Chaos lässt Quantensensoren exakter arbeiten

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 11.04.2018

Physiker der Universität Tübingen entwickeln eine Methode, die hochempfindliche Sensoren genauer messen lässt

Quantensensoren erfassen Größen wie Temperatur, Magnetfeldstärke oder Beschleunigungen sehr genau. Und sie arbeiten noch exakter, wenn ihre Messdynamik chaotisch wird: Dies zeigen Physiker der Universität Tübingen in einer Studie, in der sie eine Methode entwickelten, mit der sich die Messgenauigkeit hochpräziser Sensoren um weitere 70 Prozent verbessern ließ. Doktorand Lukas Fiderer und Professor Daniel Braun vom Institut für Theoretische Physik nutzten in einer Computersimulation schwache Laserpulse um die Messdynamik eines Magnetfeld-Sensors zu stören. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.

Quantenmetrologie ist ein Teilgebiet der Metrologie, also der Wissenschaft des Messens. Sie unterscheidet sich von herkömmlichen Messmethoden, weil hier quantenmechanische Systeme wie beispielsweise Atome oder Photonen als Sensoren eingesetzt werden, die nur mit den Gesetzen der Quantenmechanik beschrieben werden können. Herkömmliche klassische Sensoren folgen einer regulären, vorhersehbaren Messdynamik. Sie sind so konstruiert, dass Chaos ‒ so bezeichnet die theoretische Physik Dynamiken, in denen Störungen exponentiell stark anwachsen ‒ vermieden wird, da sonst die Messung von Parametern unvorhersehbar oder gar unmöglich wird. Quantenmechanische Sensoren folgen aber anderen Gesetzen: Das sogenannte Quantenchaos muss hier keineswegs mit Unvorhersehbarkeit einhergehen.

Die Wissenschaftler berechneten deshalb, wie sich die Messgenauigkeit ändert, wenn sich der Quantensensor nicht regulär verhält, sondern „zunehmend chaotisch“. Dafür beschrieben sie mit Formeln ein physikalisches Modell und simulierten dann einen Quantensensor, das sogenannte Atomdampf-Magnetometer, und dessen Messdynamik im Computer. Diese bereits sehr genauen Magnetfeld-Sensoren enthalten in einer Glaszelle einen Dampf aus Alkali-Atomen. Befindet sich die Zelle in einem Magnetfeld, drehen sich die Atome wie kleine Kompassnadeln. Indem man mit einem Laser die Richtung der Drehung ausmisst, wird das Magnetfeld gemessen. „In der Simulation haben wir die Atome während des Messvorgangs mit schwachen Laserpulsen beschossen, damit die Messdynamik chaotisch wird“, erklärt Lukas Fiderer, der diese Forschung im Rahmen seiner Masterarbeit begann und nun dazu promoviert.

Als Ergebnis habe man eine Verbesserung der Messgenauigkeit um 70 Prozent berechnen können. Ein entscheidender Vorteil sei, dass die chaotische Dynamik so eingestellt werden könne, dass der Sensor robuster gegenüber störenden Wechselwirkungen mit der Umgebung sei. Die Wissenschaftler haben den neuen Magnetfeldsensor bereits als Patent angemeldet. „Wir hoffen, dass unser Modell bald experimentell realisiert wird und gehen davon aus, dass die Methode Anwendung in verschiedenen Quantensensoren findet. So könnte sie ein Baustein auf dem Weg zu genaueren und robusteren Sensoren sein.“

Publikation:
Lukas J. Fiderer, Daniel Braun: Quantum metrology with quantum-chaotic sensors. Nature Communications 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-03623-z

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