Göttinger Wissenschaftler entwickeln autonomen Laufroboter

Pressemitteilung der Universität Göttingen vom 18.01.2010

Winziges Netzwerk ermöglicht flexiblen Wechsel von Gangarten

(pug) Insekten können mit ihren sechs Beinen ganz unterschiedliche Bewegungsmuster ausführen. Je nachdem, ob sie langsam oder schnell krabbeln oder ein Hindernis überwinden müssen, nutzen sie verschiedene Gangarten. Wissenschaftler aus Göttingen haben nun einen Roboter entwickelt, der ebenfalls je nach Umgebung flexibel zwischen mehreren Gangarten hin- und herschalten kann. Das Neue daran: Diese unterschiedlichen Bewegungen werden von einem einzigen Verschaltungsnetzwerk mit nur wenigen Verknüpfungen erzeugt. Ziel der Forscher ist es, einen selbstständigen Roboter zu bauen, der unabhängig von direkter menschlicher Kontrolle funktioniert. Entwickelt wurde der Laufroboter von Wissenschaftlern der Universität Göttingen, des Bernstein Zentrums für Computational Neuroscience und des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation. Vorgestellt wird die neue Technik am 17. Januar 2010 in der Online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Nature Physics“.

Bei Mensch und Tier werden immer wiederkehrende Bewegungen wie Laufen oder Atmen von kleinen neuronalen Einheiten gesteuert, so genannten CPGs (central pattern generators). Dieses Prinzip haben sich die Wissenschaftler auch bei der Entwicklung von Laufrobotern zu Nutze gemacht. Doch bisher war für jede Gangart eines Roboters – zum Beispiel langsames Schreiten, Laufen oder Treppen steigen – ein eigener CPG, also ein eigener Kontrollmechanismus notwendig. Der Roboter erhielt über verschiedene Sensoren Informationen über seine Umwelt und wählte dann den CPG aus, der für die entsprechende Gangart zuständig war.

Das Besondere an dem Roboter der Göttinger Wissenschaftler ist, dass er mit nur einem einzigen CPG auskommt. Dadurch kann der Roboter einfacher und schneller Dinge selbst erlernen, da er nur eine Schaltstelle hat, an der Informationen koordiniert werden. Beispiel: Der Roboter soll mit möglichst geringem Energieaufwand eine Steigung überwinden. Sobald er mit dem Klettern beginnt, zeigt sein Stromsensor einen zu hohen Verbrauch an. Daraufhin variiert der Roboter die Verschaltung zwischen dem Stromsensor und dem CPG so lange, bis er eine Gangart gefunden hat, bei der er weniger Energie verbraucht. Der Roboter hat also den Zusammenhang zwischen Steigung und Bewegungsmuster erlernt und kann in Zukunft sofort die passende Gangart wählen.

Das alles funktioniert dank des neuartigen CPGs. Das Geheimnis seiner Funktionsweise liegt in der so genannten „Chaos-Kontrolle“. Ohne Kontrolle produziert der CPG ein chaotisches Aktivitätsmuster. Dieses lässt sich jedoch in ein immer wiederkehrendes Muster umwandeln, das den Gang des Roboters bestimmt. Je nach sensorischem Eingangssignal können dabei unterschiedliche Muster – und damit unterschiedliche Gangarten erzeugt werden – quasi aus „einer Hand“.

Künftig wollen die Göttinger Wissenschaftler den Laufroboter zusätzlich mit einem Speicherchip ausstatten. Dann könnte er eine Bewegung auch dann zu Ende ausführen, wenn er keinen sensorischen Input mehr bekommt. Soll der Roboter beispielsweise über ein Hindernis steigen, müsste er mit allen sechs Beinen nacheinander einen großen Schritt machen. „Damit ist er derzeit noch überfordert. Kaum ist das Hindernis aus seinem Blickfeld verschwunden, hat er vergessen, welches Gangmuster er gerade anwenden soll“, so Prof. Dr. Marc Timme vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. „Wenn der Roboter mit einem motorischen Gedächtnis ausgestattet ist, wird er seine Bewegungen vorausschauend planen können.“

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