Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 01.04.2010
Physiker der Universität Heidelberg nutzen quantenmechanische Konzepte
Bereits im Alltag lässt sich an der Zeigerstellung einer Uhr ablesen: Die Genauigkeit der Anzeige ist aus technischen Gründen limitiert. Für Physiker markiert das sogenannte Schrotrauschen eine Grenze. Es tritt zum Beispiel auf, wenn elektrischer Strom eine potentielle Barriere überwinden muss. Alle derzeitigen Präzisionsmessungen arbeiten nahe an diesem Limit. Physiker der Universität Heidelberg konnten demonstrieren, dass unter Verwendung von quantenmechanischen Konzepten diese Grenze sogar noch überschritten werden kann. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Online-Ausgabe von Nature vorgestellt.
„Um nach dem derzeitigen Kenntnisstand der grundlegenden Theorie der Quantenmechanik nahe an dieser klassischen Messgrenze arbeiten zu können, mussten wir atomare Gase auf extrem tiefe Temperaturen 0.000 000 01°K über den absoluten Nullpunkt abkühlen“, erläutert Prof. Dr. Markus Oberthaler, Leiter der Arbeitsgruppe „Synthetic Quantum Systems“ am Heidelberger Kirchhoff-Institut für Physik und Ko-Autor der Nature-Studie. Die Stabilität des Laboraufbaus wurde so weit getrieben, dass die Ablesegenauigkeit nurmehr durch die klassische Schrotrauschgrenze gegeben war. Um dieses Limit zu unterbieten, wurden sodann quantenmechanische Ressourcen durch die gezielte Manipulation der mikroskopischen Wechselwirkung zwischen den Atomen erzeugt. Die neu entwickelte Methode, betont der Heidelberger Physiker, „ist so hervorragend, dass damit das weltweit größte quantenmechanisch verschränkte System von 170 Teilchen realisiert werden konnte – zehnmal mehr Teilchen als jemals zuvor. Darüber hinaus wurden damit Messungen durchgeführt, die explizit und mit bloßem Auge erkennbar die klassische Messgrenze überschritten.“
Ob diese Errungenschaft der fundamentalen Physik auch im Alltag eine Anwendung erfahren wird, ist nicht unwahrscheinlich: „Schon derzeit sind wir von Präzisionsphysik umgeben. Fast in jedem Auto sieht man Navigationsgeräte, die auf dem Prinzip der präzisen Zeitmessung basieren. Diese wiederum arbeitet derzeit schon nahe an der klassischen Messgrenze. Will man den Zeitstandard verbessern, scheint mit den aktuellen Ergebnissen ein neuer Weg möglich“, so Prof. Oberthaler.
Originalveröffentlichung:
C. Gross, T. Zibold, E. Nicklas, J. Estève & M. K. Oberthaler:
Nonlinear atom interferometer surpasses classical precision limit, Nature online (31. März 2010)
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