Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen vom 17.09.2013
Textilforscher veröffentlichen in Science
Plastiktüten, Düngemittel oder Schmerztabletten: Schätzungsweise 80 Prozent aller chemisch erzeugten Produkte entstehen mithilfe von Katalysatoren. Wissenschaftler des Deutschen Textilforschungszentrums Nord-West (DTNW), einem An-Institut der Universität Duisburg-Essen (UDE), und des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim haben nun erstmals eine Methode zur Wiederverwendung organischer Katalysatoren entwickelt und die Ergebnisse in Science veröffentlicht. Nylon spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Je nach vermittelter Reaktion weisen Katalysatoren unterschiedliche Zusammensetzungen und Formen auf: Vom komplizierten Eiweißmolekül im Körper, dem Enzym, über das robuste Bauteil auf Edelmetall-Basis im Auto bis hin zu pulverförmigen oder flüssigen Substanzen, die zu laufenden Prozessen hinzugefügt werden. In der sogenannten „homogenen Katalyse“, die beispielsweise in der Pharmaindustrie häufig genutzt wird, liegen sowohl die Katalysatorsubstanzen als auch die Ausgangsstoffe in der gleichen Form vor, z.B. beide gelöst in einer Flüssigkeit. Nun wird ein Katalysator während der Reaktion, die er vermittelt, nicht aufgebraucht. Das Resultat ist daher in diesem Fall immer eine Mischung aus dem gewünschten Produkt und den Katalysatorsubstanzen. Letztere müssen deshalb immer wieder aufwendig separiert werden oder bleiben – wenn sie günstig sind und sich nicht nachteilig auswirken – im Produkt.
Prof. Dr. Jochen Gutmann bringt durch seine Arbeit am DTNW und am Center for Nanointegration Duisburg-Essen (CENIDE) die ideale Erfahrungskombination mit, um eine praktischere Alternative zu entwickeln: Zusammen mit Prof. Dr. Benjamin List vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (MPI KoFo) in Mülheim an der Ruhr verwendet er Nylon, wie es auch für Feinstrumpfhosen genutzt wird, als Trägermaterial für organische Katalysatoren in Molekülform. Dazu bestrahlen die Wissenschaftler Textil und Moleküle mit UV-Licht. Dadurch öffnen sich Bindungen an der Nylonoberfläche, an die sich die kleinen Katalysatoren fest andocken. Diese neuen Bindungen sind extrem stark, Chemiker sprechen von „kovalenten Bindungen“. So ergibt sich eine Oberfläche, die mit einer etwa 5 bis 10 Nanometer dicken Schicht aktiver Moleküle besetzt ist. „Nicht gebundene Katalysatoren können wir einfach wieder abwaschen und beim nächsten Mal wiederverwenden“, erklärt Gutmann. Das Projekt „Organokatalyse“ wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e.V. gefördert.
Das textile System hat zwei entscheidende Vorteile: Erstens lassen sich die Katalysatoren ganz einfach am Nylon aus dem Produkt herausziehen und sofort wiederverwenden – ohne vorherige Reinigungsprozedur. Zweitens bleiben keine Rückstände der Katalysatoren im Produkt zurück. Das kann gerade in der Pharmaindustrie, wo es mitunter auf hochreine Wirkstoffe ankommt, enorm wichtig sein. Auf die katalytische Aktivität hat die Fixierung übrigens keinen Einfluss – weder generell noch nach einiger Zeit: „Auch nach 250 Katalyse-Zyklen haben wir keine nennenswerten Veränderungen in der durchweg hohen Leistung feststellen können“, berichtet Gutmann. Sogar die Katalysatormenge auf dem Textil ist ganz einfach einzustellen: Je dünner die Nylonfasern, desto größer die Oberfläche, die für Bindungen zur Verfügung steht.
Nur wenig mehr als ein Jahr haben die Wissenschaftler für diese Entwicklung gebraucht – quasi ein Wimpernschlag in der Forschung. Und das nächste gemeinsame Ziel steht für Gutmann auch schon fest: „Zusammen mit den Kollegen vom MPI wollen wir auch andere Arten von Katalysatoren auf Textilien fixieren.“ (Birte Vierjahn)
Externer Link: www.uni-due.de