 km/h.

Die Freude im Akademischen Motorsportverein Zürich (AMZ) ist enorm: Fast ein Jahr lang haben die Studierenden der ETH Zürich und der Hochschule Luzern in jeder freien Minute an ihrem Elektrofahrzeug «mythen» gearbeitet; sie haben Rückschläge überwunden und mussten bei der Entwicklung einzelner Komponenten immer wieder von vorne beginnen. Nun haben sie die offizielle Bestätigung von Guinness World Records erhalten: «mythen» hat den bisherigen Beschleunigungsweltrekord für Elektrofahrzeuge gebrochen. Der Bolide beschleunigte auf dem Innovationspark in Dübendorf, direkt vor ihrer Werkstatt, in nur 0,956 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dazu reichte dem Fahrzeug eine Strecke von lediglich 12,3 Metern. Am Steuer sass Kate Maggetti. Der vorherige Weltrekord von 1,461 Sekunden, aufgestellt im September 2022 von einem Team der Universität Stuttgart, wurde damit um mehr als ein Drittel unterboten.

«Die Arbeit am Projekt parallel zum Studium war sehr intensiv. Trotzdem hat es sehr viel Spass gemacht, mit den Kolleginnen und Kollegen immer wieder neue Lösungen zu finden und das im Studium theoretisch Gelernte in die Praxis umzusetzen. Und natürlich ist es eine absolut einmalige Erfahrung, an einem Weltrekord beteiligt zu sein», sagt Yann Bernard, verantwortlich für die Motoren.

Leichter, stärker, mehr Traktion

Alle Komponenten von «mythen», angefangen von den Leiterplatten (PCB) bis hin zum Chassis und dem Akku, wurden von den Studierenden selbst entwickelt und auf ihre Funktion hin optimiert. Dank des Einsatzes von leichtem Carbon und Aluminium-​Waben wiegt das Rennauto gerade mal rund 140 Kilo. Vier selbst entwickelte Radnabenmotoren sowie ein spezieller Antriebsstrang verleihen dem Fahrzeug eine eindrucksvolle Leistung von 240 Kilowatt (326 PS).

«Bei einem Beschleunigungsrekord spielt aber nicht nur die Leistung eine wichtige Rolle, sondern auch, wie man die Kraft effektiv auf den Boden übertragen kann», erklärt Dario Messerli, verantwortlich für die Aerodynamik. Bei herkömmlichen Formel-​1-Fahrzeugen wird dies über die Aerodynamik gelöst: ein Heck-​ oder Frontflügel sorgt dafür, dass der Wagen auf den Boden gedrückt wird. Dieser Effekt kommt aber erst zum Tragen, wenn das Auto eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hat. Um von Anfang an eine starke Bodenhaftung zu gewährleisten, haben die Studierenden des AMZ-​Teams deshalb eine Art Staubsauger entwickelt, der das Fahrzeug an den Boden saugt.

Hart umkämpfter Weltrekord

Bereits zweimal hat das AMZ-​Team zuvor den Beschleunigungsweltrekord für Elektroautos aufgestellt – einmal 2014 und erneut 2016. In den folgenden Jahren wurde ihr Rekord von einem Team der Universität Stuttgart gebrochen. Jetzt ist der Weltrekord wieder in der Schweiz und die ETH-​Studierenden sind zuversichtlich, dass sie ihn so schnell nicht wieder abgeben werden.

Externer Link: www.ethz.ch

Larabicus entwickelt Putzroboter für Schiffsrümpfe

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 04.09.2023

Für ihr Projekt „Larabicus“ haben Florian Gerland und Thomas Schomberg von der Universität Kassel mit ihrem Team eine EXIST-Forschungstransfer-Förderung in Höhe von 1,2 Millionen Euro eingeworben. Sie entwickeln einen Putzroboter, der Schiffsrümpfe während der Fahrt von Algen und Muscheln sauber hält.

Handelsschiffe legen riesige Strecken zurück – und tragen dabei bisher stets eine Vielzahl an invasiven Organismen in fremde Ökosysteme. Unter der Wasseroberfläche am Schiffsrumpf bilden sich bereits innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen Verschmutzungen und Verkrustungen, bspw. durch Algen oder Muscheln. Eine solche Schleimschicht erhöht den Widerstand im Wasser und verlangsamt dadurch das Schiff. Als Folge wird mehr Treibstoff verbraucht und die CO2-Emissionen steigen.

Benannt nach seinem ökologischen Vorbild – dem Putzer-Lippfisch „Larabicus quadrilineatus“, der größere Fische von Parasiten befreit – setzt das Projekt Larabicus hier an: Kleine Roboter sollen genau diese Aufgabe am Schiffsrumpf übernehmen. Das Ziel ist es, die Schleimschichtbildung soweit es geht zu verhindern und die Oberfläche des Schiffsrumpfs möglichst glatt zu halten. „Wir entwickeln eine Technik, die den Bewuchs langfristig und schonend entfernt, ohne dabei den Lack zu beschädigen“, erklärt Thomas Schomberg. Schiffslacke enthalten aktuell noch Biozide und sind dadurch hochgiftig. „Damit möglichst wenig dieser Lacke im Wasser abgetragen wird, ist eine schonende Reinigung essentiell.“

Mit dieser Innovation trifft das Larabicus-Team genau den Nerv der Zeit. Da nun auch Schiffe Energie-Label erhalten, sind Reedereien immer mehr bereit, in neue, kostensparende Lösungen zu investieren. „GreenTech braucht eben Investitionen“, bekräftigt Dr.-Ing. Florian Gerland. „Selbst wann man den ökologischen Nutzen unserer Putzroboter außen vorlässt – das System bietet vom ersten Einsatztag an auch einen ökonomischen Vorteil.“

Schomberg und Gerland sind als wissenschaftliche Mitarbeiter am Fachgebiet Strömungsmechanik tätig. „Ich freue mich sehr darüber, dieses innovative Projekt unterstützen zu können“, betont Mentor und Fachgebietsleiter Prof. Dr.-Ing. Olaf Wünsch. „Es ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Forschung in unserem Bereich zu konkret umsetzbaren, nachhaltigen Lösungen führen kann. Larabicus wird einen wertvollen Beitrag für den Schutz des Klimas und den Erhalt der Biodiversität liefern und macht damit in besonderer Weise die Nachhaltigkeitsstrategie der Universität Kassel sichtbar.“

Die technische Entwicklung der Roboter liegt als Schwerpunkt bei Gerland und Schomberg an der Uni Kassel. Daneben gehören zu Larabicus eine Mitarbeiterin in Kiel, die Reinigungsmethoden vergleicht und optimiert, sowie ein Mitarbeiter in Hamburg, der die Kontakte zu den Netzwerk- und Industriepartnern pflegt und die Markteinführung des Produkts vorbereitet.

Nach ihrem Sieg beim UNIKAT-Ideenwettbewerb 2020 haben die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter nun mit Unterstützung von UniKasselTransfer die Förderung für herausragende forschungsbasierte Gründungsvorhaben eingeworben. UniKasselTransfer ist eine zentrale Einrichtung der Universität Kassel, die unter anderem Gründungsinteressierte bei der Umsetzung ihrer Ideen in ein Geschäftsmodell begleitet und bei der Antragstellung für ein EXIST-Gründungsstipendium oder EXIST-Forschungstransfer unterstützt. Das Förderprogramm EXIST-Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt in zwei Förderphasen den Transfer und Übergang von vielversprechenden Forschungsergebnissen in eine Unternehmensgründung. Larabicus wird nun ab September 2023 zwei Jahre lang mit einer Summe von insgesamt 1,2 Millionen Euro gefördert. In dieser Zeit steht auch die Unternehmensgründung an.

Externer Link: www.uni-kassel.de