„BibSonomy“ zeigt, wie Datenschutz im Web 2.0 geht

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 26.11.2012

Die Plattform BibSonomy ist nicht nur als Verwaltungs-System für Bookmarks und Publikationen ein Erfolg: Wissenschaftler an der Uni Kassel zeigen damit auch: Datenschutz und Web 2.0 sind vereinbar.

Immer stärker werden Gefahren des Mitmach-Internets deutlich. In sozialen Netzwerken geben viele Menschen einem unüberschaubaren Personenkreis persönliche Daten preis, ohne die Folgen zu überblicken. Für das einzigartige Kasseler Publikationssystem BibSonomy haben Forscher nun Regeln zur Datensicherheit und technische Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung entwickelt, die eine Blaupause für die Betreiber von sozialen Plattformen bilden können; dem Gesetzgeber liefert das System wichtige Anregungen zur Regulierung des Datenstroms im Netz.

Dass BibSonomy nunmehr eine Vorbildfunktion für Facebook und Co. in Sachen Datenschutz haben könnte, ist Ergebnis des Projekts „Informationelle Selbstbestimmung im Web 2.0“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 650.000 Euro gefördert wurde und nun zu Ende gegangen ist. Die Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (provet) des Fachgebiets Öffentliches Recht unter Leitung von Prof. Dr. Alexander Roßnagel und das Fachgebiet Wissensvermittlung unter Führung von Prof. Dr. Gerd Stumme arbeiteten dafür eng zusammen. Datenschutzrechtliche Gestaltungsansätze wurden in das bestehende System BibSonomy implementiert, das als soziale Plattform für die Verwaltung von Bookmarks und zur gemeinsamen Nutzung wissenschaftlicher Publikationen 2006 online gegangen ist. Die Plattform ermöglicht Studenten und Forschern den Austausch von Nachweisen, Auszügen und Kommentaren zu wissenschaftlichen Texten und hat inzwischen weit über eine Million registrierte Nutzer weltweit und etwa 190.000 Zugriffe monatlich.

„Viele Leute geben ihre Daten heute in großer Freizügigkeit preis“, sagt der Informatikspezialist Professor Stumme. Für den Betreiber eines sozialen Netzwerks stelle sich die Frage: Wie gehe ich mit Daten um, die ich nicht selbst erstellt habe? Nach den Worten Stummes gehört schon die so genannte IP-Adresse des Nutzers, die dessen Computer identifiziert, zu den sensiblen Informationen. Das DFG-Projekt liefert auf diese Frage Antworten.

„Es gilt der Grundsatz der Datensparsamkeit. Es werden nur so viele Daten wie unbedingt nötig für die Nutzer bereitgestellt. Wenn sie nicht mehr benötigt werden, müssen sie aus dem System gelöscht werden“, erläutert Stumme. Auch für die Forderung von Nutzern nach Korrekturen angeblich sachlich falscher Einträge habe man Regeln entwickelt. Man verlange dann belastbare Nachweise. In strittigen Fällen schlüpfe der Betreiber der Plattform in eine Moderatorenrolle.

Der Aufbau des Publikationsnetzwerks habe auch gelehrt, dass der Betreiber einer Internetplattform die rechtlichen Probleme des Datenschutzes klären sollte, bevor er an deren technische Architektur herangeht. „Man kann schon im Design Rechtsprobleme vermeiden“, empfiehlt der Wissenschaftler. Das helfe, kostspielige Korrekturen und Beschwerden von Benutzern zu vermeiden.

Betreiber von Internetplattformen müssen nicht nur mit Daten umgehen, die die Privatsphäre ihrer Nutzer verletzen können, sondern auch mit Daten, die als so genannter „Spam“ einfach nur unerwünscht sind. Der große Erfolg von BibSonomy habe jede Menge „Trittbrettfahrer“ auf die WebSite gelockt, berichtet Professor Stumme. Diese so genannten Spammer nutzten den hohen Rang, den BibSonomy auf den gängigen Suchmaschinen im Netz einnehme, um mit ihren Angeboten selbst auf einen vorderen Platz auf den Trefferlisten zu gelangen. Die ersten 50.000 Spammer hätten seine Mitarbeiter noch von Hand herausgefiltert. Dann habe man Algorithmen entwickelt, die vornehmlich durch eine Analyse der IP-Adressen der BibSonomy-Nutzer automatisch die Trittbrettfahrer auf der WebSite unterdrücken. Auch dieses Filtersystem könne Vorbild für andere Netzbetreiber sein.

Die Kasseler Forscher betreiben ihre Publikationsplattform auch nach Beendigung des DFG-Projekts weiter. Man wolle andere gern von den Erfahrungen profitieren lassen, sagt Stumme.

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