Spintronik: Neue Theorie zu Spinwellen in Magnetfeldern

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 16.09.2015

Kooperation von Physikern aus Regensburg und Halle

Physiker der Universität Regensburg und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben auf der Grundlage von Experimenten eine neue Theorie entwickelt, um die nicht-linearen Eigenschaften sogenannter Spinwellen bei kleinen Magnetfeldern besser beschreiben zu können. Mit Hilfe des neuen Modells können Vorhersagen zum Verhalten dieser Wellen schneller und genauer getroffen werden. Das Verständnis dieser nicht-linearen Eigenschaften von Spinwellen wird zum Beispiel für die Entwicklung neuer Speichertechnologien benötigt. Die Ergebnisse wurden soeben im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

In der Spintronik nutzen Wissenschaftler die magnetischen Eigenschaften von Elektronen aus. Eine zentrale Eigenschaft ist dabei der sogenannte Spin, eine Art Eigendrehimpuls, der ein magnetisches Moment bewirkt. Die einzelnen magnetischen Momente sind in einem ferromagnetischen Material gekoppelt und parallel ausgerichtet. Werden diese Momente nacheinander ausgelenkt, so breitet sich die Anregung wellenartig aus. „Spinwellen beschreiben den kollektiven Anregungszustand von magnetischen Systemen“, erläutert Prof. Dr. Christian Back vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg, einer der Autoren der neuen Studie.

Magnetische Materialien werden heute in der Informations- und Speichertechnologie genutzt, um immer kleinere und schnellere Speicher herstellen zu können, zum Beispiel Festplatten von Computern. So können Daten inzwischen in einer nur wenige Nanometer dicken magnetischen Schicht gespeichert werden. „Damit das funktioniert, ist es wichtig, dass die magnetischen Momente ihren Zustand mit der Zeit nicht verändern“, erklärt Prof. Dr. Georg Woltersdorf, der kürzlich von der Universität Regensburg an das Institut für Physik an der MLU gewechselt ist. Zum Umschalten sind eigentlich große Magnetfelder erforderlich. „Eine Alternative ist die resonante Anregung mit magnetischen Wechselfeldern im Gigaherzbereich. Dabei werden große Amplituden erreicht und die Magnetisierung reagiert nicht-linear.“, so Woltersdorf.

Damit diese Technologie funktionieren kann, sind korrekte Vorhersagen zum Verhalten der Spinwellen innerhalb der Bauteile nötig. Die bisherigen Modelle, um dieses Verhalten zu beschreiben, waren aber bei kleinen Magnetfeldern nicht anwendbar. Gerade dies ist jedoch für manche Bauelemente in der Spintronik von großem Interesse.

Ihre Experimente haben die Wissenschaftler im Synchrotron BESSY II des Helmholtz Zentrums Berlin durchgeführt. Dabei handelt es sich um einen deutschlandweit einzigartige Großforschungsanlage, an der sich Röntgenstrahlung erzeugen lässt, deren Energie und Polarisation exakt eingestellt werden kann. Das Messinstrument am BESSY II wurde im Rahmen eines BMBF Verbundforschungsprogramms unter der Leitung von Prof. Back aufgebaut. Mit den Experimenten konnten die Forscher die magnetische Resonanz messen und dabei die Amplitude der Magnetisierung exakt bestimmen. Anhand dieser Beobachtungen konnten die Physiker eine neue und verbesserte Theorie entwickeln: „Wir haben jetzt nicht nur ein genaueres Verständnis davon, wie nicht-lineare Dynamik bei kleinen Magnetfeldern abläuft“, so Woltersdorf. „Unser Modell lässt sich sowohl bei kleinen als auch bei großen Magnetfeldern anwenden.“ (Alexander Schlaak)

Angaben zur Publikation:
Bauer, H. G. et al. Nonlinear spin-wave excitations at low magnetic bias fields. Nat. Commun. 6:8274, DOI: 10.1038/ncomms9274 (2015).

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Schnappschüsse von Molekülen bei Raumtemperatur

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 10.08.2015

Wissenschaftler entwickeln neuartiges Verfahren

Forschern der Universität Regensburg ist es in Kooperation mit Kollegen aus Barcelona erstmals gelungen, organische Moleküle bei Raumtemperatur mit atomarer Auflösung darzustellen. Für die „Schnappschüsse“ von den Molekülen nutzten sie eine Kombination aus Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskop. Das neue Verfahren ermöglicht unter anderem eine genauere Untersuchung des Ablaufs von chemischen Reaktionen. Die Regensburger Entwicklung wurde vor wenigen Tagen in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht (DOI: 10.1103/PhysRevLett.115.066101).

In den letzten Jahren wurden Aufsehen erregende Abbildungen organischer Moleküle mit Hilfe von Tieftemperatur-Rasterkraftmikroskopen gemacht. Mit einem Rasterkraftmikroskop kann man die interne Struktur einzelner Moleküle untersuchen und abbilden. Allerdings sind diese hochpräzisen Messungen sehr komplex und benötigen normalerweise Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt.

Eine Arbeitsgruppe vom Lehrstuhl für Experimentalphysik der Universität Regensburg (Prof. Dr. Franz J. Gießibl) hat es nun in Zusammenarbeit mit Forschern des Instituts für Materialwissenschaften an der Autonomen Universität Barcelona erstmals geschafft, diese Messungen bei Raumtemperatur durchzuführen. Mit einem neuen Verfahren konnten sie spezielle organische Moleküle (PTCDA–Perylentetracarbonsäuredianhydrid) mit weit weniger Aufwand und bei Raumtemperaturen atomar aufgelöst abbilden. PTCDA-Moleküle werden für die Entwicklung organischer Halbleiter-Bauelemente verwendet.

Mit der vom internationalen Forscherteam benutzten Kombination aus Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskop konnte dabei nicht allein die Kräfte der chemischen Bindungen bestimmt, sondern auch die elektronische Ladungsdichte um die Moleküle untersucht werden. Solche Messungen sind die Basis für die Analyse von Donator-Akzeptor-Paaren, bei denen ein Teilchen von einem Reaktionspartner (Donator) auf den anderen (Akzeptor) übertragen wird. Donator-Akzeptor-Paare sind wiederum die Grundlage für die organische Photovoltaik. (Alexander Schlaak)

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Neues Materialdesign ermöglicht ungestörte Lichtwellen

Presseaussendung der TU Wien vom 10.08.2015

In Materialien, die Licht abschwächen und verstärken können, sind überraschende Arten von Lichtwellen möglich – das zeigen Berechnungen der TU Wien.

Wenn eine Lichtwelle in ein Material eindringt, ändert sie sich normalerweise drastisch. Sie wird gestreut und abgelenkt, und durch die Überlagerung von Lichtwellen kommt es zu einem Muster aus helleren und dunkleren Bereichen. In maßgeschneiderten High-Tech-Materialien, die das Licht lokal verstärken oder abschwächen können, ergeben sich nun neue Möglichkeiten solche Effekte vollständig zu unterdrücken: Wie eine theoretische Arbeit der TU Wien zeigt, ermöglichen diese neuen Materialien ganz besondere Lichtwellen, die im Inneren des Materials an jedem Ort dieselbe Intensität aufweisen – so als gäbe es keinerlei Wellenüberlagerung. Durch diese ungewöhnlichen Eigenschaften könnten sich diese neuartigen Lösungen der Wellengleichung des Lichts technisch nutzen lassen.

Hindernisse verändern die Lichtintensität

Wenn sich eine Lichtwelle gerade und eben durch den freien Raum bewegt, dann kann sie überall dieselbe Intensität haben, ihr Licht ist demnach überall gleich hell. Trifft sie allerdings auf ein Hindernis, dann wird die Welle abgelenkt, das Licht ist danach an manchen Stellen heller, an anderen Stellen dunkler als es ohne Hindernis gewesen wäre. Erst durch solche Überlagerungs- oder Interferenzeffekte können wir Objekte sehen, die selbst kein Licht ausstrahlen.

In den letzten Jahren gab es allerdings immer wieder Experimente mit neuen Materialien, die Lichtwellen auf ganz besondere Weise verändern können: Sie können das Licht lokal verstärken (ähnlich wie das in einem Laser geschieht) oder auch abschwächen (wie in einer Sonnenbrille). „Wenn solche Prozesse möglich sind, muss man die Lichtwelle mathematisch anders beschreiben, als man es in gewöhnlichen, transparenten Materialien tut“, erklärt Prof. Stefan Rotter (Institut für Theoretische Physik, TU Wien). „Wir sprechen dann von sogenannten nicht-hermitischen Medien.“

Eine neue Lösung für die Wellengleichung

Konstantinos Makris und Stefan Rotter entdeckten gemeinsam mit Kollegen aus den USA, dass sich damit neuartige Lösungen der Wellengleichung finden lassen. „Man erhält Lichtwellen, die überall gleich hell sind, wie bei einer ebenen Welle im freien Raum, obwohl die Welle ein stark strukturiertes Material durchdringt“, sagt Konstantinos Makris. „Für die Welle ist das Material in gewissem Sinn unsichtbar, obwohl sie es durchdringt und mit ihm stark wechselwirkt.“

Das neue Konzept der Physiker erinnert an sogenannte „Metamaterialien“, mit denen in den letzten Jahren viel experimentiert wurde. Dabei handelt es sich um strukturierte Materialien, die Licht auf ungewöhnliche Weise ablenken und in bestimmten Fällen um ein Objekt herum führen können, sodass das Objekt wie durch Harry Potters Tarnumhang („invisibility cloak“) unsichtbar gemacht wird. „Unsere nicht-hermitischen Materialien funktionieren allerdings auf Basis eines anderen Prinzips“, betont Stefan Rotter. „Die Lichtwelle wird nicht außen herumgelenkt, sondern sie durchdringt das Material. Aber der Effekt, den das Material auf die Intensität der Welle hat, wird durch ein genau justiertes Wechselspiel aus Verlust und Verstärkung ausgeglichen.“ Am Ende ist die Welle überall im Raum genauso hell, wie sie ohne das Objekt gewesen wäre.

Bis es tatsächlich gelingt, Objekte herzustellen, die Lichtwellen unberührt passieren lassen, ist noch eine Reihe technischer Details zu lösen – gearbeitet wird daran bereits. Mathematisch ist allerdings nun bewiesen, dass es neben Metamaterialien auch noch einen anderen, äußerst vielversprechenden Pfad gibt, Wellen auf ungewöhnliche Weise zu manipulieren. „In einem gewissen Sinn haben wir mit unserer ersten Arbeit zu diesem Thema eine Tür aufgestoßen, hinter der wir noch eine Vielzahl an neuen Einsichten vermuten“, erklärt Konstantinos Makris. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
Nature Communications

Externer Link: www.tuwien.ac.at

In zwei Dimensionen leuchten Elektronen schneller

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 13.07.2015

Forscher weisen erstaunliches Verhalten einzelner Atomlagen nach

Physiker der Universitäten Regensburg und Münster konnten erstmals beobachten, wie sich Elektronen in einer ultradünnen Festkörperschicht zu atomähnlichen Teilchen binden und dabei Licht in Rekordgeschwindigkeit emittieren. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Materials“ veröffentlicht (DOI 10.1038/nmat4356).

Seit kurzem kann die Wissenschaft Materialien herstellen, die aus einer einzigen Atomlage bestehen. Neben Graphen – einer Monolage aus Graphit – funktioniert dies inzwischen auch mit sogenannten Übergangsmetall-Dichalkogeniden wie Wolframdiselenid. In Monolagen können sich Elektronen nur zweidimensional in der Ebene bewegen. Das verleiht den ultradünnen Materialien einzigartige Eigenschaften, die künftig die Elektronik und Optoelektronik revolutionieren könnten. Wird bspw. ein Photon in einer Monolage von Wolframdiselenid absorbiert, so kann es ein Exziton – ein gebundenes Elektron-Loch-Paar – erzeugen. Dabei umkreist ein negativ geladenes Elektron ein positiv geladenes Loch, ähnlich wie ein Elektron im Wasserstoffatom den Kern umkreist. Theoretisch wurde vorhergesagt, dass Exzitonen in einer Monolage wegen der starken Bindung zwischen Elektronen und Löchern auch bei Raumtemperatur existieren und daher alle optischen Eigenschaften dominieren sollten – denn nur sie emittieren Licht in einer Monolage. Für die Entwicklung von Bauelementen wie Solarzellen oder lichtemittierenden Dioden ist es daher wichtig, die Eigenschaften von Exzitonen besser zu verstehen.

Ein Team um Prof. Dr. Rupert Huber, PD Dr. Tobias Korn und Prof. Dr. Christian Schüller vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg konnte nun in Kooperation mit Prof. Dr. Rudolf Bratschitsch von der Universität Münster Licht ins Dunkel bringen. Im Rahmen eines Experiments regten die Forscher eine Monolage von Wolframdiselenid zunächst mit einem sichtbaren Lichtblitz an, so dass Exzitonen entstanden. Um diese direkt nachzuweisen, beleuchteten die Physiker die Exzitonen mit ultrakurzen infraroten Lichtimpulsen, die interne Anregungen in den Exzitonen auslösten. Durch Aneinanderfügen mehrerer Momentaufnahmen entstand schließlich ein Zeitlupenfilm mit der unvorstellbar hohen Zeitauflösung von wenigen Femtosekunden. Eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer Milliardstel Sekunde. Dies ist gerade schnell genug, um die Entstehung, Struktur, Dichte und Wechselwirkung der Exzitonen untereinander scharf aufzulösen.

Die Messdaten der Forscher förderten weitere Überraschungen zutage: Sie zeigten, dass bestimmte Exzitonen überraschend effizient zerstrahlen. Dabei stürzt das Elektron in das Loch, das es umkreist, und gibt seine Energie als Lichtquant (Photon) ab. In atomar dünnem Wolframdiselenid läuft dieser Prozess tausend Mal schneller ab als in gewöhnlichen dreidimensionalen Festkörpern. Die Untersuchungen der Forscher aus Regensburg und Münster bieten deshalb spannende Perspektiven für die Entwicklung neuer Lichtquellen auf Basis der denkbar dünnsten Materialien. (Alexander Schlaak)

Titel der Originalpublikation:
C. Pöllmann, P. Steinleitner, U. Leierseder, P. Nagler, G. Plechinger, M. Porer, R. Bratschitsch, C. Schüller, T. Korn and R. Huber, „Resonant internal quantum transitions and femtosecond radiative decay of excitons in monolayer WSe2“, in Nature Materials (published online) (2015)

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Mobile Brennstoffzelle lädt Smartphones und Tablets über USB-Anschluss auf

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 08.07.2015

„Kraftwerk“ heißt die mobile Brennstoffzelle, mit der kleine Geräte über USB wieder aufgeladen werden können. Der Wasserstoff stammt aus normalem Feuerzeuggas (Butan), das in den Tank des Geräts gefüllt wird. Wie bei einem Feuerzeug dauert das nur wenige Sekunden, die Brennstoffzelle liefert dann Strom für mehrere Tage. Die Technologie hat der promovierte Werkstoffwissenschaftler Sascha Kühn an der Universität des Saarlandes entwickelt. Bereits 2003 meldete die Universität dafür ein Patent an, die Patentverwertungsagentur unterstützte den Erfinder bei der Vermarktung. Jetzt will Sascha Kühn diese Technologie über seine Firma eZelleron in Dresden in großem Stil auf den Markt bringen.

Wie langwierig der Weg von der patentgeschützten Erfindung bis hin zum fertigen Produkt sein kann, zeigt das Beispiel der mobilen Brennstoffzelle von Sascha Kühn. Der Materialforscher hatte sich im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Rolf Clasen, Professor für Pulvertechnologie der Saar-Uni, mit Brennstoffzellen beschäftigt. Im Januar 2003 meldete die Universität ein Patent an und bereits ein Jahr später konnte die Patentverwertungsagentur der saarländischen Hochschulen (PVA) einen Lizenzvertrag mit einer österreichischen Firma vermitteln. Bei dieser stieg Sascha Kühn als Entwicklungsleiter ein und tüftelte weiter an der mobilen Brennstoffzelle. Die Firma ging jedoch 2007 in die Insolvenz, so dass die Rechte am Patent wieder an die Universität des Saarlandes zurückfielen.

Sascha Kühn gründete 2008 die eZelleron GmbH mit Sitz in Dresden. Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter suchte Kühn im Januar diesen Jahres Unterstützer für sein Projekt und wurde vom eigenen Erfolg fast überrollt: Innerhalb weniger Monate waren über 1,5 Millionen US-Dollar Startkapital zusammen. Der ursprüngliche Plan war es 500.000 US-Dollar einzuwerben. Jetzt kann das Start-Unternehmen bis Ende des Jahres sein „Kraftwerk“ für die 2016 geplante Markteinführung in Position bringen.

Das Gerät soll Smartphones und mobile Endgeräte mit 5-Volt-Anschluss unterwegs ohne Strom mit Power versorgen. Das System ist mittlerweile durch 27 Patente geschützt. Bei einer erfolgreichen Vermarktung kann auch die Universität des Saarlandes durch Lizenzeinnahmen profitieren.

Externer Link: www.uni-saarland.de