Magnetische Janus-Partikel verbessern Biomolekül-Transport in Miniatur-Laboren

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 16.12.2021

Experimente von Forschenden der Uni Kassel könnten die Diagnostik von Krankheiten mithilfe von Lab-on-a-Chip-Technologien verbessern: Für den Transport von zu untersuchenden Biomolekülen (Analyte) zwischen den verschiedenen Reaktions- und Analysekammern haben sie sogenannte Janus-Partikel gezielt gesteuert.

In Lab-on-a-Chip-Systemen laufen komplexe chemische Prozesse auf geringstem Raum ab. Analog zu großen Apparaturen in Laboren befinden sich auf nur plastikkartengroßen Kunststoffsubstraten Kanäle, Pumpen, Ventile und Messkammern von der Dicke eines menschlichen Haares. Eine Probe, z.B. ein Tropfen Blut, läuft darin vorbei an Sensoren, die die chemischen Bestandteile der Probe analysieren. Die Sensoren übersetzen diese wiederum in elektrische Signale zur Auswertung. Solche Systeme werden bereits zur Diagnostik eingesetzt, beispielsweise in Blutzuckermessgeräten oder Schwangerschaftstests. Die Technik bietet aber noch viel Entwicklungspotenzial.

Das Fachgebiet funktionale dünne Schichten und Physik mit Synchrotronstrahlung der Universität Kassel (Prof. Dr. Arno Ehresmann) erforscht seit etwa zehn Jahren Technologien, die spezifische Biomoleküle (z.B. nachzuweisende Analyte) in Lab-on-a-Chip-Systemen mithilfe von magnetischen Mikro- und Nanoteilchen gezielt durch die Reaktions- und Analysekammern transportieren können. Sie haben jetzt eine Methode entwickelt, die die Kontrolle über diese Bewegungen deutlich verbessert und den Transport beschleunigt. Ihre Ergebnisse haben sie nun im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht.

Die Experimentalphysiker haben sogenannte Janus-Partikel hergestellt, die zwei Seiten mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften besitzen: Siliziumdioxid-Kugeln von drei Mikrometern Durchmesser mit einer magnetischen Metall-Kappe, die die Kugel zur Hälfte bedeckt. „An der einen Seite der Kugel binden zum Beispiel Moleküle aus der Probe, die analysiert werden sollen, und die magnetische Metallkappe auf der anderen Seite dient zur Bewegungskontrolle durch externe Magnetfelder“, erklärt Erstautor Rico Huhnstock.

Die zweite Komponente ist ein magnetisches Dünnschichtsubstrat, welches in unterschiedlich magnetisierte Streifensegmente mikrostrukturiert wurde und damit die zur Bewegung der Partikel notwendigen mikroskaligen Magnetfelder erzeugt. Indem die Forschenden nun äußere Magnetfelder anlegen und deren Richtungen periodisch ändern, bewegen sie die sich daran ausrichtenden magnetischen Janus-Partikel in einer wässrigen Lösung über das Substrat. Die Anordnung bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Partikel gezielt räumlich rotieren zu lassen. „Durch die Rotationsbewegung der Kugeln wird die Haftwahrscheinlichkeit der Analyte an den Partikeln deutlich erhöht. Das ist besonders dann ein großer Vorteil, wenn die Analyte in nur sehr geringer Konzentration vorliegen. Gleichzeitig können wir die Partikel wiederum durch Rotation über bestimmten Analysekammern genauer ausrichten“, beschreibt Huhnstock. So lassen sich die zu untersuchenden Moleküle deutlich sensitiver nachweisen.

Darüber hinaus benötigt diese Methode weniger Strom als bisherige Systeme und ermöglicht eine schnellere Durchsatzgeschwindigkeit der Proben. Die Janus-Partikel bewegen sich mit bis zu 200 Mikrometer pro Sekunde, etwa zehnmal schneller als in gängigen Systemen. Das ergab die Auswertung der Partikelbewegung durch Informatiker des Fachgebiets für Intelligente Eingebettete Systeme (Prof. Dr. Bernhard Sick) an der Uni Kassel. „Mit unseren Ergebnissen aus der Grundlagenforschung lassen sich langfristig Schnellnachweise mit Lab-on-a-Chip-Technologien realisieren, die kostensparend Biomoleküle zum Beispiel als Nachweis für bestimmte Krankheiten detektieren können, ohne auf Technik und Personal in einem Labor angewiesen zu sein“, so Huhnstock.

Publikation:
Huhnstock, R., Reginka, M., Tomita, A. et al. Translatory and rotatory motion of exchange-bias capped Janus particles controlled by dynamic magnetic field landscapes. Sci Rep 11, 21794 (2021).

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