Forscher entschlüsseln einen Mechanismus bei schweren Hautinfektionen

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 24.01.2017

Zuckerpolymere der äußeren Zellhülle von Staphylococcus aureus führen zu besonders aggressivem Krankheitsverlauf – Ansatzpunkt für mögliche Therapie

Staphylococcus aureus gehört zu den am meisten gefürchteten multiresistenten Erregern. Vor allem bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem verursacht das Bakterium oft lebensbedrohliche Infektionen. In den letzten Jahren sind weltweit besonders aggressive Stämme von S. aureus aufgetaucht, sogenannte „Community-Associated Methicillin-Resistant Staphylococcus aureus“ oder CA-MRSA, die selbst bei gesunden Menschen schwerwiegende Infektionen von Haut und Gewebe auslösen können. Forscherinnen und Forscher des Interfakultären Instituts für Mikrobiologie und Infektionsmedizin Tübingen (IMIT) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) konnten nun einen wesentlichen Mechanismus dieses Infektionsgeschehens entschlüsseln. Die Ergebnisse wurden am Montag im Fachmagazin Nature Microbiology veröffentlicht.

Die Forschergruppe konnte zeigen, dass CA-MRSA-Stämme ihre äußere Zellhülle durch den vermehrten Einbau eines langkettigen Zuckerpolymers, der Zellwand-Teichonsäure, verändern können. „Es ist bekannt, dass vor allem CA-MRSA verstärkt Toxine ausschütten, was zum schwerwiegenden Verlauf der Hautinfektionen maßgeblich beiträgt“, sagte Dr. Christopher Weidenmaier, der Leiter der Forschungsgruppe: „Wir konnten nun zusätzlich nachweisen, dass der verstärkte Einbau des Zuckerpolymers in die Zellhülle bei Hautinfektionen zu einer veränderten Immunreaktion führt.“ Dies verstärke im Tiermodell die Fähigkeit dieser aggressiven Bakterien, besonders schwerwiegende Hautinfektionen zu erzeugen. Um zu klären, ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, müssen weitere Versuche durchgeführt werden.

Die Autoren waren in der Lage, die molekularen Mechanismen genauer zu entschlüsseln, die dem Umbau der Zellhülle zugrunde liegen. Dies eröffnet für die Zukunft die Möglichkeit, bei schweren, durch CA-MRSA-Stämme ausgelösten Hautinfektionen den Umbau gezielt zu hemmen. „Ein solcher Therapieansatz würde dem menschlichen Immunsystem die Chance geben, die Infektion selbst effizienter zu bekämpfen“, sagte Weidenmaier. Solche sogenannten Anti-Virulenz-Strategien werden in letzter Zeit vermehrt untersucht; hier wird nicht der Erreger selbst bekämpft, sondern seine pathogene Wirkung vermindert. „Im Gegensatz zur klassischen Antibiotikatherapie sollte eine Anti-Virulenz-Strategie zu geringeren Resistenzraten führen“, erklärte der Forscher: „Weil die bakterielle Zelle weder abgetötet noch in Ihrem Wachstum gehemmt wird, unterliegt sie einem geringeren Selektionsdruck.“

Publikation:
Stefanie Wanner, Jessica Schade, Daniela Keinhörster, Nicola Weller, Shilpa E. George, Larissa Kull, Jochen Bauer, Timo Grau, Volker Winstel, Henriette Stoy, Dorothee Kretschmer, Julia Kolata, Christiane Wolz, Barbara M. Bröker and Christopher Weidenmaier: Wall teichoic acids mediate increased virulence in Staphylococcus aureus. Nature Microbiology, 23. Januar 2017. doi:10.1038/nmicrobiol.2016.257

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Immunabwehr ohne Kollateralschaden

Medienmitteilung der Universität Basel vom 23.01.2017

Forschern der Universität Basel ist es gelungen, die Rolle des Enzyms MPO zu klären. Das Enzym, das dem Eiter eine grünliche Farbe gibt, stellt im Kampf gegen Infektionen eine äusserst aggressive Säure her, mit der es Krankheitserreger abtöten kann, ohne das umgebende Gewebe zu schädigen. Die Ergebnisse der Studie, die jetzt in «Nature Microbiology» veröffentlicht sind, geben Ansatzpunkte für Therapien zur Stärkung der Immunabwehr.

Im Kampf des menschlichen Körpers gegen bakterielle Krankheitserreger stehen weisse Blutkörperchen an vorderster Front. Sie identifizieren die Eindringlinge, fressen sie und machen die Bakterien anschliessend mit hochgiftigen Stoffen unschädlich. Wichtig ist dabei, dass diese Stoffe lediglich die Bakterien treffen und möglichst wenige Kollateralschäden im umliegenden Gewebe anrichten.

Die Forschungsgruppen von Prof. Dirk Bumann am Biozentrum und PD Dr. Nina Khanna am Department Biomedizin der Universität und des Universitätsspitals Basel haben nun entdeckt, wie weisse Blutkörperchen diese schwierige Aufgabe lösen. Das Enzym Myeloperoxidase (MPO) setzt sich dazu direkt auf die Oberfläche von Bakterien und stellt dort eine äusserst aggressive Säure her. Diese reagiert sofort mit der Umgebung, frisst ein Loch in die Zellhülle des Bakteriums und tötet es so. Im Kampf gegen bakterielle Infektionen agiert das Enzym damit wie ein Scharfschütze: Ausgestattet mit einer hochexplosiven Munition kämpft es äusserst präzise und punktgenau ohne Kollateralschäden in der Umgebung anzurichten.

Die Funktion von MPO – der grünlichen Farbe im Eiter

Weisse Blutkörperchen bekämpfen bakterielle Eindringlinge mithilfe von Wasserstoffperoxid – einem giftigen Stoff, der vielerorts bekannt ist, da er zum Bleichen von Haaren verwendet wird. Das Enzym MPO bildet daraus Hypochlorsäure, einen Stoff, der noch um ein Vielfaches wirksamer und aggressiver ist als Wasserstoffperoxid. Die Säure setzt sich direkt auf die Oberfläche der Bakterien, reagiert dort unmittelbar und tötet den Eindringling.

«Bakterien sind praktisch machtlos gegen diese Säurebombe», erklärt Dirk Bumann. «Dadurch, dass Hypochlorsäure so hochreaktiv ist, reagiert die Bombe sofort mit den nächsten Biomolekülen. In das weitere Umfeld gelangt sie gar nicht, sondern wird lokal gezündet. Die Bakterien sterben und das umliegende Gewebe bleibt verschont.» Damit konnte das Forschungsteam die genaue Funktion des Enzyms MPO, das dem Eiter eine grünliche Farbe gibt, nun entschlüsseln.

Langzeitfolgen durch Kollateralschäden sind nicht hinlänglich erforscht

Untersucht haben die Forschenden für ihre Studie auch Zellen von Menschen, denen durch einen genetischen Defekt das Enzym MPO fehlt. Dieser Defekt betrifft rund eine von 5000 Personen, ist also sehr selten. Bei diesen Menschen wird das Wasserstoffperoxid nicht in Hypochlorsäure umgewandelt, sondern sammelt sich an, bis es schliesslich in die Blutzelle und nach aussen strömt. «Auch ohne MPO werden die Bakterien unschädlich gemacht. Allerdings wird dabei nicht nur das Bakterium, sondern auch das Blutkörperchen selbst und die Umgebung geschädigt», erklärt Bumann. «Wie stark Entzündungsreaktionen ohne MPO und das damit verbundene Sterben der Blutzellen von Nachteil sind oder ob sie gar zu Langzeitschäden führen, ist bislang jedoch nicht erforscht», so Nina Khanna.

MPO – Das Enzym zeigt zwei Gesichter

«Da wir in unseren Breiten im Vergleich zu früher viel seltener mit Infektionen zu kämpfen haben, spielen hier die zellulären Kollateralschäden derzeit keine so grosse Rolle», sagt Khanna. Es wäre aber vorstellbar, neue Therapieformen im Kampf gegen bakterielle Infektionen zu entwickeln, die durch eine gezielte Stärkung des MPO-Mechanismus die Immunreaktion unterstützen könnten. «Dieser Ansatz ist insofern interessant, als es bisher lediglich Medikamente gibt, die das Gegenteil tun und MPO hemmen. Der Grund ist, dass MPO bei Herzerkrankungen auch negative Auswirkungen auf den Köper haben kann», so Dirk Bumann. Würden solche MPO-Hemmer jedoch breit eingesetzt, könnten die Nachteile bei Infektionskrankheiten deutlicher zum Tragen kommen.

Originalbeitrag:
Nura Schürmann, Pascal Forrer, Olivier Casse, Jiagui Li, Boas Felmy, Anne-Valérie Burgener, Nikolaus Ehrenfeuchter, Wolf-Dietrich Hardt, Mike Recher, Christoph Hess, Astrid Tschan-Plessl, Nina Khanna, Dirk Bumann
Myeloperoxidase targets oxidative host attacks to Salmonella and prevents collateral tissue damage
Nature Microbiology (2017), doi: 10.1038/nmicrobiol.2016.268

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Den Bremser bremsen

Presseinformation der LMU München vom 19.12.2016

LMU-Forscher zeigen, warum die Standardbehandlung bei dem aggressiven Blutkrebs oft nicht wirken kann – und entdecken damit nicht nur einen Biomarker für die Effizienz der Medikamente, sondern auch einen Angriffspunkt für neue Therapien.

Akute Myeloische Leukämie, kurz AML – eine solche Diagnose ist in der Regel eine schwere Bürde. Die Aussichten, diese meist aggressiv verlaufende Krebserkrankung der Blutzellen zu überleben, sind nicht sonderlich gut. Zur Standardtherapie gehört die Behandlung mit Cytarabin, einem sogenannten Nucleosidanalogon. Doch bei vielen Patienten kommt es nach anfänglichen Behandlungserfolgen zu einem deutlichen Fortschreiten der Erkrankung und zu Resistenzen gegen das Medikament. Warum das so ist, konnten Wissenschaftler um Oliver T. Keppler, Inhaber des Lehrstuhls für Virologie am Max von Pettenkofer-Institut der LMU, und Jindrich Cinatl Jr., Professor am Institut für Medizinische Virologie der Universität Frankfurt, dem Keppler bis 2015 vorstand, nun zeigen. Normalerweise wird das Medikament im Körper rasch in Zellen aufgenommen und chemisch modifiziert, mit einer zusätzlichen Triphosphat-Gruppe, einem kleinen Molekülrest. Die so entstandene Verbindung ist die eigentlich therapeutisch aktive Substanz, sie legt die Synthese der Erbsubstanz DNA in den schnell wachsenden Krebszellen lahm. Doch es gibt einen neu identifizierten „Gegenspieler“: Ein körpereigenes Enzym, das unter dem Kürzel SAMHD1 läuft, spaltet eben jene Triphosphat-Gruppe wieder vom aktiven Wirkstoff ab. Den verhängnisvollen Mechanismus zeigen die Wissenschaftler im renommierten Fachblatt Nature Medicine auf.

Falsche Bausteine eingeschmuggelt

Oliver Keppler ist HIV-Forscher und untersucht die pathogenen Mechanismen des HI-Virus, des AIDS-Erregers. Deshalb kannte sein Team das Enzym SAMHD1 aus einem anderen Zusammenhang – der antiviralen Therapie bei HIV-Infektion: Um sich in menschlichen Zellen vermehren zu können, muss das Virus sein Erbmaterial aus RNA erst einmal umkopieren in DNA, aus der die Gene des Menschen gemacht sind. Um diese Reverse Transkription zu unterbrechen, werden ebenfalls Nukleosidanaloga als Medikamente eingesetzt; sie werden sozusagen als falsche Bausteine in den Kopiervorgang eingeschmuggelt. So entsteht keine intakte Virus-DNA, die HIV-Vermehrung wird gestoppt. Das körpereigene Enzym SAMHD1 hilft sogar noch dabei, in dem es die regulären DNA-Bausteine, die das Virus eigentlich braucht, wegschnappt und zerlegt.

Darum gingen die Forscher zunächst davon aus, dass auch bei der Akuten Myelosischen Leukämie ein ähnlicher Mechanismus greifen könnte, der die Medikamentenwirkung unterstützt. Doch das Gegenteil ist der Fall. „Überraschenderweise ist die aktive Form des Cytarabins selbst ein Substrat von SAMHD1“, sagt Keppler, eine Substanz also, die das Enzym umsetzt und damit unwirksam macht. „Es gibt Hinweise darauf, dass dies auch bei weiteren, in der Tumortherapie wichtigen Nucleosidanaloga der Fall ist.“ Gemeinsam mit einer großen Gruppe von Klinikern, Pathologen, Pharmakologen, Biochemikern und Biostatistikern konnten die Wissenschaftler um Keppler weiterführend in Mausmodellen der AML und retrospektiven Untersuchungen bei Patienten mit AML das Enzym SAMHD1 als entscheidenden Faktor für ein Versagen der Cytarabin-Therapie identifizieren. Ihre Untersuchung zeige, schreiben die Wissenschaftler, dass SAMHD1 ein zellulärer Biomarker dafür sei, die Wirksamkeit von Medikamenten, die auf Nukleosidanaloga basieren, abzuschätzen, und zudem eine nicht unwesentliche Rolle für den individuellen Verlauf der Akuten Myeloischen Leukämie spiele. Weitere Studien könnten zudem zeigen, ob es erfolgversprechende Ansätze gibt, die Aktivität von SAMHD1 zu dämpfen und damit die Wirksamkeit der derzeitigen Medikamente zu verbessern.

Publikation:
Nature Medicine 2016

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Krebsbekämpfung mit Diabetes- und Bluthochdruckmedikamenten

Medienmitteilung der Universität Basel vom 23.12.2016

Mit einer Kombination aus einem Diabetesmedikament und einem Blutdrucksenker können Krebszellen effektiv bekämpft werden. Wie das Forscherteam unter der Leitung von Prof. Michael Hall vom Biozentrum der Universität Basel im Fachjournal «Science Advances» zudem berichtet, sprechen spezifisch Krebszellen auf diese Wirkstoffkombination an.

Der Wirkstoff Metformin ist das am häufigsten verschriebene Mittel zur Behandlung des Typ-2-Diabetes. Neben seiner blutzuckersenkenden Wirkung zeigt es aber auch krebshemmende Eigenschaften. Die übliche therapeutische Dosis ist jedoch zu gering für eine effektive Krebsbekämpfung. Ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Michael Hall vom Biozentrum der Universität Basel hat nun eine unerwartete Entdeckung gemacht: Die krebshemmende Wirkung von Metformin entfaltet sich bereits bei geringen Dosen, wenn gleichzeitig der Blutdrucksenker Syrosingopine verabreicht wird. Wie sich herausstellte, treibt die Wirkstoffkombination Krebszellen in den «Selbstmord».

Arzneistoff-Cocktail tötet Tumorzellen

In höheren Dosen bremst das Antidiabetikum zwar das Wachstum von Krebszellen, damit gehen aber auch unerwünschte Nebenwirkungen einher. Deshalb haben die Forscher über tausend Wirkstoffe dahingehend untersucht, ob sie die krebshemmende Wirkung von Metformin verstärken können. Bei diesem Screening kristallisierte sich ein Favorit heraus: Syrosingopine, ein Mittel gegen Bluthochdruck. Wie die Studie zeigte, wirkte der Cocktail aus beiden Arzneistoffen bei einem breiten Spektrum von Krebsarten.

«In Proben von Leukämie-Patienten konnten wir zum Beispiel nachweisen, dass nahezu alle Tumorzellen durch den Cocktail getötet wurden und dies bei Dosen, die eigentlich nicht toxisch für die Zellen sind», sagt Erstautor Don Benjamin. «Und die Wirkung beschränkte sich auch ausschliesslich auf die Krebszellen, denn Blutzellen von gesunden Spendern waren unempfindlich für die Behandlung.»

Medikamente drehen Krebszellen den «Saft» ab

Bei Mäusen mit bösartigem Leberkrebs bildete sich die Lebervergrösserung nach der Therapie wieder zurück. Auch die Tumorknoten wurden weniger – bei einigen Tieren verschwand der Tumor sogar gänzlich. Ein Blick auf die molekularen Vorgänge in der Tumorzelle erklärt die tödliche Wirkung der Kombi-Therapie: So senkt Metformin nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern blockiert auch die Atmungskette in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien. Der Blutdrucksenker Syrosingopine hemmt unter anderem den Abbau von Zuckern.

Beide Wirkstoffe stören also die Vorgänge, die in der Zelle die lebenswichtige Energie liefern. Krebszellen haben aufgrund ihrer gesteigerten Stoffwechselaktivität und des schnellen Wachstums einen besonders hohen Energieverbrauch, daher reagieren sie extrem empfindlich, wenn man ihre Energieversorgung kappt.

Wegweisend für klinische Anwendung

Dass die Hemmung der Atmungskette in den Mitochondrien einen zentralen Mechanismus darstellt, zeigten die Wissenschaftler bei einer Reihe weiterer Substanzen mit dem gleichen Wirkprinzip. Auch diese bremsten das Krebswachstum in Kombination mit dem Blutdrucksenker.

«Wir konnten nun nachweisen, dass beide Medikamente zusammen einen grösseren Effekt auf die Proliferation von Krebszellen haben, als jeder Wirkstoff für sich allein», so Benjamin. «Unsere Ergebnisse belegen, dass es sinnvoll ist, die Entwicklung kombinierter Ansätze zur Behandlung von Krebspatienten voranzutreiben.» Diese Studie liefert zudem wichtige Hinweise für zukünftige klinische Anwendungen von kombinierten Therapien, die auf den Energiebedarf von Tumorzellen abzielen.

Originalbeitrag:
Don Benjamin, Marco Colombi, Sravanth K. Hindupur, Charles Betz, Heidi A. Lane, Mahmoud Y. M. El-Shemerly, Min Lu, Luca Quagliata, Luigi Terracciano, Suzette Moes, Timothy Sharpe, Aleksandra Wodnar-Filipowicz, Christoph Moroni, Michael N. Hall.
Syrosingopine sensitizes cancer cells to killing by Metformin.
Science Advances, published online 23 December 2016

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Ribosomen-Recycling als Angriffsziel

Presseinformation der LMU München vom 05.12.2016

LMU-Wissenschaftler haben einen Reparaturmechanismus für bakterielle Ribosomen aufgeklärt, der ein wichtiger Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Antibiotika sein könnte.

Multiresistente Bakterien, gegen die herkömmliche Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen, sind in der Medizin ein großes Problem. Die Entwicklung neuer Medikamente ist deshalb dringend erforderlich. „Viele gängige Antibiotika hemmen die Proteinsynthese in den bakteriellen Ribosomen“, sagt der LMU-Biochemiker Daniel Wilson. „Derzeit wird nach Wirkstoffen gesucht, die sich gegen andere lebenswichtige Prozesse der Bakterien richten“. Zu diesen Prozessen gehört das sogenannte Ribosomen-Recycling, dessen Mechanismen Wilson mit seinem Team nun untersucht hat. Die Ergebnisse liefern vielversprechende Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Antibiotika. Über ihre Studie berichten die Forscher im Fachmagazin Nature.

In den Ribosomen wird die im Botenmolekül mRNA gespeicherte Information abgelesen und in Proteine übersetzt. Ist das Botenmolekül fehlerhaft, bleibt es im Ribosom stecken und blockiert dieses. Um die lebenswichtigen Ribosomen wieder funktionsfähig zu machen, besitzen Zellen deshalb verschiedene Recyclingsysteme. Mithilfe von kryo-elektronenmikroskopischen Strukturanalysen ist es Wilsons Team nun erstmals gelungen, die Funktion des bakteriellen Recyclingfaktors ArfA aufzuklären. Wie die Wissenschaftler zeigen, rekrutiert ArfA in Gegenwart eines defekten Botenmoleküls einen sogenannten Terminationsfaktor, welcher das unvollständige Protein aus dem Ribosom entfernt. Daraufhin können sich die beiden Untereinheiten des Ribosoms auf konventionelle Weise trennen und für weitere Proteinsynthesen rekrutiert werden.

„Unsere Ergebnisse können zur Entwicklung neuer Antibiotika beitragen, die das ArfA-gesteuerte Recycling unterbinden“, sagt Wilson. Da das Ribosomen-Recycling in Menschen durch andere, mit ArfA nicht verwandte Faktoren gesteuert wird, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass solche Inhibitoren spezifisch auf Bakterien wirken und diese abtöten könnten.

Publikation:
Nature 2016

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