Quantengravitation im Spiegel sehen?

Pressemeldung der Universität Wien vom 18.03.2012

Auf der Planck-Skala von extrem großen Energien und sehr kleinen Entfernungen wird die Verschmelzung der Quantenphysik mit Einsteins Theorie der Gravitation erwartet. Diese Skala ist jedoch so weit von heutigen experimentellen Möglichkeiten entfernt, dass es als nahezu unmöglich gilt, die Quantengravitation zu testen. Eine Forschungskollaboration zwischen den Gruppen von Časlav Brukner und Markus Aspelmeyer, beide Professoren auf dem Bereich der Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation an der Universität Wien, sowie der Gruppe von Myungshik Kim, Professor am Imperial College London, hat jetzt ein Experiment mit Spiegeln auf der Skala der Planck-Masse vorgeschlagen, mit dem man einige Quantengravitationstheorien im Labor überprüfen könnte. Die Resultate werden diese Woche im Fachjournal „Nature Physics“ publiziert.

Eine seit langem ungelöste Aufgabe

Eine der wichtigsten und spannendsten Aufgaben der modernen Physik ist die Suche nach einer Theorie, die die Quantenmechanik mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vereinigt. Die Quantenmechanik beschreibt die Physik, die sich auf den Größenordnungen von einzelnen Teilchen, Atomen und Molekülen zeigt. Andererseits zeigt sich Einsteins allgemeine Relativitätstheorie vor allem bei großen Massen. Eine vereinheitlichte Theorie der Quantengravitation erwartet man erst auf der so genannten Planck-Skala von extrem großen Energien und sehr kleinen Entfernungen. Die Planck-Länge ist gerade mal 1.6 x 10-35 Meter groß: Würde man diese Länge als 1 Meter definieren, so wäre ein Atom so groß wie das gesamte sichtbare Universum. Und auch die Planck-Energie ist so groß, dass selbst der Large Hadron Collider des CERN nur einen winzigen Bruchteil dieser Energie erreicht. Um nahe an die Planck-Energie zu kommen, müsste ein Teilchenbeschleuniger eine astronomische Größe haben. Die Planck-Skala kann auch durch die Planck-Masse beschrieben werden: Ein Staubkorn hat etwa diese Masse, was im Vergleich zu Atomen extrem schwer ist, sodass Quanteneffekte für solche Massen als nicht beobachtbar gelten. Die Planck-Skala ist somit so weit von Experimenten entfernt, dass es als nahezu unmöglich gilt, Theorien der Quantengravitation zu testen. Trotzdem haben Physiker jetzt einen Weg gefunden, Vorhersagen mancher Theorien der Quantengravitation im Experiment mit massiven Spiegeln zu testen.

Die Reihenfolge macht den Unterschied

Die Quantenmechanik verbietet es, die Position und die Geschwindigkeit eines Teilchens gleichzeitig zu kennen. Trotzdem sind aufeinanderfolgende Messungen vom Ort und vom Impuls möglich: Entweder man misst zuerst den Ort und dann den Impuls oder umgekehrt. In der Quantenphysik erhält man unterschiedliche Resultate, je nachdem welche Reihenfolge man wählt. Viele Theorien zur Quantengravitation besagen jedoch, dass sich dieser Unterschied abhängig von der Masse ändert, denn die Planck-Länge begrenzt die Messgenauigkeit von Entfernungen. Die Forscher in Wien und in London haben jetzt gezeigt, dass trotz dieser nur sehr kleinen Änderung ein messbarer Effekt bei sehr massiven Quantensystemen auftreten kann.

Neue Theorien mit beweglichen Spiegeln testen

Die Idee der Forscher besteht darin, diese Differenz zwischen den beiden Messreihenfolgen in neuen Quantensystemen zu testen: Mit neuen Techniken und Quantentechnologien ist es seit kurzem möglich, massive, bewegliche Spiegel in Quantenzustände zu bringen und diese mit sehr hoher Präzision auszumessen. Die Forscher schlagen vor, vier Wechselwirkungen zwischen einem Laserpuls und einem beweglichen Spiegel zu nutzen, um genau diesen Unterschied zwischen der Reihenfolge der Messungen des Orts und des Impulses zu untersuchen. Indem man die Wechselwirkungen ganz genau zeitlich koordiniert und präzise implementiert, ist es möglich, diesen Effekt auf den Laserpuls zu übertragen und ihn dann mit quantenoptischen Methoden auszulesen. „Jegliche Abweichung von dem erwarteten quantenmechanischen Ergebnis wäre sehr spannend“, sagt Igor Pikovski, Hauptautor der Forschungsarbeit, „und selbst wenn man keine Abweichung misst, erhält man eine Einschränkung für mögliche neue Theorien“. In der Tat machen einige der Theorien zur Quantengravitation von der Quantenmechanik abweichende Vorhersagen für das Ergebnis des Experiments. Die Forscher zeigen mit ihrer Arbeit, dass es möglich sein kann, einige Vorhersagen der immer noch unverstandenen Quantengravitation direkt auf dem Labortisch zu testen.

Publikation:
Probing Planck-scale physics with quantum optics: I. Pikovski, M. R. Vanner, M. Aspelmeyer, M. S. Kim and C. Brukner. Nature Physics (2012)
DOI: 10.1038/NPHYS2262

Externer Link: www.univie.ac.at

Dreidimensionale Halbleiterstrukturen erzeugen

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 16.03.2012

Forscher der ETH Zürich und des CSEM Neuchatel haben zusammen mit italienischen Kollegen vom Politecnico di Milano und von der Università di Milano Bicocca eine neue Methode entwickelt, mit der Strukturen von höchster Perfektion aus völlig verschiedenen Halbleitern hergestellt werden. Die ersten Resultate dieses Forschungsprojekts wurden soeben im Fachmagazin „Science“ publiziert.

Die neuartigen Strukturen können fast beliebig dick sein und werden auf kostengünstigen Halbleiterscheiben hergestellt. Diese Strukturen sind überdies nicht durch irgendwelche Verbindungstechniken aneinander gefügt, sondern monolithisch aufgebaut. Das heisst, sie bestehen aus einem Stück, was sich durch Verfahren des Schichtwachstums erreichen lässt, wie sie in der Mikroelektronik geläufig sind.

Dank der neuen Methode gelingt es, die Kristalldefekte, die üblicherweise beim Aufeinanderschichten von Lagen aus Atomen verschiedener Grösse auftreten, weitgehend zu eliminieren. Störende Substratverbiegung, verursacht durch unterschiedliche thermische Ausdehnung verschiedener Materialien, wird weitgehend vermieden. Die neue Methode unterbindet die fatale Bildung von Rissen in den Schichten, die durch thermische Spannungen entstehen.

Wie eine Tafel Schokolade

Dem Verfahren liegt eine bestechend einfache Idee zugrunde: Anstelle von zusammenhängenden Schichten bestehen die Strukturen aus einem raumfüllenden Verband isolierter Kristalle. Mit Hilfe der Photolithographie definieren die Forscher zunächst ein Muster von Flächen auf einer Siliziumscheibe, das einer Schokoladetafel gleicht, im Gegensatz zur Schokolade jedoch nur einige Mikrometer gross ist. Um diese Flächen herum werden danach tiefe Gräben in die Scheibe geätzt. Dadurch entstehen Substratsäulen, deren Höhe grösser ist als ihr Durchmesser. Anschliessend werden dreidimensionale Halbleiterstrukturen derart auf den Säulen erzeugt, dass zwischen benachbarten Kristallen stets ein minimaler Abstand eingehalten wird. Die Wissenschaftler perfektionierten ihre Methode so, dass sie 50 Mikrometer hohe, defektfreie Germaniumstrukturen auf Siliziumscheiben herstellen konnten. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich zukünftig auf viele andere Materialkombinationen anwenden.

Bisher unerreichte Anwendungsmöglichkeiten

Die Fähigkeit, nahezu defektfreie, monolithische Halbleiterstrukturen herzustellen, eröffnet bisher unerreichte Anwendungsmöglichkeiten. Bei Röntgendetektoren können Absorber, in welchen Röntgenstrahlung in elektrische Signale umgewandelt werden, direkt auf die Ausleselektronik integriert werden. Mit Absorbern aus hohen, defektfreien Germaniumstrukturen lassen sich empfindliche, energie- und ortsauflösende Detektoren herstellen. Möglicherweise könnten dadurch die Strahlenbelastungen bei medizinischen Anwendungen drastisch gesenkt werden. Weiter lassen sich hocheffiziente, gestapelte photovoltaische Zellen aus Halbleitern herstellen, wobei sich jede Zelle für unterschiedliche Wellenlängenbereiche des Sonnenlichts eignet. Diese Art von Photozellen werden schon heute vor allem in der Raumfahrt verwendet. Da sich die Zellen mit dem beschriebenen Konzept auf Siliziumscheiben herstellen liessen, könnten in Zukunft die teuren, zerbrechlichen und schweren Germaniumsubstrate durch billigere, leichtere und mechanisch stabile Siliziumsubstrate ersetzt werden. Ähnliche Kosteneinsparungen liessen sich bei Leistungshalbleitern erzielen, indem sie auf grossflächige Siliziumscheiben aufgewachsen werden.

Die an den Forschungsarbeiten beteiligten schweizerischen Gruppen erfahren grosszügige Unterstützung durch das Nano-Tera Projekt «NEXRAY», eines dessen Ziele die Entwicklung neuartiger Röntgendetektoren ist. «Das CSEM ist stolz darauf ein solches interdisziplinäres Projekt mit den Partnern CSEM, EMPA und ETH Zürich zu koordinieren, das zu neuartigen Bauelementen führen wird», sagt Alex Dommann, der Programm Manager für MEMS am CSEM.

Veröffentlichung:
C.V. Falub et al., Scaling hetero-epitaxy from layers to three-dimensional crystals, Science Vol. 335 no. 6074 pp. 1330-1334, doi: 10.1126/science.1217666

Externer Link: www.ethz.ch

Elektronen surfen auf der Lichtwelle

Presseinformation der Universität Göttingen vom 07.03.2012

Göttinger Wissenschaftler beschleunigen Elektronen mit Laserpulsen und Nanotechnologie

(pug) Aus einer mit Licht bestrahlten Metalloberfläche treten Elektronen aus – dieses Phänomen ist auch als photoelektrischer Effekt bekannt. In den aktuellen Experimenten von Göttinger Wissenschaftlern schlagen ultrakurze infrarote Laserpulse Elektronen aus Goldspitzen mit wenigen Nanometern Größe heraus, und zwar innerhalb weniger Millionstel einer Milliardstel Sekunde. Nach der Schulbuchbeschreibung des Photoeffekts – für die Albert Einstein den Nobelpreis erhielt – dürften dabei jedoch gar keine Elektronen emittiert werden, weil die Energie eines Infrarot-Photons dafür nicht ausreicht. Die Forscher der Universität Göttingen haben jetzt jedoch gezeigt, dass sich die Elektronen bei sehr starken Laserfeldern und in Nanostrukturen völlig neuartig verhalten. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature erschienen.

Bei ihren Experimenten beobachten die Wissenschaftler vom Courant Forschungszentrum „Nanospektroskopie und Röntgenbildgebung“ der Universität Göttingen ein völlig anderes Verhalten als beim Photoelektrischen Effekt: „Normalerweise absorbiert ein Elektron genau ein Photon. Wir haben aber Elektronen gefunden, die – von der Lichtwelle getrieben – die Energie von über 1000 Photonen aufgenommen haben“, erklärt Georg Herink, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Göttinger Arbeitsgruppe. In den starken infraroten Lichtfeldern an der Spitze der Nanostruktur wächst die Energie der Elektronen mit der Lichtintensität und der Wellenlänge – zwei Abhängigkeiten, die in direktem Gegensatz zum üblichen Photoeffekt stehen. Die Energie der Elektronen wächst dabei auf eine Weise, die stark von der Form der Nanostruktur abhängt.

Wie der Leiter der Studie, Prof. Dr. Claus Ropers, erläutert, schlägt die neu beobachtete Elektronendynamik ein weiteres Kapitel in der hundertjährigen Physik des Photoeffekts auf. „Neben seiner Bedeutung für ein fundamentales Verständnis des Photoeffekts haben die Ergebnisse auch eine praktische Bedeutung: Sie zeigen uns neue Wege für die Realisierung ultraschneller Elektronenmikroskope auf, um mit kontrollierten Elektronenpulsen atomare Vorgänge zeitlich aufzulösen und die Schnappschüsse zu bewegten Bildern verbinden zu können“, sagt Prof. Ropers.

Originalveröffentlichung:
Georg Herink et al. Field-driven photoemission from nanostructures quenches the quiver motion. Nature March 2012. Doi: 10.1038/nature10878.

Externer Link: www.uni-goettingen.de

„Hüpfende“ Moleküle revolutionieren Oberflächenbearbeitung

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 08.03.2012

Regensburger Forscher entwickeln neues Verfahren, um Oberflächen von Isolierschichten im molekularen Bereich bearbeiten zu können.

Rastersondenmikroskope haben uns in den letzten Jahrzehnten faszinierende Einblicke in die Welt der Atome und Moleküle beschert. Die Entwicklung von speziellen Rastersondenmethoden hat es zudem ermöglicht, künstliche Strukturen auf Materialoberflächen Atom für Atom und damit präzise aufzubauen. Dabei werden unterschiedliche Atome auf eine Oberfläche aufgebracht und dann mithilfe einer ganz feinen Nadel – eins nach dem anderen – an den richtigen Platz manövriert. Diese sogenannte atomare Manipulation gelang allerdings bisher nur auf der Oberfläche von Metallen und Halbleitern, nicht aber auf Isolatoren.

Einem Forscherteam der Universität Regensburg ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Schritt gelungen. Dr. Ingmar Swart und seine Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik konnten organische Moleküle, die auf der Oberfläche von ultradünnen Isolierschichten anhaften, gezielt verschieben. Die Wissenschaftler benutzten dazu zunächst die Spitze eines Rastertunnelmikroskops für die Platzierung der Moleküle auf der Oberfläche. Der Trick bestand nun darin, die Moleküle mithilfe von Strom anzuregen und zum „Hüpfen“ zu bringen. Auf dieser Grundlage konnten die Moleküle gezielt verschoben und in die gewünschte Richtung bewegt werden.

Die Technik konnte von den Regensburger Forschern bereits mit unterschiedlichen organischen Molekülen erfolgreich durchgeführt werden. Das neue Verfahren eröffnet die Möglichkeit, in Zukunft ganze Molekülstrukturen auf der Oberfläche von Isolierschichten zu platzieren und anzupassen. Dies könnte einen Durchbruch für die sogenannte molekulare Elektronik bedeuten, bei der einzelne Moleküle die Schaltelemente heutiger Halbleiterbauelemente ersetzen sollen.

Das Regensburger Forscherteam wird von Prof. Dr. Jascha Repp geleitet, der seit 2007 an der Universität Regensburg eine Lichtenberg-Professur inne hat, die die VolkswagenStiftung mit rund 1,5 Millionen Euro finanziert.

Die Ergebnisse der Regensburger Wissenschaftler sind vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift „Nano Letters“ erschienen (DOI: 10.1021/nl204322r). (Alexander Schlaak)

Externer Link: www.uni-regensburg.de

Daten speichern in Wirbelstrukturen

Pressemitteilung der TU München vom 21.02.2012

Neue physikalische Effekte könnten den Energieverbrauch von Computern drastisch reduzieren:

Schneller, kleiner und energiesparender sollen die Rechner der Zukunft sein. Ein neuer Effekt könnte hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten: Er benötigt 100.000 mal geringere Ströme als bisherige Technologien, und die Anzahl der Atome für ein Informationsbit könnte deutlich kleiner sein als bisher. Ein Team aus Physikern der Technischen Universität München (TUM) und der Universität zu Köln treibt diese Technologie voran. Nun haben sie eine einfache elektronische Methode entwickelt, mit der die Informationsbits verschoben und ausgelesen werden können. Über ihre Ergebnisse berichtet das Fachmagazin Nature Physics.

Vor drei Jahren entdeckten Professor Christian Pfleiderer und sein Team vom Physik-Department der TUM in einem Kristall aus Mangansilizium eine völlig neuartige magnetische Struktur, ein Gitter aus magnetischen Wirbeln. Zusammen mit Kollegen um Professor Achim Rosch an der Universität zu Köln erforschten sie die Eigenschaften dieser nach dem britischen Physiker Tony Skyrme Skyrmionen genannten Wirbel. Sie erwarteten sich neue Ergebnisse im Bereich der sogenannten Spintronics, Nanoelektronik-Bausteine, die nicht nur die elektrische Ladung von Elektronen sondern auch ihr magnetisches Moment, den Spin, zur Informationsverarbeitung nutzen.

Während Peter Grünberg und Albert Fert den Nobelpreis 2007 noch für Arbeiten erhielten, die zu einem bedeutend schnelleren Auslesen von Daten führten, konzentriert sich die Forschung seit einigen Jahren auf die Frage, wie man magnetische Informationen durch elektrische Ströme direkt in Materialien schreiben kann. Problematisch sind dabei jedoch bislang die erforderlichen extrem hohen Stromstärken, deren Nebeneffekte selbst in Nanostrukturen kaum zu bändigen sind. Da die Skyrmionen sich mit 100.000 mal niedrigeren Stromstärken bewegen lassen, ist das Interesse in Wissenschaft und Industrie extrem groß.

Schon bei der Entdeckung der magnetischen Wirbel war klar, dass Mangansilizium nicht das einzige Material bleiben würde, in dem solche Skyrmionen erzeugt werden können. Das bestätigte sich. Inzwischen haben japanische Forscher nachgewiesen, dass es möglich ist, einzelne Wirbel zu erzeugen und eine Gruppe von Physikern des Forschungszentrums Jülich sowie der Universitäten Hamburg und Kiel wies nach, dass die magnetischen Wirbel auch auf Oberflächen erzeugt werden können. Aus nur 15 Atomen bildeten sie ein Informations-Bit. Für ein magnetisches Bit einer heutigen Festplatte benötigt man dagegen etwa eine Million.

Wie allerdings die Information geschrieben, geändert und ausgelesen werden könnte, blieb ein Problem. Bisher verwendete das Team um Professor Pfleiderer die Neutronenstrahlung der benachbarten Forschungs-Neutronenquelle FRM II der TU München, um die Materialien zu untersuchen. „Wir können mit den Kristallen, die wir in unseren Labors im Physik-Department herstellen, direkt hinüber gehen und mit Neutronen die magnetische Struktur, deren Dynamik und viele andere Eigenschaften messen,“ sagt Christian Pfleiderer.

Mit Hilfe der Neutronenstrahlung konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass selbst geringste Stromstärken ausreichen, um die magnetischen Wirbel zu verschieben. Nun haben die Physiker eine Methode entwickelt, mit der sie die aus Spinwirbeln bestehenden Skyrmionen rein elektronisch bewegen und vermessen können. „Bewegen sich die magnetischen Wirbel im Material, so erzeugen sie ein elektrisches Feld,“ sagt Christian Pfleiderer. „Und das können wir nun mit im Labor verfügbarer Elektronik messen.“

Während man derzeit mit einem Strom im Schreib/Lesekopf einer Festplatte ein Magnetfeld erzeugt, um das Material an einer Stelle der Festplatte zu magnetisieren und ein Informationsbit zu schreiben, kann man die Skyrmionen direkt und mit sehr kleinen Strömen bewegen. „Damit sollte es möglich sein, Speicherung und Verarbeitung von Daten wesentlich kompakter und energetisch sehr viel effizienter zu gestalten“, sagt Christian Pfleiderer.

Bisher sind allerdings für die Messung der Effekte sehr tiefe Temperaturen nötig. Im Rahmen eines aus Mitteln des European Research Council geförderten Projekts entwickeln die Wissenschaftler derzeit neue Materialien, die Skyrmionen auch bei Raumtemperatur nutzbar machen sollen. Bis die ersten elektronischen Bauteile mit dieser Technologie auf den Markt kommen, ist jedoch noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten.

Die Arbeiten wurden unterstützt aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, SFB 608, TRR 80, FOR 960), der Deutsche Telekom Stiftung, dem European Research Council (ERC Advanced Grant) sowie der TUM Graduate School und der Bonn Cologne Graduate School.

Originalpublikation:
Emergent electrodynamics of skyrmions in a chiral magnet
T. Schulz, R. Ritz, A. Bauer, M. Halder, M. Wagner, C. Franz, C. Pfleiderer, K. Everschor, M. Garst and A. Rosch, Nature Physics, Online, 19 Februar 2012 – DOI: 10.1038/nphys2231

Externer Link: www.tu-muenchen.de