Neues Kapitel in der Optik

Presseinformation der LMU München vom 11.05.2012

Gammastrahlen lassen tief blicken

Und sie beugen sich doch: Entgegen einer jahrzehntealten Grundannahme der Physik können Gammastrahlen mit Linsen auf ein Ziel fokussiert werden. Die Entdeckung könnte zahlreiche Anwendungen ermöglichen – vom  Monitoring von Atommüll bis zur Krebstherapie.

Gammastrahlen sind extrem energiereiche elektromagnetische Wellen weit oberhalb des sichtbaren Spektrums von Licht. Physiker gingen bisher davon aus, dass diese Strahlung nicht mit Linsen  abgelenkt und daher nicht für optische Zwecke genutzt werden kann. Im Vergleich dazu wurde für Röntgenstrahlung Mitte der 1990er Jahre gezeigt, dass eine „Röntgenoptik“ möglich ist.

Wissenschaftler um den Physiker Professor Dieter Habs von der LMU und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching konnten bei Experimenten am Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble nun aber überraschend zeigen, dass  sich Gammastrahlen durch Silizium-Linsen wie herkömmliches Licht fokussieren lassen. Möglich wird dies durch das extrem starke elektrische Feld der Silizium-Atome, das mit den Gammastrahlen wechselwirken kann.

Mehr Ablenkung durch goldene Linsen

„Unsere Entdeckung eröffnet der Optik ganz neue Dimensionen“, sagt Habs. „Wir haben quasi eine Brille gefunden, mit der Gammastrahlung für vielfältige Anwendungen einsetzbar wird“. Gamma-Detektoren für besonders präzise Materialuntersuchungen sind hier nur ein Beispiel: „Gammastrahlen haben zehn bis tausend Mal mehr Energie als Röntgenstrahlen und durchdringen auch dicke Materialien. Sogar aus größeren Entfernungen könnte jedes Atom einzeln angesprochen werden – wichtig etwa für den Nachweis von radioaktivem Material“, betont der Kernphysiker.

Auch in der Medizin sieht Habs ein künftiges Anwendungsgebiet: So könnte etwa  in der Krebstherapie der Verbleib von Chemotherapeutika im Körper genau beobachtet und die Dosierung besser angepasst werden. Bisher ist die Ablenkung der Gammastrahlen durch die Linsen noch relativ gering. Deshalb will Habs mit seinem Team in Zukunft Goldlinsen einsetzen. Die Wissenschaftler erwarten hier eine stärkere Beugung der Strahlen, weil  Goldatome ein stärkeres elektrisches Feld als Silizium erzeugen. Erste Versuche wird Habs‘ Team im Sommer durchführen. (göd)

Veröffentlichung:
Physical Review Letters, 1.5.2012

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