Mini-Organe geben Einblicke in die Darmregeneration

Medienmitteilung der Universität Basel vom 08.10.2020

Forschende vom Friedrich Miescher Institut for Biomedical Research (FMI) und der Universität Basel haben Mechanismen entschlüsselt, die der Bildung von sogenannten Organoiden und der Regeneration des Darms zugrunde liegen. Dafür verwendeten sie ein einzigartiges bildbasiertes Hochdurchsatzverfahren. Sie haben einen Wirkstoff identifiziert, der die Regeneration des Darms im Tierversuch verbessert, wie sie im Fachblatt «Nature» berichten.

Im letzten Jahrzehnt gab es einen Boom auf dem Gebiet der Organoide – Miniaturorgane, die aus Stammzellen in der Petrischale gezüchtet werden. Diese Systeme rekapitulieren die Zusammensetzung des Zelltyps und zahlreiche Funktionen von Elternorganen wie Gehirn, Niere, Darm oder Lunge. Sie eignen sich perfekt für experimentelle Manipulationen, was sie zu unschätzbaren Werkzeugen für Forschende weltweit macht.

Organoide aus dem Darm – dem sich am schnellsten erneuernden Gewebe bei Säugetieren – rekapitulieren nicht nur die Struktur des Darmepithels, sondern auch seine Fähigkeit, sich nach einer Schädigung zu regenerieren. Darm-Organoide können sich aus einer einzigen Zelle entwickeln, angetrieben von der intrinsischen Fähigkeit der Zelle, einen Regenerationsprozess zu durchlaufen und durch Selbstorganisation eine komplizierte hierarchische Struktur aufzubauen. Die Faktoren, die diesen Prozess antreiben und regulieren, sind jedoch unklar.

Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Prisca Liberali vom FMI und der Universität Basel hat sich das Ziel gesetzt, die Darmregeneration zu verstehen, indem sie die funktionellen genetischen Interaktionen entschlüsseln, die diesen Prozess regulieren. Zu diesem Zweck richteten sie eine bildbasierte Plattform für die Hochdurchsatzanalyse ein. Hiermit erstellten sie Profile von über 400’000 Organoiden, die mit einer Bibliothek von Wirkstoffen behandelt wurden. Ziel war, zu beurteilen, welche Wirkstoffe die Organoide beeinflussen. Dann klassifizierten sie jedes Organoid nach seiner Erscheinungsform (Phänotyp) und erstellten für jeden der 3000 untersuchten Wirkstoffe einen einzigartigen „phänotypischen Fingerabdruck“.

Wirkstoff fördert Darmregeneration

Dieser Datensatz ermöglichte es den Forschenden, 230 Gene zu identifizieren, die an der Entwicklung von Organoiden beteiligt sind, sowie ihre funktionellen genetischen Interaktionen. Zu den Treffern des Screens gehörte ein Hemmstoff des sogenannten Retinsäure-Signalwegs, der die regenerativen Eigenschaften der Organoide förderte. Bestätigen konnten die Forschenden diesen Effekt durch Analyse der Genexpression und Zelltyp-Zusammensetzung.

Auch im Tierversuch mit Mäusen mit strahleninduzierten Darmschäden stellten die Wissenschaftler eine bessere Erholung der Tiere fest, wenn sie mit dem Wirkstoff behandelt wurden: Sie zeigten eine verbesserte Geweberegeneration und verringerten Gewichtsverlust.

«Diese Studie stellt eine unglaubliche technische Meisterleistung dar, und die von uns entwickelte Screening-Plattform lässt sich auf viele Systeme anwenden», sagt Prisca Liberali. «Wir haben die erste Karte der genetischen Interaktionen bei der Entwicklung von Darm-Organoiden erstellt.»

Der identifizierte Wirkstoff wirke selektiv auf regenerative Zellen, indem er die Zellen länger in einem regenerativen Zustand halte, ohne eine unkontrollierte Zellteilung zu verursachen, erklärt die Forscherin. «Wir glauben, dass unsere Erkenntnisse den Weg für neuartige Therapien ebnen, die die Regeneration und Erholung des Darmepithels nach einer akuten Schädigung fördern, zum Beispiel bei Krebspatienten, die eine Chemo- oder Strahlentherapie erhalten.»

Originalpublikation:
Ilya Lukonin, Denise Serra, Ludivine Challet Meylan, Katrin Volkmann, Janine Baaten, Rui Zhao, Shelly Meeusen, Karyn Colman, Francisca Maurer, Michael B. Stadler, Jeremy Jenkins, Prisca Liberali.
Phenotypic landscape of intestinal organoid regeneration.
Nature (2020)

Externer Link: www.unibas.ch