Ein Nanopartikel wie ein weihnachtlicher Stern

Presseinformation der Universität Tübingen vom 18.12.2024

Experimente mit einem Silbercluster in der Chemie ergaben eine sechszählige Struktur.

Pünktlich zur Winter- und Weihnachtszeit haben Professor Andreas Schnepf, Dr. Claudio Schrenk und Mike Kordan vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Tübingen ihre Forschungsarbeit zu einem neuen künstlichen Nanopartikel mit sechszähliger Struktur veröffentlicht: Sein Molekülmodell erinnert an einen Eiskristall oder ein weihnachtliches Fensterbild. Damit eroberte das Tübinger Team den begehrten Platz auf dem Titelbild der Fachzeitschrift Chemistry A European Journal.

Der Nanogrößenbereich bewegt sich in den Millionstel Millimetern. Teilchen in der Größe von ein bis hundert Nanometern können natürlicherweise zum Beispiel bei Vulkanausbrüchen oder Waldbränden entstehen, sie werden aber auch synthetisch hergestellt, um bestimmte Eigenschaften zu erreichen. Die Konstruktion künstlicher Nanopartikel mit unterschiedlichen Funktionen ist ein großer Forschungsbereich. Einsatzmöglichkeiten für die winzigen Teilchen gibt es zum Beispiel bei Haushaltsprodukten oder in der Medizin für den Medikamententransport im Körper. In der Chemie können Nanopartikel zur Steuerung bestimmter Reaktionen verwendet werden.

Vohersagen kaum möglich

Bei den künstlichen metallischen Nanopartikeln sei bisher häufig Gold verwendet worden, berichtet Andreas Schnepf. Er hat gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe bei der Erforschung von Nanopartikeln nun mit Silber experimentiert. „Uns interessiert der Grenzbereich zwischen den Silberatomen im Festkörper und verschiedenen Molekülen. Wir lernen viel darüber, wie diese sich verhalten.“ Das Ziel sind Nanopartikel mit interessanten Eigenschaften, die auch stabil sind. Dazu werden Silbercluster im Labor mit unterschiedlichen Liganden hergestellt und getestet.

„Das ist klassische Laborarbeit. Unser Verständnis der Nanopartikelchemie reicht nicht aus, um theoretisch per Computerprogramm Vorhersagen über die Eigenschaften und Stabilität von neuen Konstruktionen zu treffen“, erklärt der Chemiker. „Auch können wir die Liganden eines solchen Partikels nicht einfach Schritt für Schritt austauschen. Mit jedem neuen Molekül kann sich alles ändern.“ Auch die Struktur lasse sich nicht vorausberechnen. Schnepf und seine Arbeitsgruppe synthetisierten den bisher größten Silbercluster, der nur Phosphine – Phosphorethylgruppen – und Halogenide, hier Chlor, als Liganden hat: Ag108(PEt3)24Cl6, so die chemische Summenformel.

„Die meisten Nanopartikel haben eine kugelige Form. Unser Silbercluster hat uns überrascht. Er ist sechseckig und sieht von der Seite aus wie ein flaches Paket“, sagt Schnepf. Seine Arbeit gehöre klar in die Grundlagenforschung, sagt er. Künftige Anwendungsbereiche des neuen Nanopartikels könnten vor allem in der Katalyse liegen, also der Lenkung bestimmter chemischer Reaktionen, sowohl für die Forschung selbst als auch in der Technik.

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Neuer Hybridkatalysator für saubere Sauerstoffproduktion

Pressemitteilung der Technischen Universität Wien vom 28.11.2024

Ein Forschungsteam am Institut für Materialchemie der TU Wien unter der Leitung von Professor Dominik Eder hat einen neuen synthetischen Ansatz entwickelt, um langlebige, leitfähige und katalytisch aktive Hybridgerüstmaterialien für die (photo)elektrokatalytische Wasserspaltung herzustellen.

Poröse metall-organische Gerüstkatalysatoren
Die Entwicklung von Technologien für nachhaltige Energieträger, wie Wasserstoff, ist von entscheidender Bedeutung. Ein vielversprechender Weg zur Erzeugung von Wasserstoff (H2) ist die Spaltung von Wasser in H2 und Sauerstoff (O2), entweder elektrochemisch oder mit Hilfe von Licht oder beidem – ein Weg, den das Team verfolgt. Für diesen Prozess wird jedoch ein Katalysator benötigt, der die Reaktion beschleunigt, ohne selbst verbraucht zu werden. Zu den wichtigsten Kriterien für einen Katalysator gehören eine große Oberfläche für die Adsorption und Aufspaltung von Wassermolekülen sowie eine lange Haltbarkeit für den Langzeiteinsatz.

Zeolithische Imidazolatgerüste (ZIF), eine Klasse hybrider organischer/anorganischer Materialien mit molekularen Grenzflächen und zahlreichen Poren, bieten als Katalysatoren Rekordoberflächen und reichlich Adsorptionsstellen für Wasser. Sie bestehen aus einzelnen Metallionen, z. B. Kobaltionen, die durch spezifische organische Moleküle, die so genannten Liganden, über so genannte Koordinationsbindungen verbunden sind. Herkömmliche ZIFs enthalten nur eine einzige Art von organischem Liganden. „Diesen ZIFs fehlt es oft an Stabilität in Wasser unter elektrokatalytischen Bedingungen, um eine langfristige Anwendung zu gewährleisten. Außerdem schränkt ihre eher geringe elektronische Leitfähigkeit ihre Wirksamkeit in elektrokatalytischen Anwendungen ein“, sagt Dominik Eder.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, hat das Team eine Methode entwickelt, um ZIFs mit zwei oder mehr organischen Liganden zu entwerfen. „Wir mussten darauf achten, beide Liganden so zu mischen, dass eine gleichmäßige Verteilung im gesamten Gerüst entsteht und gleichzeitig die ursprüngliche ZIF-Struktur erhalten bleibt“, erklärt Zheao Huang, der Hauptautor der Studie. Daher untersuchte das Team umfassend eine Reihe von Ligandenkombinationen und Prozessparametern und war schließlich in der Lage, das am besten geeignete Ligandenpaar zu ermitteln.

Synergistische Vorteile durch Mischung zweier organischer Liganden
Die Autoren fanden heraus, dass diese Modifikation die Stabilität des ZIF erheblich verbessert und seine Lebensdauer während der elektrokatalytischen Wasserspaltung von einigen Minuten auf mindestens einen Tag verlängert hat. Durch eingehende Untersuchungen mit einer breiten Palette experimenteller spektroskopischer und mikroskopischer Techniken, unterstützt durch rechnerische Theorien in Zusammenarbeit mit der Central China Normal University, stellte das Team fest, dass die präzise Mischung der beiden Liganden die Koordinationsbindung mit dem Kobaltmetall synergetisch verstärkte. Infolgedessen brach das poröse Gerüst während der (photo)elektrokatalytischen Tests nicht zusammen. „Stattdessen beobachteten wir, dass sich bereits nach wenigen Minuten der Reaktion ein sehr dünner Film von nur wenigen Nanometern aus Kobalt-Sauerstoffhydroxid auf der Oberfläche der ZIF-Nanopartikel bildete, der einen weiteren Abbau und Zusammenbruch verhinderte“, sagt Huang Zheao.

Darüber hinaus hat die Kombination von zwei Liganden die Leitfähigkeit des ZIF-Materials um das Zehnfache erhöht und damit auch die Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER) um das Zehnfache gesteigert. „Simulationen ergaben, dass die beiden Liganden auf synergistische Weise interagieren und eine hohe Dichte an mobilen Ladungsträgern im gesamten Material erzeugen“, erklärt Dominik Eder und fügt hinzu: “Obwohl wir mit dieser neuen Strategie einige Verbesserungen erwartet hatten, waren wir überrascht, wie sehr sie die (photo)elektrokatalytische Leistung von ZIFs verbessert.“

Das Team erforscht nun diesen vielseitigen Ansatz für andere ZIFs sowie metallorganische Gerüste (MOFs), denen es ebenfalls an Stabilität und Leitfähigkeit für elektrokatalytische und (photo)elektrokatalytische Anwendungen mangelt. Dieser innovative Ansatz eröffnet spannende Möglichkeiten für die Entwicklung fortschrittlicher Materialien für Katalyse, Sensorik und Solarenergieumwandlungstechnologien und bringt uns näher an reale Anwendungen heran.

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Zweihundertfach bessere Katalysatoren durch Kohlenstoff

Pressemitteilung der Technischen Universität Wien vom 11.11.2024

Wenn man Metall-Nanopartikel auf Kohlenstoff platziert, werden sie viel aktiver. Was man bisher nur aus Erfahrung vermutete, konnte nun an der TU Wien erstmals im Detail erklärt werden.

Edelmetalle spielen in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle als Katalysatoren: Mit Hilfe von Silber, Platin, Palladium oder anderen Elementen kann man chemische Reaktionen ablaufen lassen, die sonst nicht oder nur mit viel geringerer Reaktionsrate voranschreiten würden. Oft setzt man diese Metalle in Form winziger Nanopartikel ein. Wie gut sie wirken, hängt allerdings auch vom Untergrund ab, auf dem sie platziert werden. Nanopartikel auf einer Kohlenstoff-Unterlage scheinen besonders gut zu funktionieren – der Grund dafür war lange Zeit unbekannt.

An der TU Wien gelang es nun aber erstmals, das Zusammenspiel von Metall-Nanopartikeln und Kohlenstoff-Untergrund präzise zu vermessen und zu erklären. Silber-Atome auf einem Kohlenstoff-Träger stellten sich dabei als zweihundertmal aktiver heraus als Atome in einem Stück reinem Silber. Entscheidend ist die Zone, in der das Silber in direkten Kontakt mit dem Kohlenstoff gerät, zeigen Computersimulationen. Mit Hilfe von Wasserstoff-Isotopenaustausch entwickelte man eine Methode, Katalysator-Träger schneller und einfacher auf ihre Effektivität zu testen.

Von „schwarzer Kunst“ zur Wissenschaft
„Der Einsatz von Kohlenstoff als Trägermaterial für die Katalyse hatte lange Zeit fast etwas Magisches“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Die Herkunft des Kohlenstoffs stellte sich als wichtig heraus: Für manche Prozesse setzte man etwa Kohlenstoff ein, der aus Kokosnuss-Schalen, -Fasern oder speziellen Hölzern gewonnen wurde. Sogar in offiziellen Patentschriften sind solche „Rezepturen“ zu finden – dabei sollte die Herkunft chemischer Substanzen doch eigentlich relativ egal sein. „Es erschien immer ein bisschen wie schwarze Kunst“, sagt Günther Rupprechter.

Die Idee dahinter war, dass unterschiedliche Herstellungsmethoden zu minimalen chemischen oder physikalischen Unterschieden führen könnten: Vielleicht ordnet sich der Kohlenstoff je nach Herstellungsart auf unterschiedliche Weise an? Vielleicht enthält er Spuren anderer chemischer Elemente? Oder an der Oberfläche lagern sich funktionale Gruppen an – kleine molekulare Bausteine, die in die chemische Reaktion eingreifen?

„In der chemischen Industrie gibt man sich naturgemäß oft damit zufrieden, dass ein Prozess funktioniert und man ihn zuverlässig wiederholen kann“, sagt Rupprechter. „Wir wollten der Sache aber auf den Grund gehen und auf atomarer Ebene genau verstehen, was hier eigentlich vor sich geht.“ Neben Rupprechters Team war auch das das Zentrum für Elektronenmikroskopie der TU Wien (USTEM) und die Universität Cádiz (Spanien) beteiligt.

Präzisionsmessungen in einem Mikroreaktor
Das Team stellte zunächst extrem präzise charakterisierbare Proben her: Silber-Nanopartikel bekannter Größe auf einem Kohlenstoff-Untergrund und eine dünne Silberfolie ohne Kohlenstoff.

Beide Proben wurden dann in einem chemischen Reaktor untersucht: „Silber kann eingesetzt werden, um Wasserstoff-Moleküle in einzelne Wasserstoff-Atome zu zerlegen“, erklärt Thomas Wicht, der Erstautor der Studie. „Dieser Wasserstoff kann dann zum Beispiel für die Hydrierungs-Reaktion von Ethen verwendet werden. In analoger Weise kann man aber auch ‚gewöhnliche‘ Wasserstoffmoleküle mit Molekülen aus schwerem Wasserstoff (Deuterium) mischen. Beide Moleküle werden dann durch das Silber dissoziiert und neu kombiniert.“ Je aktiver der Katalysator, umso häufiger kommt es zum Austausch der beiden Wasserstoff-Isotope. Daher kann man auf diese Weise sehr zuverlässig Auskunft über die Katalysatoraktivität erhalten.

Somit konnte nun erstmals der Aktivitäts-Unterschied zwischen Silberatomen mit und ohne Kohlenstoff-Träger genau quantifiziert werden – mit spektakulärem Ergebnis: „Pro Silberatom erreicht man durch den Kohlenstoff-Untergrund eine zweihundertfach höhere Aktivität“, sagt Thomas Wicht. „Das ist natürlich für industrielle Anwendungen sehr wichtig. Man braucht nur ein Zweihundertstel der Menge an teuren Edelmetallen, um dieselbe Wirkung zu erzielen – und das einfach, indem man vergleichsweise kostengünstigen Kohlenstoff dazu nimmt.“

Der spannende Effekt passiert genau an der Grenze
Alexander Genest aus dem TU Team führte entsprechende Computersimulationen durch, die die Aktivierung von Wasserstoff durch Silber Nanopartikel auf Kohlenstoff und reinem Silber vergleichen. Dadurch wurde klar: Entscheidend ist die Grenzregion zwischen Silberpartikel und Kohlenstoff-Träger. Genau dort, wo beide in Kontakt treten, ist die Katalysator-Wirkung am größten. „Es liegt also nicht an der Größe der Kohlenstoff-Oberfläche oder an irgendwelchen Fremdatomen oder funktionalen Gruppen. Eine extreme katalytische Wirkung tritt dann auf, wenn ein Molekül direkt an der Kontaktstelle sowohl mit einem Kohlenstoff- als auch mit einem Silberatom in Berührung kommt“, sagt Alexander Genest. Je größer dieser Bereich des direkten Kontakts, umso größer auch die Aktivität.

Durch diese Erkenntnis lassen sich nun auch unterschiedliche Kohlenstoff-Chargen aus unterschiedlichen Quellen recht einfach auf ihre Wirksamkeit überprüfen. „Jetzt, wo wir den Wirkungsmechanismus verstanden haben, wissen wir genau, worauf man achten muss“, sagt Günther Rupprechter. „Unser Experiment, bei dem wir die Katalysatoren einer Mischung aus gewöhnlichem und schwerem Wasserstoff aussetzen, ist relativ einfach durchzuführen und es gibt sehr verlässlich darüber Auskunft, ob diese Variante des Kohlenstoff-Trägers auch für andere chemische Reaktionen geeignet ist oder nicht.“ Die Abläufe auf atomarer Ebene erklären zu können soll nun also im industriellen Einsatz Zeit und Geld sparen und die Qualitätssicherung vereinfachen.

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Zwei Dirigenten für eine chemische Reaktion

Presseaussendung der TU Wien vom 20.11.2023

Erstmals gelang es an der TU Wien, die Wirkungsweise sogenannter Promotoren einer katalytischen Reaktion in Echtzeit zu beobachten. Sie spielen in der Technik eine wichtige Rolle, galten aber bisher als wenig verstanden.

Katalysatoren braucht man für unzählige chemische Technologien – von der Abgasreinigung bis zur Herstellung wertvoller Chemikalien und Energieträger. Oft werden dabei auch noch winzige Spuren anderer Substanzen verwendet, die den Katalysator erst richtig effektiv machen. Man bezeichnet sie als „Promotoren“. Sie spielen in der Technik eine wichtige Rolle, sind aber notorisch schwer zu untersuchen.

Meist kann man nur durch Versuch und Irrtum herausfinden, welche Menge welcher Promotoren welche Wirkung hat. Nun gelang es an der TU Wien, die Rolle von Lanthan-Promotoren bei der Wasserstoff-Oxidation direkt zu beobachten. Die Rolle einzelner Lanthan-Atome wird mit High-Tech-Methoden sichtbar gemacht. Dabei zeigte sich: Zwei Oberflächenbereiche des Katalysators sind Taktgeber, ähnlich wie Dirigenten beim Orchester. Der Promotor spielt dabei eine entscheidende Rolle bei ihrer Interaktion – er steuert die Taktgeber. Das Ergebnis wurde nun im Fachjournal „Nature Communications“ publiziert.

Live bei der Reaktion zusehen

„Bei vielen chemischen Prozessen verwendet man Katalysatoren, die in Form winziger Nanopartikel vorliegen“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Die Leistungsfähigkeit von Katalysatoren lässt sich leicht über Produktanalyse ermitteln, mikroskopische Einblicke gewinnt man dadurch aber nicht.

Das ist heute anders: Günther Rupprechter hat mit seinem Team über Jahre hinweg Methoden entwickelt, mit denen man sogar einzelne Nanopartikel direkt während der chemischen Reaktion beobachten kann. Dabei zeigt sich, wie sich die Aktivität an unterschiedlichen Stellen dieser Nanopartikel während des Reaktionsablaufs ändert.

„Wir verwenden Rhodium-Nanospitzen, die sich wie Nanopartikel verhalten“, sagt Günther Rupprechter. „Sie können zum Beispiel als Katalysator dienen, wenn man Wasserstoff und Sauerstoff zu Wassermolekülen vereint – das ist die Reaktion, die wir im Detail untersuchen.“

Pendeln zwischen „aktiv“ und „inaktiv“

Schon in den vergangenen Jahren fand das Team an der TU Wien heraus, dass unterschiedliche Abschnitte der Nanopartikel-Oberfläche unterschiedliches Verhalten zeigen: Sie oszillieren zwischen einem aktiven und einem inaktiven Zustand hin und her. Mal findet an einem bestimmten Punkt die gewünschte chemische Reaktion statt, dann wieder nicht.

Mit speziellen Mikroskopen konnte man nachweisen: Auf jedem Nanopartikel finden verschiedene solche Oszillationen statt – und sie alle beeinflussen einander. Bestimmte Abschnitte der Nanopartikel-Oberfläche, die oft nur eine Breite von wenigen Atomdurchmessern haben, spielen dabei eine bedeutsamere Rolle als andere: Sie sind besonders effiziente „Taktgeber“ und steuern sogar die chemischen Oszillationen anderer Abschnitte.

In dieses Taktgeben können nun Promotoren eingreifen – und genau das ließ sich nun mit den an der TU Wien entwickelten Methoden untersuchen. Wenn man Rhodium als Katalysator verwendet, kann Lanthan als Promotor für katalytische Reaktionen dienen. Daher platzierte man einzelne Lanthan-Atome auf der winzigen Oberfläche eines Rhodium-Nanopartikels. Ein und derselbe Partikel konnte dadurch einmal mit und einmal ohne Promotor vermessen werden. So kann man im Detail sehen, welchen Effekt einzelne Lanthan-Atome auf den Ablauf der chemischen Reaktion haben.

Mit Lanthan ist alles anders

Maximilian Raab, Johannes Zeininger und Carla Weigl haben die Experimente durchgeführt. „Der Unterschied ist enorm“, sagt Maximilian Raab. „Ein Lanthan-Atom kann Sauerstoff binden, und das ändert die Dynamik der katalytischen Reaktion.“ Durch die winzige Menge Lanthan wird die Kopplung zwischen den unterschiedlichen Bereichen des Nanopartikels verändert.

„Das Lanthan kann bestimmte Taktgeber selektiv ausschalten“, erklärt Johannes Zeininger: „Stellen wir uns vor, ein Orchester hat zwei Dirigenten – da werden wir ziemlich komplexe Musik zu hören bekommen. Der Promotor sorgt dafür, dass es nur noch einen Taktgeber gibt, dadurch wird die Situation einfacher und geordneter.“

Zusätzlich zu den Messungen entwickelte das Team, weiter verstärkt durch Alexander Genest und Yuri Suchorski, auch ein mathematisches Modell, mit dem man die Kopplungen zwischen den einzelnen Bereichen des Nanopartikels simulieren kann. So ergibt sich eine neue leistungsfähige Herangehensweise, chemische Katalyse viel präziser als bisher zu beschreiben: Nicht nur auf Basis von Input und Output, sondern in einem komplexen Modell, das berücksichtigt, wie unterschiedliche Bereiche des Katalysators zwischen Aktivität und Inaktivität hin und her wechseln und sich dabei – gesteuert von Promotoren – gegenseitig beeinflussen.

Die Arbeiten wurden vom FWF gefördert (P32772-N und SFB TACO F81-P08). (Florian Aigner)

Originalpublikation:
M. Raab et al.: Lanthanum modulated reaction pacemakers on a single catalytic nanoparticle; Nature Communications, 14, 7186 (2023)

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Chemiker aus dem Saarland und San Diego beschreiben neues Kohlenstoff-Molekül in Nature

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 21.09.2023

Wissenschaftler der Universitäten San Diego und des Saarlandes haben jüngst ein neues Kohlenstoff-Molekül entdeckt. Dieses Molekül ist eine Weiterentwicklung der so genannten Carbene. Diese Stoffe, deren künstliche Erzeugung vor einigen Jahrzehnten erstmals gelang, haben heute eine überragende Bedeutung in der Industrie, etwa in OLED-Displays oder als Katalysatoren in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Ihre wegweisenden Erkenntnisse haben die Wissenschaftler nun in Nature publiziert.

Die Welt der Stoffe und Moleküle folgt in der Natur festen Regeln. So besagt die sogenannte Oktett-Regel, dass Kohlenstoffmoleküle mit jeweils acht Elektronen pro Atomhülle stabil sind. In jüngster Zeit gelang es der Chemie jedoch, diese Regeln bis zu einem gewissen Grad zu brechen, um Moleküle zu erschaffen, die ganz neuartige und in der modernen Welt gefragte Eigenschaften haben. Dies gelang vor drei Jahrzehnten mit den Carbenen, welche nur noch sechs Valenzelektronen aufweisen.

Anfangs wusste man noch nicht so recht, wozu die neuartigen Verbindungen nützlich sein könnten. „Sehr schnell stellte sich dann heraus, dass Carbene eine überragende Rolle in der organischen Photovoltaik und Mikroelektronik, etwa bei der Entwicklung so genannter organischer LED-Bildschirme, kurz OLEDs, spielen werden“, führt Dominik Munz als Beispiel an. Carbene seien inzwischen auch in der chemisch-pharmazeutischen Industrie als Katalysatoren von chemischen Prozessen nicht mehr wegzudenken, so Munz weiter.

Dem Professor für Koordinationschemie an der Universität des Saarlandes ist es nun gemeinsam mit Kollegen der Universität San Diego gelungen, von diesem Molekül noch zwei weitere Elektronen zu entfernen, so dass eine ganz neue Stoffklasse entstehen kann. Ihre Erkenntnisse sind so bedeutsam, dass sie es nun ins Fachmagazin Nature geschafft haben.

„Die internationale Zusammenarbeit beruht auf meiner Postdoc-Phase in den USA, die ich in der Arbeitsgruppe von Guy Bertrand an der Universität von San Diego verbracht habe“, erklärt der Wissenschaftler. „In dieser Zeit sowie in den letzten Jahren haben wir solche Moleküle quantenchemisch vorhergesagt und uns auch überlegt, wie man diese im Labor herstellen könnte.“ Durch eine elegante Synthesemethode ist es nun Ying Kai Loh, Postdoktorand bei Professor Bertrand an der Universität San Diego, gelungen, solch ein Molekül tatsächlich im Labor zu erschaffen.

Ob damit ebenfalls derart umwälzende Anwendungen wie mit den Carbenen möglich sind, steht in den Sternen. Vor 30 Jahren jedenfalls standen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Oktett-Regel damals brechen konnten, ebenfalls vor der Frage: „Und nun?“

Der Rest ist Geschichte.

Originalpublikation:
Loh, Y.K., Melaimi, M., Gembicky, M. et al. A crystalline doubly oxidized carbene. Nature (2023).

Externer Link: www.uni-saarland.de