Ein molekularer Wegweiser

Presseinformation der LMU München vom 18.05.2011

Proteinkomplex übernimmt Doppelrolle bei Gen-Expression

Die Umsetzung der in der Erbsubstanz DNA festgelegten genetischen Information ist ein hoch komplexer Prozess, der in eukaryotischen Zellen zeitlich und räumlich getrennt abläuft: Im Zellkern wird die DNA abgelesen und in das Botenmolekül mRNA übersetzt – dieser Vorgang wird als Transkription bezeichnet. Anschließend verlässt die mRNA den Zellkern in Richtung Cytoplasma, wo die entsprechenden Proteine produziert werden. Eine entscheidende Rolle bei diesen Vorgängen spielt der TREX-Komplex, der die Transkription mit dem mRNA-Export ins Cytoplasma koppelt. Bisher war allerdings völlig unklar, wie TREX an die DNA-Sequenzen dirigiert wird, die gerade abgelesen werden. Ein Team um die LMU-Biologin Dr. Katja Sträßer vom Genzentrum der LMU konnte nun den ersten Faktor identifizieren, der hierfür notwendig ist: Der Proteinkomplex Prp19, der bisher nur für seine essenzielle Rolle beim „Zurechtschneiden“ der mRNA bekannt war, hat offensichtlich eine Doppelfunktion und ist auch für die Rekrutierung von TREX zuständig. (Genes & Development, Mai 2011)

Die fadenförmige DNA im Zellkern enthält die Bauanleitung für die Funktionsträger der Zelle: die Proteine. Diese genetische Information wird in der sogenannten Transkription in das Botenmolekül mRNA übersetzt. Die mRNA überbringt die Information aus dem Zellkern ins Zytoplasma, wo das entsprechende Protein produziert wird. Die einzelnen Schritte dieser sogenannten Genexpression sind jeder für sich bereits gut untersucht. „Aber die verschiedenen Schritte dieses Prozesses laufen nicht separat ab, sondern sie sind miteinander verbunden“, erklärt Sträßer. Eine wichtige Rolle spielt dabei der sogenannte TREX-Komplex, der die Transkription mit dem Export der synthetisierten mRNA koppelt und so die Genexpression effizienter macht. Dies gelingt TREX, indem der Komplex sowohl mit der Transkriptionsmaschinerie interagiert, als auch bestimmte Exportmoleküle rekrutiert, die die mRNA ins Cytoplasma schleusen. Die Funktionsweise von TREX ist ein Schwerpunkt von Sträßers Forschung, die bereits an der Entdeckung dieses Komplexes beteiligt war. TREX kommt vom Einzeller bis zum Menschen in allen Organismen vor – dieser hohe Konservierungsgrad unterstreicht die Wichtigkeit des Komplexes, der sich im Lauf der Evolution kaum verändert hat. „Bisher war aber völlig unbekannt, wie der TREX-Komplex an das abzulesende Gen rekrutiert wird“, erklärt Sträßer. Nun konnte die Biologin mit ihrem Team den ersten Faktor identifizieren, der diese Aufgabe erfüllt: Zur Überraschung der Wissenschaftler übernimmt der Proteinkomplex Prp19, der bisher lediglich für seine Rolle beim Spleißen der neu produzierten RNA bekannt war, auch diese zweite Funktion. Beim Spleißen werden die Abschnitte der neu entstandenen RNA entfernt, die für die Produktion des jeweiligen Proteins nicht benötigt werden. In seiner neu entdeckten Funktion als molekularer Wegweiser für TREX interagiert Prp19 sowohl mit TREX als auch mit dem Enzym RNA-Polymerase II, das die Synthese der RNA katalysiert. Prp19 ist dabei essenziell notwendig, damit TREX sich an die abgelesenen Gene anheften und die volle Transkriptionsaktivität erreicht werden kann. Nun will die Wissenschaftlerin weiter untersuchen, welche Mechanismen bei der Interaktion von TREX und Prp19 genau ablaufen, „denn nach wie vor gibt es dabei viele offene Fragen“, sagt Sträßer. (göd)

Publikation:
„The Prp19 complex is a novel transcription elongation factor required for TREX occupancy at transcribed genes“;
S. Chanarat, M. Seizl, K. Sträßer;
Genes & Development
16. Mai 2011
doi: 10.1101/gad.623411

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