Was Papierfasern zusammenhält: TU-Forscher lüften viele Geheimnisse um die Festigkeit des Papiers

Pressemitteilung der TU Graz vom 28.04.2014

Pionierarbeit: Sieben Jahre lang untersuchten Forscher der TU Graz jene Wechselwirkungen, die für den Zusammenhalt der Fasern im Papier sorgen. Ihre Entdeckungen ermöglichen es der Industrie, die Reißfestigkeit von Papier bei gleicher Stärke zu erhöhen. Nun läuft das von der Christian Doppler Forschungsgesellschaft und Industriepartnern initiierte und finanzierte Projekt aus.

Wegen des großen Erfolges geschlossen – so könnte man das Ende des „Christian Doppler Labor für oberflächenphysikalische und chemische Grundlagen der Papierfestigkeit“ an der TU Graz bezeichnen. Von Anfang an auf sieben Jahre befristet hat das Projekt Ergebnisse gebracht, die der Industrie völlig neue Dimensionen in der Papierproduktion eröffnet haben. „Bevor wir am 1. März 2007 unsere Arbeit aufgenommen haben, hatte niemand konkrete Vorstellungen, welche Wechselwirkungen für den Zusammenhalt von Papierfasern verantwortlich sind“, erinnert sich Robert Schennach an den Start des von ihm geleiteten CD-Labors. Viele Dinge hatte man als gegeben hingenommen, über andere nur eine vage Vorstellung oder bloß Vermutungen angestellt.

Wasserbrücken als bindende Wechselwirkung

Nachdem sich die Grazer Forscher nun sieben Jahre lang dem Thema gewidmet haben, sind viele Geheimnisse gelüftet. Konkret sind es sechs Wechselwirkungen, die Papierfasern – jede ist zwischen 0,5 und 3 Millimeter lang und bloß 20 Tausendstelmillimeter dick – aneinander binden. Über fünf von ihnen hatte man vor sieben Jahren eine vage Vorstellung. Darunter fallen mechanische Wirkungen wie sich ineinander verhakende Oberflächen wie bei einem Klettverschluss, elektrostatische Anziehung und verschiedene chemische Bindungen. Der sechsten kamen erst die Grazer Forscher auf die Spur: Wasserbrücken, die sich auf Grund der Oberflächenspannung bilden (Kapillarkraft).

Diese Erkenntnis ermöglicht es den Papierherstellern, den Materialeinsatz, die Papierdicke und die Reißfestigkeit ihrer Produkte optimal auf den späteren Einsatzzweck abzustimmen. Als Beispiel nennt Schennach Papiersäcke für die Zementindustrie. Diese müssen eine gewisse Luftdurchlässigkeit haben, da der Zement bei der Abfüllung innerhalb von drei Sekunden mit Druckluft in den Sack geblasen wird. Zugleich muss das Papier jedoch auch dicht halten, auf Grund des hohen Gewichtes des Zementes sehr stabil und außerdem noch reißfest sein. Zeitungspapier wiederum muss vor allem in jene Richtung, in der es durch die Druckmaschine läuft, hohe Zugfestigkeit aufweisen. Und Karton kann je nach Anwendung unterschiedlich stark ausgelegt werden. „Mit unseren Erkenntnissen kann die Produktion nun optimiert und auf den jeweiligen Verwendungszweck des Produktes sehr genau abgestimmt werden“, sagt Schennach.

Ausgezeichnete Forschung aus Graz

Aber nicht nur die Industriepartner profitieren von den Erkenntnissen – den beteiligten Forschern und Studenten brachte die Arbeit viel Ruhm ein: mehrere Auszeichnungen, darunter den 2. Preis beim Forschungspreis der Industriellenvereinigung. Außerdem sind aus der Arbeit im CD-Labor zwölf Diplomarbeiten und neun Dissertationen hervorgegangen sowie 49 wissenschaftliche Veröffentlichungen – eine enorm hohe Zahl, zumal die ersten drei Jahre lang erst einmal grundlegende Messmethoden entwickelt werden mussten, um überhaupt richtig mit der Forschung loslegen zu können. „Dieser hohe Output ist auch der guten Zusammenarbeit mit unseren Industriepartnern Mondi, Lenzing und Kehlheim Fibers zu verdanken“, betont Schennach. „Sie haben uns den Spielraum gelassen, nicht nur angewandte Forschung zu betreiben, sondern auch sehr viel Grundlagenforschung.“

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