Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 25.05.2012
Forscher überwinden Barrieren für die Kreuzung von Pflanzenarten
Seit Jahrzehnten ist es ein Traum von Biologen und Pflanzenzüchtern auf der ganzen Welt: Der Genpool an Nutzpflanzen ließe sich wesentlich erweitern und verbessern, wenn die bestehenden Barrieren für die Kreuzung von Pflanzenarten überwunden werden könnten. Davon würde vor allem die Agrarwirtschaft profitieren. Allerdings konnten die molekularen Grundlagen vieler Kreuzungsbarrieren und die Vorgänge bei der doppelten Befruchtung von Blütenpflanzen lange Zeit nicht untersucht werden. Viele Kreuzungsversuche schlugen fehl, weil es nicht gelang, das Wachstum des männlichen Pollenschlauchs (der die Spermazellen transportiert) zum weiblichen Eiapparat anzuregen. Ein Forschungsteam der Universität Regensburg unter der Leitung von Dr. Mihaela-Luiza Márton und Prof. Dr. Thomas Dresselhaus vom Biochemie-Zentrum Regensburg (BZR) schaffte jetzt einen bedeutenden Durchbruch. Die Forscher programmierten den Eiapparat der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) um und versetzten deren Samenanlagen in die Lage, Pollenschläuche der Nutzpflanzen Mais anzulocken. Darauf aufbauend sind künftig Kreuzungen von Pflanzenarten möglich, die bislang nicht miteinander kombinierbar waren.
Damit eine Blütenpflanze befruchtet wird, muss zunächst der Pollen auf die Narbe gelangen, die mit Griffel und Fruchtknoten den weiblichen Blütenanteil – den sogenannten Stempel – bildet. Von der Narbe ist es aber noch ein verhältnismäßig langer Weg bis zu den Eiapparaten der Pflanze, die oft tief eingebettet und geschützt in den Samenanlagen der Blüte liegen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Spermazellen von Blütenzellen – im Gegensatz zu Spermazellen von Tieren – unbeweglich sind. Sie benötigen den Transport über einen Pollenschlauch zum Eiapparat. Der Pollenschlauch mit zwei Spermazellen an der Spitze wächst durch die verschiedenen Gewebe der weiblichen Blüte. Ziel ist das Zentrum des weiblichen Fruchtknotens mit den Samenanlagen. Hier verschmelzen anschließend jeweils zwei weibliche und zwei männliche Keimzellen, wodurch eine doppelte Befruchtung ermöglicht wird. Dabei entstehen ein Embryo und ein Nährgewebe (das Endosperm), das die pflanzlichen Nährstoffe enthält und später bei den wichtigsten Nutzpflanzen – den Gräsern – einen Großteil des Samens ausmacht.
Die doppelte Befruchtung ist das Markenzeichen aller Blütenpflanzen und damit der meisten Nutzpflanzen. Hier spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine wichtige Rolle. So sind beispielsweise für die Keimung und das Wachstum der Pollenschläuche zahlreiche Akteure auf molekularer Ebene verantwortlich, wie genetische Untersuchungen in den letzten Jahren gezeigt haben. Márton und Dresselhaus konnten bereits in einer früheren Arbeit nachweisen, dass das kleine Protein ZmEA1 für den letzten Schritt der Pollenschlauch-Wanderung durch die weiblichen Blütenteile erforderlich ist.
Im Rahmen ihrer neuen Untersuchungen wollten die beiden Biologen prüfen, ob die Eigenschaften des Proteins auch auf andere Pflanzenarten übertragbar sind. Die Regensburger Biologen griffen dafür auf die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) zurück, die unter anderem aufgrund ihrer Größe und relativ kurzen Generationszeit zu den beliebtesten Modellpflanzen gehört. Ihr Lebenszyklus von der Keimung bis zum fertigen Samen liegt bei nur sechs bis acht Wochen, so dass Wissenschaftler in einer überschaubaren Zeit das Ergebnis von Kreuzungsexperimenten untersuchen können. Die Forscher brachten das Protein ZmEA1 in den Eiapparat der Acker-Schmalwand ein und konnten auf diese Weise in vitro das Wachstum und die Wachstumsrichtung von Mais-Pollenschläuchen kontrollieren.
Die Versuche des Forscherteams zeigen erstmals, dass es grundsätzlich möglich ist, sogar Kreuzungsbarrieren unterschiedlichster Pflanzenarten zu überwinden. Zunächst ist angedacht, das Protein auch in die Eiapparate anderer Nutzpflanzen einzubringen, um auf diese Weise neuartige Kreuzungen zu ermöglichen und so den Genpool von Nutzpflanzen zu erweitern. Es gilt darüber hinaus, weitere molekulare Schalter zu identifizieren, um alle Kreuzungsbarrieren auf dem Weg des Pollenschlauches zum Eiapparat zu überwinden.
Die Untersuchungen der Regensburger Biologen sind gestern in der Online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht worden (DOI: 10.1016/j.cub.2012.04.061). (Alexander Schlaak)
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