Turbo für das Quanteninternet

Medienmitteilung der Universität Innsbruck vom 23.05.2023

Erster Langstrecken-Quantenrepeater-Knoten für Telekommunikationsnetz realisiert

Vor einem Vierteljahrhundert machten Innsbrucker Physiker den ersten Vorschlag, wie Quanteninformation mit Hilfe von Quantenrepeatern über große Distanzen übertragen werden kann, und legten damit den Grundstein für den Aufbau eines weltweiten Quanteninformationsnetzes. Nun hat eine neue Generation von Forschern an der Universität Innsbruck einen Quantenrepeater-Knoten für die Standardfrequenz von Telekommunikationsnetzen gebaut und damit Quanteninformation über Dutzende von Kilometern übertragen.

Quantennetzwerke verbinden Quantenprozessoren oder Quantensensoren miteinander. Dies ermöglicht absolut abhörsichere Kommunikation und leistungsstarke verteilte Sensornetzwerke. Dabei wird die Quanteninformation mittels Lichtteilchen (Photonen) über Glasfaserleitungen zwischen den Knotenpunkten des Netzwerkes ausgetauscht. Über große Distanzen steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass Photonen verloren gehen. Weil Quanteninformation nicht einfach kopiert und verstärkt werden kann, haben Hans-Jürgen Briegel, Wolfgang Dür, Juan Ignacio Cirac und Peter Zoller vor 25 Jahren an der Universität Innsbruck dafür Quantenrepeater (Quanten-Umsetzer) vorgeschlagen. Diese verfügen über Licht-Materie-Verschränkungsquellen und Speicher zur Erzeugung von Verschränkung auf unabhängigen Netzwerkverbindungen. Diese werden durch einen sogenannten Verschränkungstausch miteinander verbunden. Auf diese Weise wird die Verschränkung über große Entfernungen verteilt.

Auch Übertragung über 800 Kilometer möglich

Quantenphysikern um Ben Lanyon am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck ist es nun gelungen, den grundlegenden Baustein von Quantenrepeatern zu bauen: ein voll funktionsfähiger Netzknoten, der die Verschränkungserzeugung mit einem Photon der Standardfrequenz des Telekommunikationsnetzes und Operationen für den Verschränkungstausch ermöglicht. Die Repeater-Knoten bestehen aus zwei in einer Ionenfalle gefangenen Kalzium-Ionen in einem optischen Resonator sowie einem Umwandler für einzelne Photonen in die Telekomfrequenz. Die Wissenschaftler demonstrierten damit die Übertragung von Quanteninformation über eine 50 Kilometer lange Glasfaser, wobei der Quantenrepeater genau in der Mitte zwischen Anfangs- und Endpunkt angebracht war. Mit Berechnungen konnten die Forscher auch zeigen, welche Systemverbesserungen noch notwendig sind, um mit dem gleichen Konzept eine Übertragung über 800 Kilometer möglich zu machen, was es erlauben würde, Innsbruck mit Wien zu verbinden.

Die aktuellen Ergebnisse wurden im Fachmagazin Physical Review Letters veröffentlicht. Finanziell unterstützt wurden die Forschungen unter anderem durch einen START-Preis des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, die Österreichische Akademie der Wissenschaften und die Europäischen Union. Lanyons Team ist Teil der Quantum Internet Alliance, einem internationalen Projekt im Rahmen des EU-Quantum-Flagship.

Externer Link: www.uibk.ac.at

TU Graz-Forschende erzeugen Pseudouridin mittels biokatalytischer Synthese

Pressemeldung der TU Graz vom 25.04.2023

Effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger als die bisher eingesetzte chemische Synthese ist die neue und patentierte Methode zur Herstellung des wichtigen mRNA-Impfstoffbestandteils Pseudouridin.

Forschende des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz sowie des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) haben eine neuartige Methode zur Herstellung zentraler Bestandteile von mRNA-Impfstoffen entwickelt und diese zum Patent angemeldet. In einem in der Fachpublikation „Nature Communications“ veröffentlichten Artikel legen Bernd Nidetzky, Martin Pfeiffer und Andrej Ribar dar, wie sie den wesentlichen Impfstoffbestandteil Pseudouridin mittels biokatalytischer Synthese erzeugen und damit eine Alternative zur bisherigen Methode der chemischen Synthese geschaffen haben.

Ein Prozessschritt genügt

Diese Alternative bietet einige entscheidende Vorteile: Bei der chemischen Synthese von Pseudouridin kommen nicht nur toxische Reagenzien und seltene Rohstoffe zur Anwendung, sondern sie ist aufgrund der notwendigen vier bis acht Prozessschritte und der Kühlung auf minus 20 Grad sehr energie- und zeitaufwendig. Bei der Biokatalyse hingegen ist nur ein Prozessschritt mit vier parallellaufenden Reaktionen erforderlich, die bei Raumtemperatur stattfinden. Zudem braucht es als Katalysatoren nur vier Enzyme (Uridin Phosphorylase, Phosphopentose Mutase, Pseudouridin Monophosphate Glycosidase, Phosphatase), die recht einfach mit E.coli Bakterien hergestellt werden können. Bei der Biokatalyse fallen auch keine Abfallstoffe an, der einzige Abfall ist Phosphat, das aber während des Katalyseprozesses wieder rezykliert wird.

Ein weiterer gewichtiger Vorteil ist die Effizienz. Da bei der chemischen Herstellung von Pseudouridin, verkürzt gesagt, das für Impfstoffe weniger effiziente, natürlich vorkommende Uridin umgewandelt wird, gibt es während des Umwandlungsprozesses keine hundertprozentige Ausbeute. Mit der biokatalytischen Synthese gelingt aufgrund der geringeren Anzahl an Prozessschritten allerdings eine Ausbeute von 92 bis 95 Prozent, während es bei den bisher publizierten chemischen Prozessen gerade einmal 40 bis 50 Prozent sind.

Inspiration aus der Natur

Um dieses neue Verfahren zu entwickeln, haben die Forschenden auf eine ihrer früheren Studien aufgebaut, bei der sie das Enzym YeiN als Biokatalysator für die Herstellung von C-Nukleotiden entdeckt hatten. Da Pseudouridin das C-Nukleoside des RNA-Bausteins Uridin ist, hatten sie die Idee, das mittels bakterieller Fermentationen in großen Mengen herstellbare Uridin als Rohstoff zu nehmen und die Bindung zwischen dessen Grundbausteinen neu zu knüpfen. Die Inspiration dafür kam aus der Natur.

So hat Uridin, im Gegensatz zu Pseudouridin, eine N-glykosidische Bindung, die beim natürlichen Abbau in den Zellen mittels des Enzyms Uridin Phosphorylase in Ribose-1-phosphat (Zucker) und Uracil gespalten wird. Danach kommt das Enzym Phosphopentose Mutase zum Einsatz, welches das Ribose-1-phosphat zu Ribose-5-phosphat umlagert, das in den Zellen verstoffwechselt wird. Es folgt die Anwendung des YeiN-Enzyms, mit dem die Verknüpfung des Ribose-5-phosphats und des Uracils zu Pseudouridin-5-phosphat erfolgt. Mittels Phosphatase wird das Phosphat noch vom Pseudouridin abgespalten und man ist am Ziel. Da das Pseudouridin noch dazu wesentlich weniger wasserlöslich ist als Uridin, kristallisiert es im Laufe der Reaktion einfach aus und lässt sich daher unkompliziert durch Abfiltern des Reaktionsüberstandes gewinnen.

Herstellung bald im größeren Maßstab

„Unsere Arbeit zeigt, dass die Biokatalyse eine potente Alternative zur chemischen Synthese von C-Nukleotiden wie Pseudouridin darstellt“, erklärt Bernd Nidetzky, der Leiter des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz. „Wir hoffen, die Herstellung bald im größeren Maßstab umzusetzen und so Pseudouridin nachhaltig und billig in größeren Mengen zur Verfügung zu stellen. Das könnte mittelfristig eventuell auch die Herstellung von mRNA-Impfstoffen günstiger machen, da potenzielle Partner aus der Industrie unsere Anwendung recht zeitnah implementieren könnten.“ (Falko Schoklitsch)

Externer Link: www.tugraz.at

KI unterstützt Analyse metallischer Werkstoffe

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 17.05.2023

Bisher ist die Analyse kristalliner Mikrostrukturen in metallischen Werkstoffen technisch herausfordernd und besonders zeitaufwändig. Forschende aus Werkstofftechnik und Informatik haben hierfür jetzt einen Algorithmus entwickelt und in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht: Aus nur wenigen Messdaten einer Röntgenstrukturanalyse rekonstruiert er die Ausrichtung der Kristallstrukturen im Werkstoff vollständig und genau.

Für die Eigenschaften metallischer Werkstoffe ist die innere Struktur aus kristallinen Einzelbereichen, sogenannten „Körnern“, entscheidend. Ihre Anordnung beeinflusst maßgeblich die Festigkeit und das Verhalten beim Verformen der Metalle. Sogenannte Formgedächtnislegierungen zum Beispiel verändern ihre Form durch temperaturbedingte Änderungen des inneren Kristallaufbaus. „Eine geeignete Mikrostruktur in diesen speziellen Werkstoffen zu schaffen ist eine große technische Herausforderung. Das im Detail mithilfe von Röntgenanalysen zu überprüfen ist besonders aufwändig“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Niendorf, Leiter des Fachgebiets Metallische Werkstoffe.

Hierfür nutzen die Forschenden häufig die Methoden der Röntgendiffraktometrie. Dabei richten sie einen gebündelten Röntgenstrahl auf die Werkstoffproben. An dessen Kristallgitter wird der Strahl abgelenkt – physikalisch betrachtet gebeugt. Ein Detektor empfängt die gebeugten Röntgenstrahlen und eine Software stellt ihre Intensität in einer sogenannten Polfigur dar. Sie drehen und kippen die Werkstoffprobe, bis aus den Messdaten eine Polfigur entsteht. Diese Messreihen dauern oft mehrere Tage lang an. Anhand der Polfiguren können die Forschenden rechnerisch ermitteln, in welcher Anordnung und Ausrichtung sich die Kristalle im Metall befinden.

„Mit unserem speziell entwickelten Algorithmus sind wir drei Mal schneller“, berichtet David Meier, Informationswissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum Berlin und dem Fachgebiet Intelligente Eingebettete Systeme der Universität Kassel (Leitung: Prof. Bernhard Sick). „Mit maschinellem Lernen ist er so trainiert, dass er aus nur einem kleinen Ausschnitt der realen Messdaten von wenigen Stunden eine vollständige Rekonstruktion der Polfigur erstellt. Sie unterscheidet sich nur minimal vom Original.“ Dafür erstellte Meier gemeinsam mit den Werkstofftechnikern Polfiguren von zufälligen Anordnungen von Körnern im Metall mit einer Simulation. An diesen simulierten Abbildern erlernt eine individuell angepasste Deep-Learning-Architektur, aus einem Ausschnitt die vollständige Polfigur zu erzeugen. Dieses „Rekonstruktionsnetzwerk“ kann zu einem kleinen Ausschnitt einer real gemessenen Polfigur die übrigen Bereiche rekonstruieren. Der anschließende Vergleich von Rekonstruktion und realen, vollständigen Messergebnissen der Probe zeigt: Das Rekonstruktionsnetzwerk kann mit ausreichender Genauigkeit für das angewandte Beispiel die Probe analysieren. Aber: Um statistisch zu beweisen, dass die entwickelte Methode in anderen realen Szenarien funktioniert, muss sie in Folgestudien mit weiteren Proben aus unterschiedlichen Materialien evaluiert werden, so David Meier.

Die Forschenden im Fachgebiet Metallische Werkstoffe sind von der Zusammenarbeit mit der Informatik begeistert: „Für die Analyse der Mikro-Kristallstruktur benötigen wir nur noch wenige Stunden und können sogar Bereiche sicher rekonstruieren, an die wir technisch mit unserem experimentellen Aufbau gar nicht herangekommen wären“, so Dr.-Ing. Alexander Liehr, Leiter der Arbeitsgruppe Röntgenfeinstrukturanalyse. Auch in Zukunft könne die Kombination aus moderner Messtechnik und künstlicher Intelligenz die Forschung und Entwicklung hochleistungsfähiger und langlebiger Werkstoffe unterstützen.

Originalpublikation:
Meier, D., Ragunathan, R., Degener, S., Liehr, A., Vollmer, M., Niendorf, T., Sick, B.: Reconstruction of incomplete X-ray diffraction pole figures of oligocrystalline materials using deep learning. Scientific Reports. 13, 5410 (2023).

Externer Link: www.uni-kassel.de

Künstliche Intelligenz lernt Quantenteilchen zu kontrollieren

Presseaussendung der TU Wien vom 08.05.2023

In der Quantenforschung braucht man maßgeschneiderte elektromagnetische Felder, um Teilchen präzise zu kontrollieren. An der TU Wien zeigte man: maschinelles Lernen lässt sich dafür hervorragend nutzen.

Mit elektromagnetischen Feldern lassen sich winzige Teilchen manipulieren: Man kann sie einfangen, festhalten, oder an einen bestimmten Ort bewegen. Welche Form diese elektromagnetischen Felder aber genau haben sollen, und wie man sie während des Experiments dann konkret steuern muss, ist schwer herauszufinden. Oft sind dafür langwierige Versuchsreihen mit zahlreichen Messungen notwendig.

An der TU Wien konnte man nun aber zeigen, dass sich diese Aufgabe mit Hilfe von lernenden Algorithmen viel schneller erledigen lässt als bisher – und zwar mit derselben Präzision. Dafür entwickelte ein Team der TU Wien zusammen mit Kollegen vom FZ Jülich ein maßgeschneidertes neuronales Netz, das genau für diese Anwendung eine möglichst schnelle Lernkurve hat. Das Resultat wurde im Fachjournal „Physical Review Applied“ publiziert und soll nun in ganz unterschiedlichen Quanten-Experimenten zum Einsatz kommen.

Magnetfelder und Licht

„Um Quantenteilchen zu kontrollieren, verwenden wir eine Kombination aus mehreren elektromagnetischen Feldern“, sagt Maximilian Prüfer, Postdoktorand in der Gruppe von Jörg Schmiedmayer am Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ), Atominstitut, TU Wien. „Durch winzige Strukturen wird elektrischer Strom geschickt, dadurch entsteht ein Magnetfeld. Zusätzlich verwenden wir Lichtstrahlen, die durch Linsen, Spiegel und Filter gezielt manipuliert werden können.“

Ähnlich wie der Strahl eines Beamers, der ein Bild auf eine Leinwand projiziert, ist der Lichtstrahl an manchen Stellen heller und an manchen dunkler. Die Form des Lichtstrahls bestimmt, welche Kräfte die Teilchen an welcher Stelle spüren. Indem man die Intensitätsverteilung des Lichts anpasst, kann man die Teilchen gezielt beeinflussen.

„Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Methoden, dieses Lichtfeld zu steuern“, erklärt Maximilian Prüfer. „Man kann vorab berechnen, welche Form das Feld haben muss – das gelingt aber nur dann, wenn man alle Details des Experiments, inklusive aller Störeffekte, wirklich ganz genau kennt. Das Ergebnis kann immer nur höchstens so präzise sein, wie das Rechenmodell, das man verwendet.“

Die Alternative dazu sind sogenannte iterative Steuerungsalgorithmen: Sie können das Lichtfeld sukzessive verbessern, indem man nach jedem Änderungsschritt ein neues Experiment durchführt und aus dem Ergebnis abliest, auf welche Weise man im nächsten Schritt das Lichtfeld weiterverbessern muss, um dem Ziel möglichst nahe zu kommen. Ein detailliertes Verständnis der zugrundeliegenden Effekte ist dabei gar nicht nötig.

„Solche Algorithmen sind im Prinzip nur durch die experimentelle Messgenauigkeit beschränkt. Diese wunderbare Eigenschaft hat jedoch einen Preis: jeder Verbesserungsschritt benötigt einen eigenen Versuch am Experiment.“ erklärt Andreas Deutschmann-Olek, welcher als Postdoktorand im Team von Prof. Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der Arbeit beteiligt ist. Die notwendigen Messungen solcher Versuchsreihen können Wochen dauern, und eine geringfügige Änderung am gewünschten Lichtfeld bedeutet, dass man von vorne beginnen muss. Durch eine digitale Kopie des Experiments auf Basis aller bisherigen Versuchsdaten könnte die Anzahl der benötigten Messungen jedoch dramatisch reduziert werden.

Ein neuronales Netz, maßgeschneidert für Teilchenphysik

Genau für diese Aufgabe wurde nun künstliche Intelligenz (AI) eingesetzt. „Wichtig war es, unser Wissen über die physikalischen Eigenschaften des Systems zu nutzen, und von vornherein in die künstliche Intelligenz einzubauen“, erklärt Maximilian Prüfer. „Wir haben ein neuronales Netz entwickelt, dessen Struktur genau an die physikalische Aufgabe angepasst ist, die es hier zu lösen gilt. Wir nennen das ein Physik-inspiriertes neuronales Netz. Erst damit war es möglich, bei experimentell handhabbaren Datenmengen hervorragende Prognosen durch das neuronale Netz zu erhalten.“ Das neuronale Netz wurde in enger Zusammenarbeit mit Forschern von FZ Jülich um Tomaso Calarco entwickelt.

Die Strategie war erfolgreich: Mit einer Kamera wird gemessen, wo sich die Teilchen befinden, und mit diesen Bildern wird das neuronale Netz trainiert. Im Lauf der Zeit lernt es dadurch, welche Änderungen am Experiment sich auf welche Weise auf die Quantenteilchen auswirken – und zwar ohne die physikalischen Formeln, die diesen Zusammenhang beschreiben, einprogrammiert zu haben. Die künstliche Intelligenz entwickelt in gewissem Sinn eine Art „Verständnis“ des Systems.

Die künstliche Intelligenz imitiert das Experiment

„Wir konnten zeigen: Die künstliche Intelligenz lernt tatsächlich, das Verhalten des physikalischen Systems korrekt zu imitieren“, sagt Maximilian Prüfer. Somit können die Algorithmen blitzschnell ausprobieren, wie sich verschiedene Änderungen am Experiment in der aktuellen Situation auswirken, ohne dass dafür lange, aufwendige experimentelle Versuchsreihen nötig wären. „Die gesammelte Information aus vergangenen Versuchen wird im neuronalen Netz strukturiert abgelegt und kann so auf neue Situationen übertragen werden“, ergänzt Andreas Deutschmann-Olek.

Wo man früher vielleicht hundert Experimente gebraucht hätte, bis man die richtigen Einstellungen gefunden hat, reicht heute ein kleiner Bruchteil davon. Ähnlich wie ein Mensch vielleicht nur ein paar gezeichnete Linien sehen muss, um zu erkennen, welches Tier hier abgebildet ist, braucht auch die künstliche Intelligenz, wenn sie gut trainiert ist, nur ein relativ geringes Maß an Information, um recht genau zu wissen, wie das Experiment gesteuert werden muss. Nur wenn besonders hohe Präzision benötigt wird oder bei besonders ungewöhnlichen Gegebenheiten muss das „echte“ Experiment anstelle des neuronalen Netzes befragt werden.

Damit kann man nun eine Vielzahl von Experimenten durchführen, die bisher nur mit viel größerem Aufwand oder gar nicht möglich gewesen wären. „Der Einsatz von maschinellem Lernen in der quantenphysikalischen Forschung ist gerade groß im Kommen“, meint Maximilian Prüfer. „Wir hoffen, dass unsere Arbeit auch Einsichten liefert wie ein physikalisches Verständnis zusammen mit den weit entwickelten AI Methoden Experimente verbessern kann.“ (Florian Aigner)

Originalpublikation:
M. Calzavara et al., Optimizing Optical Potentials With Physics-Inspired Learning Algorithms; Phys. Rev. Applied 19, 044090 (2023).

Externer Link: www.tuwien.at

Zwei Qudits vollständig verschränkt

Medienmitteilung der Universität Innsbruck vom 21.04.2023

Neuer Weg zur Verschränkung hochdimensionaler Quantensysteme

Quantencomputer rechnen nicht mehr nur mit Null und Eins wie ihr klassisches Gegenstück, sondern unterstützen flexible höherdimensionale Informationskodierung. Physiker der Universität Innsbruck haben nun eine neue Methode demonstriert, um solche hochdimensionalen Informationsträger effizient und mit hoher Güte zu verschränken.

Während wir aus dem täglichen Leben gewohnt sind mit den Ziffern Null bis Neun zu rechnen, arbeiten Computer für gewöhnlich nur mit binärer Information: Null und Eins. Die Zahl 9 stellt ein Computer als 1001 dar.

Die heutigen Quantencomputer sind aus dieser binären Denkweise gewachsen. Die Quantensysteme, in denen die Information gespeichert wird, unterstützen aber nicht nur Quantenbits (Qubits), sondern auch Quantendigits (Qudits), wie ein Team um Martin Ringbauer vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck kürzlich gezeigt hat. „Die Herausforderung bei Qudit-basierten Quantencomputern ist die effiziente Erzeugung von Verschränkung zwischen den hochdimensionalen Systemen“ erklärt Pavel Hrmo von der ETH Zürich.

Das Team um Martin Ringbauer berichtet nun in der Fachzeitschrift Nature Communications über eine neue Methode hochdimensionale Qudits in einem Quantencomputer zu verschränken und ebnet damit den Weg für noch effizientere Quantencomputer.

Denken wie ein Quantencomputer

Das Beispiel der Zahl 9 zeigt, dass die Rechnung 9 x 9 = 81 im Kopf zwar leicht gelöst werden kann, ein klassischer Computer oder Taschenrechner 1001 x 1001 aber in vielen Einzelschritten berechnen muss. Mit klassischen Computern können wir uns das erlauben, bei Quantencomputern aber, die extrem sensibel auf Umwelteinflüsse reagieren, müssen Rechnungen mit so wenig Schritten wie möglich durchgeführt werden.

Eine der besonderen Eigenschaften von Quantensystemen, und von zentraler Bedeutung für die überragende Rechenleistung von Quantencomputern, ist Verschränkung. Um dieses Potential auszunutzen, ist es von zentraler Bedeutung, Verschränkung hochdimensionaler Systeme auf effiziente und robuste Weise zu erzeugen.

Die natürliche Sprache des Quantencomputers

Die Forscher an der Universität Innsbruck haben nun eine neue Methode demonstriert, um zwei Qudits mit jeweils bis zu fünf Zuständen maximal zu verschränken. Diese Methode gibt sowohl theoretischen, als auch Experimentalphysikern ein neues Werkzeug zur Hand, um die Entwicklung nichtbinärer Quantencomputer zu beschleunigen.

Martin Ringbauer erklärt: „Quantensysteme, wie etwa gespeicherte Ionen, haben viel mehr als nur zwei Zustände, die zur Informationsverarbeitung verwendet werden können.“ Viele der anspruchsvollsten Probleme der heutigen Zeit, in so unterschiedlichen Bereichen wie Chemie, Physik oder Optimierung, können von dieser natürlicheren Sprache des Quantencomputers profitieren.

Die Forschungen wurden unter anderem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, dem Europäischen Forschungsrat ERC, der Europäischen Union und der Industriellenvereinigung Tirol finanziell unterstützt.

Originalpublikation:
Native qudit entanglement in a trapped ion quantum processor. Pavel Hrmo, Benjamin Wilhelm, Lukas Gerster, Martin W. van Mourik, Marcus Huber, Rainer Blatt, Philipp Schindler, Thomas Monz, Martin Ringbauer. Nature Communications 14, 2242 (2023) (Open Access)

Externer Link: www.uibk.ac.at