Sichere Tanks für Wasserstofffahrzeuge

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.09.2023

Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger im Kontext der Energie- und Mobilitätswende. Doch das Gas ist auch hochexplosiv und es bedarf strenger Sicherheitsvorkehrungen, um Wasserstoff sicher zu verwenden. Aktuelle Brennstoffzellenfahrzeuge führen den Wasserstoff gasförmig in Drucktanks mit. Diese Kernelemente des H2-Antriebssystems müssen selbst bei maximalen Betriebsbelastungen sicher bleiben. Um Gefahrensituationen zu vermeiden, sind regelmäßige Wartungen der Hochdruck-Speichersysteme Pflicht. Doch die aktuell im Abstand von zwei Jahren vorgeschriebene Prüfung des Tanks ist nur eine äußerliche Sichtprüfung. Schäden im Innern des Tanks können mit dieser konventionellen Prüfmethode nicht detektiert werden. Im Verbundprojekt HyMon entwickeln Forschende des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF gemeinsam mit Partnern eine sensorbasierte On-Board-Strukturüberwachung, die eine dauerhafte Kontrolle der H2-Drucktanks ermöglichen und so eine hohes Sicherheitsniveau von Wasserstofffahrzeugen gewährleisten soll.

Wasserstoff wird derzeit gasförmig unter hohem Druck von bis zu 700 bar in Behältern aus Faserverbundwerkstoffen (FVK) gespeichert. Diese sind im Vergleich zu Metalltanks aufgrund ihrer geringen Masse für den Einsatz im Mobilitäts- und Transportsektor prädestiniert. Aus Sicherheitsgründen werden die H2-Drucktanks vor ihrem ersten Einsatz aufwendigen Prüfungen unterzogen, um einen sicheren Betrieb über die Lebensdauer zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die Integrität des Behälters bei wiederkehrenden Belastungen durch Betankung und Entnahme des Wasserstoffs wie auch im Schadensfall (z. B. Auffahrunfall) sichergestellt sein. Die derzeit vorgeschriebenen Sichtprüfungen auf eine äußere Beschädigung des Tanks können dies nicht leisten. Alternativ kann die Schadensdetektion durch eine dauerhafte Überwachung – sogenanntes Structural Health Monitoring, kurz SHM – des Druckbehälters realisiert werden. Ein entsprechendes intelligentes System zur permanenten Zustandsüberwachung von Wasserstofftanks entwickeln Forschende des Fraunhofer LBF in Darmstadt in enger Zusammenarbeit mit Partnern im Projekt HyMon. Diese On-Board-Strukturüberwachung – bestehend aus geeigneter Sensorik und Auswerteelektronik – soll zum einen die Daten für den Service- und Reparaturfall liefern. »TÜV-Prüfer erhalten durch unsere Technologie beispielsweise nach einem Unfall objektive Informationen über die Belastungen des Tanks und können so objektiv entscheiden, ob dieser noch wiederverwendbar ist oder ausgetauscht werden muss«, sagt Johannes Käsgen, Wissenschaftler am Fraunhofer LBF. Zum anderen soll sie dabei unterstützen, die Wartungskosten zu senken und eine sichere Ausnutzung der Tanks über die gesamte Lebensdauer zu gewährleisten.

Schallemissions- und Dehnungssensoren detektieren Schäden im Tank

Im Fokus der Forschungsarbeiten stehen Schallemissionssensoren bzw. Acoustic-Emission-Sensoren. Reißt eine einzelne Kohlefaser im Drucktank, entsteht eine Schallwelle, die durch die Fasern läuft. Die Sensoren erfassen die hochfrequente Schallwelle und können so die Anzahl der gebrochenen Fasern ermitteln. »Durch Sonderlastfälle, beispielweise Auffahrunfälle, können die Tanks lokal beschädigt werden, wodurch innerhalb kürzester Zeit viele Fasern brechen«, erklärt Käsgen. »Die Messsignale werden durch eine Auswerteelektronik verarbeitet und informieren so über den Gesundheitszustand des Tanks.« Die erforderlichen Algorithmen und Methoden zur Detektion von Faserbrüchen werden am Fraunhofer LBF entwickelt. Diese umfassen beispielsweise die Frequenzanalysen der Schallwelle. »Sensoren am Tank nehmen die hochfrequenten Schallwellen im Falle eines Faserbruchs auf, die Algorithmen detektieren die Faserbrüche, die gezählt werden. Nimmt die Rate an Faserbrüchen plötzlich zu, so ist das ein Indiz, dass der Wasserstofftank am Ende seiner Nutzungszeit ist«, resümiert der Forscher den Ablauf. Die durchgängige On-Board-Strukturüberwachung garantiert ein erhöhtes Sicherheitsniveau von Wasserstofffahrzeugen, da mögliche Schäden auch bei kleinen Impacts – etwa durch das Aufsetzen auf einen Poller – und die Restlebensdauer des Tanks abgeschätzt werden kann. Durch die umfassende Qualitätssicherung lässt sich darüber hinaus ein unnötiger Austausch der Wasserstofftanks vermeiden.

Neben Acoustic-Emission-Sensoren werden auch faseroptische Dehnungssensoren in die Tanks integriert. Diese bestehen aus lichtleitenden Glasfasern, in die sogenannte Faser-Bragg-Gitter-Sensoren integriert sind. Die Glasfasern werden direkt bei der Herstellung in die FVK-Schicht des Tanks eingewickelt oder nachträglich auf die Oberfläche aufgebracht, um eine kontinuierliche oder periodische automatisierte Überwachung von Dehnungen rund um den Wasserstofftank zu ermöglichen. Anders als konventionelle Dehnungssensoren eignen sich diese Glasfasern aufgrund ihrer Robustheit gegenüber hohen Materialdehnungen und Belastungszyklen besonders für die Überwachung von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen. Mit den Messdaten der Dehnungssensoren werden zum einen die Berechnungsmodelle der Drucktanks verifiziert und zum anderen Erkenntnisse darüber gewonnen, wie sich das Materialverhalten über die Lebensdauer des Tanks verändert, um hieraus Rückschlüsse auf den Ermüdungszustand des Materials zu ziehen.

Komplettsystem wird im Versuchsfahrzeug getestet

Im Prüfstand am Fraunhofer LBF werden zunächst anhand von sensorbestückten Kohlefaser-Flachproben verschiedene Arten von Schädigungen erzeugt – etwa Faserbrüche, Matrixbrüche oder Delaminationen – und mit den Sensoren die Schädigungssignale erfasst. Anschließend wird beurteilt, ob die Sensoren in der Lage sind, die Signale in ausreichender Qualität aufzuzeichnen, und ob die Algorithmen anhand der Signale die Schädigungsmechanismen richtig zuordnen können. Im nächsten Schritt wird das komplette Sensorsystem an dünnwandigen Modellbehältern und anschließend an Hochdruck-Wasserstofftanks überprüft, die unter Innendruck bis zum Versagen zyklisch beansprucht werden. Dabei untersuchen die Forscherteams wie viele Sensoren für die Strukturüberwachung erforderlich sind, an welchen Positionen und mit welchen Klebstoffen diese optimalerweise am Wasserstofftank angebracht werden müssen. Abschließend wird ein Versuchsfahrzeug mit Sensorik und On-Board-Strukturüberwachung ausgerüstet und durch die Kombination von virtuellem Crash und realem Prüfaufbau validiert. Ziel der Projektpartner ist es, das Komplettsystem als zukünftige serienmäßige Zustandsüberwachung zu ertüchtigen.

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Damit der Airbag sicher auslöst

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.08.2023

Über 358 000 Menschen kamen in Deutschland 2022 laut Statistischem Bundesamt bei Verkehrsunfällen zu Schaden. Oft verhindert ein Airbag dabei Schlimmeres. Während der Fahrt liegt er gut verborgen unter einer hochwertigen Kunststoff-Oberfläche, die große Teile des Cockpits überzieht: der Slush-Haut. Damit diese an den richtigen Stellen reißt, wenn der Airbag auslöst, wird sie nach der Produktion vorsichtig angeritzt. Doch Material und eingebrachte Sollrissstelle müssen optimal aufeinander abgestimmt sein, sodass der Airbag sich im Ernstfall voll entfalten kann. Um dies sicherzustellen, kommt zur Überprüfung der Slush-Häute nun nutzerfreundliche Spitzentechnologie zum Einsatz: Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern hat ein handgeführtes Terahertz-Messsystem entwickelt, mit dem eine individuelle und zerstörungsfreie Qualitätskontrolle von Slush-Häuten möglich ist.

Slush-Häute mit ihrer lederähnlichen Optik werden heute in vielen Fahrzeugen der Mittel- und Oberklasse eingesetzt, um Armaturen zu verkleiden. Sie zeichnen sich durch sehr flexibel gestaltbares Design und Haptik aus und überzeugen zusätzlich in Sicherheitsfragen. Ihr Name leitet sich von ihrem Herstellungsverfahren, dem Pulversintern (engl. powder slush oder slush moulding) ab. Dabei wird eine Negativ-Form aus Metall aufgeheizt, im nächsten Schritt mit Kunststoffpulver gefüllt und gedreht. Das Pulver beginnt zu schmelzen und haftet an; beim Abkühlen entsteht eine durchgängige Haut.

Um Gewicht und Material einzusparen und zugleich eine bessere Anhaftung auf dem Cockpit zu ermöglichen, hat die Antolin Straubing GmbH ein Zweischichtsystem für Slush-Häute entwickelt. Für das neue Produkt galt es, ein serienbegleitendes Prüfverfahren zu konzipieren, welches sicherstellt, dass der Airbag die Slush-Haut bei einem Verkehrsunfall sicher durchdringt und die Personen im Fahrzeug schützt.

Wie lässt sich jede einzelne Slush-Haut überprüfen?

Mit dieser Problemstellung trat der Automobilzulieferer an das Fraunhofer ITWM heran. Gemäß neuen Vorgaben sollten die zweischichtigen Slush-Häute nicht mehr nur stichprobenartig durch Analyse unter dem Mikroskop, sondern individuell und zugleich zerstörungsfrei kontrolliert werden. Die Expertise der Forschenden am Fraunhofer ITWM im Bereich der Dickenmessung von Mehrschichtlacken vor Augen nahm der Zulieferbetrieb Kontakt zur Abteilung Materialcharakterisierung und -prüfung auf. Seit mehreren Jahren arbeitet die Forschungsgruppe »Optische Terahertz-Messtechnik« unter Leitung von Dr. Daniel Molter am Einsatz von Terahertz-Technologien für die Industrie und erzielte dabei vielversprechende Resultate, indem sie etwa eine zuverlässige und schonende Prüfmethode für lackierte Oberflächen im Automobilbereich entwickelte. Nun stellte sich die Frage: Lässt sich Terahertz-Messtechnik auch für die ungleichmäßige Struktur von Slush-Häuten einsetzen, sodass die Dicke beider Schichten sicher bestimmt werden kann?

Schichtdickenmessung mit Terahertz-Technologie

Terahertz-Wellen sind elektromagnetische Wellen, die mit einer Länge von etwa 300 µm zwischen dem Mikrowellen- und dem Infrarotbereich liegen. »Die Terahertz-Technologie ist im Vergleich zur Technologie anderer Spektralbereiche vergleichsweise jung, und über die letzten Jahre hat sich die Schichtdickenmessung als einer der vielversprechendsten Anwendungsfälle herausgestellt«, beschreibt Daniel Molter das Arbeitsgebiet der Gruppe. »Dafür nutzen wir Femtosekundenlaser, deren Pulse wir mit einem photoleitenden Schalter in Terahertz-Pulse umwandeln. Damit entsteht ein kurzer elektromagnetischer Impuls. Dieser wird dann auf ein Mehrschichtsystem geschickt, und bei jedem Schichtübergang – z. B. von der Luft zum überprüften Material und dann zu einem Metall – entsteht ein Zwischenreflex. Der zeitliche Unterschied zwischen den Reflexen lässt Rückschlüsse auf die Dicke der einzelnen Schichten zu, wenn man deren optische Eigenschaften kennt.«

Bei Mehrschichtlacksystemen funktioniert die bisherige Auswertungstechnik der Signale zuverlässig, weil ihre Struktur homogen ist und Grenzschichten gut definiert sind. Um die ungleichmäßig aufgebauten und mit Luftblasen durchsetzen Schichten von Slush-Häuten vermessen zu können, mussten die Forschenden die bestehende Methodik weiterentwickeln. Anstatt die einzelnen Schichtantworten mathematisch zu modellieren, arbeiteten sie mit einer Reihe von Filteralgorithmen und der Dekonvolution (Entfaltung) von Signalen: Unter Kenntnis einer Eingangsgröße (einem Referenzsignal bzw. der Systemcharakteristik) und des Ergebnisses (Messergebnis) konnten sie die zweite Eingangsgröße – nämlich das Schichtmodell der vorliegenden Slush-Haut – berechnen.

Mobiles, handgehaltenes Messsystem

Damit die Messung direkt vor Ort nach der Produktion der Slush-Häute durchgeführt werden kann, hat die Projektgruppe das neue Messsystem als mobilen Rollwagen mit handgeführtem, 3D-gedrucktem Messkopf konzipiert. Neben einer eigens entwickelten Software verfügt es unter anderem über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, einen Touchscreen mit ausziehbarerer Tastatur sowie einen drahtlosen Barcode/QR-Scanner zur Produkterfassung und ist einfach zu bedienen. Zur Qualitätskontrolle einer fertig produzierten Slush-Haut wird der Messkopf an vorab definierten Punkten aufgesetzt. Bei erfolgreicher Messung ertönt ein akustisches Signal, und die Schichtdicken lassen sich auf einen Blick im Display ablesen.

Mit der erfolgreichen Entwicklung des Messystems für diesen sehr speziellen Anwendungsfall hat die Gruppe um Daniel Molter Pionierarbeit geleistet: »Trotz unserer bisherigen Erfahrung in der Schichtdickenmessung ist das Projekt einzigartig, da wir viele kundenspezifische Anforderungen adressieren mussten.« Zukünftig seien auch weitere Einsatzmöglichkeiten von der Messung anderer Kunststoffschichten im Autocockpit bis hin zur Prüfung von Rohr-Wandstärken vorstellbar. »Im Prinzip eignet sich das System überall dort, wo Wandstärken von etwa 10 µm bis hin zu wenigen Millimetern gemessen werden sollen und ein handgehaltenes System von Vorteil ist«, so Molter. Schon jetzt steht fest: Mit dem von ihnen entwickelten Terahertz-Prüfsystem leisten die Forschenden einen Beitrag für mehr Sicherheit und Nachhaltigkeit in der Automobilproduktion.

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Neuartiges Radarverfahren analysiert Produktionsprozess von Rotorblättern automatisch

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2023

Defekte in Faserverbundmaterialien schon während des Produktionsprozesses entdecken – dies gelingt künftig mit Hilfe eines neuartigen Radarverfahrens, das die Kontrolle des Fertigungsprozesses von Faserverbundwerkstoffen wie Rotorblättern von Windkraftanlagen zerstörungsfrei und automatisch ermöglicht. Bislang erfolgte das Monitoring manuell per Sichtprüfung. Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR hat das innovative Verfahren zusammen mit den Konsortialpartnern Ruhr-Universität Bochum, Fachhochschule Aachen und der Aeroconcept GmbH im Projekt FiberRadar entwickelt.

Bei der Herstellung von glasfaserverstärkten Strukturbauteilen, wie sie etwa in Rotorblättern vorkommen, wird die Faserstruktur mit einer Harzmatrix fixiert. Unregelmäßigkeiten in der Ausrichtung und/oder im Verlauf der Faserverstärkung verändern die Struktureigenschaften und reduzieren somit die Qualität des entstandenen Verbundwerkstoffs. »Bei der Produktion von Rotorblättern werden Glasfaserlagen übereinander in einer Schale ausgelegt. Erfolgt dies nicht akkurat, kann es zu verschiedenen Defekten wie Wellenbildungen bzw. Ondulation kommen. Aber auch die Richtung der Faser kann sich verdrehen und somit die mechanischen Eigenschaften des Bauteils beeinflussen«, erläutert Projektleiter Dr. André Froehly vom Fraunhofer FHR in Wachtberg. Bislang war eine Untersuchung des Faserverlaufs und der Faserschichtung vor dem Einbringen der Harzmatrix nicht zuverlässig möglich, sodass Fehlstellen erst im Nachgang etwa durch Ultraschalluntersuchung gefunden werden konnten. Dies machte eine kontrollierte Prozesskette unmöglich und führte zu kostenintensiver Nacharbeit oder sogar zum Verschrotten von Bauteilen.

Großes Potenzial für die Produktion von Verbundwerkstoffen

Im Projekt FiberRadar haben die Forschenden nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich erstmalig auch die Ausrichtung der unteren Glasfaserschichten überprüfen lässt – zerstörungsfrei und automatisiert. Möglich macht es ein Millimeterwellen-Scansystem, bestehend aus einem Roboter, einem voll-polarimetrischen Radar und zugehöriger Bildgebungssoftware. Dieses nutzt auch die Polarisation (der Begriff kennzeichnet in der Antennentechnik die Richtung der elektrischen Feldkomponente einer elektromagnetischen Welle) der elektromagnetischen Wellen, das heißt, es kann mögliche Defekte auch durch Änderung der Polarisationsrichtung erkennen. Der Roboter scannt das Bauteil, das Radar übernimmt die Messungen, die anschließend von der Software zu einem 3D-Bild zusammengesetzt werden. Das Besondere: Während übliche Radare nur über einen Kanal verfügen und somit eine Polarisation zum Senden als auch zum Empfangen nutzen, schickt das neue Radar Signale in zwei Polarisationen aus – auch empfangen wird in zwei Polarisationen. Damit lassen sich nicht nur Faserstrukturen hochauflösend darstellen, sondern auch Defekte in tieferen Schichten einfach offenlegen. Zusätzlich verbessert die Brechungskompensation die Bildqualität: Sie rechnet Effekte heraus, die durch die Brechung vor allem in tieferen Schichten problematisch sein können. Indem die Forscherinnen und Forscher mit dem Radar die einzelnen Schichten abbilden, können sie auch Abweichungen in der Faserorientierung entdecken und das gesamte Volumen des Materials zerstörungsfrei überprüfen.

Im Projekt FiberRadar wurde die integrierte Radartechnologie der Ruhr-Universität, die Algorithmenexpertise des Fraunhofer FHR und die Robotikkompetenz der FH Aachen genutzt, um ein Messsystem zu realisieren, das die Fertigung von Faserverbundwerkstoffen und Kontrolle der gefertigten Bauteile in bis dato unerreichbarer Präzision ermöglicht. Durch die Erfahrung der Aeroconcept GmbH kann die Technologie damit direkt in den Fertigungs- und Monitoringprozess im Bereich der Windradblattherstellung integriert und eine Schlüsseltechnologie für qualitativ hochwertige Verbundwerkstoffe etabliert werden. »Wir freuen uns sehr über die vielversprechenden Ergebnisse zum Abschluss des Projekts FiberRadar. Wir planen, in Folgeprojekten das System in Richtung Produktreife weiterzuentwickeln, um es im Produktionsprozess einzusetzen. Hier möchten wir neben der Geschwindigkeit auch die Tiefenauflösung verbessern, um in kürzerer Zeit noch mehr mögliche Defekte zu erkennen«, so Froehly zu den nächsten Schritten. Das Projekt wurde aus den Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

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LiDAR- und Radarsensoren – platzsparend im Scheinwerfer verbaut

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 04.10.2022

Der Mensch hat Augen und Ohren, mit denen er brenzlige Situationen im Straßenverkehr erkennen kann. Bei autonom fahrenden Autos übernehmen eine Reihe von Sensoren diese Aufgabe. Doch die steigende Anzahl der Sensoren benötigt auch immer mehr Platz, dem in der Regel die Wünsche der Designer entgegenstehen. Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft haben nun einen Weg gefunden, einige der Sensoren unauffällig zu integrieren. Sie bauen diese in den Scheinwerfern ein – und kombinieren dabei optisches Licht, Radar und LiDAR.

Fahrzeuge können heute immer mehr Aufgaben selbst übernehmen: Der Tempomat hält automatisch den Abstand zum Vordermann, der Spurhalteassistent korrigiert die Spur, Notbremsungen werden eingeleitet, wenn der menschliche Fahrer unachtsam ist. Möglich machen das Kameras im Fahrgastraum und Radar-Sensoren im Kühlergrill. Künftig jedoch soll das Auto noch mehr Aufgaben übernehmen. Doch muss dafür die Sensordichte drastisch zunehmen. Die Idee, den Kühlergrill mit Sensoren vollzupflastern, ist bei Autodesignern nicht sehr beliebt.

Radar- und LiDAR-Sensoren im Scheinwerfer integriert

Fünf Fraunhofer-Institute, darunter das Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR, haben sich im Projekt »Smart Headlight« zusammengetan, um die Sensoren platzsparend und möglichst unauffällig einzubauen – ohne dass Funktion und Leistung beeinträchtigt werden. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines sensorintegrierten Scheinwerfers für Fahrerassistenzsysteme, bei dem unterschiedliche sensorische Elemente mit adaptiven Lichtsystemen kombiniert werden. Auf diese Weise sollen Objekte auf der Straße, insbesondere andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, von den Sensoren noch besser erkannt werden. So kommt der LiDAR-Sensor etwa bei elektronischen Bremsassistenten oder bei Abstandsregelungssystemen zum Einsatz.

»Wir integrieren Radar- und LiDAR-Sensoren in die Scheinwerfer, die ja sowieso vorhanden sind und die ein Optimum an Transmission für optische Sensoren und Lichtquellen sowie für Verschmutzungsfreiheit garantieren«, sagt Tim Freialdenhoven, Wissenschaftler am Fraunhofer FHR. LiDAR-Sensoren (Light Detection And Ranging) arbeiten mit einem Messprinzip, das auf der Bestimmung der Zeit zwischen dem Aussenden eines Laserpulses und dem Empfangen des reflektierten Lichts beruht, und kann auf diese Weise Entfernungen sehr genau messen.

Zunächst gilt es, das LiDAR-System für die Integration in automobile Systeme auszulegen. Hinzu kommt: Das Licht, das aus dem Scheinwerfer auf die Straße fällt, soll von den beiden zusätzlichen Sensoren nicht beeinflusst werden – allerdings liegen die lichtspendenden LEDs ganz hinten im Scheinwerfer. Die Forschenden platzieren deshalb die LiDAR-Sensoren oben und die Radar-Sensoren unten im Scheinwerfergehäuse. Dennoch sollen die Strahlen beider Sensorsysteme den identischen Weg nehmen wie das LED-Licht. Dies wird zusätzlich dadurch erschwert, dass alle Strahlen unterschiedliche Wellenlängen haben: Das sichtbare Scheinwerferlicht liegt im Bereich von 400 bis 750 Nanometern, die infraroten LiDAR-Strahlen mit 860 bis 1550 Nanometer recht nah am sichtbaren Bereich. Radarstrahlen haben dagegen eine Wellenlänge von vier Millimetern. »Diese drei Wellenlängen sollen koaxial – also gleichachsig – zusammengeführt werden, wir sprechen daher von einem Multispektral-Combiner«, betont Freialdenhoven. Die koaxiale Strahlenführung ist wichtig, um einen Parallaxenfehler zu vermeiden, der erst noch kompliziert herausgerechnet werden muss. Darüber hinaus würde die Anordnung der Sensoren nebeneinander deutlich mehr Raum in Anspruch nehmen als die die koaxiale Anordnung. Dieses Problem lösen die Forschenden über sogenannte Bi-Combiner: Dabei wird für die Kombination von LED-Licht und LiDAR-Licht ein speziell beschichteter di-chroidischer Spiegel eingesetzt, mit dem beide Strahlenbündel über eine wellenlängenspezifische Reflexion auf eine Achse gebracht werden. Gleiches erfolgt, wenn auch wegen der sehr unterschiedlichen Wellenlängen ungleich komplexer, am zweiten Combiner, bei dem LED-Licht, LiDAR-Licht und Radar miteinander vereint werden. Da Radarsensoren im Automobilbereich bereits weit verbreitet sind, soll der Bi-Combiner so ausgelegt werden, dass die Hersteller vorhandene Sensoren ohne Anpassung weiterverwenden können.

Radar-Systeme durchdringen Nebel

Doch warum überhaupt die Kombination von optischen Systemen, LiDAR und Radar? »Jedes einzelne System hat seine Stärken, aber auch seine Schwächen«, erklärt Freialdenhoven. So kommen optische Systeme bei Nebel und Staub an ihre Grenzen, sprich bei optisch schlechten Sichtbedingungen. Radar-Systeme dagegen schauen nahezu ungehindert durch dichte Nebelschwaden. Doch ist ihre Klassifikationsfähigkeit nicht sehr hoch: Radar kann zwar erkennen, ob es sich um einen Menschen oder um einen Baum handelt, doch es kommt nicht an die Klassifikationsfähigkeit vom LiDAR heran. »Wir arbeiten zudem daran, die Daten von Radar und LiDAR zu fusionieren – was insbesondere in puncto Zuverlässigkeit einen extremen Mehrwert bietet«, sagt Freialdenhoven. Ein Patent wurde bereits angemeldet, derzeit arbeitet das Team am Aufbau eines Prototyps.

Mit der Technologie werden die Möglichkeiten der Sensorintegration für Fahrerassistenzsysteme deutlich erweitert. Kleinere Lichtmodule, kompaktere LiDAR-Sensoren und integrierte Radarsensoren erlauben die Umsetzung von Multisensorkonzepten, insbesondere für das autonome Fahren bei steigenden Designanforderungen und begrenztem Bauraum. Auf diese Weise können autonome Systeme künftig nicht nur einen Menschen erkennen, sondern zudem seine Geschwindigkeit, seine Entfernung und den Winkel analysieren, in dem er zum Auto steht.

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Fraunhofer-Technologie verleiht Umweltsatelliten Sehkraft

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.08.2022

Kunststoffteile in Meeren, Chlorophyllgehalt von Gewässern, Dürregrad von Äckern – seit April 2022 umkreist der deutsche Umweltsatellit »EnMAP« unsere Erde und sammelt zahlreiche Daten während seiner fünfjährigen Mission. Das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM sowie das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF haben verschiedene Kernkomponenten für das optische System des hyperspektralen Satelliten entwickelt.

Am 1. April 2022 um 18:24 Uhr mitteleuropäischer Zeit war es soweit: Der deutsche Umweltsatellit »EnMAP« – kurz für »Environmental Mapping Analysis Program« – startete vom US-Raumflughafen Cape Canaveral seine Reise ins All. Von dort aus soll er fünf Jahre lang die Erde analysieren und u.a. Daten zu Klimawandelauswirkungen, der Verfügbarkeit und Qualität von Wasser oder Änderungen der Landnutzung liefern. Die ersten Daten, die der Satellit zur Erde sandte, stammten vom Bosporus: Analysiert wurde das Frequenzspektrum, das typisch für Algenanreicherungen im Wasser ist. Auf diese Weise wollen Forschende die Algenwanderung und den Algenbesatz untersuchen. Möglich werden solcherlei Analysen unter anderem durch Fraunhofer-Technologie in gleich zweifacher Ausführung.

Herzstück des Satelliten: Ein Doppelspalt aus dem Fraunhofer IMM

Für seine Analysen detektiert der Satellit das Licht der Sonne, das von der Erde reflektiert wird. Allerdings ist der Wellenlängenbereich von 420 bis 2420 Nanometer, also vom sichtbaren Licht bis ins tiefe Infrarot, zu groß, um ihn mit nur einem Spektrometer aufzunehmen. Hier hilft eine Technologie des Fraunhofer IMM. »Wir haben einen hochpräzisen Doppelspalt gefertigt, der das einfallende Licht in zwei Detektoren lenkt«, erläutert Stefan Schmitt, Gruppenleiter am Fraunhofer IMM in Mainz. Da die beiden Spalte naturgemäß räumlich ein wenig voneinander entfernt sind, blicken sie nicht auf die gleichen Stellen der Erde. »Es dauert also den Bruchteil einer Sekunde, bis der zweite Spalt dieselbe Stelle der Erde betrachtet wie der erste«, sagt Schmitt. Dieser Versatz muss genauestens bekannt sein, um die Aufnahmen überlagern zu können und die gewünschte Auflösung von 30 Metern zu erreichen.

Der Clou liegt zum einen in der äußerst präzisen Fertigung des Doppelspalts, was nur mit Siliziumtechnologie möglich ist. »Zwar sind die Techniken, über die wir am Institut verfügen, recht gut geeignet, um diese Anforderungen zu erfüllen, dennoch gab es zahlreiche herausfordernde Details«, erinnert sich Schmitt. Beispielsweise erwiesen sich die anfangs rechteckigen Spalte mechanisch als nicht stabil genug. Die Forscherinnen und Forscher fertigten daher Spalte mit einem gestuften Querschnitt. »Trotz umfangreicher Simulationen und Analysen unserer Partner mussten wir das Design und weitere Anforderungen während der laufenden Prozessphase ändern. Solche Dinge passieren gelegentlich, wenn man Neuland betritt, aber wir sind darauf vorbereitet«, sagt Schmitt. Auch weitere Komponenten der Baugruppe – etwa zur Lichtumlenkung oder zur Unterdrückung von Streulicht – mussten die Forschenden mit höchster Präzision aus weltraumgerechten Materialien wie Aluminium, Edelstahl, Nickel und Invar fertigen, deren Eigenschaften präzise vermessen und dokumentiert wurden. Trickreich war zudem der Zusammenbau der Baugruppe mit dem Doppelspalt. »Die Toleranzen waren kleiner als fünf Mikrometer, also kleiner als ein Zehntel eines Haars«, erläutert Schmitt. All dies ist hervorragend gelungen.

Leicht und präzise: Metallspiegel aus dem Fraunhofer IOF

Auch das Fraunhofer IOF brachte seine Expertise in den Satelliten ein: Als einer der besten Metalloptik-Entwickler der Welt wurden alle Metallspiegel der EnMAP-Optik am IOF hergestellt. »Für Weltraumanwendungen müssen die Spiegel nicht nur eine extrem glatte Oberfläche aufweisen und äußerst präzise geformt sein, sondern auch ein möglichst geringes Gewicht aufweisen«, sagt Dr. Stefan Risse, Projektleiter am Fraunhofer IOF in Jena. »Dabei konnten wir die Anforderungen sogar übertreffen: Statt der geforderten Rauheit von 1 Nanometer RMS (Root Mean Square) weisen unsere Metallspiegel, im Weißlicht (Vergrößerung 50x) gemessen, eine Rauigkeit von weniger als 0,5 Nanometer RMS auf. Auch die zulässige Formabweichung konnten wir nicht nur auf 18 Nanometer RMS, sondern zum Teil sogar auf unter 10 Nanometer RMS genau einhalten.« Dazu nutzten die Forscherinnen und Forscher Aluminium, auf das sie eine röntgenamorphe Metalllegierung aus Nickel und Phosphor abschieden. Diese Dickschicht hat strukturell ähnliche Eigenschaften wie Glas und lässt sich mit Diamantwerkzeugen sehr gut bearbeiten und brillant polieren. Was die finale Form der Metallspiegel angeht, so stellte das Forscherteam diese durch Korrekturverfahren wie das Ionenstrahlpolieren (IBF, eng. Ion Beam Figuring) ein.

Ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal der Spiegel neben der geringen Oberflächenrauigkeit ist ihr Leichtgewicht. Auch hier punktete das Verfahren des Fraunhofer IOF. »Wir konnten die Masse über ein von uns patentiertes Verfahren um mehr als 40 Prozent reduzieren – mittlerweile sind durch den Einsatz von additiven Verfahren bereits bis zu 70 Prozent Einsparung möglich«, sagt Risse. Das gelang dem Team, indem es die Struktur des Spiegels wie ein Kapitell in einer Kirche anlegte: Kreuzungsbohrungen, die orthogonal aufeinandertreffen, verbinden die Vorder- und Rückseite des Spiegels, die entstehende Säulenstruktur stützt die Flächen. Vorder- und Rückseite des Spiegels sind geschlossen, was dem Element eine große mechanische Steifigkeit verleiht. Insgesamt stellte das Team elf ultrapräzise Metallspiegel inklusive hochreflektiver Silber- und Goldschichten für »EnMAP« her und vergütete zudem die Glasoptiken, wobei auf das Glas eine dünne Schicht mit geringerer Brechkraft aufgebracht wurde.

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