technologiewerte.de – MOOCblick Februar 2023

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Automated Software Testing: Unit Testing, Coverage Criteria and Design for Testability
Arie van Deursen (TU Delft) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 15-25 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Klug geplante Schaltungen: So werden kleine Mikrochips robuster

Presseaussendung der TU Wien vom 10.01.2023

Stößt die Miniaturisierung der Elektronik an ihre Grenzen, weil die Fehleranfälligkeit ansteigt? An der TU Wien zeigte man: Das Problem lässt sich überwinden, wenn man die Fehleranfälligkeit beim Planen von Schaltungen berücksichtigt.

Seit Jahrzehnten werden Transistoren – das Herzstück unserer Computerchips – immer kleiner. Dadurch lassen sich die elektronischen Komponenten in vielerlei Geräten immer kompakter, schneller und auch leistungsfähiger herstellen. Doch kommt diese Entwicklung zu einem naturgegebenen Stillstand? Je kleiner die Bauteile, umso größer die Gefahr, dass einzelne Defekte in der atomaren Struktur das Verhalten des Bauteils deutlich verändern. Das gilt für die etablierte Siliziumtechnologie, aber auch für neuartige Nanotechnologien, die auf 2D-Materialien basieren.

An der TU Wien hat man sich in der Vergangenheit intensiv mit der physikalischen Beschreibung dieses Problems auf der Ebene der Transistoren beschäftigt. Nun geht man einen Schritt weiter und betrachtet den Einfluss der Defekte auf Ebene elektronischer Schaltungen, die manchmal aus mehreren, manchmal sogar aus Milliarden von Transistoren bestehen. In manchen Fällen ist es möglich, dass einzelne Transistoren zwar außerhalb der gewünschten Spezifikation arbeiten, als Teil einer Schaltung aus mehreren Transistoren aber immer noch gute Dienste leisten. Mit dieser neuen Betrachtungsweise auf Schaltungs-Ebene sind noch große Fortschritte bei der Miniaturisierung möglich.

Kleinere Bauteile – größere Fehler

„Die kleinsten Transistoren messen heute nur noch wenige Nanometer“, sagt Michael Waltl vom Institut für Mikroelektronik der TU Wien. „Man ist also auf die atomare Skala vorgedrungen.“ Doch Transistoren sind auf atomarer Ebene niemals perfekt: Manchmal sitzt vielleicht ein Atom an der falschen Stelle, manchmal ist die Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Kristallen nicht ganz exakt. „Bei größeren Bauteilen spielen solche Fehler keine so dominante Rolle, so lange sie nicht zu häufig vorkommen. Aber bei winzigen Transistoren in der Größenordnung von wenigen Nanometern kann schon ein einzelner Defekt dazu führen, dass die Kennlinien des Transistors weit außerhalb des vorgegebenen Toleranzbereichs liegen. Somit gilt er als unbrauchbar.“

Die Auswirkung von Materialfehlern im elektronischen Bauteil wird in der Industrie meist statistisch erfasst: Man stellt zehntausende Transistoren her und vermisst sie. Auf Basis der so ermittelten Variabilität kann man dann berechnen, ob diese Transistoren verwendbar sind, oder ob man die Geometrie oder den Produktionsprozess anpassen und die Fehleranzahl verringern muss. Im schlimmsten Fall müsste man dann etwa die Fläche des Chips vergrößern – das kann sich negativ auf die Leistungsfähigkeit und den Preis des Chips auswirken.

„Das alleinige Suchen nach Transistoren mit Eigenschaften außerhalb des gewünschten Parameterbereichs ist aber eigentlich eine allzu vereinfachte Sichtweise“, findet Michael Waltl. „Die Transistoren sind ja schließlich zu einer elektronischen Schaltung zusammengeschlossen – etwa zu einem Inverter, der ein Signal umkehrt, oder einem Speicher, der zum Beispiel aus sechs Transistoren besteht. Entscheidend ist nicht die Frage, ob ein einzelner Transistor bestimmte abstrakte Kriterien erfüllt, wenn auf atomarer Ebene Fehler auftreten, sondern ob die ganze Schaltung sich dann noch korrekt verhält.“

Das Mikroelektronik-Team der TU Wien ging an dieser Frage mit einer Kombination aus Experimenten und Computersimulationen heran: Zahlreiche elektronische Bauteile wurden untersucht, auf Basis der Ergebnisse wurden aufwändige Computermodelle erstellt.

Präzise Computermodelle erlauben es, Schaltungen robust zu gestalten

Dabei zeigte sich: Auch fehlerbehaftete Transistoren sind nicht notwendigerweise nutzlos. „Die Fehlertoleranz hängt von der Schaltung ab – und das sollte man beim Design von Schaltungen unbedingt berücksichtigen“, sagt Michael Waltl. „Es kann zum Beispiel sein, dass der Transistor an einer ganz bestimmten Stelle der elektronischen Schaltung besonders fehlerarm sein muss, dass bei einem anderen Transistor derselben Schaltung die Toleranzen aber größer sind.“ In so einem Fall könnte man eben zwei unterschiedliche Typen von Transistoren einsetzen, um sicherzustellen, dass die Schaltung am Ende ihre Aufgabe zuverlässig erfüllt.

„Unsere Ergebnisse treffen sowohl auf Silizium-Transistoren als auch auf neuartige 2D-Halbleiter zu“, sagt Michael Waltl. „Welche Technologie man auch immer verwenden möchte, um die nächste Generation von Chips mit noch kleineren Bauteilen zu realisieren: Man sollte die Auswirkung unvermeidlicher Fehler jedenfalls nicht wie bisher nur empirisch beschreiben sondern auf physikalische Computermodelle zurückgreifen um Teilschaltungen oder ganze Schaltungen zu simulieren, um das Beste aus den neuen Möglichkeiten herauszuholen.“ (Florian Aigner)

Originalpublikation:
M. Waltl et al., Perspective of 2D Integrated Electronic Circuits: Scientific Pipe Dream or Disruptive Technology?, Advanced Materials 34,48 (2022).

Externer Link: www.tuwien.at

Chemiker der Saar-Uni drucken weltweit erstmals komplexe 3-D-Objekte in schillernden Strukturfarben

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 26.01.2023

Den Effekt kennt man von Schmetterlingen oder Opalen: Je nach Lichteinfall schillern Tiere oder Edelsteine in verschiedenen Regenbogenfarben. Solche „Strukturfarben“ verblassen nicht und sind ungiftig. Bisher konnten solche Farben künstlich nur als dünner Film hergestellt werden. Die Chemiker Lukas Siegwardt und Markus Gallei von der Universität des Saarlandes haben nun ein Verfahren gefunden, wie sie dreidimensionale komplexe Objekte drucken können, die brillante Strukturfarben zeigen.

Ihre Methode haben sie im renommierten Fachjournal Advanced Functional Materials veröffentlicht.

Im menschlichen Miteinander gilt „Harte Schale, weicher Kern“ als Gütezeichen für den menschlichen Charakter. Im Falle des Forschungsgegenstandes von Markus Gallei und Lukas Siegwardt hingegen verhält es sich genau andersherum. Der Professor für Polymerchemie und sein Doktorand haben „perfekte Partikel“ hergestellt, deren harter Kern von einer weichen Schale umgeben ist. „Perfekte Partikel“ bezeichnet in diesem Fall Teilchen, die allesamt identisch groß und geformt sind. Diese Ausgangsmaterialien, die in der Regel aus gängigen Materialien wie Polystyrol oder Ethylacrylaten bestehen, haben Lukas Siegwardt und sein Professor nun so verändert, dass sie auch im 3-D-Drucker verarbeitet werden können.

Das war bisher nicht möglich. Seit 2001 können solche Farben zwar künstlich hergestellt werden, allerdings nur als sehr dünner Film, der Bruchteile eines Millimeters dick ist. „Dabei wird das Material mittels Industriepressen oder Folienwalzanlagen verarbeitet. Daraus wird dann ein buntes Material, das seine Farbe verändern kann“, erklärt Professor Gallei. Man kann daran ziehen, Strom anlegen, die Temperatur verändern, den pH-Wert und viele weitere Parameter beeinflussen, die allesamt dazu führen, dass die Farbe sich ändert. „Man kann das Material beliebig schalten“, nennt Markus Gallei solche Vorgänge. Solche Farben haben zwei große Vorteile: Sie sind zum einen völlig unschädlich im Gegensatz zu vielen anderen Farben. Und sie bleichen niemals aus. Hinzu kommt ihre schier unendliche Wandlungsfähigkeit, die bisher nur dadurch begrenzt wurde, dass sie als hauchdünner Film hergestellt werden konnten. Nun hingegen wären 3-D-Objekte aus solchen Materialien als vielfältig einsetzbare Sensoren für allerlei Messmethoden oder als Fälschungsschutz für Waren denkbar, um nur zwei Beispiele zu nennen. Man kann die Partikel so herstellen, dass sie jede denkbare Eigenschaft besitzen und ebenfalls leicht in Form zu bringen sind.

Lukas Siegwardt demonstriert die Wandlungsfähigkeit des Stoffes, indem er an einem ausgedruckten, etwa fünf Zentimeter langen Prüfling zieht. Die vormals rote Farbe des Objekts verändert sich immer mehr ins Blaue, je mehr der Doktorand daran zieht. „Damit habe ich schon einen einfachen Sensor, der auf Zug- und Druckkräfte reagiert“, erklärt der junge Wissenschaftler.

Markus Gallei erklärt die Chemie, die dahintersteckt. Die hat mit den eingangs erwähnten „perfekten Partikeln“ aus den Standard-Polymeren zu tun, die in Rohform als weißes, pudriges Pulver in die Industriepresse und nun auch in den 3-D-Drucker kommen. „Diese Partikel ordnen sich während des Druckens in einem regelmäßigen Muster an, welche dann unterschiedliche Farben haben, je nachdem, wie die Abstände zwischen den Partikeln sind.“ Die weichen Schalen der einzelnen Partikel zerfließen zu einer fließfähigen Masse, welche die harten Kerne umgibt. Zieht man an einem Objekt, verändert man die Abstände zwischen den einzelnen Kern-Partikeln, und die Farbe ändert sich. Die harten, perfekten Partikel bewegen sich in dem weichen umgebenden Medium und ordnen sich zu einem neuen Muster an. „Man quetscht quasi den Honig zwischen den einzelnen Kügelchen raus“, erklärt Markus Gallei mit einem Bild den Vorgang auf molekularer Ebene. So verändern sich die Partikelabstände und damit auch die Farbwiedergabe.

Um ein solches Material auch für einen 3-D-Druck aufzubereiten, war eine Menge Laborarbeit nötig. Das war insbesondere Lukas Siegwardts Part. „Ich habe das Material so verändert, dass es sich drucken lässt. Ich habe Monate gebraucht, bis ich die richtige Zusammensetzung gefunden habe“, sagt der Doktorand rückblickend. Dabei waren zwei harte Nüsse zu knacken: Zum einen musste Siegwardt die Fließeigenschaften des pulvrigen Ausgangsstoffes so verändern, dass sie die Düsen des Druckers nicht verstopften, sprich: das Pulver möglichst rückstandsfrei gedruckt werden konnte. „Zweiter Punkt waren die thermischen Eigenschaften. Beim Pressen muss das Ausgangsmaterial etwa 120 Grad Celsius verkraften. Beim 3-D-Druck fallen aber Temperaturen von 140 bis teilweise 200 Grad Celsius an“, erklärt der Wissenschaftler die Anforderungen an das Material. „Viele Materialien sind mir im Laufe der Monate kaputtgegangen“, erinnert er sich. Bis er letzten Endes doch die richtige Mischung gefunden hat.

So haben die beiden saarländischen Wissenschaftler die Basis dafür geschaffen, dass mit der neuartigen Methode nun Anwendungsgebiete gefunden werden können, in denen die schillernden Objekte sinnvoll nutzbar sein können. Weicher Schale, hartem Kern sei Dank.

Externer Link: www.uni-saarland.de

Nano-Crashtests für haltbarere Materialien

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 19.01.2023

Für eine nachhaltige Wirtschaft ist es von großer Bedeutung, robuste und langlebige Produkte herzustellen. Im Falle von Mobiltelefonen, Displays, aber auch Schneidewerkzeugen oder Bohrern heißt dies, feinste Oberflächen- Beschichtungen so robust zu machen, dass sie Stößen möglichst lange widerstehen. Ein Professor der Universität Kassel entwickelt dafür neue Charakterisierungsmethoden auf Nano-Ebene und erhält für dieses Projekt große finanzielle Unterstützung des Europäischen Forschungsrats.

Bislang werden hauchdünne Materialschichten mit sogenannten Nanoindentern geprüft, feinsten Diamantspitzen, die auf die Werkstoffprobe Druck ausüben. Das Problem: Diese Geräte können nicht so schockartig arbeiten, wie dies in der Realität etwa bei Stößen der Fall ist – die Messergebnisse geben nicht immer realistische Werte für die Belastungsfähigkeit an. Prof. Dr. Benoit Merle, Leiter des Fachgebiets „Mechanisches Verhalten von Werkstoffen“ entwickelt daher nun eine neuartige Messtechnik.

Merle ist es bereits gelungen, das Messen mit Nanoindentern hundertfach zu beschleunigen. In den nächsten Jahren soll das Verfahren noch einmal um den Faktor 100 schneller werden, so das Ziel. Zu diesem Zweck wird ein Prototyp auf Basis von Piezokeramiken entwickelt. Piezokeramik ist ein Stoff, der Elektrizität abgibt, wenn er verformt wird, und umgekehrt durch elektrische Impulse verformt werden kann. Durch diesen lassen sich Reaktionen im Nanobereich und in kleinsten Zeitintervallen präzise steuern.

Mithilfe des Verfahrens können dann Materialien realitätsnäher getestet werden, was wiederum das Wissen über die Bildung von Materialschäden auf Nanoebene erhöht und zur Produktion nachhaltigerer Produkte beitragen wird. „Wir versprechen uns davon eine bahnbrechende Verbesserung der räumlichen Auflösung der mechanischen Prüfung bei hohen Dehnungsgeschwindigkeiten“, so Merle.

Merle ist im Mai 2022 als Leiter des Fachgebiets Mechanisches Verhalten von Werkstoffen an die Universität Kassel gewechselt. Das Projekt inklusive einer 1,8 Millionen Euro schweren Finanzierung aus einem ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats hat er von seiner vorherigen Position an der Universität Erlangen-Nürnberg mitgebracht.

„Kassel bedeutet für mich einen neuen, spannenden Schritt in meiner wissenschaftlichen Karriere“, so Merle. „Die Materialwissenschaften bilden einen Forschungsschwerpunkt der Universität und es gibt bereits ein starkes Cluster von hervorragenden Kolleginnen und Kollegen.“

Externer Link: www.uni-kassel.de