Gummidichtungen halten oft besser dicht als bisher vermutet

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 22.06.2012

Was in einer Dichtung passiert, wenn sie zu tropfen beginnt, haben Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich und der Universität des Saarlandes genauer untersucht. Ihre Simulationen auf Jülicher Superrechnern haben Überraschendes gezeigt. Die untersuchten Gummiringe und anderen Dichtungen schließen nämlich oft dichter ab, als man bisher durch theoretische Berechnungen vorhergesagt hat. Sobald ihre Oberfläche zu mehr als 42 Prozent an dem Anschlussstück anliegt, tritt keine Flüssigkeit mehr aus. Bislang war man von höheren Werten ausgegangen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Dichtungen erfüllen eine wichtige Funktion in allen möglichen Geräten, vom Raumschiff bis zum Wasserhahn. Die geläufigste Form besteht aus einem Gummiring und zwei festen Anschlussteilen. „Wie gut Flüssigkeiten zurückgehalten werden, hängt in erster Linie davon ab, wie eng die Dichtung anliegt. Da alle Oberflächen auf mikroskopischer Ebene uneben und rau sind, liegen Dichtungsring und Anschlussstück nie völlig lückenlos aufeinander“, erklärt Martin Müser, Professor für Materialsimulation der Universität des Saarlandes und Leiter einer Forschergruppe am Forschungszentrums Jülich. In die kleinen Poren und Kanäle an der Kontaktstelle dringe Flüssigkeit ein, die über kleine Wege auch nach außen gelangen könne. Diese Tropfen könne man nur verhindern, indem man die Dichtung fester anziehe. „Das elastische Gummi wird dann in die mikroskopischen Unebenheiten gepresst. Dadurch vergrößert man die Kontaktfläche und verschließt damit weitere Lücken, so dass weniger Flüssigkeit entweichen kann“, erläutert Müser, der gemeinsam mit Bo N. J. Persson am Forschungszentrum Jülich die Vorgänge in den Dichtungen simuliert hat.

Die Wissenschaftler wollten besser verstehen, was genau passiert, wenn eine Dichtung leckt. Theoretische Modelle konnten die Zusammenhänge bisher nur unzureichend beschreiben. Ältere Modelle vernachlässigten die Elastizität des Dichtungsmaterials, anders als die aktuelle Theorie von Bo N. J. Persson, dem Mitautor der neuen Studie. Seine Theorie enthielt allerdings einige nicht bestätigte Annahmen. „Die Vorhersagen waren besser, als sie sein sollten. Mit den Simulationen wollten wir die Vorgänge auf mikroskopischer Ebene besser verstehen, als es experimentell möglich ist“, begründet Martin Müser.

Das Ergebnis war für auch für die Wissenschaftler überraschend. „Nur 42 Prozent der Oberflächen von Dichtung und Anschlussstück müssen sich direkt berühren, um die Verbindung undurchlässig abzuschließen. Bisherige Theorien waren aus Symmetriegründen von 50 Prozent ausgegangen.“, sagt der Materialforscher.

In ihren Computersimulationen konnten die Wissenschaftler die Kontaktfläche präziser ermitteln, weil sie auch die Elastizität des Dichtungsmaterials einbezogen. Dabei zeigte sich, dass mikroskopisch kleine Erhöhungen der Oberfläche, die in das weiche Gummi gepresst werden, die Dichtung nicht vollständig berühren. Dadurch entstehen weitere kleine Lücken. „Das Ergebnis könnte dazu beitragen, die Durchlässigkeit von alternden Dichtungen besser einzuschätzen“, hofft Martin Müser. Die Jülicher Forschungsgruppe arbeitet bereits mit einem Unternehmen aus der Medizintechnik zusammen, um die Leckrate von Gummistopfen für Spritzen zu berechnen.

Originalveröffentlichung:
Wolf B. Dapp, Andreas Lücke, Bo N. J. Persson, Martin H. Müser
Self-affine elastic contacts: percolation and leakage, Phys. Rev. Lett. 108, 244301 (2012), DOI: 10.1103/Physics.5.66

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