Mediendienst der Universität Stuttgart vom November 2009
Design von Biokatalysatoren zur nachhaltigen Synthese
In der industriellen, der so genannten „weißen“, Biotechnologie werden Enzyme bei einer Vielzahl chemischer Reaktionen erfolgreich als Katalysatoren eingesetzt. Denn sie sind in der Lage, ihre Substrate unter milden Bedingungen und mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit umzusetzen. Andererseits sind natürliche Enzyme für Anwendungen in der Synthese oft nicht optimal, da ihr Substratspektrum zu eng ist und die gewünschten Substrate nicht ausreichend schnell umgesetzt werden. Die Chemiker und Biologen des Instituts für Technische Biochemie der Universität Stuttgart erforschen deshalb im Rahmen eines vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geförderten Projekts, wie man Enzyme so verändern kann, dass sie für die chemische Synthese von Produkten aus nachhaltigen Rohstoffen geeignet sind.
Die Wissenschaftler setzen bei der Strukturänderung der Substratbindungstasche an, dem Ort im Enzym, an dem das Substrat mit dem Enzym vorübergehend eine engverzahnte Verbindung eingeht. Um die Substratbindungstasche zu optimieren, entwickelten sie die bioinformatische Methode des „molekularen Docking“ weiter. Diese Methode wurde ursprünglich für die Entwicklung von Medikamenten verwendet, bei der ein kleines Molekül, das an ein Zielprotein binden soll, wie ein Schlüssel zu einem Schloss passen muss. Um die Methode auf die Erkennung zwischen Substrat und Enzym zu übertragen, erweiterten die Forscher die Methode zu einem mehrstufigen Verfahren, das berücksichtigt, dass die Substratbindungstaschen von Enzymen nicht starr sind. Zudem darf das Substrat nicht in seinem Ausgangszustand, sondern muss in einem dem Produkt ähnlicheren Übergangszustand in der Bindungstasche platziert werden. Dieser Übergangszustand muss in einer genau definierten Position im Enzym binden, damit das Substrat zum Produkt umgesetzt wird. In einem ersten Schritt docken die Wissenschaftler daher das Substrat in seinem Übergangszustand an das Enzym. Im zweiten Schritt optimieren sie dann die Struktur des Enzym-Substrat-Komplexes, indem sich die Form der Substratbindungstasche der Struktur des Substrats anpasst. Im dritten Schritt wird das Substrat nochmals in die nun optimierte Substratbindungstasche gedockt. Schließlich wird die Wechselwirkungsenergie und die Position des Substrats in der Substratbindungstasche bewertet. Dieses neue, mehrstufige Verfahren zeigte für Enzyme aus der Gruppe der Lipasen und Esterasen eine Trefferquote von 80 Prozent bei der Vorhersage der Aktivität gegenüber mehreren Substraten.
Ein wesentlicher Grund für die schlechte Aktivität eines Enzyms gegenüber einem gewünschten Substrat besteht darin, dass die Form der Bindungstasche nicht zum Substrat passt. Das neue Verfahren identifiziert die störenden Bereiche, die dann durch Enzym-Design verändert werden können. Die Stuttgarter Forscher nutzen dieses Verfahren bereits in Zusammenarbeit mit dem Industriepartner Evonik Industries AG für die Entwicklung von Biokatalysatoren zur Synthese von kosmetischen Inhaltstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. Zudem wird das Verfahren auch im Rahmen des europäischen Verbundprojekts „Nachhaltige mikrobielle und biokatalytische Produktion von neuen funktionellen Materialien“ eingesetzt.
Externer Link: www.uni-stuttgart.de