Grundlage für industriellen Einsatz von Magnesiumblechen geschaffen

Presseinformation der HAW Landshut vom 20.08.2015

Forschungsprojekt an der Hochschule Landshut leistet wesentlichen Beitrag zur virtuellen Leichtbau-Produktentwicklung

Um das Leichtbaupotenzial von Magnesiumfeinblechen gerade im Automobilbau besser ausschöpfen zu können, wurde in einem vom Bund geförderten Forschungsprojekt an der Hochschule Landshut ein Verfahren zur Betriebsfestigkeitsanalyse für Leichtbaustrukturen aus Magnesiumknetlegierungen entwickelt. Anhand der Untersuchungsergebnisse ist eine genauere Betriebsfestigkeitsanalyse für Bauteile aus Magnesiumblechen möglich. Am Ende der dreijährigen Projekt-Laufzeit wurden beim Abschlusskolloquium Ergebnisse präsentiert, die auch in kommerzielle Betriebsfestigkeitstools einfließen werden und damit die Basis für die zuverlässige Lebensdauerberechnung von Bauteilen des Leichtbau-Werkstoffes bilden.

Die Leitung des im Rahmen des Förderprogramms „profUnt – Forschung an Fachhochschulen mit Unternehmen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit 311.600 Euro geförderten Forschungsvorhabens „Betriebsfestigkeitsanalyse für Leichtbaustrukturen aus Magnesiumknetlegierungen – MagFest“ hatte Prof. Dr.-Ing. Otto Huber (Leiter Kompetenzzentrum für Leichtbau an der Hochschule Landshut, LLK) inne. Projektpartner waren die Adam Opel AG, CADFEM GmbH, Magnesium Flachprodukte GmbH sowie die Technische Universität Bergakademie Freiberg. Dipl.-Ing. (FH) Johannes Dallmeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter im LLK, führte im Rahmen seiner Doktorarbeit die analytischen, numerischen und experimentellen Untersuchungen durch, wertete diese aus und entwickelte ein neues Modell zur Lebensdauerberechnung. Zusätzlich befassten sich 12 Abschlussarbeiten und 9 Projektarbeiten mit Themen der Betriebsfestigkeitsanalyse von Magnesiumblechstrukturen.

Berechenbarkeit als Voraussetzung für Nutzung

Magnesium ist mit rund 1,74 Kilogramm pro Kubikdezimeter einer der leichtesten metallischen Konstruktionswerkstoffe. Bauteile sind um ca. 30% leichter als solche aus Aluminium und bis zu 75% leichter als solche aus Stahl. Weitere Vorteile sind die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit und eine gute Recyclingfähigkeit. Bisher finden Magnesiumlegierungen zumeist in druckgegossenen Teilen in Motor und Getriebe Anwendung.

Der industrielle Einsatz von Magnesiumknetlegierungen in Form von Blechen befindet sich noch im Entwicklungsphase und ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit erst seit der Entwicklung neuer Fertigungsverfahren wie dem Gießwalzen bzw. dem Strangpressen erschwinglich. Das Verformungs- und Festigkeitsverhalten von Magnesiumfeinblechen bzw. generell Magnesiumknetlegierungen unterscheidet sich stark von dem der Magnesiumgusslegierungen. „Das Forschungsprojekt leistet einen wesentlichen Beitrag, um das Material und sein Verhalten besser verstehen, charakterisieren und berechnen zu können“, ist Prof. Dr. Huber überzeugt.

Eine Grundlage für den verstärkten Einsatz von Magnesiumfeinblechen in der industriellen Produktion bildet eine genaue Charakterisierung der Materialeigenschaften, die eine aussagekräftige numerische Betriebsfestigkeitsanalyse ermöglichen. Nur so können Schädigungsverläufe, Lebensdauer etc. simuliert und die Konstruktion bzw. Berechnung von Leichtbaustrukturen mittels Computer Aided Engineering (CAE) durchgeführt werden.

Wie sich im Vorfeld des Projektes bereits gezeigt hatte, waren für die im Forschungsvorhaben untersuchten Magnesiumknetlegierungen die verfügbaren Standard-Berechnungsmodelle nicht geeignet. Es waren deutliche Abweichung zwischen Simulation unter Verwendung herkömmlicher Berechnungsansätze und den durchgeführten Experimenten zu erkennen. „Dies, weil die spezielle Textur der Magnesiumfeinbleche, unter anderem zu einer ausgeprägten Zug-Druck-Asymmetrie sowie s-förmigen Spannungs-Dehnungs-Hysteresen führt“, wie Prof. Dr.Holger Saage (LLK) erläutert, unter dessen Leitung die Mikrostruktur der Werkstoffe analysiert wurde.

Neues Modell als Basis für virtuelle Entwicklung

Bei den untersuchten Werkstoffen handelt es sich zum einen um die Magnesiumknetlegierung AM50, welche von der Magnesium Flachprodukte GmbH über das Gießwalzverfahren zu Feinblech verarbeitet wird. Bei AM50-Feinblechen werden gegenüber der bisher verwendeten Legierung AZ31 Vorteile wie höhere Duktilität und bessere Korrosionseigenschaften bei gleichzeitig niedrigerem Preis erwartet. Die Magnesiumknetlegierung ME21, aus der über das Strangpressverfahren Feinblech hergestellt wird, diente als Vergleichswerkstoff, um den Unterschied zwischen den beiden Legierungen und Verfahren bzgl. des mechanischen Verhaltens bewerten zu können. Dabei erwies sich die Magnesiumlegierung AM50 als besonders gut geeignet für den Einsatz in der Automobilproduktion.

Johannes Dallmeier entwickelte in seiner Dissertation, betreut von Prof. Dr. Klaus Eigenfeld (Technischen Universität Bergakademie Freiberg) und Prof. Dr. Otto Huber (Hochschule Landshut), ein neues Modell zur Lebensdaueranalyse von Magnesiumknetlegierungen. Mit geeigneten mathematischen Formulierungen erzielte er eine gute Übereinstimmung zwischen Rechenmodell und Experimenten. Hierzu war eine genaue Charakterisierung bzw. die Definition von relevanten Materialparametern nötig. Er entwickelte einen „energiebasierten Schädigungsparameter“ mit gewichteten Anteilen der unterschiedlichen Dehnungsenergiedichten, mit welchem sich eine deutlich bessere Korrelation gegenüber anderen Modellen erreichen lässt.

Die Erkenntnisse der Untersuchungen werden in die Betriebsfestigkeitssoftware nCode DesignLife einfließen und so der Industrie zur Verfügung gestellt. Damit lässt sich der virtuelle Produktentwicklungsprozess auch beim Einsatz von Magnesiumknetlegierungen umsetzen. Dies stellt einen wichtigen Baustein für den Serieneinsatz dieser innovativen Leichtbaumaterialien dar.

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