technologiewerte.de – MOOCblick Juli 2021

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Remote Work Revolution for Everyone
Tsedal Neeley (Harvard University)
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 6-9 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Smarte Muskeln und Nerven aus leichtem Kunststoff machen Roboter der Zukunft gefühlvoll

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 21.06.2021

Chirurgische Instrumente, die sich wie feine Oktopus-Arme in alle Richtungen schlängeln oder große, kraftvolle, aber leichte Roboter-Tentakel, die gefahrlos mit Menschen Hand in Hand arbeiten oder ihnen unter die Arme greifen: Mit starken Muskeln und sensiblen Nerven aus intelligentem Kunststoff entsteht eine neue Generation von Roboterarmen. Das Team um die Experten für smarte Materialsysteme Professor Stefan Seelecke und Juniorprofessor Gianluca Rizzello schafft hierfür die Grundlagen.

Als wäre der Roboterkollege aus Fleisch und Blut arbeiten in der Fabrik der Zukunft Mensch und Maschine Seite an Seite – einträchtig, im Team und spontan: Das ist die Vision der Arbeitswelt von morgen. Zwar haben „Cobots“, die kollaborativen Roboter, schon begonnen, die Industriehallen zu erobern. Aber noch ist es nicht so weit her mit dem Hand in Hand-Teamwork. Es gibt eine Schwachstelle: die körperliche Nähe des Menschen, der keinem festen Programm, sondern plötzlicher, mitunter unlogischer Eingebung folgt oder schlicht abgelenkt ist. Nicht ohne Grund stecken Roboterarme in Fertigungsstraßen oft in Käfigen. Wer hier reinläuft, für den wird es gefährlich. Die schweren Metallmaschinen sind kraftvoll, geschickt und flink, sie schweißen, montieren, lackieren, stapeln und hieven. Aber – programmiert ist programmiert – sie folgen strikt ihrem Bewegungsablauf. Und ist ein Mensch im Weg – dann ist er im Weg.

An einer neuen, smarten Art von Roboterarmen arbeitet das Team um Professor Stefan Seelecke und Juniorprofessor Gianluca Rizzello an der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema). „Unsere Technologie der intelligenten Polymersysteme ermöglicht neuartige, weiche Roboterwerkzeuge, die leichter, wendiger und flexibler sind als die heutigen starren technischen Bauteile“, erklärt Stefan Seelecke. Ein ungeplanter Schubs eines solchen Roboterarms der Zukunft ist dann eher wie der eines menschlichen Kollegen.

Der Stoff aus dem diese neuen, weichen Roboterarme gebaut sind, heißt „dielektrisches Elastomer“, eine Unterart der Polymere. Aus diesem Verbundwerkstoff erschaffen die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher künstliche Muskeln und Nerven. Die besonderen Eigenschaften des Werkstoffs machen es möglich, nach dem Vorbild der Natur zu arbeiten: Elastomere lassen sich stauchen und nehmen ihre ursprüngliche Form wieder ein, strecken sich also wieder. „Wir bedrucken das Elastomer beidseitig mit Elektroden. Legen wir eine elektrische Spannung an, ziehen sich die Elektroden an und stauchen das Elastomer, das dabei gleichzeitig seine Fläche ausdehnt“, erklärt der Juniorprofessor für Adaptive polymerbasierte Systeme, Dr. Gianluca Rizzello. Der gebürtige Italiener arbeitet seit 2016 mit Seelecke in dessen Team. Das Elastomer kann sich also zusammenziehen und strecken wie ein Muskel. „Diese Eigenschaft nutzen wir als Aktor, also als Antrieb“, erklärt Rizzello. Indem sie das elektrische Feld ändern, lassen die Ingenieure das Elastomer hochfrequent vibrieren, stufenlos kraftvolle Hub-Bewegungen vollführen oder auch in jeder gewünschten Stellung verharren.

Aus vielen dieser kleinen Muskeln setzen die Forscher nun flexible Roboterarme zusammen. In einem Roboter-Tentakel aneinandergereiht, bewirkt ihr Zusammenspiel, dass dieser sich wie der Fangarm eines Kraken in alle Richtungen biegen und schlängeln kann: Anders als bei den schweren und starren Robotergelenken heute üblicher Roboter, die wie beim Menschen Bewegungen nur in bestimmte Richtung zulassen, sind der Freiheit dieses Tentakels keine Grenzen gesetzt. Für ihre Arbeit am Prototyp dieser Elastomer-Muskel-Tentakel, hat Gianluca Rizzello zusammen mit seinem Doktoranden Johannes Prechtl jüngst den Best Paper Award auf der RoboSoft2021-Konferenz erhalten – eine von vielen Auszeichnungen der Arbeitsgruppe um Stefan Seelecke. Ein Tentakel-Prototyp soll in etwa einem Jahr vorliegen.

Gianluca Rizzello ist Spezialist, wenn es darum geht, dem Kunststoff Intelligenz einzuhauchen. Er gibt dem Roboter-Gehirn, also der Steuerungseinheit, den nötigen Input, damit sie den Arm intelligent bewegen kann – ein überaus anspruchsvolles Unterfangen. „Diese Systeme sind komplexer als die heutiger Roboterarme. Polymerbasierte Komponenten mit künstlicher Intelligenz zu steuern, ist weit schwieriger als bei herkömmlichen mechatronischen Systemen“, erklärt Rizzello. Die Elastomer-Muskeln fungieren dabei zugleich als Nerven des Systems: Sie haben selbst Sensor-Eigenschaften. Daher kommt dieser Roboterarm ohne weitere Sensorik aus. „Jede Verformung des Elastomers, jede Änderung seiner Geometrie, bewirkt eine Änderung der elektrischen Kapazität und lässt sich präzisen Messwerten zuordnen. Messen wir die elektrische Kapazität, wissen wir, wie das Elastomer gerade verformt ist und können hieraus sensorische Daten ablesen“, erläutert der Ingenieur.

Mit diesen Werten lassen sich die Bewegungsabläufe präzise modellieren und programmieren: Hierfür intelligente Algorithmen zu entwickeln, um den neuartigen Roboter-Tentakeln ihr gewünschtes Verhalten anzutrainieren, steht im Mittelpunkt von Gianluca Rizzellos Forschung. „Wir arbeiten daran zu verstehen, welche physikalischen Eigenschaften dem Verhalten der Polymere zugrunde liegen. Je mehr wir darüber wissen, umso passgenauere Algorithmen können wir zu ihrer Steuerung entwerfen“, sagt der Juniorprofessor.

Die Technologie wird skalierbar sein: Sie kann in feinen Tentakeln etwa für medizinische Instrumente zum Einsatz kommen, aber auch bei großen Industrierobotern. Anders als die heutigen Roboterarme, die schon mit ihrem beachtlichen Gewicht gegen die Schwerkraft ankämpfen müssen, werden diese Roboterarme leicht sein. „Sie kommen ohne Motoren, Hydraulik oder Druckluft aus und funktionieren nur mit elektrischem Strom. Die Bauform der Elastomer-Muskeln kann dem jeweiligen Bedarf angepasst werden. Auch brauchen sie nur wenig Energie. Je nach Kapazität sind dies nur Ströme im Mikroampere-Bereich. Das macht diese Robotertechnologie, für die wir derzeit die Grundlagen erforschen, energieeffizient und kostengünstig“, erklärt Stefan Seelecke.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert diese Forschung im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms SPP2100 „Soft Material Robotic Systems“.

Externer Link: www.uni-saarland.de

Isolatoren: Sicher unter Höchstbelastung

Presseaussendung der TU Graz vom 10.06.2021

Isolatorketten verbinden das stromführende Leiterseil mit dem Freileitungsmast. Forscher der TU Graz simulierten erstmals, wann und unter welchen Bedingungen unterschiedliche Belastungen auf diese Ketten wirken. Freileitungen werden damit noch sicherer.

Sie sind klein und unscheinbar, spielen bei der Betriebssicherheit von Hochspannungsleitungen aber im wahrsten Sinne des Wortes eine „tragende Rolle“: Isolatorketten. Sie verbinden das stromführende Leiterseil mit dem Strommast. Durch ihre geringe Leitfähigkeit verhindern sie, dass der Stromkreis über den Mast geschlossen und ein Kurzschluss verursacht wird. Zudem tragen sie das gesamte Gewicht der Leiterseile mitsamt der durch Wind oder Eis verursachten Zusatzlasten. Die Last, die dabei von einer Isolatorkette auf den Mast bzw. auf dessen Ausleger wirkt, kann mehr als 40 Tonnen (>400kN) betragen. Bricht ein Strang einer Mehrfachkette (sogenannter Primärbruch), müssen die übrigen Stränge den hochdynamischen Stoß abfangen, um einen Komplettbruch zu vermeiden. Nur so wird gewährleistet, dass der notwendige Sicherheitsabstand zum Boden beibehalten werden kann und das Leiterseil weiter sicher am Mast hängt. Denn fällt ein 380kV-Freileitungsseil auf den benachbarten Ausleger oder auf den Boden, stellt das ein immenses Risiko dar.

Erstmalige Simulation komplexer Lastumlagerungen

Christian Landschützer, Forscher am Institut für Technische Logistik der TU Graz, hat gemeinsam mit seinem Team solche hochdynamischen Lastumlagerungsprozesse simuliert – also den Vorgang angefangen vom Primärbruch einer Isolatorkette, über die daraus resultierenden Schwingungen bis zum Zeitpunkt, an dem sich alle Leiterseile wieder in Ruhelage befinden. Untersucht wurden Dreifachabspannketten (das sind drei parallele Isolatorstränge) der Weizer Firma Mosdorfer. In diesen Ketten hat Mosdorfer ein selbst entwickeltes und patentiertes Dämpferelement als Schutzvorrichtung verbaut. Bricht ein Isolatorstrang, soll das Dämpferelement die stoßartige Belastung auf ein beherrschbares Niveau reduzieren, dass die verbleibenden Isolatorenstränge nicht auch brechen und das Herabfallen des Leiterseils aufgrund dieses Sekundärbruches somit verhindern.

Es waren die weltweit ersten Untersuchungen dieser Art. Bisher wurden solche Simulationen nur sehr vereinfacht durchgeführt. Plastische Verformungen wurden vernachlässigt oder gar nicht abgebildet, da alle Bauteile bisher relativ steif waren. „Aufgrund des dritten Isolatorenstranges und des Dämpferelements mussten wir uns erstmals in den dreidimensionalen Bereich begeben und zwei Simulationsmethoden miteinander koppeln; ein Detailniveau, das softwareseitig und aufgrund der notwendigen Rechnerleistung erst seit wenigen Jahren überhaupt möglich ist“, erklärt Landschützer und schildert die weiteren Herausforderungen: „Um die Lastumlagerung vollständig abbilden zu können, mussten wir ein Mehrkörpersimulationsmodell sowie Modelle nach der Finite-Element-Methode (numerisches Verfahren zur Berechnung des Strukturverhaltens einzelner Objektbereiche, Anm.)  erstellen und diese dann miteinander koppeln, damit sie zeitsynchron den hochdynamischen Vorgang (dieser dauert nur ca. 0,2 Sekunden) berechnen können.“ Einerseits wurden die Seildynamik und das Bewegungsverhalten der Isolatorenstränge modelliert. Andererseits wurde die plastische Verformung des Dämpferelements abgebildet. Und das Team des Instituts für Technische Logistik hat zu jeder einzelnen Kette den Bruch aller drei Isolatorstränge, sowohl auf der Mast- als auch auf der Seilseite simuliert.

Geringerer Testaufwand und Kostenersparnisse

In den Simulationen konnten die Forscher des Instituts für Technische Logistik ganz genau zeigen, wann und unter welchen Bedingungen unterschiedliche Belastungen auf die Isolatorstränge wirken. Dadurch können diese nun höher ausgelastet bzw. schlanker dimensioniert werden, da die Belastungen durch die Simulation besser bekannt sind. Landschützer: „Unterm Strich bedeutet das einen effizienten Materialeinsatz und eine Kostenoptimierung in der Produktion.“

Kosten werden auch auf anderer Ebene eingespart: Bislang wurden die Isolatorketten in einer Versuchsanlage getestet, die es in Europa in dieser Form nur einmal gibt. Die Versuche werden dort im Maßstab eins zu eins durchgeführt und verursachen zusätzliche (Material-)Kosten, bei einer gleichzeitig stark limitierten Anzahl an Versuchsvarianten. „Unsere Ergebnisse beweisen, dass die Simulationsmethode aufwendige Versuche ersetzen kann – bei gleichbleibender Qualität, mehr Flexibilität und höherem Erkenntnisgewinn“, freut sich Landschützer. Der Technologe geht davon aus, dass die Methode zukünftig auch in anderen Anwendungsbereichen zum Einsatz kommt. Er lädt interessierte Unternehmen zur Kontaktaufnahme mit dem Institut für Technische Logistik der TU Graz ein. (Christoph Pelzl)

Externer Link: www.tugraz.at