Pressemitteilung der RWTH Aachen vom 16.03.2009
Im alten Heizkraftwerk an der Wüllnerstraße, nur einen Steinwurf vom Hauptgebäude der RWTH Aachen entfernt, wird eifrig an der Zukunft gearbeitet. Die Forscher von sechs RWTH-Instituten testen dort ein innovatives Kohlekraftwerk. Das Besondere an der Stromfabrik der nächsten Generation: Sie pustet so gut wie kein klimaschädliches Kohlendioxid mehr in die Luft.
Fossile Kraftwerke, in denen Strom mit Kohle, Erdgas oder Öl produziert wird, haben einen schlechten Ruf. Sie stoßen viel CO2 aus und belasten die Umwelt dadurch sehr stark. „Doch ohne sie geht es nicht“, sind sich die Experten einig. Mit erneuerbaren Energien allein wird man den Strombedarf der nächsten Jahrzehnte nämlich nicht decken können. Um die anspruchsvollen europäischen Klimaziele dennoch zu erreichen, führt an einem kein Weg vorbei: Die Kraftwerke müssen sauberer werden – und das, so schnell wie möglich.
Ingenieure der RWTH Aachen entwickeln deshalb im Rahmen des Forschungsvorhabens OXYCOAL-AC ein kohlebasiertes Oxyfuel-Verfahren. Finanziert wird das Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Rahmen seiner COORETEC-Initiative, vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen und – mit einem Anteil von insgesamt 20 Prozent des Fördervolumens – aus der Industrie. Zu den Förderern gehören Unternehmen wie RWE Power, E.ON Energie, Hitachi Power Europe, MAN Turbo und Linde.
Anders als in gewöhnlichen Kraftwerken, wird die Kohle im Aachener Versuchskraftwerk nicht mit Luft, sondern mit Sauerstoff verbrannt. „So lässt sich der Strom auf einem nahezu emissionsfreien Weg erzeugen“, sagt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Reinhold Kneer vom Lehrstuhl für Wärme und Stoffübertragung, einem von insgesamt sechs RWTH-Instituten, die an dem Forschungsvorhaben OXYCOAL-AC beteiligt sind. „Wie in jedem anderen Kraftwerk entsteht auch bei uns durch die Verbrennung des Kohlenstoffs CO2. Wir versuchen allerdings, im Abgas möglichst nur Kohlendioxid zu haben, um es leichter abtrennen zu können. Statt Luft verwenden wir zur Verbrennung deshalb reinen Sauerstoff und erreichen damit, dass das bei der Verbrennung entstandene Kohlendioxid im Abgas nicht mit Luftstickstoff verdünnt ist. Dadurch lässt sich das CO2 von weiteren bei der Verbrennung entstandenen Rauchgasbestandteilen leichter und wirtschaftlicher abtrennen.“
Der zur Verbrennung der Kohle notwendige Sauerstoff muss nicht kosten- und energieintensiv über eine Luftzerlegungsanlage hergestellt werden. Der Sauerstoff wird über das Herzstück der Aachener Anlage gewonnen: über eine moderne Keramik-Membran. „Uns ist es gelungen, eine Hochtemperatur-Membran-Technik zu entwickeln, mit deren Hilfe der reine Sauerstoff bei etwa 850 Grad Celsius gewonnen werden kann“, so Dr. rer. nat. Malte Förster vom Lehrstuhl für Wärme- und Stoffübertragung der RWTH Aachen. „Unsere Membran weist eine Kristallgitterstruktur auf, die Sie in der Funktionsweise mit einem engmaschigen Damenstrumpf vergleichen können“, ergänzt Kneer. „Diese Membran ist nur für Sauerstoffmolekühle durchlässig.“ Das Abgas wird dann teilweise erneut in die Brennkammer eingeleitet. Am Ende entsteht ein Gas mit sehr hoher CO2-Konzentration, das anschließend verdichtet und emissionssicher gelagert werden kann.
„In einer ersten Phase haben wir eine Anlage für diesen speziellen Prozess aufgebaut und das Membranmodul entwickelt, jetzt testen wir das Zusammenspiel der Komponenten in unserer Pilotanlage“, erklärt Kneer. „Anschließend werden wir den universitären Maßstab verlassen und das Verfahren großtechnisch untersuchen.“ Mit einer kommerziellen Nutzung rechnet Prof. Kneer allerdings nicht vor 2020.
„Auch wenn die langfristige Förderung der regenerativen Energiequellen sicherlich ein erfolgsversprechender Weg ist: Kurzfristig wird diese Form der Energiegewinnung die Versorgungslücken in Europa nicht schließen können“, ist Kneer überzeugt. An dem Vorhaben der RWTH Aachen, Kohlekraftwerke sauberer zu machen, führt also kein Weg vorbei, so die Ingenieure. (i. A. Alain Kniebs)
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