Nano-Ringe: Neuartige Bausteine für die Chemie

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 03.08.2023

Neue Verbindungen erweitern das Spektrum der metallorganischen Chemie – Sandwich-Komplexe in Ringform halten durch eigene Energie zusammen

In der metallorganischen Chemie gehören Sandwich-Komplexe, spezielle chemische Verbindungen, zu den grundlegenden Bausteinen. Ihre Struktur war bisher immer geradlinig. Nun haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Philipps-Universität Marburg erstmals mehrstöckige Sandwich-Komplexe zu einem nanoskaligen Ring geformt. Was genau diese neuen „Cyclocen“ genannten Strukturen auszeichnet, etwa ihre physikalischen Eigenschaften, werden die Forschenden nun weiter untersuchen. Aktuell berichten sie in der Zeitschrift Nature.

Ihren Namen haben die vor etwa 70 Jahren entwickelten Sandwich-Komplexe aufgrund ihres Aufbaus erhalten, der an eine Stulle erinnert: In der Molekülstruktur umschließen zwei flache aromatische organische Ringe (die „Brotscheiben“) ein einzelnes, zentrales Metallatom (die „Füllung“). Dabei sind beide Ringe – wie die Brotscheiben auch – parallel angeordnet. Durch das Hinzufügen weiterer Schichten von „Füllung“ und „Brot“ lassen sich Tripledecker- oder Mehrfachdecker-Sandwiches zusammenstellen. „Diese Verbindungen gehören zu den wichtigsten Verbindungsklassen der modernen metallorganischen Chemie“, erklärt Professor Peter Roesky vom Institut für Anorganische Chemie am KIT. Dazu zählt zum Beispiel das besonders stabile Ferrocen, dem seine „Väter“, Ernst Otto Fischer und Geoffrey Wilkinson, sogar den Nobelpreis für Chemie im Jahr 1973 verdanken. Es besteht aus einem Eisenion und zwei fünfgliedrigen aromatischen organischen Ringen und wird in zahlreichen Anwendungen der Synthese, Katalyse, Elektrochemie und Polymerchemie genutzt.

Erstmals nanoskalige Ringe

Sandwich-Komplexe zu einem Ring zu formen haben die Forschenden des KIT und der Universität Marburg schon seit einiger Zeit versucht. Das Problem dabei: „Wir konnten zwar Ketten formen, aber eben keine Ringe“, so Roesky, der die Arbeit der drei Teams an den zwei Universitäten koordiniert hat. „Dass es uns nun dank der Wahl des richtigen organischen Zwischendecks, der ‚Brotscheibe‘, gelungen ist, nanoskalige Ringe zu formen, ist eine Weltpremiere“, sagen Professor Manfred Kappes, Leitung der Abteilung Physikalische Chemie II am KIT und Professor Florian Weigend, Leiter der Abteilung für Angewandte Quantenchemie an der Universität Marburg. Der neuartige Nano-Ring besteht aus 18 Bausteinen, hat einen Außendurchmesser von 3,8 Nanometern und zeigt in Abhängigkeit vom verwendeten Metall in der „Füllung“ des Sandwich-Komplexes eine orangefarbige Photolumineszenz. Die Forschenden haben die neue chemische Verbindung „Cyclocen“ getauft.

Der Nano-Ring hält aus eigener Kraft zusammen

Warum die Moleküle sich nun zu einem richtigen Ring formen ließen und nicht mehr nur eine Kette aus aneinandergereihten Sandwich-Komplexen bildeten, klärten die drei Arbeitsgruppen mithilfe aufwendiger quantenchemischer Berechnungen. Diese zeigten, dass der Ringschluss selbst die Energie erzeugt, die den Ring in der Folge auch zusammenhält. „Die Challenge war zunächst, den Ring zu schaffen. Lassen sich andere Ringgrößen erstellen? Hat diese Nanostruktur ungewöhnliche physikalische Eigenschaften? Daran werden wir nun weiter forschen. Sicher ist nur, dass wir jetzt einen neuen Baustein im Werkzeugkasten der metallorganischen Chemie haben. Und das ist schon großartig“, sagt Roesky. (ih)

Originalpublikation:
Luca Münzfeld, Sebastian Gillhuber, Adrian Hauser, Sergei Lebedkin, Pauline Hädinger, Nicolai D. Knöfel, Christina Zovko, Michael T. Gamer, Florian Weigend, Manfred M. Kappes, Peter W. Roesky: Synthesis and properties of cyclic sandwich compounds. Nature, 2023. DOI: 10.1038/s41586-023-06192-4

Externer Link: www.kit.edu

Nanoplastik aufspüren – in Sekundenbruchteilen

Presseaussendung der TU Wien vom 18.07.2023

Winzige Plastikpartikel sind ein Umweltproblem. Sie können sogar in lebende Zellen eindringen. An der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, solche Partikel präzise und schnell zu detektieren.

Dass Mikroplastik ein Problem ist, ist mittlerweile bekannt: Es handelt sich dabei um winzige, kaum sichtbare Plastikpartikel, die in die Umwelt gelangen und Schaden anrichten können, zum Beispiel, wenn sie von Tieren gefressen werden. Schwer abzuschätzen ist bisher aber der Effekt von noch kleineren Partikeln, die mit herkömmlichen Methoden kaum nachgewiesen werden können: Bei Plastikteilchen mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer spricht man von „Nanoplastik“. Solche winzigen Partikel können sogar in lebende Zellen eindringen.

An der TU Wien gelang es nun, eine Messmethode zu entwickeln, mit der sogar einzelne Nanoplastik-Partikel nachgewiesen werden können – und das um Größenordnungen schneller als mit bisherigen Techniken. Diese Resultate wurden nun im Fachjournal Scientific Reports publiziert. Die neue Methode soll nun zur Grundlage neuer Messgeräte für die Umweltanalytik werden.

Moleküle an der Wellenlänge erkennen

„Wir verwenden ein physikalisches Prinzip, das auch bisher schon oft in der chemischen Analytik verwendet wurde, nämlich die Raman-Streuung“, erklärt Sarah Skoff, Gruppenleiterin der Forschungsgruppe „Festkörperquantenoptik und Nanophotonik“ vom Atominstitut der TU Wien. Dabei werden Moleküle mit einem Laserstrahl beleuchtet und dadurch zum Vibrieren gebracht. Ein Teil der Energie des Laserlichts wird somit in Vibrationsenergie umgewandelt, der Rest der Energie wird wieder in Form von Licht abgestrahlt.

Wenn man dieses Licht misst und seine Energie mit dem ursprünglich eingestrahlten Laserlicht vergleicht, weiß man, mit welcher Energie das Molekül vibriert – und weil unterschiedliche Moleküle auf unterschiedliche Weise vibrieren, lässt sich auf diese Weise herausfinden, um welches Molekül es sich handelt.

„Gewöhnliche Raman-Spektroskopie wäre aber für den Nachweis von kleinstem Nanoplastik nicht geeignet“, sagt Sarah Skoff. „Das wäre viel zu wenig empfindlich und würde viel zu lange dauern.“ Das Forschungsteam musste sich daher auf die Suche nach komplizierteren physikalischen Effekten machen, mit denen sich diese Technik deutlich verbessern lässt.

Der Trick mit dem Goldgitter

Man adaptierte dafür ein Verfahren, das in ähnlicher Form schon zum Nachweis von Biomolekülen verwendet wurde. Das Laserlicht wird nicht direkt auf die Probe geschickt, sondern auf einem extrem feinen Gitter aus Gold platziert, welches mit einem Laser bestrahlt wird. Die einzelnen Golddrähte sind nur 40 Nanometer dick und rund 60 Nanometer voneinander entfernt. „Dieses Metallgitter wirkt wie eine Antenne“, sagt Sarah Skoff. „Durch das Gitter wird das Laserlicht an bestimmten Stellen verstärkt – dort kommt es daher zu einer viel intensiveren Wechselwirkung mit den gesuchten Molekülen. Außerdem kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen dem Molekül und den Elektronen im Metallgitter, die dafür sorgt, dass das Lichtsignal der Moleküle zusätzlich verstärkt wird.“

Das Licht, das dann von den Molekülen ausgesandt wird, muss bei gewöhnlicher Raman-Spektroskopie normalerweise in all seine Wellenlängen zerlegt werden, um daraus ablesen zu können, um welches Molekül es sich handelt. Das Team der TU Wien konnte aber zeigen, dass es auch einfacher geht: „Wir wissen, was die charakteristischen Wellenlängen der Nanoplastik-Partikeln sind und suchen daher ganz gezielt nach Signalen bei genau diesen Wellenlängen“, erklärt Skoff. „Wir konnten zeigen, dass sich die Messgeschwindigkeit dadurch um mehrere Größenordnungen verbessern lässt: Bisher musste man zehn Sekunden messen, um einen einzigen Pixel des gesuchten Bildes zu erhalten – bei uns dauert es bloß einige Millisekunden.“ Versuche mit Polystyrol (Styropor) zeigten, dass auch bei dieser sehr hohen Geschwindigkeit die Nanoplastik-Partikel zuverlässig nachgewiesen werden können – und zwar auch bei extrem niedriger Konzentration. Im Gegensatz zu anderen Methoden erlaubt diese Technik sogar den Nachweis einzelner Partikel.

Die Basis für neue Messgeräte

Das Forschungsteam will nun die Einsatzmöglichkeiten der neuen Technik noch genauer untersuchen – etwa die Frage, wie man damit Nanoplastik in umweltrelevanten oder biologischen Proben nachweisen kann, beispielsweise in Blut. „Dass das physikalische Grundprinzip funktioniert, konnten wir nun jedenfalls zeigen“, sagt Sarah Skoff. „Damit ist prinzipiell das Fundament für die Entwicklung neuer Messgeräte gelegt, mit denen man in Zukunft auch außerhalb des Labors direkt in der Natur Proben untersuchen kann.“

Diese Forschungsarbeit wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG, PhoQus2D) und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF, Quantoom) unterstützt. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
Ambika Shorny, Fritz Steiner, Helmut Hörner and Sarah M. Skoff, Imaging and identification of single nanoplastic particles and agglomerates, Scientific Reports, 13, 10275 (2023)

Externer Link: www.tuwien.at

Nanomaterialien: Glas sinterfrei in 3D gedruckt

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.06.2023

Am KIT entwickeltes Verfahren kommt mit relativ niedrigen Temperaturen aus und ermöglicht hohe Auflösungen für Anwendungen in Optik und Halbleitertechnik – Publikation in Science

Nanometerfeine Strukturen aus Quarzglas, die sich direkt auf Halbleiterchips drucken lassen, erzeugt ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeltes Verfahren. Ein hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangsmaterial für den 3D-Druck von Siliziumdioxid. Da das Verfahren ohne Sintern auskommt, sind die dazu erforderlichen Temperaturen deutlich niedriger. Zugleich ermöglicht eine höhere Auflösung Nanophotonik mit sichtbarem Licht. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Science.

Das Drucken von aus reinem Siliziumdioxid bestehendem Quarzglas in mikro- und nanometerfeinen Strukturen eröffnet neue Möglichkeiten für viele Anwendungen in Optik, Photonik und Halbleitertechnik. Doch bis jetzt dominieren dabei Techniken, die auf dem traditionellen Sintern basieren. Die für das Sintern von Siliziumdioxid-Nanopartikeln erforderlichen Temperaturen liegen über 1 100 Grad Celsius – viel zu heiß für das direkte Abscheiden auf Halbleiterchips. Ein Forschungsteam unter Leitung von Dr. Jens Bauer vom Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT hat nun ein neues Verfahren entwickelt, transparentes Quarzglas mit hoher Auflösung und hervorragenden mechanischen Eigenschaften bei deutlich niedrigeren Temperaturen herzustellen.

Hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangsmaterial

Bauer, der am KIT die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Nanoarchitected Metamaterials“ leitet, und seine Kolleginnen und Kollegen von der University of California Irvine und dem Medizintechnikunternehmen Edwards Lifesciences in Irvine stellen das Verfahren in der Zeitschrift Science vor. Als Ausgangsmaterial dient ein eigens entwickeltes hybrides organisch-anorganisches Polymerharz. Dieses flüssige Harz besteht aus sogenannten polyedrischen oligomeren Silsesquioxan-Molekülen (POSS): Winzige käfigartige Siliziumdioxidmoleküle sind mit organischen funktionellen Gruppen versehen.

Sobald die vollständig in 3D gedruckte und vernetzte Nanostruktur geformt ist, wird sie an der Luft auf eine Temperatur von 650 Grad Celsius erhitzt. Dabei werden die organischen Komponenten ausgetrieben, und gleichzeitig verbinden sich die anorganischen POSS-Käfige, sodass eine durchgehende Mikro- oder Nanostruktur aus Quarzglas entsteht. Die erforderliche Temperatur ist nur halb so hoch wie bei Verfahren, die auf dem Sintern von Nanopartikeln beruhen.

Strukturen halten auch schwierigen chemischen und thermischen Bedingungen stand

„Die niedrigere Temperatur erlaubt es, robuste, transparente und frei geformte optische Glasstrukturen direkt auf Halbleiterchips zu drucken, und zwar mit der für die Nanophotonik mit sichtbarem Licht erforderlichen Auflösung“, erklärt Bauer. Neben der ausgezeichneten optischen Qualität weist das so hergestellte Quarzglas hervorragende mechanische Eigenschaften auf und lässt sich leicht verarbeiten.

Das Team aus Karlsruhe und Irvine druckte mit dem POSS-Harz viele verschiedene Strukturen im Nanomaßstab, darunter photonische Kristalle aus freistehenden, 97 Nanometer starken Balken, parabolische Mikrolinsen und ein mehrlinsiges Mikroobjektiv mit nanostrukturierten Elementen. „Unser Verfahren ermöglicht Strukturen, die auch schwierigen chemischen oder thermischen Bedingungen standhalten“, erläutert Bauer.

„Die von Jens Bauer geleitete Gruppe am INT gehört zum Exzellenzcluster 3DMM2O“, sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident Forschung des KIT. „Die nun in Science publizierten Forschungsergebnisse sind nur ein Beispiel dafür, wie hervorragend die konsequente Nachwuchsförderung innerhalb des Clusters funktioniert.“ Das Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order“, kurz 3DMM2O, ein gemeinsames Cluster des KIT und der Universität Heidelberg, verfolgt in der Verbindung von Natur- und Ingenieurwissenschaften einen stark interdisziplinären Ansatz. Sein Ziel ist, additive 3D-Fertigungsverfahren auf die nächste Stufe zu bringen – von der Ebene der Moleküle bis hin zu makroskopischen Abmessungen. (or)

Originalpublikation:
J. Bauer, C. Crook, and T. Baldacchini: A sinterless, low-temperature route to 3D print nanoscale optical-grade glass. Science, 2023. DOI: 10.1126/science.abq3037

Externer Link: www.kit.edu

Zweidimensionaler Quanten-Freeze

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 06.03.2023

Nanoteilchen in zwei Bewegungsrichtungen in Quanten-Grundzustand gekühlt.

Forschern an der ETH Zürich und dem TII Abu Dhabi ist es mit Unterstützung von Innsbrucker Quantenphysikern gelungen, die Bewegung eines winzigen Glaskügelchens in zwei Richtungen gleichzeitig in den Quanten-Grundzustand abzukühlen. Dies stellt einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer 3D-Grundzustandskühlung eines massiven Teilchens dar und eröffnet neue Möglichkeiten für den Bau von hochempfindlichen Sensoren.

In einem Hochvakuum mit Laserlicht kontrollierte Nanoteilchen gelten als vielversprechende Plattform, um die Grenzen der Quantenwelt auszuloten. Seit der Formulierung der Quantentheorie ist nämlich die Frage unbeantwortet geblieben, ab welcher Größe ein Objekt den Gesetzen der Quantenphysik und nicht den Regeln der klassischen Physik unterliegt.

Ein Team um Lukas Novotny (Zürich), Markus Aspelmeyer (Wien), Oriol Romero-Isart (Innsbruck) und Romain Quidant (Zürich) versucht im Rahmen des ERC-Synergy-Projekts QXtreme genau diese Frage zu beantworten. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel ist es, die in der Bewegung des Nanoteilchen gespeicherte Energie so weit als möglich zu reduzieren, das Teilchen also in den sogenannten Quantengrundzustand abzukühlen.

Kühlen in allen Dimensionen

Das Q-Xtreme-Team arbeitet seit längerem gemeinsam an der Grundzustandsabkühlung von Nanopartikeln. Mehrere Experimente in Zürich und Wien, unterstützt durch theoretische Berechnungen von Carlos Gonzalez-Ballestero und Oriol Romero-Isart von der Universität Innsbruck und dem IQOQI Innsbruck, haben zu den ersten Demonstrationen einer solchen Grundzustandskühlung eines Nanoteilchens geführt, entweder durch Dämpfung der Teilchenbewegung mittels elektronischer Steuerung (aktive Rückkopplung) oder durch Platzierung des Teilchens zwischen zwei Spiegeln (resonatorbasierte Kühlung). Bei all diesen Experimenten wurde der Grundzustand nur entlang einer der drei Bewegungsrichtungen der Teilchen erreicht, so dass die Bewegung entlang der beiden anderen Richtungen „heiß“ blieb.

„Die Abkühlung in den Grundzustand in mehr als einer Richtung ist der Schlüssel zur Erforschung neuer Quantenphysik“, betont Carlos Gonzalez-Ballestero vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Bislang war es jedoch schwierig, die Spiegel, zwischen denen das Teilchen positioniert wird, effizient mit der Bewegung des Teilchens in mehreren Richtungen in Wechselwirkung zu bringen.“ Der sogenannte „Dark State Effect“ verhindert die Abkühlung in den vollständigen Grundzustand.

Mit unterschiedlichen Frequenzen zum Ziel

Nun gelang es dem Photonik-Labor an der ETH Zürich erstmals die Grundzustandskühlung eines Nanoteilchen entlang zweier Bewegungsachsen. Dabei wird ein Glaskügelchen, das etwa tausendmal kleiner als ein Sandkorn ist, im Hochvakuum vollständig von seiner Umgebung isoliert und mit einem stark fokussierten Laserstrahl in der Schwebe gehalten und gleichzeitig bis nahe an dem absoluten Nullpunkt gekühlt. Basierend auf theoretischen Vorarbeiten des Innsbrucker Teams konnten die Schweizer Physiker das Problem des Dunkelzustands umgehen. „Wir haben dazu die Frequenzen, mit denen das Teilchen in den beiden Richtungen schwingt, unterschiedlich gestaltet und die Polarisation des Laserlichts sorgfältig eingestellt“, sagt Lukas Novotny von der ETH Zürich.

Die in der Fachzeitschrift Nature Physics erschienene Arbeit demonstriert, dass es möglich ist, den minimalen Energiezustand für alle drei Bewegungsrichtungen zu erreichen. Das neue Setup ermöglicht es auch, fragile Quantenzustände in zwei Richtungen zu erzeugen, die zum Beispiel zur Herstellung von extrem empfindlichen Gyroskopen und Sensoren verwendet werden könnten.

Die Forschungen wurden unter anderem vom Europäischen Forschungsrat ERC und der Europäischen Union finanziell unterstützt.

Originalpublikation:
Simultaneous ground-state cooling of two mechanical modes of a levitated nanoparticle. Johannes Piotrowski, Dominik Windey, Jayadev Vijayan, Carlos Gonzalez-Ballestero, Andrés de los Ríos Sommer, Nadine Meyer, Romain Quidant, Oriol Romero-Isart, René Reimann, Lukas Novotny. Nature Physics 2023

Externer Link: www.uibk.ac.at

Batterien: Wichtiges Rätsel der Passivierungsschicht gelöst

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.03.2023

Forschende des KIT charakterisieren mithilfe von Simulationen die chemischen Vorgänge an den Elektroden von Lithium-Ionen-Batterien

Lithium-Ionen-Batterien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie funktionieren nur mit einer Passivierungsschicht, die sich beim ersten Ladevorgang an den Elektroden bildet. Wie Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nun anhand von Simulationen festgestellt haben, entsteht diese Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase nicht direkt an der Elektrode, sondern wächst aus dem Lösungsmittel. Über ihre Studie berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Zeitschrift Advanced Energy Materials. Ihre Erkenntnisse ermöglichen, Leistungsfähigkeit und Lebensdauer von zukünftigen Batterien zu optimieren.

Vom Smartphone bis zum Elektroauto – fast überall, wo mobile Stromversorgung gefragt ist, werden Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt. Mit entscheidend für den zuverlässigen Betrieb dieser und anderer Flüssigelektrolyt-Batterien ist die Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase (solid electrolyte interphase – SEI). Diese Passivierungsschicht bildet sich beim ersten Anlegen einer Spannung. Der Elektrolyt wird in der unmittelbaren Nähe der Oberfläche zersetzt. Bisher war unklar, wie die Bestandteile des Elektrolyten eine bis zu 100 Nanometer dicke und stabile Schicht an der Oberfläche der Elektroden bilden können, wenn die Zersetzungsreaktion nur innerhalb weniger Nanometer von der Oberfläche möglich ist.

Die Passivierungsschicht an der Anodenoberfläche bestimmt die elektrochemische Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer einer Lithium-Ionen-Batterie wesentlich mit, weil sie in jedem Lade- und Entladezyklus stark beansprucht wird. Bricht die SEI dabei auf, wird der Elektrolyt weiter zersetzt und die Kapazität der Batterie nimmt stetig ab – ein Prozess, der die Lebensdauer der Batterie bestimmt. Mit dem entsprechenden Wissen über Wachstum und Zusammensetzung der SEI lassen sich Batterieeigenschaften gezielt anpassen. Bisher gelang es allerdings weder mit experimentellen noch mit computergestützten Ansätzen, diese auf ganz unterschiedlichen Größen und Längenskalen ablaufenden komplexen Wachstumsprozesse zu entschlüsseln.

Studie innerhalb der EU-Initiative BATTERY 2030+

Forschende am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT haben es nun geschafft, die Bildung der SEI mit einem multiskaligen Ansatz zu charakterisieren. „Damit haben wir eines der großen Rätsel der wichtigsten Schnittstelle in Flüssigelektrolyt-Batterien gelöst – auch in Lithium-Ionen-Batterien, wie wir alle sie täglich nutzen“, sagt Professor Wolfgang Wenzel, Leiter der Forschungsgruppe „Multiscale Materials Modelling and Virtual Design“ am INT. Über ihre Erkenntnisse berichten die Karlsruher Forschenden in der Zeitschrift Advanced Energy Materials. Die Forschungsgruppe ist an der großangelegten europäischen Forschungsinitiative BATTERY 2030+ beteiligt, die auf sichere, bezahlbare, langlebige und nachhaltige Hochleistungsbatterien für die Zukunft zielt.

Mehr als 50 000 Simulationen für verschiedene Reaktionsbedingungen

Um das Wachstum und die Zusammensetzung der Passivierungsschicht an der Anode von Flüssigelektrolyt-Batterien zu untersuchen, erzeugten die Forschenden am INT einen Satz von mehr als 50 000 Simulationen, die verschiedene Reaktionsbedingungen repräsentieren. Sie stellten fest, dass die Bildung der organischen SEI auf einem lösungsvermittelten Weg erfolgt: Zunächst schließen sich SEI-Vorläufer, die direkt an der Oberfläche gebildet werden, weit entfernt von der Elektrodenoberfläche über Keimbildung zusammen. Anschließend wachsen die Keime so schnell, dass sich eine poröse Schicht bildet, welche schließlich die Elektrodenoberfläche bedeckt. Diese Erkenntnis erklärt die paradox anmutende Situation, dass die SEI sich nur in der Nähe der Oberfläche bilden kann, wo Elektronen verfügbar sind, aber ohne den beobachteten Mechanismus sofort aufhören würde zu wachsen, wenn dieser kleine Bereich nahe der Elektrode aufgefüllt ist. „Wir haben diejenigen Reaktionsparameter identifiziert, die die Dicke der Passivierungsschicht bestimmen“, erklärt Dr. Saibal Jana, Postdoc am INT und einer der Autoren der Studie. „Dies wird es künftig ermöglichen, Elektrolyte und geeignete Zusatzstoffe zu entwickeln, um die Eigenschaften der SEI zu steuern und damit die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer der Batterien zu verbessern.“ (or)

Originalpublikation:
Meysam Esmaeilpour, Saibal Jana, Hongjiao Li, Mohammad Soleymanibrojeni, and Wolfgang Wenzel: A Solution-Mediated Pathway for the Growth of the Solid Electrolyte Interphase in Lithium-Ion Batteries. Advanced Energy Materials, 2023. DOI: 10.1002/aenm.202203966

Externer Link: www.kit.edu