Atome und ihr Quanten-Spiegelbild

Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 04.04.2011

Weiterführung eines Gedankenexperiments von Einstein – Physiker erzeugen Quanten-Überlagerungszustände

Wer vor einem Spiegel steht, hat sicher kein Problem, sich selbst von seinem Spiegelbild zu unterscheiden. Auf unsere Bewegungsmöglichkeiten hat der Spiegel keinen Einfluss. Bei quantenphysikalischen Teilchen ist das komplizierter. In einer aufsehenerregenden Forschungsarbeit in den Laboren der Universität Heidelberg gelang es Heidelberger Physikern gemeinsam mit Forschern der Technischen Universität München sowie der Technischen Universität Wien, ein Gedankenexperiment von Einstein im Labor weiterzuführen und den Unterschied zwischen einzelnen Teilchen und ihren Spiegelbildern verschwimmen zu lassen. Die Ergebnisse des Experimentes wurden nun im Fachjournal „Nature Physics“ veröffentlicht.

Wenn ein Atom spontan in eine bestimmte Richtung ein Lichtteilchen aussendet, erfährt es einen Rückstoß in die Gegenrichtung. Misst man das Lichtteilchen, kennt man daher auch den Bewegungszustand des Atoms. Das Forscherteam platzierte Atome wenige Millionstel Meter vor einem vergoldeten Spiegel – in diesem Fall gibt es für ein Lichtteilchen, das zum Beobachter gelangt, zwei mögliche Wege: Es kann direkt vom Atom zum Beobachter gekommen sein, oder es wurde in die entgegengesetzte Richtung ausgesandt, ist auf den Spiegel getroffen und dann zum Beobachter gelangt. Wenn man zwischen diesen beiden Fällen nicht unterscheiden kann, befindet sich das Atom in einer Überlagerung beider Wege.

„Bei einem sehr kleinen Abstand zwischen Atom und Spiegel kann zwischen den beiden Möglichkeiten ganz prinzipiell nicht mehr unterschieden werden“, erklärt Jiri Tomkovic, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Markus Oberthaler an der Universität Heidelberg. Ursprungsteilchen und Spiegelbild sind physikalisch nicht mehr voneinander zu trennen. Das Atom bewegt sich gleichzeitig auf den Spiegel zu und vom Spiegel weg. Was paradox klingt und für makroskopische Teilchen unmöglich ist, kennt man in der Quantenphysik schon lange.

„Diese Unsicherheit über den Bewegungszustand des Atoms bedeutet nicht, dass wir nicht genau genug gemessen haben“, betont Prof. Dr. Jörg Schmiedmayer von der TU Wien. „Das ist eine grundlegende Eigenschaft der Quantenphysik: Das Teilchen befindet sich in beiden Bewegungszuständen gleichzeitig, es ist in einem Überlagerungszustand.“ Im Experiment werden die Bewegungszustände, die das Atom gleichzeitig einnimmt – hin zum Spiegel und weg vom Spiegel – durch sogenannte Bragg-Streuung an einem Gitter aus Laserlicht wieder kombiniert. Dadurch lässt sich beweisen, dass sich das Atom tatsächlich in einem Überlagerungszustand befand.

Dies erinnert an das berühmte Doppelspaltexperiment, in dem ein Teilchen auf eine Platte mit zwei Öffnungen geschossen wird – und aufgrund seiner quantenmechanischen Welleneigenschaften durch beide Öffnungen gleichzeitig tritt. Schon Einstein machte sich darüber Gedanken, dass das nur dann möglich ist, wenn durch keine mögliche Messung entschieden werden kann, welchen Weg das Teilchen genommen hat, auch nicht durch Vermessung von winzigen Bewegungen der Doppelspalt-Platte. Sobald durch irgendein Experiment auch nur theoretisch feststellbar wäre, für welchen Weg sich das Teilchen entschieden hat, ist es vorbei mit der Quanten-Überlagerung. „In unserem Fall spielen die Lichtteilchen eine ähnliche Rolle wie ein Doppelspalt“, meint Prof. Oberthaler von der Universität Heidelberg. „Wenn das Licht prinzipiell darüber Auskunft geben kann, in welche Richtung sich das Atom bewegt, dann ist auch der Zustand des Atoms festgelegt. Nur wenn das grundsätzlich unentscheidbar ist, befindet sich das Atom in einem Überlagerungszustand, der beide Möglichkeiten vereint.“ Und genau diese Unentscheidbarkeit wird durch den Spiegel gewährleistet.

Auszutesten, unter welchen Bedingungen solche Quanten-Überlagerungen zu erkennen sind, ist eine wichtige Forschungsfrage in der Quantenphysik: Nur so lassen sich diese Effekte auch gezielt nutzen. Die Idee für dieses Experiment wurde von Jörg Schmiedmayer und Markus Oberthaler bereits vor einigen Jahren entwickelt. „Das Faszinierende daran ist“, so die Forscher, „die Möglichkeit, einen Überlagerungszustand einfach durch die Anwesenheit eines Spiegels zu erzeugen, ganz ohne Eingriff durch äußere Felder.“ Das Teilchen und sein Spiegelbild geraten ganz von selbst in eine quantenphysikalische Beziehung zueinander – ganz ohne aufwendiges Zutun der Wissenschaftler.

Originalveröffentlichung:
J. Tomkovič, M. Schreiber, J. Welte, M. Kiffner, J. Schmiedmayer & M.K. Oberthaler: Single spontaneous photon as a coherent beamsplitter for an atomic matter-wave. Nature Physics. Published online: 03 April 2011
doi: 10.1038/nphys1961

Externer Link: www.uni-heidelberg.de

Mit 14 Quantenbits rechnen

Presseinformation der Universität Innsbruck vom 01.04.2011

Quantencomputer: Innsbrucker Physiker verschieben Grenze des bislang Möglichen

Einen neuen Weltrekord haben Quantenphysiker der Universität Innsbruck erzielt: Sie konnten 14 Quantenbits kontrolliert miteinander verschränken und realisieren so das größte bisher gebaute Quantenregister. Das Experiment ist nicht nur ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem zukünftigen Quantencomputer, es liefert auch überraschende Erkenntnisse über das quantenmechanische Phänomen der Verschränkung.

Der Begriff der Verschränkung wurde 1935 vom österreichischen Nobelpreisträger Erwin Schrödinger geprägt und beschreibt ein quantenmechanisches Phänomen, das im Experiment eindeutig nachgewiesen werden kann, das aber bis heute nicht gänzlich verstanden wird. Verschränkte Teilchen können nicht als einzelne Teilchen mit definierten Zuständen beschrieben werden, sondern nur als Gesamtsystem. Die Verschränkung von einzelnen Quantenbits lässt den Quantencomputer bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen als klassische Computer. „Besonders schwierig wird es, Verschränkung zu verstehen, wenn zahlreiche Teilchen im Spiel sind“, sagt Thomas Monz, Nachwuchsforscher im Team von Rainer Blatt am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. „Unsere Experimente mit vielen Teilchen verschaffen uns hier neue Einblicke“, ergänzt Blatt.

Weltrekord: 14 Quantenbits

Die Physiker um Rainer Blatt halten seit 2005 den Rekord für die Anzahl von verschränkten Quantenbits, die in einem Experiment realisiert wurden. Bis heute ist es niemand anderem gelungen, acht Teilchen auf kontrollierte Art und Weise zu verschränken und damit ein „Quantenbyte“ zu erzeugen. Nun haben die Innsbrucker Wissenschaftler diesen Rekord noch einmal beinahe verdoppelt. In einer Ionenfalle haben sie 14 Kalziumatome gefangen, welche sie, einem Quantenprozessor gleich, mit Laserlicht manipulieren. Interne Zustände jedes Atoms bilden dabei einzelne Quantenbits, zusammen entsteht ein Quantenregister mit 14 Recheneinheiten. Dieses bildet das Herzstück eines zukünftigen Quantencomputers. Die Physiker der Universität Innsbruck stellten aber auch fest, dass bei ihnen die Störungsempfindlichkeit nicht wie meist angenommen linear sondern mit der Anzahl der Teilchen quadratisch zunimmt. Werden mehrere Teilchen verschränkt, steigt die Empfindlichkeit deshalb stark an. „Dies wird als Superdekohärenz bezeichnet“, sagt Thomas Monz. „In der Quanteninformation wurde dieses Phänomen bisher kaum wahrgenommen.“ Es hat nicht nur für den Bau von Quantencomputern Bedeutung, sondern auch bei der Konstruktion sehr genauer Atomuhren oder für Quantensimulationen.

Zahl der verschränkten Teilchen ausbauen

Die Experimentalphysiker in den Innsbrucker Labors schaffen es mittlerweile, bis zu 64 Teilchen in Ionenfallen zu fangen. „Noch können wir diese große Zahl von Ionen nicht verschränken“, sagt Thomas Monz. „Die aktuellen Ergebnisse ermöglichen nun aber ein besseres Verständnis über das Verhalten von vielen verschränkten Teilchen.“ So können vielleicht schon bald noch mehr Teilchen miteinander verschränkt werden. Vor wenigen Wochen haben die Forscher um Rainer Blatt in der Fachzeitschrift Nature außerdem erstmals gezeigt, dass Ionen auch mittels elektromagnetischer Kopplung verschränkt werden könnten. So lassen sich viele kleine Quantenregister auf einem Mikrochip effizient miteinander verknüpfen. „Dies sind alles wichtige Schritte auf dem Weg zu alltagstauglichen Quantentechnologien für die Informationsverarbeitung“, ist Rainer Blatt überzeugt.

Die aktuellen Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht. Finanziell unterstützt werden die Innsbrucker Forscher unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Kommission und der Tiroler Industrie.

Publikation:
14-Qubit Entanglement: Creation and Coherence. Thomas Monz, Philipp Schindler, Julio T. Barreiro, Michael Chwalla, Daniel Nigg, William A. Coish, Maximilian Harlander, Wolfgang Hänsel, Markus Hennrich, Rainer Blatt. Phys. Rev. Lett. 106, 130506 (2011) DOI: 10.1103/PhysRevLett.106.130506

Externer Link: www.uibk.ac.at

TU-Physiker drehen Lichtstrahlen

Presseaussendung der TU Wien vom 30.03.2011

Lichtwellen gezielt rotieren – dieses Kunststück gelang an der Technischen Universität (TU) Wien mit Hilfe einer ultradünnen Halbleiterschicht. Damit lässt sich ein Transistor bauen, der mit Licht statt elektrischem Strom funktioniert.

Lichtwellen können in unterschiedliche Richtungen schwingen – ähnlich wie eine gespannte Saite, die von oben nach unten oder auch von links nach rechts schwingen kann, je nachdem, wie man sie anzupft. Man spricht dabei von der Polarisationsrichtung des Lichtes. Physiker an der TU Wien haben gemeinsam mit einer Forschungsgruppe der Universität Würzburg nun eine Methode entwickelt, die Schwingungsrichtung von Licht mit einer ultradünnen Halbleiterschicht gezielt zu kontrollieren und beliebig zu drehen. Für die weitere Erforschung von Licht und seiner Polarisation ist das ein wichtiger Schritt nach vorn – und vielleicht öffnet dieser Durchbruch auch Möglichkeiten für ganz neuartige Computertechnik: Das Experiment entspricht der logischen Schaltung eines Transistors. Die Resultate der Experimente dazu wurden nun im angesehenen Journal „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Magnetfeld steuert das Licht

Die Polarisationsrichtung von Licht kann sich ändern, wenn man es in einem starken Magnetfeld durch bestimmte Materialien schickt – dieses Phänomen ist als „Faraday-Effekt“ bekannt. „Bei allen bisher dafür bekannten Materialien war dieser Effekt allerdings recht schwach“, erklärt Prof. Andrei Pimenov, der die Forschungen gemeinsam mit seinem Assistenten Alexey Shuvaev durchführte. Durch die Verwendung von Licht des richtigen Wellenlängenbereiches und mit Hilfe von extrem sauberen Halbleitern aus Quecksilber-Tellurid konnte in Wien und in Würzburg allerdings ein um Größenordnungen stärkerer Effekt erzielt werden: Damit lassen sich nun Lichtwellen in beliebige Richtungen drehen – man kann die Schwingungsrichtung durch die Stärke des äußeren Magnetfeldes präzise steuern. Erstaunlicherweise reichen dafür ultradünne Halbleiterschichten von weniger als einem Tausendstel Millimeter Dicke aus. „Mit anderen Materialien dieser Dicke könnte man die Polarisationsrichtung des Lichtes höchstens um Bruchteile eines Grades verändern“, meint Prof. Pimenov. Schickt man den Lichtstrahl danach durch einen Polarisationsfilter, der nur Licht einer bestimmten Schwingungsrichtung durchlässt, so kann man durch Drehung der Polarisation gezielt steuern, ob das Licht durchgelassen werden soll oder nicht.

Der Schlüssel zu diesem erstaunlichen Effekt liegt in den Elektronen des Halbleiters: Der Lichtstrahl versetzt die Elektronen in Schwingung, das zusätzlich angelegte Magnetfeld lenkt sie während des Schwingens ab. Diese komplizierte Elektronenbewegung beeinflusst nun ihrerseits den Lichtstrahl und verändert die Polarisationsrichtung.

Optischer Transistor

Bei dem Experiment wurde eine Schicht aus dem Halbleiter Quecksilber-Tellurid mit Licht im Infrarotbereich bestrahlt. „Das Licht hat eine Frequenz im Terahertz-Bereich – das sind die Frequenzen, die vielleicht die übernächste Generation von Computern erreichen wird“, meint Prof. Pimenov. „Seit Jahren erhöht sich die Taktfrequenz von Computern kaum noch, weil man eben in einen Bereich vorgedrungen ist, in dem die Materialeigenschaften nicht mehr problemlos mitspielen.“ Eine mögliche Lösung wäre, elektronische Schaltungen durch optische Elemente zu ergänzen. Bei einem Transistor, dem Grundelement der Elektronik, wird ein elektrischer Stromfluss abhängig von einem zusätzlichen Eingangssignal gesteuert. Beim Experiment an der TU Wien wird ein Lichtstrahl durch ein äußeres Magnetfeld gesteuert – die beiden Systeme sind einander sehr ähnlich. „Man könnte unser System als einen Licht-Transistor bezeichnen“, schlägt Pimenov vor.

Bevor allerdings an optische Computerschaltungen zu denken ist, wird sich der neu entdeckte Effekt in jedem Fall als sehr nützliches Forschungswerkzeug erweisen: In optischen Labors wird er in Zukunft sicher eine wichtige Rolle bei der Untersuchung von Materialien und der Physik des Lichtes spielen. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
Giant Magneto-Optical Faraday Effect in HgTe Thin Films in the Terahertz Spectral Range
Phys. Rev. Lett. 106, 107404 (2011)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

„Künstliche Atome“ direkt elektronisch auslesen

Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum vom 25.02.2011

Bochumer Physiker bauen 0-dimensionale Systeme

Nature Communications: Quantenpunkte be- und entladen

Für die Informationsverarbeitung der Zukunft suchen Forscher nach Möglichkeiten, neben Strömen von Elektronen auch deren Drehung zu nutzen. In Kombination könnten diese Eigenschaften wesentlich mehr Informationen speichern als nur „null“ und „eins“. Da das bei einzelnen Atomen schwierig ist, bauen RUB-Physiker um Prof. Dr. Andreas Wieck „künstliche Atome“ in Festkörper ein. Unter seiner Beteiligung ist es einem Forscherteam aus Duisburg-Essen, Hamburg und Bochum nun gelungen, Zustände solcher künstlichen Atome direkt elektronisch auszulesen – mit gängigen Schnittstellen zu klassischen Computern. Das ist ein großer Schritt hin zur Anwendbarkeit solcher Systeme. Sie berichten in Nature Communications.

Eine Million statt einzelne Atome

Im Prinzip ist die Nutzung des Spins von Elektronen an einzelnen Atomen möglich, aber die Kleinheit der Signale und die Schwierigkeit, einzelne Atome definiert zu halten, beschränkt diese Technik auf hochspezialisierte Labors. Es bedarf eines ultrahohen Vakuums und aufwändiger Lasertechnik. „Wesentlich eleganter ist es, atomähnliche Systeme in Festkörper einzubauen“, sagt Prof. Wieck. Hier hilft die Quantenmechanik: Für Standard-Elektronendichten in Halbleitern beträgt die Wellenlänge von Elektronen (und Löchern) einige 10 Nanometer (nm), was etwa einen Abstand von 100 Atomen bedeutet. Man braucht also nicht einzelne Atome zu isolieren oder einzubringen. Es genügt, Bereiche zu definieren, die in jeder Richtung etwa 100 Atome Ausdehnung haben, also etwa 100^3 = eine Million Atome umfassen. „Aber selbst das ist nicht ganz einfach, denn die heutige Hochintegration beherrscht „erst“ rund 50nm Auflösung“, erklärt Prof. Wieck.

Trick: Orangen auf Mandarinen stapeln

Hier hilft ein Trick, der mit dem Atomabstand im Kristallgitter zu tun hat: Elektronen halten sich lieber in Indium-Arsenid (InAs) auf als in Gallium-Arsenid (GaAs). Da Indium ein wesentlich größeres Atom als Gallium ist, muss man sich eine Schichtung einer InAs-Schicht auf GaAs etwa so vorstellen, wie wenn man Orangen auf Mandarinen schichtet: Die erste Orangen (InAs-) Schicht wird aufgelegt, indem die Orangen auf Mandarinen (GaAs-) Breite „gequetscht“ werden, was zu einer „verspannten“ Schicht führt. Auch die zweite Orangen (InAs-) Lage muss verspannt werden, aber wenn man mehrere solcher Lagen übereinander schichtet, „vergisst“ das Orangen-System seine Mandarinen-Unterlagen-Ordnung. Die Verspannung „relaxiert“, das heißt sie wirft Fehlstellen und Lücken und türmt die Orangen zu einzelnen Haufen auf. Solche InAs-Haufen – InAs-Quantenpunkte oder „QDs“ (nach der englischen Bezeichnung Quantum Dots) genannt – wachsen also selbstorganisiert. Sie sind einige 10nm breit und etwa 5nm hoch, und damit für den quantenmechanischen Ladungsträgereinschluss ideal geeignet. Es passt gerade eine Wellenlänge der Elektronen bzw. Elektronenlöcher hinein. Die QDs zwingen die Elektronen in quantisierte Energien, womit sie als „künstliche Atome“ für Informations-Verarbeitungs-Zwecke einsetzbar sind.

10 Millionen mal kleiner als ein Hamburger

Die Bochumer Forscher stellen schon seit einigen Jahren die homogensten QD-„Ensembles“ her: Alle erzeugten QDs haben praktisch die gleiche Größe und ähneln als unten abgeflachte Linse einem „Hamburger“-Oberteil, sind aber rund 10 Millionen mal kleiner. „In jeden QD eines ca. eine Million umfassenden QD-Ensembles füllen wir definiert einige wenige Elektronen ein, wobei wir mit den Leichtesten beginnen, Wasserstoff, Helium und Lithium“, erläutert Prof. Wieck. Bisher wurden die Energieniveaus, die diese Elektronen besetzen, nur mit optischen Methoden ausgelesen. „Das ist zwar sehr elegant, bedarf aber eines großen Messaufwands mit spezialisierten Lasern, Detektoren und Spektralapparaten“, so Wieck. In der aktuellen Arbeit beschritten die Forscher einen gänzlich anderen Weg: Sie präparierten die QDs auf einer leitenden Elektronenschicht und maßen nur den elektrischen Widerstand dieser Schicht, der sich mit der Elektronenbesetzung der QDs ändert. „Dadurch haben wir einen direkten, elektronischen Zugriff auf die besetzten Zustände in den QDs und können diese mit gängigen Interfaces zu klassischen Computern auslesen.“ (Meike Drießen)

Titelaufnahme:
B. Marquardt, M. Geller, B. Baxevanis, D. Pfannkuche, A. D. Wieck, D. Reuter, and A. Lorke: Transport spectroscopy of non-equilibrium many-particle spin states in self-assembled quantum dots. In: Nature communications, 22.2.2011, doi: 10.1038/ncomms1205

Externer Link: www.ruhr-uni-bochum.de

Quantensimulation mit Licht: Frustration bei der Paarbildung

Pressemeldung der Universität Wien vom 21.02.2011

Quantensysteme werden als frustriert bezeichnet, wenn konkurrierende Wechselwirkungen nicht gleichzeitig befriedigt werden können. Einem Forschungsteam der Universität Wien und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW um Philip Walther und Anton Zeilinger gelang es, erstmals Quanteneffekte von komplexen Vielteilchensystemen zu simulieren. Die im Fachjournal „Nature Physics“ veröffentlichten Ergebnisse verheißen künftigen Quantensimulatoren enormes Potenzial, Einblicke in noch ungeklärte Phänomene der Quantenwelt zu geben.

Selbst das Verhalten von relativ kleinen Quantensystemen kann mit herkömmlichen Computern mangels Rechenleistung nicht berechnet werden, weil ein Quantenzustand viel mehr Information enthält. Wird aber ein anderes Quantensystem als Quantensimulator verwendet, können Antworten über die Eigenschaften von dem komplexen Quantensystem gewonnen werden.

Frustrierte Quantensysteme als Ausgangspunkt für Quanteneffekte

Viele internationale Forschungsgruppen befassen sich mit der Quantensimulation von sogenannten frustrierten Quantensystemen – wenn konkurrierende Wechselwirkungen nicht gleichzeitig befriedigt werden können. „Sie sind Ausgangspunkt für Quanteneffekte wie zum Beispiel die Hochtemperatur-Supraleitung, bei der Elektronen ohne Widerstand fließen können“, erklärt Anton Zeilinger, Professor für Quantenphysik an der Universität Wien und Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW. Der Quantenphysiker und das Forschungsteam mit Wissenschaftern aus China, Serbien, Neuseeland und Österreich konnten erstmalig Frustration bei der „Paarbildung“ genau untersuchen.

Dynamiken simuliert

In der aktuellen Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Nature Physics“ publizieren sie zu der experimentellen Simulation eines frustrierten Quantensystems mithilfe zweier verschränkter Photonenpaare. „Erst seit kurzem ist unsere Quantentechnologie so weit fortgeschritten, dass wir nicht nur andere Quantensysteme nachbauen, sondern auch deren Dynamiken simulieren können“, sagt Philip Walther, Verantwortlicher des Forschungsprojektes. „Wir können heutzutage quantenmechanisch präparierte Photonen gezielt verwenden, um Einblicke in andere Quantensysteme zu erhalten.“ Daher haben zwei in Polarisation verschränkte Photonen in vielerlei Hinsicht die gleichen quantenphysikalischen Eigenschaften wie Elektronenpaare in Materie.

Konflikt einzelner Quantenteilchen

In diesem Experiment stehen einzelne Quantenteilchen (Photonen) dem Konflikt gegenüber, sich mit nur einem Partner exklusiv paaren zu können, es aber mit mehreren zu wollen – z.B. ein Elektron, dessen Spin, vergleichbar mit einen Minimagneten, wegen seines rechten Nachbarn nach oben und wegen seines linken Nachbarn nach unten zeigen sollte. „Die Lösung für solche Situationen liefert nur die Quantenphysik, da ein Spin in gewissem Sinne beides sein kann in Form von Überlagerungen. Dies führt zur Frustration. Das Quantensystem greift in die ‚Trickkiste‘ und erlaubt Quantenfluktuationen, sodass verschiedene, sich sonst ausschließende Paarbildungen als Superposition koexistieren können“, so Walther. Somit bestätigt die Arbeit der Wiener Gruppe, dass Quantensimulation ein sehr gutes Mittel zur Berechnung von Quantenzuständen der Materie ist. Sie eröffnet den Weg zur Untersuchung weitaus komplexerer Situationen.

Über Verschränkung

Verschränkung ist eine Eigenschaft der Quantenmechanik, die nicht mit dem alltäglichen Verständnis der Welt vereinbar ist und kein Gegenstück in der klassischen Physik besitzt. Sind zwei Lichtteilchen (Photonen) miteinander verschränkt, bleiben sie über beliebig große Distanzen verbunden. Führt man eine Messung, z.B. des Polarisationszustandes, an einem der beiden Teilchen durch, ändert sich auf „spukhafte Weise“ auch der Zustand des anderen Teilchens. Verschränkte Systeme liefern vollkommen neue Ansätze zur Informationsverarbeitung, etwa auch die Simulation von anderen Quantensystemen.

Publikation:
Xiao-song Ma, Borivoje Dakic, William Naylor, Anton Zeilinger, Philip Walther: Quantum simulation of the wavefunction to probe frustrated Heisenberg spin systems. In: Nature Physics, Advanced Online Publication (AOP), 20 February 2011. DOI 10.1038/NPHYS1919.

Externer Link: www.univie.ac.at