Atome, die miteinander Pingpong spielen

Presseaussendung der TU Wien vom 16.01.2024

Eine Art „Quanten-Pingpong“ entwickelte ein Team der TU Wien: Durch eine passende Linse kann man zwei Atome dazu bringen, ein einzelnes Photon hochpräzise hin und her zu spielen.

Atome können Licht aufnehmen und wieder aussenden – das ist ein ganz alltägliches Phänomen. Meistens aber gibt ein Atom ein Lichtteilchen in alle möglichen Richtungen ab, dieses Photon dann wieder einzufangen ist gar nicht so einfach.

An der TU Wien konnte man nun aber rechnerisch zeigen: Durch eine besondere Linse lässt sich erreichen, dass ein einzelnes Photon, das von einem Atom abgegeben wird, von einem zweiten Atom mit praktisch hundertprozentiger Sicherheit wieder absorbiert wird. Dieses zweite Atom nimmt das Photon jedoch nicht nur auf, sondern schießt es gleich zum ersten Atom wieder zurück: Die Atome spielen sich das Photon punktgenau immer wieder gegenseitig zu – wie beim Pingpong.

Wie man eine Welle zähmt

„Wenn ein Atom irgendwo im freien Raum ein Photon aussendet, dann ist die Abstrahlrichtung vollkommen zufällig. Damit ist es praktisch unmöglich, ein anderes entferntes Atom dazu zu bringen, dieses Photon wieder aufzufangen“, sagt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Das Photon breitet sich als Welle aus, wodurch niemand sagen kann, in welche Richtung es sich genau bewegt. Es ist somit purer Zufall, ob das Lichtteilchen von einem zweiten Atom wieder absorbiert wird oder nicht.“

Anders sieht die Sache aus, wenn man das Experiment nicht im freien Raum durchführt, sondern in einem abgeschlossenen Bereich. Ähnliches kennt man aus der Akustik, von sogenannten Flüsterräumen: Wenn in einem elliptischen Raum zwei Menschen genau in den Brennpunkten der Ellipse stehen, dann können sie einander perfekt hören. Die eine Person flüstert leise, die Schallwellen werden von der elliptischen Wand exakt so reflektiert, dass sie einander am Aufenthaltsort der zweiten Person treffen – die zweite Person kann das leise Geflüster somit wunderbar hören, auch wenn es sehr leise war.

„Prinzipiell könnte man so etwas auch für Lichtwellen bauen und zwei Atome an den Brennpunkten einer Ellipse positionieren“, sagt Oliver Diekmann, der Erstautor der aktuellen Publikation. „Aber praktisch gesehen müssen die beiden Atome dann ganz präzise an den Brennpunkten positioniert werden.“

Die Maxwell-Fischaugenlinse

Das Forschungsteam ließ sich daher eine bessere Strategie einfallen, die auf das Konzept der Fischaugen-Linse zurückgreift, das von James Clerk Maxwell, dem Begründer der klassischen Elektrodynamik, entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um ein Material mit variierendem Brechungsindex. Während sich Licht in einem einheitlichen Medium wie Luft oder Wasser geradlinig fortbewegt, werden Lichtstrahlen in einer Maxwell-Fischaugenlinse gekrümmt.

„Auf diese Weise kann man erreichen, dass alle Strahlen, die von einem Atom ausgehen, auf einem krummen Pfad den Rand erreichen, dort reflektiert werden, und dann auf einem zweiten krummen Pfad zum Zielatom gelangen“, erklärt Oliver Diekmann. In diesem Fall funktioniert der Effekt viel effizienter als in einer simplen Ellipse und auch Abweichungen von der Idealposition der Atome sind möglich.

„Das Licht in dieser Maxwell-Fischaugenlinse hat verschiedene Schwingungsmoden gleichzeitig. Das ist ähnlich wie bei einem Musikinstrument, das zum Schwingen angeregt wird und verschiedene Obertöne gleichzeitig produziert“, sagt Stefan Rotter. „Wir konnten zeigen: Die Kopplung zwischen dem Atom und diesen unterschiedlichen Schwingungsmoden lässt sich auf eine Weise anpassen, dass es mit fast hundert Prozent Wahrscheinlichkeit zu einem Transfer des Photons von einem Atom auf das andere kommt – ganz anders als das im leeren Raum der Fall wäre.“

Wenn das Atom das Photon absorbiert hat, befindet es sich in einem Zustand höherer Energie, bis es dann nach sehr kurzer Zeit das Photon wieder abgibt. Dann beginnt das Spiel von vorne: Die beiden Atome tauschen ihre Rollen, das Photon wird vom Empfänger-Atom zum ursprünglichen Sender-Atom zurückgespielt – und immer so weiter.

Optimale Kontrolle für Quantentechnologien

Vorerst handelt es sich um theoretische Berechnungen, Praxistests sind aber mit bereits bestehender Technologie möglich. „In der Praxis könnte man die Effizienz sogar noch weiter erhöhen, indem man nicht nur zwei Atome verwendet, sondern zwei Gruppen von Atomen“, sagt Stefan Rotter. „Das Konzept könnte ein interessanter Startpunkt für Quantenkontroll-Systeme sein, mit denen man Effekte bei extrem starker Kopplung zwischen Licht und Materie genau studieren kann.“ (Florian Aigner)

Originalpublikation:
O. Diekmann, D. Krimer, and S. Rotter: Ultrafast Excitation Exchange in a Maxwell Fish-Eye Lens, Phys. Rev. Lett. 132, 013602 (2024).

Externer Link: www.tuwien.at

Dunkelheit macht Makro-Quanteneffekte sichtbar

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 10.01.2024

Wie man eine winzige Glasperle dazu bringt, makroskopische Quanteneffekte zu zeigen

Schnell sein, Licht vermeiden und über eine kurvenreiche Rampe rollen: Das ist das Rezept für ein bahnbrechendes Experiment, das Innsbrucker Physiker in einem kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Artikel vorschlagen. Damit soll ein Nanoteilchen, das sich in einem durch elektrostatische oder magnetische Kräfte erzeugten Potenzial bewegt, rasch und zuverlässig in einen makroskopischen Überlagerungszustand gebracht werden.

Die Grenze zwischen der Alltagswelt und der Quantenwelt ist noch immer unklar. Wird ein Teilchen durch Abkühlung auf den absoluten Nullpunkt zu einem Quantenobjekt, ist es umso stärker lokalisiert, je massiver es ist. Forscher unter der Leitung von Oriol Romero-Isart vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck schlagen ein Experiment vor, bei dem sich ein mit Laserlicht im Schweben gehaltenes Nanoteilchen, das auf seinen Grundzustand abgekühlt ist, einem nicht-optischen („dunklen“) Potenzial ausgesetzt wird, das durch elektrostatische oder magnetische Kräfte erzeugt wird. Die Forscher erwarten, dass dieses dunkle Potential rasch und zuverlässig einen makroskopischen Quantenüberlagerungszustand erzeugen wird.

Die Bewegung eines winzigen Glaskügelchen kann mittels Laserlicht auf seinen Grundzustand abgekühlt werden. Allein gelassen, von Luftmolekülen und einfallendem Licht bombardiert, heizen sich solche Glasperlen rasch auf und verlassen das Quantenregime, was jede Quantenkontrolle stark beschränkt. Um dies zu vermeiden, schlagen die Forscher um Oriol Romero-Isart vor, das Glaskügelchen im Dunkeln, bei ausgeschaltetem Licht, mit einem durch ungleichmäßige elektrostatische oder magnetische Kräfte gesteuerten Potential zu kontrollieren. Diese Methode ist nicht nur schnell genug, um eine Erwärmung durch streunende Gasmoleküle zu verhindern, sondern hebt auch die extreme Lokalisierung auf und sollte die Quanteneigenschaften eindeutig sichtbar machen.

In dem kürzlich in Physical Review Letters erschienenen Artikel wird auch diskutiert, wie dieser Vorschlag die praktischen Herausforderungen dieser Art von Experimenten umgeht. Zu diesen Herausforderungen gehören die Notwendigkeit schneller Versuchsdurchläufe, der minimale Einsatz von Laserlicht zur Vermeidung von Dekohärenz und die Möglichkeit, Versuchsdurchläufe mit demselben Teilchen rasch zu wiederholen. Diese Überlegungen sind entscheidend, um die Auswirkungen von niederfrequentem Rauschen und anderen systematischen Fehlern abzuschwächen.

Dieser Vorschlag wurde ausführlich mit den experimentellen Partnern von Q-Xtreme, einem von der Europäischen Union finanzierten ERC-Synergy-Grant-Projekt, diskutiert. „Die vorgeschlagene Methode orientiert sich an den aktuellen Entwicklungen in ihren Labors und sie sollten bald in der Lage sein, unser Protokoll mit ungekühlten Teilchen im klassischen Bereich zu testen, was sehr nützlich sein wird, um Rauschquellen zu messen und zu minimieren, wenn die Laser ausgeschaltet sind“, sagt das Theorie-Team um Oriol Romero-Isart. „Dieses Quantenexperiment stellt zwar eine sehr große Herausforderung dar. Wir glauben aber, dass es machbar sein sollte, da unser Vorschlag alle notwendigen Kriterien für die Erzeugung dieser makroskopischen Quantenüberlagerungszustände erfüllt.“

Originalpublikation:
Macroscopic Quantum Superpositions via Dynamics in a Wide Double-Well Potential. M. Roda-Llordes, A. Riera-Campeny, D. Candoli, P. T. Grochowski, and O. Romero-Isart. Phys. Rev. Lett. 132, 023601

Externer Link: www.uibk.ac.at

Quantenmaterialien: Supraleiter läuft unter Druck zur Hochform auf

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.11.2023

Publikation in Science: Quantenmechanische Anregungen der Elektronen in Strontiumruthanat erhöhen Supraleitung und erleichtern Verformung

Der Supraleiter Strontiumruthanat stellt die Wissenschaft vor viele Fragen. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe (MPI CPfS) in Dresden haben nun festgestellt, dass mechanischer Druck die Supraleitung erhöht und zugleich die Verformung des Materials erleichtert. Dies führen sie auf quantenmechanische Anregungen der Elektronen zurück. Ihre Arbeit trägt zum Verständnis des Wechselspiels von elastischen und elektronischen Eigenschaften bei. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Science.

Supraleiter sind Materialien, die beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur, der sogenannten Sprungtemperatur, keinen elektrischen Widerstand aufweisen. Dies macht sie unter anderem für verschiedene Anwendungen der Energiewandlung und -verteilung interessant. Bei Strontiumruthanat (Sr2RuO4) hat die Wissenschaft noch nicht verstanden, wie es zur Supraleitung kommt. „Die konventionelle Theorie lässt sich auf Strontiumruthanat nicht anwenden. Doch die Quantenmechanik bringt uns weiter, denn mit ihr lassen sich nicht nur die Eigenschaften einzelner Atome und Moleküle, sondern auch die kollektiven Eigenschaften von Vielteilchensystemen beschreiben“, sagt Professor Jörg Schmalian, Leiter des Instituts für Theorie der Kondensierten Materie (TKM) des KIT sowie Leiter der Abteilung Theorie der Quantenmaterialien am Institut für QuantenMaterialien und Technologien (IQMT) des KIT.

Mechanischer Druck entlang einer Richtung erhöht Sprungtemperatur

Schmalian ist einer der Hauptautoren der in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie. Forschende an mehreren Instituten des KIT und am MPI CPfS hatten bereits 2022 in einer Publikation in der Zeitschrift Nature demonstriert, wie sich durch mechanisches Drücken entlang einer bestimmten Richtung die Sprungtemperatur von Strontiumruthanat deutlich erhöhen lässt und wie dabei das Anregungsverhalten der Elektronen verändert wird. Zusammen mit internationalen Partnern stellten die Forschenden aus Karlsruhe und Dresden nun fest, dass genau dieser Druck, der die Supraleitung stark erhöht, das Material mechanisch wesentlich weicher macht, sodass Verformungen erleichtert werden. Dies führen die Forschenden auf eine quantenmechanische Resonanz der Schwingungen der Elektronen zurück.

Vor rund 60 Jahren sagte der sowjetische Physiker Ilja M. Lifschitz ein mechanisches Aufweichen vorher, das heute als Lifschitz-Übergang bekannt ist. „Der Effekt, den wir nun identifiziert haben, ist jedoch mehr als tausendmal größer und lässt sich klar mit der Verstärkung von Supraleitung in Verbindung bringen. Das ist verblüffend, weil weniger als ein Prozent der insgesamt im Material existierenden Elektronen eine Reduktion der elastischen Konstanten um 20 Prozent erzwingen“, erläutert Schmalian.

Einige wenige stromführende Elektronen haben das Sagen

Um die Untersuchung des Wechselspiels von elastischen und elektronischen Eigenschaften geht es auch im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Transregio ELASTO-Q-MAT, in dem das MPI CPfS und das KIT stark vertreten sind. Für die in Science publizierte Studie entwickelten Forschende des KIT ein Modell des Effekts, bei dem einige wenige der stromführenden Elektronen alle anderen beherrschen und das Material viel weicher machen können. Die Messungen dazu liefen am MPI CPfS in Dresden. „Ilja M. Lifschiz machte in seiner Theorie keinen Fehler“, betont Schmalian. „Unsere Studie bietet jedoch eine neue Perspektive und eröffnet die Möglichkeit, in Zukunft starke Quantenfluktuationen im Labor zu manipulieren und Materialien für einen gegebenen physikalischen Effekt zu optimieren.“ (or)

Originalpublikation:
H. M. L. Noad, K. Ishida, Y.-S. Li, E. Gati, V. Stangier, N. Kikugawa, D. A. Sokolov, M. Nicklas, B. Kim, I. I. Mazin, M. Garst, J. Schmalian, A. P. Mackenzie, and C. W. Hicks: Giant lattice softening at a Lifshitz transition in Sr2RuO4. Science, 2023. DOI: 10.1126/science.adf3348

Externer Link: www.kit.edu

Wechselwirkende Polaronen

Medienmitteilung der Universität Innsbruck vom 27.10.2023

Physiker simulieren Wechselwirkung von Quasiteilchen in ultrakaltem Quantengas

Die komplexen Vorgänge in Festkörpern werden in der Physik oft mit Quasiteilchen beschrieben. In ultrakalten Quantengasen können diese Quasiteilchen nachgebaut und untersucht werden. Nun haben Innsbrucker Wissenschaftler um Rudolf Grimm erstmals im Experiment beobachten können, wie Fermi-Polaronen – eine spezielle Art von Quasiteilchen – untereinander wechselwirken können. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Nature Physics.

Bewegt sich ein Elektron durch einen Festkörper, erzeugt es aufgrund seiner elektrischen Ladung in seiner Umgebung eine Polarisation. Der russische Physiker Lew Landau hat in seinen theoretischen Überlegungen die Beschreibung solcher Teilchen um deren Wechselwirkung mit der Umgebung erweitert und von Quasiteilchen gesprochen. Vor über zehn Jahren war es dem Team um Rudolf Grimm vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQQOI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck erstmals gelungen, solche Quasiteilchen in einem Quantengas sowohl bei attraktiver als auch repulsiver Wechselwirkung mit der Umgebung zu erzeugen. Dazu nutzen die Wissenschaftler ein ultrakaltes Quantengas aus Lithium- und Kaliumatomen in einer Vakuumkammer. Mit Hilfe von magnetischen Feldern kontrollieren sie die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen und mit Hochfrequenzpulsen drängen sie die Kaliumatome in einen Zustand, in dem diese die sie umgebenden Lithiumatome anziehen oder abstoßen. So simulieren die Forscher einen komplexen Zustand, wie er im Festkörper durch ein freies Elektron erzeugt wird.

Einblicke in die Materie

Nun konnten die Wissenschaftler um Rudolf Grimm in dem Quantengas mehrere solche Quasiteilchen gleichzeitig erzeugen und deren Wechselwirkung untereinander beobachten. „In einer naiven Vorstellung würde man davon ausgehen, dass sich Polaronen immer anziehen, egal ob ihre Wechselwirkung mit der Umgebung attraktiv oder repulsiv ist“, sagt der Experimentalphysiker. „Dem ist aber nicht so. Attraktive Wechselwirkung sehen wir immer bei bosonischen Polaronen, repulsive Wechselwirkung bei fermionischen Polaronen. Hier spielt die Quantenstatistik eine entscheidende Rolle.“ Die Forscher konnten diese Verhaltensweise, die sich im Prinzip schon als Konsequenz aus Landaus Theorie ergibt, nun erstmals in einem Experiment nachweisen. Die theoretischen Berechnungen dafür haben Kollegen aus Mexiko, Spanien und Dänemark geleistet. „Für die Umsetzung im Labor war hohe Experimentierkunst gefordert“, erläutert Cosetta Baroni, die Erstautorin der Studie, „denn kleinste Abweichungen hätten die Messungen bereits verfälschen können.“

„Solche Untersuchungen liefern uns Einblicke in ganz grundsätzliche Mechanismen der Natur und bieten uns sehr gute Möglichkeiten, diese im Detail zu untersuchen“, zeigt sich ERC- und Wittgenstein-Preisträger Rudolf Grimm begeistert. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht. Finanziell gefördert wurde die Forschung von der Europäischen Union.

Originalpublikation:
Mediated interactions between Fermi polarons and the role of impurity quantum statistics. Cosetta Baroni, Bo Huang, Isabella Fritsche, Erich Dobler, Gregor Anich, Emil Kirilov, Rudolf Grimm, Miguel A. Bastarrachea-Magnani, Pietro Massignan, Georg Bruun. Nature Physics 2023

Externer Link: www.uibk.ac.at

In 0,956 Sekunden von Null auf Hundert

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 12.09.2023

Mit ihrem selbstgebauten Elektro-​Rennwagen «mythen» haben Studierende der ETH Zürich und der Hochschule Luzern den bisherigen Beschleunigungsweltrekord gebrochen. Innerhalb von nur 0,956 Sekunden und 12,3 Metern beschleunigte der Bolide von 0 auf 100 km/h.

Die Freude im Akademischen Motorsportverein Zürich (AMZ) ist enorm: Fast ein Jahr lang haben die Studierenden der ETH Zürich und der Hochschule Luzern in jeder freien Minute an ihrem Elektrofahrzeug «mythen» gearbeitet; sie haben Rückschläge überwunden und mussten bei der Entwicklung einzelner Komponenten immer wieder von vorne beginnen. Nun haben sie die offizielle Bestätigung von Guinness World Records erhalten: «mythen» hat den bisherigen Beschleunigungsweltrekord für Elektrofahrzeuge gebrochen. Der Bolide beschleunigte auf dem Innovationspark in Dübendorf, direkt vor ihrer Werkstatt, in nur 0,956 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dazu reichte dem Fahrzeug eine Strecke von lediglich 12,3 Metern. Am Steuer sass Kate Maggetti. Der vorherige Weltrekord von 1,461 Sekunden, aufgestellt im September 2022 von einem Team der Universität Stuttgart, wurde damit um mehr als ein Drittel unterboten.

«Die Arbeit am Projekt parallel zum Studium war sehr intensiv. Trotzdem hat es sehr viel Spass gemacht, mit den Kolleginnen und Kollegen immer wieder neue Lösungen zu finden und das im Studium theoretisch Gelernte in die Praxis umzusetzen. Und natürlich ist es eine absolut einmalige Erfahrung, an einem Weltrekord beteiligt zu sein», sagt Yann Bernard, verantwortlich für die Motoren.

Leichter, stärker, mehr Traktion

Alle Komponenten von «mythen», angefangen von den Leiterplatten (PCB) bis hin zum Chassis und dem Akku, wurden von den Studierenden selbst entwickelt und auf ihre Funktion hin optimiert. Dank des Einsatzes von leichtem Carbon und Aluminium-​Waben wiegt das Rennauto gerade mal rund 140 Kilo. Vier selbst entwickelte Radnabenmotoren sowie ein spezieller Antriebsstrang verleihen dem Fahrzeug eine eindrucksvolle Leistung von 240 Kilowatt (326 PS).

«Bei einem Beschleunigungsrekord spielt aber nicht nur die Leistung eine wichtige Rolle, sondern auch, wie man die Kraft effektiv auf den Boden übertragen kann», erklärt Dario Messerli, verantwortlich für die Aerodynamik. Bei herkömmlichen Formel-​1-Fahrzeugen wird dies über die Aerodynamik gelöst: ein Heck-​ oder Frontflügel sorgt dafür, dass der Wagen auf den Boden gedrückt wird. Dieser Effekt kommt aber erst zum Tragen, wenn das Auto eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hat. Um von Anfang an eine starke Bodenhaftung zu gewährleisten, haben die Studierenden des AMZ-​Teams deshalb eine Art Staubsauger entwickelt, der das Fahrzeug an den Boden saugt.

Hart umkämpfter Weltrekord

Bereits zweimal hat das AMZ-​Team zuvor den Beschleunigungsweltrekord für Elektroautos aufgestellt – einmal 2014 und erneut 2016. In den folgenden Jahren wurde ihr Rekord von einem Team der Universität Stuttgart gebrochen. Jetzt ist der Weltrekord wieder in der Schweiz und die ETH-​Studierenden sind zuversichtlich, dass sie ihn so schnell nicht wieder abgeben werden.

Externer Link: www.ethz.ch