Mikrokapseln mit Zuckerglasur

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 30.04.2009

Mikrokapseln mit asymmetrischer Membran könnten Arzneimittel gezielt zu Krankheitsherden bringen

Medikamente gezielt zu Krankheitsherden zu transportieren, wird jetzt realistischer: Chemiker am Max-Planck-Institut für Kolloid-und Grenzflächenforschung haben Mikrokapseln in wässriger Umgebung hergestellt, die das ermöglichen könnten. Die Wände der Vesikel bestehen außen aus dem Zucker Glukose und innen aus Polyethylenoxid. Der asymmetrische Aufbau erlaubt es, der äußeren und inneren Schicht unterschiedliche Aufgaben zuzuweisen. So könnten die Mikrokapseln in dem Polyethylenoxid Arzneimittel einhüllen und über ihre zuckrige Oberfläche an bestimmten Zellen, wie etwa Tumorzellen, andocken. (Chemical Communications, 28. März 2009; DOI: 10.1039/b820887e)

Paul Ehrlich, der 1908 den Medizin-Nobelpreis erhielt, wollte Krebsmedikamente in „Zauberkugeln“ zu Tumoren schleusen. In Mikrokapseln sollten die Wirkstoffe zum einen unbeschadet in die erkrankten Regionen des Körpers gelangen. Zum anderen sollten sie die Wirkstoffe, die auch gesunde Zellen schädigen, nur in Tumorzellen abgeben, um die Nebenwirkungen zu reduzieren. Diesem Ziel sind Forscher des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam nun einen Schritt näher gekommen: Sie haben Mikrokapseln, Vesikel, mit einer asymmetrischen Membran konstruiert.

Außen tragen die Vesikel Moleküle des Zuckers Glukose. Auch auf der Oberfläche vieler Zellen sitzen Zuckermoleküle, die, zusammen mit Proteinen, bei der Kommunikation zwischen Zellen eine große Rolle spielen. Das gilt auch für kranke Zellen. Daher könnten zuckerdekorierte Mikrokapseln helfen, Wirkstoffe in Krankheitsherde einzuschleusen. Das Innere der Kapseln ist mit Polyethylenoxid gefüttert, das als Trägermaterial für Arzneistoffe dienen kann. „Wenn wir die Außen- und Innenwand unterschiedlich beschichten, können wir dafür sorgen, dass die Mikrokapseln mit ihrer Innenwand Wirkstoffe aufnehmen und auf ihrer Außenwand Sensoren für kranke Zellen tragen“, sagt Helmut Schlaad, der an den Arbeiten am Potsdamer Max-Planck-Institut maßgeblich beteiligt war.

Um Vesikel zu bauen, deren Äußeres sich vom Inneren unterscheidet, verwendeten die Forscher ein Blockcopolymer. Das eine Ende des langen Kettenmoleküls besteht aus Polyethylenoxid, am anderen Ende der Kette hängen Zuckermoleküle, wie Lampen an einer Lichterkette. Sowohl die Zucker als auch das Polyethylenoxid sind wasserlöslich. Dazwischen besteht die Kette aus wasserunlöslichen Gliedern. „Im Wasser haben wir beobachtet, dass das Polymer Vesikel formt“, sagt Schlaad.

Eine Reihe weiterer Untersuchungen haben den Forschern dann Hinweise gegeben, wie die Wände der Vesikel aufgebaut sind. Demnach lagern sich die Kettenmoleküle zu einer Membran aneinander, so dass nur die wasserlöslichen Teile der Polymere in Kontakt zu dem Medium kommen. Das heißt, die unlöslichen Teile liegen in der Membran, während die wasserlöslichen die Oberflächen bilden. Dabei legen sich die Kettenenden mit dem Polyethylenoxid und die Enden mit den Zuckermolekülen jeweils ordentlich nebeneinander – so ergibt sich die Asymmetrie. Und da eine Kugel die günstigste Möglichkeit bietet, das Wasser völlig von den wasserunlöslichen Teilen fern zu halten, bilden sich Vesikel.

Dass die Membran asymmetrisch aufgebaut ist und die Glukose außen auf den Mikrokapseln sitzt, fanden die Forscher mit Hilfe der zweidimensionalen Kernresonanzspektroskopie (NMR) und der oberflächenverstärkten Raman-Spektroskopie (SERS) heraus, die Moleküle besonders empfindlich nachweist. Für letztere mischten sie Nanopartikel aus Gold unter die Mikrokapseln im Wasser. Im SERS-Spektrum haben sie dann erkannt, dass die Goldpartikel mit den Zuckermolekülen eine lose Verbindung eingegangen sind. Der Zucker muss daher auf der Außenhaut der Kapsel sitzen. Und Helmut Schlaad hat auch eine einfache Erklärung dafür: Glukose ist besser wasserlöslich und kann die Vesikel besser stabilisieren als Polyethylenoxid. Zudem beanspruchen die Glukosemoleküle an der Grenzfläche zum Wasser mehr Platz als die Polyethylenoxidkette und besetzen daher die Außenseite.

Damit die Vesikel künftig einmal als Vehikel für Arzneimittel dienen können, müssen die Forscher noch einige Probleme lösen, Denn die Kapseln müssen einen Wirkstoff am Krankheitsherd auf Befehl abgeben. „Daher arbeiten wir an Vesikeln, deren Membran auf den pH-Wert oder die Temperatur reagiert und dabei entweder durchlässig wird oder sich gleich ganz auflöst“, sagt Schlaad. Außerdem wollen er und seine Kollegen künftig Vesikel mit einer Hülle aus anderen Zuckern bauen, wie etwa Galaktose oder Mannose: „Auf diese Weise wollen wir die Oberfläche gezielt so gestalten, dass sie in Kontakt zu bestimmten Zellen treten kann.“ [PH/JD]

Originalveröffentlichung:
Helmut Schlaad, Liangchen You, Reinhard Sigel, Bernd Smarsly, Matthias Heydenreich, Alexandre Mantion and Admir Masic
Glycopolymer vesicles with an asymmetric membrane
Chem. Commun., 28. März 2009; DOI: 10.1039/b820887e

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