Roboter erhalten künstliche Haut

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Juli 2010

Roboter werden salonfähig: In Fabriken lange Zeit hinter Stahlzäune verbannt, erobern sie neue Einsatzfelder – etwa in der Produktion, im Haushalt oder im Pflegebereich. Für die notwendige Sicherheit sorgt ein taktiles Sensorsystem, das sich in den Fußboden integrieren oder als künstliche Haut direkt auf Robotern anbringen lässt.

Behutsam transportiert ein mobiler Roboter Proben durch ein Biolabor. Um ihn herum herrscht der übliche Laborbetrieb: Mitarbeiter diskutieren miteinander und führen ihre Versuche durch. Einer der Angestellten rempelt den Roboter versehentlich an, dieser stoppt seine Bewegung sofort. Möglich wird dies durch eine künstliche Haut auf der Oberfläche des Roboters. Diese aus leitfähigem Schaumstoff, Textilien und einer intelligenten Auswerteelektronik bestehende Sensorik erfasst, wo sie berührt wurde und unterscheidet zwischen sanften oder kräftigen Kontakten. Personen registriert sie sofort. In die Haut implementierte Sensorzellen, deren Form und Größe je nach Einsatzfall variieren kann, detektieren jede Berührung. Dabei gilt: Je höher die Anzahl der Sensorzellen, desto genauer kann der Kollisionspunkt bestimmt werden. Ein Sensorcontroller verarbeitet die Messwerte und leitet sie an den Roboter, wahlweise auch an einen Rechner, eine Maschine oder eine Produktionsanlage weiter.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg haben das Sensorverfahren 2008 für den Assistenzroboter LISA entworfen und zum Patent angemeldet. Aufgabe von LISA war es, in Biotechnik-Laboren Brutschränke und Messgeräte mit Probenschälchen zu bestücken und das Laborpersonal von solchen Tätigkeiten zu entlasten. Seitdem haben die Ingenieure das Sensorsystem für verschiedenste Einsatzfelder weiterentwickelt, etwa um Industrieroboter oder Fußbodenbeläge damit auszustatten. Berührungen mit Menschen oder Gegenständen sollen künftig zuverlässig erfasst werden. Eine Grundvoraussetzung, um Roboter auch im Umfeld des Menschen ohne Schutzzäune einsetzen zu können. »Unsere künstliche Haut lässt sich jetzt an beliebige, komplexe Geometrien anpassen – gekrümmte oder sehr große Flächen eingeschlossen. »Mit großflächigen Fußbodensensoren definieren wir Sicherheitszonen, die der Mensch nicht betreten darf«, sagt Markus Fritzsche, Wissenschaftler am IFF. »Diese Bereiche lassen sich dynamisch ändern«. Die taktile Haut funktioniere nun auch als Eingabemedium, etwa um Roboter zu führen. Dabei werde die Berührung in Bewegung umgesetzt. »Große Kraftaufwendung ist dafür nicht erforderlich. Berühre ich den Roboter, so versucht er, dem Druck auszuweichen. Selbst einen 200 Kilo schweren Roboter kann ich auf diese Weise in die gewünschte Richtung schieben«, beschreibt Fritzsche die Vorteile des Systems. Eine weitere Besonderheit der künstlichen Haut: Integrierte Dämpfungselemente schwächen etwaige Kollisionen zusätzlich ab, indem sie Stöße abfedern.

Mittlerweile liegt das taktile Sensorsystem in verschiedenen Varianten vor, das Hüllmaterial rangiert von atmungsaktiv bis wasserdicht. »Dadurch eröffnen sich ganz neue Einsatzfelder, etwa in der Medizintechnik oder der Produktion«, sagt Fritzsche. »Der drucksensitive Fußboden ist ideal zur Arbeitsraumüberwachung in der Produktion oder auch, um stürzende Patienten – etwa im Pflegeheim – unmittelbar zu registrieren. Mit der künstlichen Haut ausgestattete Roboter und bewegte Maschinen erkennen jeden Zusammenstoß und bremsen sofort. Zudem können wir Robotergreifern einen Tastsinn geben und so feststellen, ob sie tatsächlich etwas gegriffen haben«.

Viele Varianten der künstlichen Haut liegen derzeit als Prototyp vor. »In naher Zukunft wird uns die künstliche Haut auf verschiedenste Art im Alltag begegnen«, ist Fritzsche überzeugt.

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