Elektronen auf Schlingerkurs

Presseinformation der LMU München vom 28.09.2009

Mini-Röntgenquelle ebnet den Weg für brilliante Strahlung

Das Potential der Lasertechnik scheint unerschöpflich. Den Beweis hat nun ein internationales Team vom Münchener Exzellenzcluster „Munich-Centre for Advanced Photonics“ (MAP) im Labor für Attosekundenphysik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) in Garching erneut erbracht. Ebenfalls beteiligt waren das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf und das Clarendon Laboratory der Universität in Oxford (Großbritannien). Den Physikern ist es erstmals im Labormaßstab gelungen, weiche Röntgenstrahlung mit Hilfe von Laserlicht zu erzeugen, indem sie Pulse von Elektronen durch intensive Laserblitze generieren. Nachdem derselbe Laserstrahl in einer tausendmal kürzeren Distanz als bisher nötig die Elektronenpulse auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt hat, werden diese in einen kurzen Undulator fokussiert. In dessen Inneren zwingen magnetische Felder auf einen Schlingerkurs,  so dass sie Röntgenstrahlung emittieren. Das Experiment zeigt, dass mit Hilfe von Licht sogenannte „brillante Röntgenstrahlung“ erschaffen werden kann, bei der extrem viele Photonen mit gleicher Wellenlänge in einem Strahl gebündelt sind. Die Strahlung bietet weitaus mehr Anwendungen als herkömmliche Röntgenstrahlung. Sie konnte bisher aber nur in kilometergroßen Beschleunigeranlagen produziert werden. Die LAP-Forscher haben nun die Türe aufgestoßen, brillante Röntgenstrahlung auch in viel kompakteren Geräten zu gewinnen. (Nature Physics online, 27. September 2009).

Seit ihrer Entdeckung im ausgehenden 19. Jahrhundert ermöglicht Röntgenstrahlung  Einblicke in Welten, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Heute ist die Strahlung aus der Medizin, der Physik, den Materialwissenschaften und der Chemie nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile kann man mit ihr Strukturen sichtbar machen, die  nicht größer als Atome sind. Dazu benötigt man sogenannte „brillante Röntgenstrahlung“, die sehr viele Photonen (Lichtteilchen), die sich im selben Takt bewegen, bündelt. Sie wird heute in kilometergroßen und teuren Beschleunigeranlagen erzeugt. Nur wenige Anlagen weltweit sind überhaupt in der Lage, diese brillante Röntgenstrahlung aufwendig herzustellen. Ein Team um Professor Florian Grüner und Professor Stefan Karsch vom Labor für Attosekundenphysik hat sich das Ziel gesetzt, brillante Röntgenstrahlung kostengünstig und mit wenig Platzaufwand zur Verfügung zu stellen. Einen wichtigen Meilenstein haben die Physiker jetzt erreicht.

Mit Hilfe von intensivem Laserlicht und einem Plasma aus Wasserstoffatomen ist es ihnen erstmals in einem Labor der LMU und des MPQ gelungen, Röntgenstrahlung mit einer Wellenlänge von rund 18 Nanometern (weiche Röntgenstrahlung) zu erzeugen. Dazu verwendeten die Physiker Laserpulse, die nur wenige Femtosekunden lang dauern. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. In dieser ultrakurzen Zeit erreichen die Lichtpulse Leistungen von rund 40 Terawatt. Zum Vergleich: Ein Atomkraftwerk erzeugt Leistungen von rund 1000 Megawatt, das ist 1000 Mal weniger. Die gigantischen Leistungen der Pulse werden nur durch ihre extreme Kürze erreicht. Die starken elektrischen und magnetischen Felder der Lichtpulse lösen Elektronen von Wasserstoffatomen und erzeugen so ein Plasma. Diese Elektronen werden mit demselben Laserpuls auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und das auf einer Strecke von nur 15 mm, was einer tausendmal kürzeren Distanz entspricht, als sie von bisher verwendeten Technologien benötigt wird.

Die Elektronen gelangen anschließend in den Undulator, ein rund 30 Zentimeter langes und fünf Zentimeter breites Gerät. Dieser erzeugt in seinem Inneren ein alternierendes Magnetfeld, das die Elektronen auf einen sinusförmigen Schlingerkurs zwingt. Dabei werden die Teilchen hin und her beschleunigt und senden dadurch Photonen im weichen Röntgenbereich aus. Bis heute konnte man in einem anderen Experiment mit ähnlichen Methoden lediglich Licht erzeugen, das sich im sichtbaren oder infraroten Bereich befindet, also viel längere Wellenlängen besitzt als Röntgenstrahlung. Nach den Gesetzen der Optik können mit Licht nur Strukturen abgebildet werden, die der Größe seiner Wellenlänge entsprechen. Wird also etwa ein Objekt mit Röntgenlicht von 18 Nanometer Wellenlänge untersucht, muss es mindestens ebenso groß sein, um gesehen zu werden. Atome und Moleküle sind aber sehr viel kleiner – und möglichst kurze Licht-Wellenlängen entsprechend begehrt.

Die Verkürzung der Wellenlänge der lasererzeugten Röntgenstrahlung ist das nächste Vorhaben der LAP-Wissenschaftler. „Grundsätzlich haben wir mit unserem Experiment gezeigt, dass man Röntgenstrahlung in einem Universitätslabor mit Hilfe von ultrakurzen Lichtpulsen erzeugen kann“, erklärt Florian Grüner. Doch das Potential der Undulator-Technologie ist erheblich größer. „Unser Versuch ebnet den Weg in Richtung einer preiswerten Quelle für lasergetriebene Röntgenstrahlen“, prognostiziert Grüner. Die Physiker wollen nun die Energie der Elektronen erhöhen, die durch den Undulator fliegen. Dazu werden sie die Energie der Lichtpulse steigern, die diese Elektronen erzeugen. Das große Ziel der Gruppe um Grüner besteht in der Realisierung eines laser-getriebenen Freien-Elektronen-Lasers, dessen Licht etwa eine Million mal brillanter ist als die jetzt gemessene Undulatorstrahlung. Die Strahlung soll dann nur noch eine Wellenlänge von wenigen Zehntel Nanometer haben. Sie kann völlig neue, detaillierte Einblicke in den Mikrokosmos der Natur liefern, aber auch in der Medizin helfen, kleinste Tumore zu entdecken, bevor sie sich im Körper ausbreiten. Die Heilungschancen von Krebs würden enorm steigen. (ThN/MPQ)

Publikation:
„Laser-driven soft-X-ray undulator source“;
Matthias Fuchs, Raphael Weingartner, Antonia Popp, Zsuzsanna Major, Stefan Becker, Jens Osterhoff, Isabella Cortrie, Benno Zeitler, Rainer Hörlein, George D. Tsakiris, Ulrich Schramm, Tom P. Rowlands-Rees, Simon M. Hooker, Dietrich Habs, Ferenc Krausz, Stefan Karsch and Florian Grüner;
Nature Physics online, 27. September 2009;
DOI: 10.1038/NPHYS1404

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