Neuartiges Radarverfahren analysiert Produktionsprozess von Rotorblättern automatisch

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2023

Defekte in Faserverbundmaterialien schon während des Produktionsprozesses entdecken – dies gelingt künftig mit Hilfe eines neuartigen Radarverfahrens, das die Kontrolle des Fertigungsprozesses von Faserverbundwerkstoffen wie Rotorblättern von Windkraftanlagen zerstörungsfrei und automatisch ermöglicht. Bislang erfolgte das Monitoring manuell per Sichtprüfung. Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR hat das innovative Verfahren zusammen mit den Konsortialpartnern Ruhr-Universität Bochum, Fachhochschule Aachen und der Aeroconcept GmbH im Projekt FiberRadar entwickelt.

Bei der Herstellung von glasfaserverstärkten Strukturbauteilen, wie sie etwa in Rotorblättern vorkommen, wird die Faserstruktur mit einer Harzmatrix fixiert. Unregelmäßigkeiten in der Ausrichtung und/oder im Verlauf der Faserverstärkung verändern die Struktureigenschaften und reduzieren somit die Qualität des entstandenen Verbundwerkstoffs. »Bei der Produktion von Rotorblättern werden Glasfaserlagen übereinander in einer Schale ausgelegt. Erfolgt dies nicht akkurat, kann es zu verschiedenen Defekten wie Wellenbildungen bzw. Ondulation kommen. Aber auch die Richtung der Faser kann sich verdrehen und somit die mechanischen Eigenschaften des Bauteils beeinflussen«, erläutert Projektleiter Dr. André Froehly vom Fraunhofer FHR in Wachtberg. Bislang war eine Untersuchung des Faserverlaufs und der Faserschichtung vor dem Einbringen der Harzmatrix nicht zuverlässig möglich, sodass Fehlstellen erst im Nachgang etwa durch Ultraschalluntersuchung gefunden werden konnten. Dies machte eine kontrollierte Prozesskette unmöglich und führte zu kostenintensiver Nacharbeit oder sogar zum Verschrotten von Bauteilen.

Großes Potenzial für die Produktion von Verbundwerkstoffen

Im Projekt FiberRadar haben die Forschenden nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich erstmalig auch die Ausrichtung der unteren Glasfaserschichten überprüfen lässt – zerstörungsfrei und automatisiert. Möglich macht es ein Millimeterwellen-Scansystem, bestehend aus einem Roboter, einem voll-polarimetrischen Radar und zugehöriger Bildgebungssoftware. Dieses nutzt auch die Polarisation (der Begriff kennzeichnet in der Antennentechnik die Richtung der elektrischen Feldkomponente einer elektromagnetischen Welle) der elektromagnetischen Wellen, das heißt, es kann mögliche Defekte auch durch Änderung der Polarisationsrichtung erkennen. Der Roboter scannt das Bauteil, das Radar übernimmt die Messungen, die anschließend von der Software zu einem 3D-Bild zusammengesetzt werden. Das Besondere: Während übliche Radare nur über einen Kanal verfügen und somit eine Polarisation zum Senden als auch zum Empfangen nutzen, schickt das neue Radar Signale in zwei Polarisationen aus – auch empfangen wird in zwei Polarisationen. Damit lassen sich nicht nur Faserstrukturen hochauflösend darstellen, sondern auch Defekte in tieferen Schichten einfach offenlegen. Zusätzlich verbessert die Brechungskompensation die Bildqualität: Sie rechnet Effekte heraus, die durch die Brechung vor allem in tieferen Schichten problematisch sein können. Indem die Forscherinnen und Forscher mit dem Radar die einzelnen Schichten abbilden, können sie auch Abweichungen in der Faserorientierung entdecken und das gesamte Volumen des Materials zerstörungsfrei überprüfen.

Im Projekt FiberRadar wurde die integrierte Radartechnologie der Ruhr-Universität, die Algorithmenexpertise des Fraunhofer FHR und die Robotikkompetenz der FH Aachen genutzt, um ein Messsystem zu realisieren, das die Fertigung von Faserverbundwerkstoffen und Kontrolle der gefertigten Bauteile in bis dato unerreichbarer Präzision ermöglicht. Durch die Erfahrung der Aeroconcept GmbH kann die Technologie damit direkt in den Fertigungs- und Monitoringprozess im Bereich der Windradblattherstellung integriert und eine Schlüsseltechnologie für qualitativ hochwertige Verbundwerkstoffe etabliert werden. »Wir freuen uns sehr über die vielversprechenden Ergebnisse zum Abschluss des Projekts FiberRadar. Wir planen, in Folgeprojekten das System in Richtung Produktreife weiterzuentwickeln, um es im Produktionsprozess einzusetzen. Hier möchten wir neben der Geschwindigkeit auch die Tiefenauflösung verbessern, um in kürzerer Zeit noch mehr mögliche Defekte zu erkennen«, so Froehly zu den nächsten Schritten. Das Projekt wurde aus den Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

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Mobilfunksystem für die zuverlässige Fernsteuerung von Drohnen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2023

Drohnen sind immer häufiger auch außerhalb der Sichtweite der steuernden Person unterwegs. Jedoch eignen sich konventionelle Fernsteuerungen aufgrund ihrer Reichweitenbegrenzung nicht für solche Flüge. Einfache mobilfunkbasierte Systeme wiederum können bei hoher Mobilfunkauslastung oder mangels Netzabdeckung bislang keine zuverlässige Kommunikation gewährleisten. Forschende am Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI haben im Projekt SUCOM gemeinsam mit Partnern ein neues Mobilfunk-System entwickelt, mit dem sich Drohnen selbst über lange Distanzen und über schwierigem Terrain steuern lassen.

Autonome Drohnen, die über Mobilfunk kommunizieren, haben häufig keine stabile Verbindung. Fehlende Netzabdeckung ist eine Erklärung für die Ausfälle. Experten vermuten außerdem, dass Drohnen in großer Höhe Zugriff auf zu viele Mobilfunkmasten gleichzeitig haben und immer wieder zwischen den Funkzellen wechseln, was zum Verbindungsabbruch führen kann. Forschende des Fraunhofer HHI stellten hingegen fest, dass die Kommunikationsprotokolle, mit denen Drohnen arbeiten und die den Datenfluss zwischen der Drohne und der Steuerung regeln, Probleme bereiten. Sind sie nicht robust genug für schwankende Datenraten, kommen manche Datenpakete langsamer an, einige gehen ganz verloren. Im Kooperationsprojekt SUCOM haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit dem hessischen Drohnenhersteller Wingcopter GmbH, der Emqopter GmbH und der CiS GmbH daher neue Kommunikationsprotokolle entwickelt, die gegenüber ruckelnden Datenströmen unempfindlich sind. Die Verbindung zur Drohne steht, selbst wenn die Datenrate schwankt. Sicherheitskritische Informationen für die Erstellung von Luftlagebildern wie Position, Flughöhe, Flugrichtung, Geschwindigkeit und andere Daten lassen sich unterbrechungsfrei übertragen – eine zentrale Voraussetzung für die hohen Sicherheitsanforderungen der Luftfahrt.

Höchstmaß an Ausfallsicherheit

»Wir haben zum Vergleich eine Drohne mit einem kommerziell verfügbaren LTE-System und unserem SUCOM-Mobilfunkmodul mit den neuen Kommunikationsprotokollen ausgestattet«, sagt Tom Piechotta, Wissenschaftler am Fraunhofer HHI. »Während die Verbindung über das herkömmliche Modul immer wieder abbrach, arbeitete das SUCOM-Modul stabil. Dank unserer neuen Protokolle ist die Kommunikation so stabil, dass es nicht zu Unterbrechungen kommt.« Für den Forscher ein klarer Hinweis darauf, dass Störungen bei Drohnen nicht allein auf fehlende Netzabdeckung zurückzuführen sind.

Das SUCOM-Mobilfunk-Modul kann auch in Drohnen verbaut werden, die bereits im Einsatz sind: So beliefern beispielsweise in Malawi Drohnen mit dem neuen Modul die Bevölkerung während der Regenzeit mit Medikamenten, Blutkonserven und anderem lebenswichtigen Material. Dabei legen sie Distanzen von bis zu 40 Kilometern zurück. Sie starten von vier Flugfeldern, an jedem arbeitet ein Fernpilot, der die aktuelle Route in den Computer eingibt und die Wegpunkte definiert, an denen sich die Drohne orientiert. Mit einem Klick wird die Mission auf die Drohne geladen. Die Daten fließen dafür zu einem Server in Kapstadt, dann weiter zum SUCOM-Modul und schließlich zum angeschlossenen Flight-Controller auf der Drohne. Während des Flugs überwachen die Fernpiloten den Zustand der Drohne kontinuierlich und in Echtzeit. Für den Fall, dass die LTE-Verbindung ausfällt, ist die Drohne zusätzlich mit Satelliten-Technik ausgestattet. Über eine VPN-Verbindung lässt sich die Drohne bei Bedarf auch vom Smartphone aus steuern.

In 170 Millisekunden von Malawi nach Berlin

Um schnellen Datentransport zwischen dem Server in Kapstadt und der Drohne zu erreichen, wurden Server-Hardware und -Software angepasst. Die Verbindung ist so schnell, dass die Drohnen in Malawi mit dem Fraunhofer HHI in Deutschland in Echtzeit kommunizieren können. Ein Datenpaket braucht via Mobilfunk von der Drohne über den Server in Kapstadt bis nach Berlin nur 170 Millisekunden.

Mit dem SUCOM-System könnten auch in Deutschland abgelegene Orte besser versorgt werden. Um dies zu demonstrieren, hat das Projekt-Team ein ausgedehntes Waldgebiet im Norden Brandenburgs überflogen – eines der größten Funklöcher Deutschlands mit einem Durchmesser von 14 Kilometern. Der Flug war ein Erfolg: Dank des SUCOM-Moduls blieb die Kommunikation mit der Drohne unterbrechungsfrei.

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Formänderung auf Knopfdruck

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.01.2023

Programmierbare Materialien sind wahre Formwandler. Auf Knopfdruck ändern sie kontrolliert und reversibel ihre Eigenschaften und passen sich selbstständig an neue Gegebenheiten an. Einsatzbereiche sind beispielsweise bequemes Sitzen oder Matratzen, die das Wundliegen verhindern. Dabei verformt sich die Unterlage so, dass die Auflagefläche groß ist und sich der Druck auf die Körperteile dadurch verringert. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer Cluster of Excellence Programmierbare Materialien CPM entwickeln solche programmierbaren Materialien und bringen sie gemeinsam mit Industriepartnern zur Marktreife. Ziel ist es unter anderem, den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren.

Zahlreiche Menschen weltweit sind von Bettlägerigkeit betroffen – sei es durch Krankheit, Unfall oder Alter. Da sie sich oftmals nicht von allein bewegen oder drehen können, kann es zu einem sehr schmerzhaften Wundliegen kommen. Mit Materialien, deren Form und mechanische Eigenschaften sich an jeder Stelle programmierbar ändern lassen, soll das Wundliegen künftig vermieden werden. Beispielsweise könnte die Härte und Steifigkeit von Matratzen, die aus programmierbaren Materialien hergestellt wurden, in jedem beliebigen Bereich per Knopfdruck eingestellt werden. Darüber hinaus verformt sich die Unterlage selbstständig so, dass ein hoher Druck an einer Stelle auf eine größere Fläche verteilt wird. Das Bett wird dort, wo es drückt, automatisch weicher und elastischer. Zusätzlich können Pflegekräfte gezielt ein ergonomisches Liegen patientenspezifisch einstellen.

Material plus Mikrostrukturierung

Materialien für Anwendungen, die eine gezielte Änderung der Steifigkeit oder Form benötigen, entwickeln Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer CPM, das durch sechs Kerninstitute geprägt wird und zum Ziel hat Programmierbare Materialien zu konzipieren und produzieren. Doch wie lassen sich Materialien überhaupt programmieren? »Wir haben grundsätzlich zwei Stellschrauben: Das Grundmaterial – im Falle der Matratzen thermoplastische Kunststoffe, für andere Anwendungen metallische Legierungen, auch Formgedächtnislegierungen – und insbesondere die Mikrostruktur«, erläutert Dr. Heiko Andrä, Themenfokussprecher am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM, einem der Kerninstitute des Fraunhofer CPM. »Die Mikrostruktur der sogenannten Metamaterialien setzt sich aus einzelnen Zellen zusammen, die wiederum aus Strukturelementen wie kleinen Balken und dünnen Schalen bestehen.« Während die Größe der einzelnen Zellen und ihrer Strukturelemente bei herkömmlichen zellulären Materialien wie Schäumen zufällig variiert, ist sie bei den programmierbaren Materialien zwar auch variabel, jedoch genau festgelegt – sprich programmiert. Diese Programmierung erfolgt beispielsweise so, dass Druck an einer bestimmten Position zu gewünschten Formänderungen an anderen Stellen der Matratze führt, um etwa die Auflagefläche zu vergrößern und die Körperzonen optimal zu stützen.

Materialien können auch auf Wärme oder Feuchte reagieren

Welche Formänderung das Material aufweisen soll und auf welche Reize es reagiert – mechanische Belastung, Wärme, Feuchte oder auch ein elektrisches oder magnetisches Feld – lässt sich ebenfalls über die Wahl des Materials sowie seine Mikrostruktur bestimmen. »Die Programmierbaren Materialien ermöglichen es, Gegenstände an die jeweilige Anwendung oder Person anzupassen und die Dinge somit multifunktionaler zu nutzen als bisher. Sie müssen also nicht so oft ausgetauscht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des Ressourcenverbrauchs ist das interessant«, sagt Franziska Wenz, stellvertretende Themenfokussprecherin am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, ebenfalls eines der Kerninstitute des Fraunhofer CPM. Zudem lässt sich ein Mehrwert schaffen, in dem man Gegenstände an die individuellen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpasst.

Der Weg in die Anwendung

Ein einzelnes Material kann komplette Systeme aus Sensoren, Reglern und Aktuatoren ersetzen. Das Ziel des Fraunhofer CPM ist durch Integration der Funktionen in das Material die Komplexität von Systemen zu senken und den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren. »Wir haben bei der Entwicklung der programmierbaren Materialien stets das industrielle Produkt mit im Blick, so berücksichtigen wir unter anderem die Serienfertigung und die Materialermüdung«, sagt Wenz. Auch laufen bereits erste konkrete Pilotprojekte mit Industriepartnern. Das Forscherteam erwartet, dass die programmierbaren Materialien zunächst einzelne Komponenten in bereits bestehenden Systemen ersetzen werden oder in speziellen Anwendungen genutzt werden – etwa bei medizinischen Matratzen, Sitzen, Schuhsohlen und Schutzbekleidung. »Schrittweise könnte sich dann der Anteil an programmierbaren Materialien erhöhen«, schätzt Andrä. Schließlich lassen sich diese überall einsetzen – sowohl in Medizin- und Sportartikeln, in der Softrobotik wie auch in der Weltraumforschung.

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Designer-Immunzellen für Arzneimittelherstellung und -sicherheit

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2022

Um Tierversuche zu vermeiden und Therapeutika noch präziser testen zu können, greift die Pharmaindustrie zunehmend auf menschliche Immunzellen zurück. Deren Verfügbarkeit war bisher jedoch begrenzt. Fraunhofer-Forschenden ist es gelungen, die Herstellung von maßgeschneiderten Immunzellen vom Labormaßstab auf die industrielle Fertigung zu übertragen.

Ob für neue Krebstherapien oder die Entwicklung und Prüfung neuer Medikamente – in der modernen Medizin spielen humane Immunzellen und Immunzellpräparate eine immer größere Rolle. Um sie für die Gesundheitsforschung zu gewinnen, war die Industrie lange auf menschliche Spender angewiesen oder sie nutzte Zelllinien verschiedener Krebsarten. Das Problem: Die Prozesse ließen sich damit nicht standardisieren, da jeder Mensch und jede Krebszelle einzigartig ist. Ein Gamechanger war eine Entdeckung zweier Stammzellforscher aus Japan und Großbritannien: Ihnen gelang es 2006, reife Hautzellen in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC) umzuwandeln, die sich anschließend wieder in verschiedene Zelltypen weiterentwickeln können. Dafür erhielten Yamanaka und Gurdon 2012 den schnellsten Nobelpreis der Medizingeschichte.

Diese iPSC – und ihre Eigenschaft, sich unbegrenzt zu teilen und zu differenzieren – machen sich Prof. Nico Lachmann und sein Team am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM und der Medizinischen Hochschule Hannover MHH zunutze. Die Forschenden haben ein bisher einmaliges Verfahren entwickelt, um aus diesen iPSC kontinuierlich spezifische, reife Immunzellen herzustellen – und zwar in skalierbaren Systemen, vom kleinen Maßstab bis hin zur industriellen Verwendung. Dies geschieht in einem Gerät, das an eine große Schneekugel erinnert. Die Stammzellen werden in eine Lösung hineingegeben und stetig in Bewegung gehalten. Mittels neuartiger Bioprozesse produzieren sie dann kontinuierlich die Immunzellen. Erst nach etwa drei Monaten müssen die iPSC erneuert werden, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten.

Immunzellen im großen Maßstab

Der Clou an dem Verfahren: Es ist in 3D, statt bisher in 2D am Boden einer Petrischale, konzipiert. So können deutlich größere Mengen der Designer-Immunzellen hergestellt werden. Der Maßstab ist dabei beliebig erweiterbar. Prof. Lachmann betont: »Wir haben drei Jahre daran geforscht, welches Medium, welcher Winkel, welche Geschwindigkeit optimal sind für die standardisierte Herstellung von Immunzellen aus iPSC und viele Parameter immer wieder angepasst. Die so optimierte Methode ist ein großer Gewinn für die Erforschung und Bewertung von Arzneimittelkandidaten, denn wir können ihre Wirksamkeit und Sicherheit direkt an den menschlichen Zielstrukturen testen, ohne dafür den Umweg über Tierversuche nehmen zu müssen.«

Spezialisiert hat sich seine Gruppe zunächst auf Makrophagen, also Fresszellen, die als wichtiger Teil der menschlichen Immunantwort zum Beispiel Bakterien bekämpfen. Im nächsten Schritt wollen Prof. Lachmann und sein Team sogenannte zellbasierte Potency-Assays (z.B. für Krebsmedikamente) aufbauen. Diese Prüfsysteme können die Wirkstärke biologischer und biotechnologischer Arzneimittel messen und spielen eine wesentliche Rolle bei der Qualitätskontrolle und Freigabe von Wirkstoffen und Arzneimitteln. Basierend auf ihrer Schlüsseltechnologie zur kontinuierlichen Produktion von Makrophagen wollen die Forschenden auch neue Herstellungsverfahren für unterschiedliche voll standardisierte Immunzellprodukte und zellbasierte Immuntherapien entwickeln und damit weitere Anwendungen erschließen.

Breites Anwendungsspektrum

Das Potenzial der Designer-Immunzellen ist riesig: So sind sie zum Beispiel genetisch so veränderbar, dass sie leuchten, wenn sie in Medikamenten Verunreinigungen detektieren. Diese sind bisher nur sehr aufwendig nachweisbar. Künstliche Hautgewebe, an denen heute schon Kosmetika getestet werden, könnten – angereichert um Immunzellen – die Reaktionen eines menschlichen Organismus noch besser abbilden. Denkbar wäre auch, die Luftqualität durch solche Zellen zu prüfen, denn beim Einatmen sind es Makrophagen und andere Immunzellen, welche zuerst auf Schadstoffe in der Luft reagieren. Und nicht zu vergessen die therapeutische Wirkkraft: In Zukunft könnten spezifisch angepasste, künstlich hergestellte Immunzellen sogar im Körper von Patientinnen und Patienten Krankheiten wie Krebs heilen.

Es verwundert also nicht, dass Pharmaunternehmen, Kosmetikhersteller, aber auch Forschungsorganisationen schon heute ein großes Interesse an dem Verfahren und an den Designer-Immunzellen haben. »Die Nachfrage bestätigt uns, dass die Technologie ein großes Potenzial zur praktischen Verwertung hat. Das eruieren wir im Moment«, freut sich Nico Lachmann.

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LiDAR- und Radarsensoren – platzsparend im Scheinwerfer verbaut

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 04.10.2022

Der Mensch hat Augen und Ohren, mit denen er brenzlige Situationen im Straßenverkehr erkennen kann. Bei autonom fahrenden Autos übernehmen eine Reihe von Sensoren diese Aufgabe. Doch die steigende Anzahl der Sensoren benötigt auch immer mehr Platz, dem in der Regel die Wünsche der Designer entgegenstehen. Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft haben nun einen Weg gefunden, einige der Sensoren unauffällig zu integrieren. Sie bauen diese in den Scheinwerfern ein – und kombinieren dabei optisches Licht, Radar und LiDAR.

Fahrzeuge können heute immer mehr Aufgaben selbst übernehmen: Der Tempomat hält automatisch den Abstand zum Vordermann, der Spurhalteassistent korrigiert die Spur, Notbremsungen werden eingeleitet, wenn der menschliche Fahrer unachtsam ist. Möglich machen das Kameras im Fahrgastraum und Radar-Sensoren im Kühlergrill. Künftig jedoch soll das Auto noch mehr Aufgaben übernehmen. Doch muss dafür die Sensordichte drastisch zunehmen. Die Idee, den Kühlergrill mit Sensoren vollzupflastern, ist bei Autodesignern nicht sehr beliebt.

Radar- und LiDAR-Sensoren im Scheinwerfer integriert

Fünf Fraunhofer-Institute, darunter das Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR, haben sich im Projekt »Smart Headlight« zusammengetan, um die Sensoren platzsparend und möglichst unauffällig einzubauen – ohne dass Funktion und Leistung beeinträchtigt werden. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines sensorintegrierten Scheinwerfers für Fahrerassistenzsysteme, bei dem unterschiedliche sensorische Elemente mit adaptiven Lichtsystemen kombiniert werden. Auf diese Weise sollen Objekte auf der Straße, insbesondere andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, von den Sensoren noch besser erkannt werden. So kommt der LiDAR-Sensor etwa bei elektronischen Bremsassistenten oder bei Abstandsregelungssystemen zum Einsatz.

»Wir integrieren Radar- und LiDAR-Sensoren in die Scheinwerfer, die ja sowieso vorhanden sind und die ein Optimum an Transmission für optische Sensoren und Lichtquellen sowie für Verschmutzungsfreiheit garantieren«, sagt Tim Freialdenhoven, Wissenschaftler am Fraunhofer FHR. LiDAR-Sensoren (Light Detection And Ranging) arbeiten mit einem Messprinzip, das auf der Bestimmung der Zeit zwischen dem Aussenden eines Laserpulses und dem Empfangen des reflektierten Lichts beruht, und kann auf diese Weise Entfernungen sehr genau messen.

Zunächst gilt es, das LiDAR-System für die Integration in automobile Systeme auszulegen. Hinzu kommt: Das Licht, das aus dem Scheinwerfer auf die Straße fällt, soll von den beiden zusätzlichen Sensoren nicht beeinflusst werden – allerdings liegen die lichtspendenden LEDs ganz hinten im Scheinwerfer. Die Forschenden platzieren deshalb die LiDAR-Sensoren oben und die Radar-Sensoren unten im Scheinwerfergehäuse. Dennoch sollen die Strahlen beider Sensorsysteme den identischen Weg nehmen wie das LED-Licht. Dies wird zusätzlich dadurch erschwert, dass alle Strahlen unterschiedliche Wellenlängen haben: Das sichtbare Scheinwerferlicht liegt im Bereich von 400 bis 750 Nanometern, die infraroten LiDAR-Strahlen mit 860 bis 1550 Nanometer recht nah am sichtbaren Bereich. Radarstrahlen haben dagegen eine Wellenlänge von vier Millimetern. »Diese drei Wellenlängen sollen koaxial – also gleichachsig – zusammengeführt werden, wir sprechen daher von einem Multispektral-Combiner«, betont Freialdenhoven. Die koaxiale Strahlenführung ist wichtig, um einen Parallaxenfehler zu vermeiden, der erst noch kompliziert herausgerechnet werden muss. Darüber hinaus würde die Anordnung der Sensoren nebeneinander deutlich mehr Raum in Anspruch nehmen als die die koaxiale Anordnung. Dieses Problem lösen die Forschenden über sogenannte Bi-Combiner: Dabei wird für die Kombination von LED-Licht und LiDAR-Licht ein speziell beschichteter di-chroidischer Spiegel eingesetzt, mit dem beide Strahlenbündel über eine wellenlängenspezifische Reflexion auf eine Achse gebracht werden. Gleiches erfolgt, wenn auch wegen der sehr unterschiedlichen Wellenlängen ungleich komplexer, am zweiten Combiner, bei dem LED-Licht, LiDAR-Licht und Radar miteinander vereint werden. Da Radarsensoren im Automobilbereich bereits weit verbreitet sind, soll der Bi-Combiner so ausgelegt werden, dass die Hersteller vorhandene Sensoren ohne Anpassung weiterverwenden können.

Radar-Systeme durchdringen Nebel

Doch warum überhaupt die Kombination von optischen Systemen, LiDAR und Radar? »Jedes einzelne System hat seine Stärken, aber auch seine Schwächen«, erklärt Freialdenhoven. So kommen optische Systeme bei Nebel und Staub an ihre Grenzen, sprich bei optisch schlechten Sichtbedingungen. Radar-Systeme dagegen schauen nahezu ungehindert durch dichte Nebelschwaden. Doch ist ihre Klassifikationsfähigkeit nicht sehr hoch: Radar kann zwar erkennen, ob es sich um einen Menschen oder um einen Baum handelt, doch es kommt nicht an die Klassifikationsfähigkeit vom LiDAR heran. »Wir arbeiten zudem daran, die Daten von Radar und LiDAR zu fusionieren – was insbesondere in puncto Zuverlässigkeit einen extremen Mehrwert bietet«, sagt Freialdenhoven. Ein Patent wurde bereits angemeldet, derzeit arbeitet das Team am Aufbau eines Prototyps.

Mit der Technologie werden die Möglichkeiten der Sensorintegration für Fahrerassistenzsysteme deutlich erweitert. Kleinere Lichtmodule, kompaktere LiDAR-Sensoren und integrierte Radarsensoren erlauben die Umsetzung von Multisensorkonzepten, insbesondere für das autonome Fahren bei steigenden Designanforderungen und begrenztem Bauraum. Auf diese Weise können autonome Systeme künftig nicht nur einen Menschen erkennen, sondern zudem seine Geschwindigkeit, seine Entfernung und den Winkel analysieren, in dem er zum Auto steht.

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