Quanten-Tornado im Elektronenstrahl

Presseaussendung der TU Wien vom 16.09.2010

Prof. Schattschneider von der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt mit Kollegen aus Belgien eine Methode, rotierende Elektronenstrahlen zu erzeugen und veröffentlicht die neue Technik im Fachjournal „Nature“.

Wien (TU) – Mit rotierenden Quantenteilchen Materie manipulieren: Einem Team von der Universität Antwerpen und der TU Wien (Prof. Peter Schattschneider, Institut für Festkörperphysik) gelang es, sogenannte Vortex-Strahlen zu erzeugen: Rotierende Elektronenstrahlen, die es erlauben, magnetische Eigenschaften der Materie zu untersuchen. In Zukunft können sie es sogar ermöglichen, winzigste Bauteile gezielt zu manipulieren und in Rotation zu versetzen. Über diesen Durchbruch in der Elektronenphysik und seine Anwendung berichten die Physiker in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature“.

Rotierender Strom: der Quanten-Tornado

Elektronenstrahlen werden schon lange zur Analyse von Materialien verwendet – etwa in Elektronenmikroskopen. Ihre Drehung spielt dabei meist keine Rolle. Klassisch betrachtet trägt ein Elektronenstrom im Vakuum keinen Bahndrehimpuls. Quantenmechanisch allerdings muss man sich die Elektronen wie einen wellenartigen Strom vorstellen – und der kann sich insgesamt umseine Ausbreitungsrichtung herum drehen, ähnlich wie der Luftstrom in einem Tornado.
Vortex-Lichtstrahlen werden in der Optik seit einiger Zeit verwendet (etwa als optische Pinzetten, um kleine Teilchen zu manipulieren). Vortex-Strahlen aus Elektronen bieten ebenfalls viele neue Möglichkeiten, Nanoteilchen zu steuern oder drehimpulsbezogenen Größen zu messen. Allerdings hatte man bisher keine wirklich effizienten Methoden, sie herzustellen. „Als ich dann an einer Idee arbeitete, wie man diese Strahlen technisch erzeugen könnte, stellte sich heraus, dass Kollegen aus Antwerpen die gleiche Idee gehabt hatten“, erzählt Prof. Schattschneider. „So beschlossen wir also, das Projekt gemeinsam weiterzuverfolgen: Antwerpen war in der Herstellung weiter, und aus Wien kam dann ein Vorschlag zur ersten Anwendung.“

Der Trick mit der Maske

Möglich wurde die Erzeugung der Vortex-Elektronenstrahlen mit Hilfe einer gitterartigen Maske, die aus einer Platinfolie herausgeschnitten wird. Ähnlich wie Lichtstrahlen gebeugt werden, wenn man sie durch ein feines Gitter sendet, verhält sich auch der Elektronenstrahl, wenn er die Platinmaske passiert. Die Form dieser Maske, die nur einige Millionstel Meter misst, wurde speziell so berechnet, dass eine einfallende ebene Elektronenwelle in Vortex-Strahlen umgewandelt wird. So bildet sich hinter dem Gitter ein rechtsdrehender und ein linksdrehender Vortex-Strahl, und in der Mitte ein gewöhnlicher Elektronenstrahl ohne Rotation. Bestrahlt man mit den Elektronen ein Material, das seinerseits Einfluss auf den Drehimpuls der Elektronen ausübt, und schickt man die Elektronen anschließend durch die maßgeschneiderte Platinmaske, so ist danach entweder der rechtsdrehende oder der linksdrehende Vortex-Strahl intensiver. „Das gibt uns die Möglichkeit, drehimpulsbehaftete Prozesse in Nanomaterialien viel genauer zu untersuchen als das bisher machbar war“, erklärt Prof. Schattschneider.

Besser als Science Fiction

Dem Physiker, der gelegentlich auch wissenschaftliche Science-Fiction schreibt, fällt es nicht schwer, sich noch exotischere Anwendungen der Vortex-Strahlen auszudenken: „Man könnte mit diesen Elektronenstrahlen gezielt winzige Räder eines mikroskopisch kleinen Motors in Drehung versetzen. Auch das Magnetfeld der kreisenden Elektronen könnte auf winzigsten Längenskalen eingesetzt werden“, spekuliert Schattschneider. Selbst Anwendungen in der Datenübertragung (Quantenkryptographie) und bei Quantencomputern sind denkbar. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
J. Verbeeck, H. Tian, P. Schattschneider: Production and application of electron vortex beams, Nature, 2010.

Externer Link: www.tuwien.ac.at