Sichere Häfen durch Mobilfunk-Radar

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2014

Viele Küstengebiete und Häfen sind kaum gegen Terrorangriffe gesichert. Mit einem neuen Sensorsystem, das Echos von Mobilfunkmasten nutzt, lassen sich künftig selbst kleine Boote von Angreifern schnell aufspüren. Dieses Mobilfunk-Radar schützt auch Flugzeuge vor Kollisionen mit Windrädern.

Flughäfen werden heute streng überwacht, anders als viele Küsten- und Hafenstädte. Denn nicht überall gibt es Radaranlagen, die kleine Boote erfassen können. Für Terroristen wäre es ein Leichtes, sich den Küsten mit Speedbooten zu nähern, um Sprengstoff an Land zu bringen. Forscher vom Bonner Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE entwickelten ein Antennensystem, mit dem sich küstennahe Meeresgebiete überwachen lassen: die Passive Coherent Location (PCL). Dabei nutzen sie die kontinuierlich ausgestrahlten Funksignale von Mobilfunksendemasten, um verdächtige Boote zu entdecken und durch Fusion mit elektrooptischen oder Infrarot-Systemen zu klassifizieren. Dazu gehören auch Schnellboote, mit denen sich Piraten Frachtschiffen nähern.

Die Funktionsweise des neuen Verfahrens ähnelt der von Radaranlagen. Diese senden elektromagnetische Signale und fangen das von Objekten zurückgestrahlte Echo auf. Entsprechend fängt die PCL-Antenne die von Objekten reflektierte Mobilfunkstrahlung auf, um Boote zu detektieren. Doch im Vergleich zu einer Radaranlage ist die Verwertung von Mobilfunksignalen deutlich komplexer. Eine Radarantenne sendet eigene wohl definierte Signale in einem begrenzten Sektor aus. Echos lassen sich leicht deuten. Der neue Sensor hingegen nutzt Mobilfunksignale, die aus verschiedenen Richtungen von verschiedenen Basisstationen ausgesendet werden. Er empfängt einen chaotischen Echomix, aus dem Objekte mühsam herausgerechnet werden müssen. »Ein Problem besteht darin, dass unser Sensorsystem zunächst die starken Signale der Mobilfunkstationen wahrnimmt«, sagt Reda Zemmari, Projektleiter am FKIE. »Die von Booten auf dem Wasser zurückgestrahlten Echos sind sehr viel schwächer.«

Mobiles System ist flexibel einsetzbar

Die Forscher mussten daher Algorithmen entwickeln, die diese Schwächen ausgleichen. So ist die Software unter anderem in der Lage, die starken, direkt von den Mobilfunkmasten eintreffenden Funksignale zu unterdrücken. »Von Vorteil ist«, sagt Zemmari, »dass verschiedene Mobilfunkmasten mit unterschiedlichen Frequenzen senden«. Damit kann die Software die verschiedenen Signale und Echos besser voneinander unterscheiden. Darüber hinaus erkennt das System fahrende Boote anhand ihrer Bewegung und der dadurch bewirkten Frequenzverschiebungen. »Unser System überprüft dabei permanent, ob es die Signale richtig zuordnet und die Bewegung des Objekts richtig interpretiert«, sagt Zemmari. Bei Versuchen vor Eckernförde und vor Fehmarn ist es den Forschern bereits gelungen, nur wenige Meter lange Speedboote in einer Entfernung von vier Kilometern zu verfolgen. »Unsere Anlage kann auf einem kleinen Anhänger transportiert werden und ist damit flexibel einsetzbar«, sagt Zemmari. Einzige Voraussetzung: Die Gebiete müssen von Mobilfunkstationen abgedeckt sein. Der Wissenschaftler betont, dass das PCL-System keineswegs Daten von Mobilfunknutzern ausliest. »Wir verwenden ausschließlich das Betriebssignal der Sendestation, das keine Datenpakete von Kunden enthält.«

Die Technologie eignet sich nicht nur für die Terrorabwehr. Derzeit arbeiten die Forscher an einer Variante für Windräder. Hohe Windmasten müssen nachts mit Blinklichtern befeuert werden, damit Hubschrauber- und Flugzeugpiloten gewarnt sind. Das Blinken aber stört viele Menschen. Windräder sollen daher mit Flugzeugdetektoren ausgestattet werden, die die Lichter nur dann einschalten, wenn sich ein Flugzeug nähert. Zwar gibt es bereits Detektoren, die auf die Funksignale von Flugzeugen ansprechen. »Aber für den Fall, dass diese ausfallen, brauchen wir ein redundantes System – und dafür eignet sich die PCL-Technik sehr gut«, sagt Zemmari.

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