Traummaße mit der virtuellen Prüflehre

Pressemitteilung der TU München vom 10.08.2009

Schnelle Qualitätssicherung mit dem Projektor

Qualitätskontrollen verursachen täglich große Kosten in Produktion und Entwicklung und verzögern die Konzeption von Prototypen erheblich. Wem es gelingt, Fertigungsfehler schneller zu erkennen, der gewinnt einen deutlichen Vorsprung. Ein Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) untersuchte hierzu eine fabelhaft einfach klingende Idee: Sie erstellen digital das Bild eines perfekten Bauteils, projizieren es auf das Prüfobjekt und vergleichen Projektion und Realität. Doch was so simpel scheint, birgt so manche Tücke.

Maschinen, Möbel, oder Kinderspielzeug, die meisten Produkte unseres Alltags bestehen aus einer großen Zahl von Einzelteilen. Und wenn nur eines der Puzzleteile nicht exakt passt, funktioniert gar nichts mehr. In der Entwicklung muss das Zusammenspiel der Teile aufwändig geprüft werden, in der Produktion geraten im schlimmsten Fall die Fließbänder ins Stocken. Um Produktionsausfälle zu vermeiden, investieren Firmen viel Geld in die Qualitätssicherung und das mühsame Aussortieren mangelhafter Stücke bei Wareneingang und Produktion.

Umfassende Kontrollen erfordern entweder den Einsatz teurer Geräte oder zeitaufwendige Messungen von Hand. Im Zuge der manuellen Prüfung muss ein Mitarbeiter für jedes einzelne Bohrloch allein zweimal Maß nehmen, um Durchmesser und Abstand vom Rand zu bestimmen. Für Serienprodukte werden derzeit Matrizen, eine Art Negativ der jeweiligen Gegenstände, angelegt und die Einzelteile damit verglichen. Entwickler von Prototypen neuartiger Geräte arbeiten allerdings mit ganz individuellen Einzelteilen, für die sich eigene Matrizen nicht lohnen. Ein Forscherteam des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TU München bietet hier einen genialen Lösungsansatz: Ohne Lineal, Winkelmesser oder Matrize gleichen sie beliebige Gegenstände mit ihren Idealmaßen ab – und zwar im Handumdrehen.

Dafür verwendete das Team um Professor Dr.-Ing. Gunther Reinhart einen handelsüblichen Projektor und einen Rechner mit einer speziellen Software. Aus den vorhandenen Konstruktionszeichnungen erstellten die Wissenschaftler am Computer eine dreidimensionale Grafik des zu überprüfenden Bauteils, beispielsweise eines Befestigungsblechs. Diese projizieren sie auf das echte Bauteil. Dabei kommt jedes virtuelle Bohrloch auf dem entsprechenden realen Loch zum Liegen. Abweichungen zwischen Projektion und Objekt erkennt der Prüfer auf den ersten Blick Millimeter genau.

Doch ganz so einfach ist es nicht; einige praktische Hürden stellten sich den Wissenschaftlern in den Weg: Zur Erstellung der dreidimensionalen Grafik dienen den Forschern so genannte CAD-Daten (Computer Aided Design): „CAD-Daten sind die digitale, räumliche Beschreibung von Objekten. Sie spielen zum Beispiel auch für die Herstellung von Animationen in Kinofilmen eine wichtige Rolle,“ sagt Stefan Krug, Mitglied des Forscherteams am iwb. Die Projektion funktioniert aber nur auf einer ebenen Fläche, wie einer Kinoleinwand oder einem Computerbildschirm. Wird das erzeugte Abbild direkt auf ein dreidimensionales Objekt projiziert, entsteht dabei ein deutlich verzerrtes und damit unbrauchbares Bild. Mit der Entwicklung einer neuen Software räumten die Wissenschaftler dieses Hindernis aus dem Weg. Nach einmaliger Kalibrierung der Versuchsapparatur gleicht das Korrekturprogramm die Verzerrung der Projektion rechnerisch aus.

Die nächste Tücke stellen die unzähligen Möglichkeiten dar, wie ein Bauteil auf dem Tisch liegen könnte. Damit die Projektion aber am Ende mit dem Objekt übereinstimmt, müssen beide exakt gleich ausgerichtet sein. Dieses nicht triviale Problem lösten die Wissenschaftler durch Anwendung eines kommerziellen Softwarepakets. „Das Programm berechnet aus den Massedaten des Bauteils, wie Gewicht, Form und Schwerpunkt, wie dieses auf einem Tisch zu Liegen kommt, wenn die Schwerkraft ganz normal auf sie wirkt – niemals würde es beispielsweise auf einer Ecke stehen bleiben,“ erläutert Frédéric-Felix Lacour, der diese Anpassungen entwickelt hat. Dieses Verhalten wird auf das virtuelle Abbild übertragen, so dass dieses ebenfalls „flach liegt“, also gemäß der Schwerkraft ausgerichtet ist. Nun muss der Prüfer das reale Bauteil nur noch in der Ebene nach links oder rechts drehen, bis Projektion und Realität übereinstimmen.

Die Anwendung der TUM-Wissenschaftler ermöglicht teilautomatisierte und genaue Prüfungen innerhalb weniger Sekunden. In der Entwicklung neuer Geräte und der Qualitätskontrolle großer Lieferungen könnte diese Methode eine enorme Zeitersparnis bedeuten. Darüber hinaus könnte das Verfahren überall dort zum Einsatz kommen, wo virtuelle Daten mit der Realität verglichen werden.

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