Verdrehte Welt – Chemiker bauen molekulares Geländer

Medienmitteilung der Universität Basel vom 13.11.2014

Chemikern der Universität Basel ist es gelungen, ein Molekül auf eine neuartige Weise zu verdrehen, indem sie unterschiedlich lange Molekülstränge miteinander verbanden. Dabei windet sich der längere Strang wie ein Treppengeländer um eine zentrale Achse, und es entsteht eine spiegelbildliche Struktur, die über besondere physikalischen Eigenschaften verfügt. Die Resultate wurden in der renommierten Fachzeitschrift «Angewandte Chemie» veröffentlicht.

Die Chemie aller Stoffe wird zu einem wichtigen Teil von ihrer räumlichen Anordnung bestimmt. Viele Moleküle können in zwei Formen vorkommen, die sich wie die linke Hand zur rechten verhalten. Insbesondere der Organismus unterscheidet sehr spezifisch zwischen links- und rechtshändigen Molekülen – ein Wirkstoff kann beispielsweise in der einen Form äusserst aktiv sein, sein Spiegelbild aber überhaupt nicht. Das fundamentale Verständnis dieser sogenannten Chiralität ist deshalb schon lange ein zentrales Thema der forschenden Chemie.

Verbindung unterschiedlich langer Stränge

Die Wissenschaftler um Prof. Marcel Mayor am Departement Chemie der Universität Basel haben einen neuen Ansatz entwickelt, um eine kleines Molekül in eine Form zu bringen, die dem Geländer einer Wendeltreppe ähnlich ist. Die Verbindung zweier unterschiedlich langer Oligomerstränge führt auf molekularer Ebene dazu, dass sich der längere Strang von selbst um den kürzeren windet, um die Längendiskrepanz auszugleichen.

Dabei entsteht eine Helix mit einer definierten links- oder rechtsdrehenden Laufrichtung und das gesamte Molekül wird händig (chiral). Zudem konnten die Forscher zeigen, dass es dem helixförmigen Molekül auch möglich ist, innerhalb einiger Stunden seine Form dynamisch von linkshändig nach rechtshändig und wieder zurück zu wechseln.

«Nicht nur die strukturelle Schönheit macht dieses Molekül so einzigartig», sagt Mayor, «es ist vor allem ein gänzlich neues Konzept, wie eine solche kontinuierliche Helix aufgebaut werden kann.»

Leistungsfähige Verfahren zur Herstellung chiraler Verbindungen sind sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Industrie von Interesse, beispielsweise zur Untersuchung biologischer Systeme, in der Pflanzenschutzchemie sowie in der Pharma- und Riechstoffindustrie. Das Projekt wurde vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert.

Originalbeitrag:
Rickhaus, M., Bannwart, L. M., Neuburger, M., Gsellinger, H., Zimmermann, K., Häussinger, D. and Mayor, M.
Induktion axialer Chiralität in einem Geländer-Oligomer durch Längendiskrepanz der Oligomerstränge
Angewandte Chemie (2014) | doi: 10.1002/ange.201408424
Inducing Axial Chirality in a “Geländer” Oligomer by Length Mismatch of the Oligomer Strands
Angewandte Chemie International Edition (2014) | doi: 10.1002/anie.201408424

Externer Link: www.unibas.ch

Neues Analyseverfahren könnte Brustkrebstherapie revolutionieren

Pressemeldung der Universität Wien vom 21.10.2014

Bindegewebszellen – sogenannte Stromazellen – können das Tumorwachstum entscheidend beeinflussen. Dies ist seit Längerem bekannt. Neu ist ein Auswerteverfahren, das der Bioanalytiker Christopher Gerner und ein interdisziplinäres Team von der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien entwickelt haben. Mit Hilfe der modernen Massenspektrometer der Universität Wien gelang es erstmals, in menschlichen Brustkrebs-Gewebsproben tumorfördernde Zellaktivitäten analytisch nachzuweisen. Aktuell ist dazu eine Publikation im renommierten Fachmagazin „Journal of Proteome Research“ erschienen.

Bekannt ist, dass Bindegewebe oder auch Stroma zu Entstehung und Wachstum von Tumoren beitragen kann. Ungeklärt ist jedoch, ob krankhafte Veränderungen des „Stromas“ die Bildung von Tumoren begünstigen oder ob erst vorhandene Tumorzellen das Stroma zu ihrem Überlebensvorteil funktionell verändern. „Uns gelang es erstmals, für diesen Prozess entscheidende Moleküle als solche zu erkennen und aus klinischen Proben direkt nachzuweisen“, sagt Christopher Gerner, Vorstand des Instituts für Analytische Chemie der Universität Wien, der zusammen mit Georg Pfeiler von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien und einem interdisziplinären Team erfolgreich ein neues Analyseverfahren entwickelt hat.

Unerwünschte Promotion von Krebswachstum durch Bindegewebszellen nachgewiesen

Gewebe sind aus unterschiedlichen Zelltypen aufgebaut, welche jeweils spezifische Aufgaben erfüllen. Brustgewebe ist im Wesentlichen aus Epithelzellen und Fibroblasten aufgebaut. Im Falle von Brustkrebs können Epithelzellen zu Krebszellen entarteten, und Fibroblasten (Bindegewebszellen) können – wie oben angesprochen – in kritischer Weise funktionell verändert sein. Eine typische Aktivität von krebsassoziierten Fibroblasten (cancer-associated fibroblasts, CAFs) gleicht dem Bemühen dieser Zellen, eine Wunde heilen zu wollen. Die dabei abgesonderten Wachstums- und Überlebensfaktoren sind bereits in geringsten Konzentrationen hochaktiv und helfen nicht nur der Wundheilung, sondern werden eben im Falle von Krebs für unerwünschtes Krebswachstum missbraucht. Die Bedeutung dieses Prozesses ist erst seit wenigen Jahren voll akzeptiert, jetzt konnte in dieser Studie auch erstmals ein relevantes In vitro Modellsystem vorgestellt werden.

Durch Massenspektrometrie innovatives Auswerteverfahren von Brustgewebszellen

Die analytische Herausforderung war nun, aus Nadelbiopsien und den daraus gewonnenen Gewebshomogenaten, also einem Gemisch verschiedenster Zelltypen und unzähliger Blutbestandteile, möglichst viele krankheitsbeeinflussende Proteine zu identifizieren. Mittels moderner massenspektrometrischer Analysen konnten zunächst in den Gewebsproben von Brustkrebspatientinnen viele tausend Proteine erfolgreich erkannt werden. In der Folge gelang es erstmals, die Aktivitäten der Fibroblasten direkt nachzuweisen – mit dem Ergebnis, dass wie im In-vitro-Modell auch die menschlichen Zellen im Gewebe eine deutliche Wundheilungs-Signatur und somit krebsfördernde Aktivitäten aufzeigen. „Möglich wurden diese Experimente durch die Ausstattung meiner neuen Professur für Bioanalytik“, so Christopher Gerner über die Topgeräte des Massenspektrometriezentrums der Universität Wien.

Neue Ansätze in der Brustkrebstherapie

Diese Erkenntnis ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Aufgrund einer Nadelbiopsie kann nun der Status quo der entnommenen Zellen erhoben werden. „Es kann damit prinzipiell bei jeder einzelnen Patientin festgestellt werden, wie stark bei ihr die Wundheilungsaktivität ausgeprägt ist. Das ist eine entscheidende Voraussetzung, um eine gezielte Einflussnahme planen zu können. Für die klinische Routine ist das aber noch Zukunftsmusik“, so Georg Pfeiler von der Medizinischen Universität Wien. „Wir arbeiten bereits daran, einen derartigen Status auch aus Serumproben erheben zu können“, ergänzt Christopher Gerner vom Institut für Analytische Chemie der Universität Wien.

Darüber hinaus kann nun das etablierte Zellmodell für Krebs-assoziierte Fibroblasten dazu verwendet werden, Medikamente zu testen, die diese unerwünschten Zell-Aktivitäten gezielt hemmen sollen. Eine derartige (Zusatz-)Therapie könnte eine unschätzbare Verbesserung der bisher eingesetzten klinischen Standard-Therapien darstellen.

Derzeit arbeiten mehrere DoktorandInnen an der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien an der Umsetzung dieses Forschungsvorhabens. Es handelt sich dabei um ein typisches Cross-Over-Projekt, an dem chemische AnalytikerInnen, MedizinerInnen und PharmakologInnen mitarbeiten.

Publikation:
„Journal of Proteome Research“ (Special Issue: Proteomics of Human Diseases: Pathogenesis, Diagnosis, Prognosis, and Treatment):
Proteome Profiling of Breast Cancer Biopsies Reveals a Wound Healing Signature of Cancer-Associated Fibroblasts. Michael Groessl, Astrid Slany, Andrea Bileck, Kerstin Gloessmann, Dominique Kreutz, Walter Jaeger, Georg Pfeiler, Christopher Gerner. September 2014. DOI: 10.1021/pr500727h

Externer Link: www.univie.ac.at

Vereinte Gegensätze

Presseinformation der LMU München vom 10.10.2014

LMU-Chemiker haben erstmalig einen ferromagnetischen Supraleiter entdeckt, der chemisch modifizierbar ist und umfassende Studien dieses seltenen Phänomens ermöglicht.

Supraleitung und Ferromagnetismus – die „normale“ Form des Magnetismus, wie sie etwa in Hufeisenmagneten auftritt – schließen sich normalerweise aus: Ferromagneten sind magnetisch, weil in ihrem Inneren ein starkes Magnetfeld vorliegt. Supraleiter dagegen verdrängen Magnetfelder aus ihrem Inneren. LMU-Chemikern ist es nun gelungen, diese Gegensätze zu überwinden: „Wir haben eine neue Verbindung synthetisiert, die als ferromagnetischer Supraleiter beide Eigenschaften in sich vereint“, sagt Professor Dirk Johrendt vom Department Chemie, „dieser Erfolg ist ein wichtiger Fortschritt, der der Forschung ganz neue Möglichkeiten eröffnet“.

Dass Supraleitung und Ferromagnetismus in einem Material gemeinsam vorkommen, ist sehr selten und wurde bisher fast nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt – also bei etwa minus 273°C – beobachtet. „Die von uns synthetisierte schichtartige Verbindung (Li,Fe)OH(FeSe) hat den großen Vorteil, dass sie auch bei höheren Temperaturen funktioniert, die im Labor leichter handhabbar sind“, sagt Johrendt.

Die neue Verbindung besteht aus zwei unterschiedlichen Schichten, die abwechselnd aufeinander folgen: Einer supraleitenden Eisenselenid-Schicht (FeSe) und einer ferromagnetischen Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht (Li,Fe)OH. Wird die Verbindung auf Temperaturen unterhalb von minus 230°C abgekühlt, entsteht zunächst Supraleitung in der Eisenselenid-Schicht. Bei etwas tieferen Temperaturen erzeugen die Eisenatome in der Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht zusätzlich einen ferromagnetischen Effekt, ohne dass die Supraleitung verschwindet.

In Kooperation mit Physikern der Technischen Universität Dresden und des Paul-Scherrer-Instituts in Villingen (Schweiz) konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das von der ferromagnetischen Schicht ausgehende Magnetfeld den Supraleiter durchdringt – und zwar spontan und ohne äußeren Einfluss. Dieser neue Zustand der Materie wird als spontane Vortex-Phase bezeichnet. In bestimmten Supraleitern kann zwar durch ein von außen angelegtes Magnetfeld ein ferromagnetischer Effekt erzeugt werden, aber die wenigen bisher bekannten Stoffe mit dieser Eigenschaft waren chemisch kaum modifizierbar und konnten wegen der erforderlichen extrem niedrigen Temperaturen nur mit großem Aufwand untersucht werden. „Unser neues Material bietet erstmalig gute Möglichkeiten, die Koexistenz von Supraleitung und Ferromagnetismus chemisch zu beeinflussen, sodass in Zukunft umfassendere Studien dieses faszinierenden Phänomens möglich werden“, schließt Johrendt. (göd)

Publikation:
Angewandte Chemie 2014

Externer Link: www.uni-muenchen.de

Freie Poren für den Molekültransport

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 31.07.2014

Forscher ermitteln Ursache für Barrieren an der Oberfläche metall-organischer Gerüste (MOFs) – Wichtig für die Speicherung von Gasen

Metall-organische Gerüste (MOFs) können Gase aufnehmen wie ein Schwamm, der Flüssigkeit aufsaugt. Daher eignen sich diese hochporösen Materialien zum Speichern von Wasserstoff oder Treibhausgasen. Die Beladung ist jedoch bei vielen MOFs durch Barrieren eingeschränkt. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) präsentieren nun in der Zeitschrift „Nature Communications“, dass die Barrieren durch Korrosion der MOFs an der Oberfläche entstehen. Dies lässt sich mit wasserfreien Synthesestrategien vermeiden.

MOFs sind kristalline Materialien aus metallischen Knotenpunkten und organischen Verbindungselementen. Sie haben eine enorm große Oberfläche und sind hochporös. Daher können sie wie ein Schwamm andere Moleküle aufnehmen. Eine große Bedeutung besitzen MOFs, die inzwischen auch großtechnisch hergestellt werden, bei der Speicherung von Gasen: Wenn das Gas in den Festkörper eintritt, verflüssigt es sich teilweise und wird dadurch dichter, sodass sich erheblich mehr Moleküle im gleichen Volumen speichern lassen. MOFs eignen sich unter anderem für die Speicherung von Wasserstoff im Tank von wasserstoffbetriebenen Automobilen, aber auch für die Speicherung der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan. Weitere Anwendungen liegen in den Bereichen Stofftrennung, Katalyse und Sensorik. Für jede Anwendung lässt sich das passende MOF maßschneidern; meist liegen sie als Pulver vor. In den vergangenen zehn Jahren wurden bereits über 20 000 verschiedene Vertreter dieser Materialklasse genau charakterisiert.

„Bei fast allen Anwendungen spielt die Beladung dieser hochporösen Kristalle mit Molekülen eine zentrale Rolle“, erklärt Lars Heinke vom Institut für Funktionelle Grenzflächen (IFG) des KIT. „Die Effizienz des Molekültransports in die porösen Partikel hinein ist für die Funktion der MOFs von kritischer Bedeutung.“ In vielen MOF-Materialien ist die Beladung jedoch durch sogenannte Oberflächenbarrieren stark eingeschränkt. Die Oberfläche des Schwamms ist sozusagen verklebt, die Poren sind verstopft, und die Beladung ist deutlich verzögert. Dies schränkt die Einsatzmöglichkeiten deutlich ein.

Um die Ursache dieser bisher unverstandenen Probleme aufzuklären, haben die IFG-Forscher die Entstehung der Oberflächenbarrieren erforscht. Dazu führten sie grundlegende Experimente an dünnen, auf Festkörpersubstraten aufgebauten und strukturell perfekten MOF-Schichten durch. Diese SURMOFs (SURface mounted Metal-Organic Frameworks) zeichnen sich durch eine hohe Ordnung und eine ideale Struktur aus. Dadurch gelang es den Forschern nachzuweisen, dass die Barrieren auf eine Korrosion der MOF-Schichten an der Oberfläche zurückzuführen sind. Die Wissenschaftler zeigten, wie die Korrosion der Oberflächenschichten voranschreitet. Sie stellten fest, dass Wasser dabei eine zentrale Rolle spielt. „Viele Wissenschaftler glaubten, daß diese Oberflächenbarrieren intrinsisch, also unvermeidbar sind. Das ist widerlegt – man kann MOFs auch so herstellen, dass sie ohne ,Stau‘ beladen werden können,“ sagt der Leiter des IFG des KIT, Professor Christof Wöll. Die nun in der Zeitschrift „Nature Communications“ publizierte Arbeit widerlegt eine Reihe von zuvor aufgestellten Hypothesen.

Die Ergebnisse der Arbeit können den verschiedenen Anwendungen der MOFs zugutekommen. Aufgrund der Erkenntnisse der KIT-Forscher gilt es für die Zukunft, wasserfreie Synthesestrategien für MOFs zu entwickeln. Damit lassen sich dann verbesserte Materialien realisieren, die einen barrierefreien Transport von Molekülen aus der Gas- und der flüssigen Phase in MOFs gewährleisten. So lässt sich die Effizienz dieser vielversprechenden Speicher- und Funktionsmaterialien noch weiter steigern. (or)

Veröffentlichung:
L. Heinke, Z. Gu and Ch. Wöll, The surface barrier phenomenon at the loading of metal-organic frameworks. Nat. Commun. 5:4462 doi: 10.1038/ncomms5562 (2014).

Externer Link: www.kit.edu

Entwässern mit Blaulicht

Presseinformation der LMU München vom 21.07.2014

LMU-Wissenschaftlern ist es gelungen, das Entwässerungsmittel Amilorid mit einem Lichtschalter auszustatten, der durch blaues Licht aktiviert wird. Die neue Methode erlaubt es erstmals, die Funktion bestimmter Natriumkanäle mit Licht zu steuern.

Entwässerungsmittel – sogenannte Diuretika – werden in der Medizin häufig eingesetzt, etwa zur Behandlung von Herzschwäche und Bluthochdruck. Ein bekanntes Diuretikum ist Amilorid, das auf sogenannte Epitheliale Natriumkanäle (ENaCs) wirkt. ENaCs sind Natriumkanäle in der Zellmembran, die in verschiedenen Epithelgeweben den Wassertransport regulieren, aber auch im zentralen Nervensystem vorkommen, wo deren Funktion bislang unbekannt ist. Dirk Trauner, Professor für Chemische Biologie und Genetik an der LMU, ist es mit seinem Team und Kollegen der Justus Liebig Universität Gießen nun gelungen, Amilorid mit einem Photoschalter zu versehen, der neue Einblicke in die Funktion dieser Kanäle erlaubt.

„Wenn das chemisch modifizierte Amilorid an einen ENaC andockt, können wir den ursprünglich blinden Kanal durch Lichtreize gezielt steuern“, sagt Matthias Schönberger, der Erstautor der im Journal Nature Chemistry veröffentlichten neuen Studie. Blaues Licht aktiviert das Photoamilorid, sodass der ENaC blockiert wird. Durch Ausschalten des Lichtes oder durch Bestrahlung mit grünem Licht wird das Molekül wieder deaktiviert, sodass der Kanal geöffnet ist und Natrium-Ionen in die Zelle strömen können. Auf diese Weise kann der Kanal beliebig oft geöffnet und geschlossen werden.

Verschiedene Kanäle gezielt ansprechbar

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass das neue Photoamilorid sowohl in amphibischen Zellen als auch in menschlichen embryonalen Nierenzellen und einem Zellmodell für das menschliche Lungenepithel funktioniert. Dabei stellte sich heraus, dass der neuen Wirkstoff besonders auf eine bestimmte ENaC-Variante wirkt, die sich je aus einer delta-, beta-, und gamma-Untereinheit zusammensetzt. Gerade diese Variante konnte bisher mangels geeigneter Methoden nur unzureichend untersucht werden. „Wir haben nun erstmals ein Werkzeug zur Verfügung, welches uns ermöglicht, gezielt diese Kanalvariante zu erforschen“, erklärt Schönberger.

Derzeit wird spekuliert, dass Delta-ENaCs möglicherweise bei neuronalen Krankheiten eine Rolle spielen, indem sie zu viele Natriumionen in die Zelle strömen lassen, sodass die Neuronen unkontrolliert feuern. „Das ist aber alles noch sehr hypothetisch. Vor allem weil Delta-ENaCs nur bei Primaten vorkommen, was ihre Untersuchung generell, aber vor allem im Gehirn erschwert. Deshalb sind wir sehr froh, dieses erste selektive Tool zu haben“, sagt Schönberger.

Das neue Photoamilorid hat sich somit als nützliches Werkzeug erwiesen, um ENaCs erstmal mit Licht zu steuern und gezielt verschiedene ENaC-Varianten anzusprechen. Somit könnte es dazu beitragen, deren Rolle in unterschiedlichen Geweben – etwa im Gehirn – aufzuklären. „Darüber hinaus könnte unser Photoamilorid/ENaC-System genutzt werden, um Zellen über die Steuerung des Natriumflusses gezielt zu polarisieren, d.h. ihre elektrische Ladung zu beeinflussen. Auf dieser Basis ließen sich zum einen optische Screening-Plattformen für spannungsgesteuerte Ionenkanäle entwickeln. Zum anderen bietet die Methode neue Möglichkeiten, die auf Zellpolarisation beruhende zelluläre Kommunikation zu untersuchen“, schließt Trauner. (göd)

Publikation:
Nature Chemistry 2014

Externer Link: www.uni-muenchen.de