Schnelltest identifiziert Krankheitserreger

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.07.2016

Bakterien, Pilze oder Viren lassen sich heute in der Regel nur mit aufwendigen Labortests oder Tierversuchen sicher nachweisen. Die Lebensmittel- und Pharmaindustrie wünscht sich schnellere Tests, um ihre Produkte zu überprüfen. Fraunhofer-Forscher entwickeln deshalb einen Stick, der wie ein Schwangerschaftstest funktioniert und schnell ein Ergebnis liefert. Künftig sollen damit auch Allergene und Krankheitserreger im Blut nachgewiesen werden.

Forscherinnen und Forscher vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickeln einen Test, der schnell und günstig Bakterien, Pilze oder Viren nachweist. Geringe Spuren wie Bestandteile ihrer Zellwände (Pyrogene) reichen für den Nachweis aus. Er lässt sich direkt vor Ort ohne Labortechnik und Spezialwissen durchführen. »Der ImmuStick kann Pyrogene bereits außerhalb des Körpers detektieren – zum Beispiel auf medizinischen Geräten oder in Krankenhauszimmern. Grundsätzlich wäre die Technologie aber auch interessant, um menschliches Blut auf Krankheitserreger oder Allergien zu testen«, sagt Dr. Anke Burger-Kentischer.

Einfach wie ein Schwangerschaftstest

Die Methode funktioniert so simpel wie ein Schwangerschaftstest: Der ImmuStick ist ein Teststreifen, auf den ein wenig Flüssigkeit geträufelt wird. Enthält die Flüssigkeit Pyrogene, Bruchstücke von Erregern, wird das durch einen Farbstreifen in einem Sichtfenster angezeigt. Auf der Oberfläche des Sticks werden zunächst Immunrezeptoren des Menschen befestigt, die für bestimmte Pyrogene empfindlich sind. Dabei handelt es sich um nach dem biologischen Vorbild synthetisierte, im Labor hergestellte Immunrezeptoren. An die Andockstelle der Immunrezeptoren, an der normalerweise die Pyrogene anbinden, wird bei der Herstellung zunächst eine Art Platzhalter montiert, der mit einem Farbstoff markiert ist. Tröpfelt man dann beim Test eine Flüssigkeit auf den Teststreifen, die Pyrogene enthält, drängen die Pyrogene an die Andockstelle am Immunrezeptor. Die mit dem Farbstoff markierten Platzhalter wandern mit der Flüssigkeit durch den Teststreifen, bis sie im Sichtfenster zu sehen sind. Das Farbsignal ist also der Hinweis darauf, dass Pyrogene enthalten sind, die sich an die Immunrezeptoren angedockt haben.

Das ImmuStick-Projekt wurde mit Geldern des Discover-Progamms gefördert. Damit unterstützt die Fraunhofer-Gesellschaft Projekte für die Dauer von einem Jahr, um die Machbarkeit einer Technologie zu zeigen. Diesen Test hat der ImmuStick bestanden. »Wir konnten zeigen, dass er für das Bakterien-Pyrogen LPS sehr gut funktioniert. Jetzt wollen wir ihn gemeinsam mit Industriepartnern zu einem Produkt weiterentwickeln«, sagt Projektleiterin Burger-Kentischer. »Derzeit testen wir weitere Immunrezeptoren, die spezifisch für andere Pyrogene sind.

Blutvergiftungen und Allergien aufspüren

Angedacht sind derzeit Anwendungen in der Lebensmittel- und Pharmabranche oder in der Medizintechnik, da es dort auf absolute Keim- beziehungsweise Pyrogenfreiheit ankommt. Grundsätzlich wäre der ImmuStick auch für die Untersuchung von Blut interessant. Pyrogene im Blut führen oft zu einer Blutvergiftung, einer Sepsis, an der auch heute noch viele Menschen sterben, insbesondere geschwächte Intensivpatienten. »Das Blut ist allerdings eine besondere Herausforderung, weil es komplex ist und viele Inhaltsstoffe enthält. Mittelfristig streben wir aber eine Blutanalyse an«, sagt Burger-Kentischer.

Da auch bestimmte Allergieauslöser zu den Pyrogenen zählen, wäre hier ebenfalls eine Anwendung denkbar. In der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zum Beispiel ist es wichtig, dass die Produkte frei von Allergenen sind. Mit dem ImmuStick ließe sich dies in kürzester Zeit kostengünstig und einfach nachweisen. Aufwendige Labortests wären damit hinfällig oder könnten ergänzt werden. Derzeit suchen die IGB-Forscher Kooperationspartner, die den ImmuStick zur Marktreife weiterentwickeln wollen.

Pyrogene werden zum Problem, wenn es besonders auf Hygiene ankommt – zum Beispiel in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie oder auf Intensivstationen im Krankenhaus. Vor allem Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, können schwer erkranken. Vielfach werden deshalb Tests durchgeführt und die Oberfläche von Maschinen oder medizinischen Gegenständen durch Abstriche auf Pyrogene getestet. Diese Tests sind bislang allerdings recht aufwendig, weil sich die Pyrogene nur mit Labortechnik nachweisen lassen. Ein weit verbreiteter Standardtest ist der Nachweis von LPS, einer Struktur, die in der Membran bestimmter Bakterien auftritt. Dieser Test nimmt bislang etwa zwei Stunden in Anspruch. Andere Pyrogene lassen sich sogar nur im Tierversuch nachweisen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Die Gleitsichtbrille im Gehirn

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 10.06.2016

Sehinformationen aus dem nahen und fernen Sichtfeld werden mit unterschiedlicher Genauigkeit verarbeitet

Tübinger Neurowissenschaftler haben entdeckt, wie unser Gehirn visuelle Reize ober- und unterhalb des Horizonts unterschiedlich verarbeitet. Das Forscherteam unter Leitung von Dr. Ziad Hafed vom Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) der Universität Tübingen konnte bei nichthumanen Primaten nachweisen, dass verschiedene Teile des Sichtfeldes im Colliculus superior – einem Teil des Mittelhirns, der bei der visuellen Wahrnehmung und dem Verhalten eine zentrale Rolle spielt – asymmetrisch repräsentiert sind: Für das obere Sichtfeld steht mehr Gehirngewebe zur Verfügung als für das untere. Visuelle Reize oberhalb des Horizonts werden daher schärfer, präziser und schneller verarbeitet: Unser Gehirn trägt sozusagen eine Gleitsichtbrille.

Wenn wir sehen, nehmen wir die Welt fast ohne bewusste Absicht wahr. Wir sehen in der Mitte unseres Sichtfeldes – entlang der Blickachse – viel besser als in der Peripherie. Wenn unser Gehirn daher ein interessantes Objekt in der Peripherie wahrnimmt, löst es sofort eine Augenbewegung aus, so dass unsere Blickachse durch das Objekt verläuft. Sobald es in unserer unmittelbaren Sichtlinie ist, können wir das Objekt dann tiefenscharf wahrnehmen.

Das liegt teilweise an der extremen Dichte der Fotorezeptoren im Zentralbereich unserer Netzhaut, der Fovea. Aber die Vorliebe der visuellen Wahrnehmung für die Mitte unseres Sichtfeldes ist auch im Gehirn repräsentiert. Sie zeigt sich in jenen Hirnstrukturen, die Reize aus der Fovea verarbeiten. So ist im Colliculus superior (CS) – einer Region des Mittelhirns, die Augenbewegungen auf periphere Reize hin anregt – wesentlich mehr Hirnmasse auf die Verarbeitung fovealer Signale ausgerichtet als auf die von peripheren Signalen. Dieses Phänomen nennt man ‚foveale Vergrößerung’.

Das Team um Dr. Hafed konnte nun zeigen, dass auch andere Teile des Sichtfeldes als nur die Fovea im CS ‚vergrößert’ werden. Ihre Ergebnisse machen klar, dass das bisher verwendete Modell des CS, das nur foveale Vergrößerung kennt, nicht ausreicht. Dieses einfache Modell nimmt an, dass unser CS die Welt durch ein ‚Vergrößerungsglas’ betrachtet: Je zentraler ein Objekt in unserem visuellen Feld ist, desto spezifischer sprechen bestimmte Neuronen darauf an und desto mehr Neuronen sind darauf spezialisiert, das Signal zu verarbeiten.

Dr. Hafeds neues Modell modifiziert diese Vorstellung, indem es neben der fovealen Vergrößerung eine Vergrößerung des oberen Sichtfeldes annimmt. Sein Forscherteam fand heraus, dass die obere Hälfte des Sichtfeldes im CS durch Wahrnehmungsfelder repräsentiert wird, die wesentlich engmaschiger sind, feiner auf die Struktur empfangener Bilder abgestimmt und empfindlicher für Kontraste. Das untere Sichtfeld dagegen hat im CS eine geringere ‚Auflösung’. Die Forscher stellen sich die ‚Linse’ im CS daher eher wie eine Gleitsichtbrille vor.

Dr. Hafed meint, dass die Asymmetrie der neuralen Repräsentation an unsere normalen Umweltbedingungen angepasst ist. Weiter entfernte Objekte hinterlassen auf der Netzhaut kleinere Bilder als nahe. Um sinnvoll und schnell auf nahe Objekte reagieren zu können, benötigen wir daher keine so hohe Auflösung wie bei weit entfernten.

„In unserer dreidimensionalen Umgebung sind Objekte im unteren Sichtfeld meist nah an uns dran. Ein Beispiel wären die Anzeigen im Armaturenbrett beim Autofahren“, erklärt Hafed. „Weiter entfernte Objekte dagegen, zum Beispiel eine vor uns liegende Straßenkreuzung, befinden sich im oberen Sichtfeld. Um uns auf solche entfernteren Objekte zu konzentrieren, brauchen wir logischerweise eine höhere Auflösung im oberen Sichtbereich. Unsere Experimente liefern belastbare Hinweise, dass das alte Modell mit seiner symmetrischen Repräsentation des oberen und unteren Sichtfelds im Colliculus superior neu gedacht werden muss.“

Die Ergebnisse von Dr. Hafeds Forscherteam könnten sich für das Design der Benutzeroberfläche von Augmented Reality- (AR) und Virtual Reality (VR)-Systemen als sehr nützlich erweisen. Diese Systeme verfügen über große Displays, die fast das gesamte visuelle Feld abdecken. Das bietet viele Freiheitsgrade, wo essenzielle visuelle Informationen platziert werden. Es ist derzeit eine der großen technischen Herausforderungen, diese Platzierung für Menschen zu optimieren. Da die ‚Gleitsichtbrille’ im CS schnellere und präzisere Augenbewegungen im oberen Sichtfeld ermöglicht, könnten wichtige Informationen, die eine schnelle Verarbeitung erfordern, in AR und VR entsprechend angesiedelt werden.

Publikation:
Ziad M. Hafed, Chih-Yang Chen: Sharper, Stronger, Faster Upper Visual Field Representation in Primate Superior Colliculus. Current Biology (im Druck).

Externer Link: www.uni-tuebingen.de

Beta-Zellen aus der Speckrolle

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 11.04.2016

Forschende der ETH Zürich haben es geschafft, Stammzellen aus Fettgewebe mit einem künstlichen genetischen Programm so zu steuern, dass aus ihnen Zellen werden, die natürlichen Beta-Zellen sehr nahe kommen. Ein wichtiger Schritt hin zum persönlichen Reparaturset bei Diabetes.

Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften, hat mit seiner Forschungsgruppe am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel ein Kunststück geschafft, das viele Fachleute bislang für unmöglich gehalten haben: Sie haben aus dem Fettgewebe einer 50-jährigen Testperson Stammzellen gewonnen und diese mithilfe einer genetischen Umprogrammierung dazu gebracht, in funktionsfähige Beta-Zellen auszureifen.

Die mit dieser «genetischen Software» erzeugten Beta-Zellen produzieren in Anwesenheit von Glucose das Hormon Insulin, genauso wie natürliche, die in der Bauchspeicheldrüse vorkommen. Dies berichten die Forschenden im Fachjournal «Nature Communications».

Reifungsdynamik nachgestellt

Die Basler Biotechnologen fügten in die Stammzellen ein künstliches und hochkomplexes Gennetzwerk – die genetische Software – ein. Diese legten sie so aus, dass sie die wichtigsten der in diesen Reifungsvorgang involvierten Wachstumsfaktoren zeitlich und mengenmässig genau rekonstruiert.

Zentral sind die Wachstumsfaktoren Ngn3, Pdx1 und MafA, deren Konzentrationen während des Differenzierungsprozesses unterschiedlich hoch sind. So fehlt MafA zu Beginn der Reifung. Erst ab dem vierten Tag, während des letzten Reifungsschrittes, steigt die Konzentration dieses Faktors steil an und bleibt auf hohem Niveau konstant. Anders die Konzentrationen von Pdx1 und Ngn3: Letzterer erreicht den höchsten Pegelstand an Tag vier. Danach sinkt er ab. Pdx1 hingegen steigt zweimal stark an: Zu Beginn und zum Schluss der Reifung. Dazwischen sinkt der Pdx1-Pegelstand.

Fussenegger betont, dass eine möglichst naturnahe Nachbildung dieser Verläufe unerlässlich sei, um aus Fettzellen funktionierende Beta-Zellen zu machen. «Das Timing und die richtige Menge dieser Wachstumsfaktoren sind extrem wichtig.»

Neue Beta-Zellen sprechen auf Glucose an

Der ETH-Professor wertet es als Durchbruch, dass das Umprogrammieren mithilfe eines künstlichen Gennetzwerkes gelungen ist. Bisher steuerten Wissenschaftler Stammzelldifferenzierungen über die Zugabe von verschiedenen Chemikalien und Eiweissen per Pipette. «Die richtige Menge dieser Komponenten im richtigen Moment von Hand beizugeben, ist sehr schwierig, ineffizient und unmöglich grosstechnisch umzusetzen», sagt Fussenegger. Mit dem neuen Verfahren gelingt es, drei von vier Fett-Stammzellen in Beta-Zellen umzuwandeln.

Die künstlichen Beta-Zellen sind ihren natürlichen Vorbildern nicht nur optisch sehr ähnlich – beide weisen in der Zelle dunkle Körnchen auf, welche das Insulin speichern. Sie funktionieren auch ähnlich wie natürliche Beta-Zellen. «Noch sind die Insulin-Mengen nicht so hoch wie die von natürlichen Beta-Zellen», räumt Fussenegger ein. Entscheidend sei aber, dass es zum ersten Mal gelungen sei, die ganze Prozesskette von der Stammzelle zur ausdifferenzierten Beta-Zelle gemäss dem natürlichen Vorbild nachzustellen.

Implantat aus körpereigenen Zellen

Die Technik der Basler ETH-Forschenden könnte es künftig erlauben, für Diabetes-Patienten aus ihrem eigenen Fettgewebe neue Beta-Zellen herzustellen und diese zu implantieren. Transplantationen von Beta-Zellen wurden zwar schon vorgenommen, aber wie bei allen Verpflanzungen von fremden Organen oder Teilen davon muss danach das Immunsystem des Empfängers unterdrückt werden. «Eine solche Massnahme wäre bei unseren Beta-Zellen wohl kaum nötig, da wir sie ja aus körpereigenem Zellmaterial des Patienten gewinnen. Deshalb ist unsere Arbeit für die Diabetes-Behandlung so interessant», sagt der ETH-Professor.

Vollständige Ausreifung in der Kulturschale

Bislang haben die ETH-Forscher ihre Beta-Zellen erst in Kulturen gezüchtet und noch nicht in einen Diabetes-Patienten eingesetzt. Sie wollten erst herausfinden, ob das synthetische Gen-Programm Stammzellen tatsächlich vom Anfang bis zum Ende ausdifferenzieren lässt. Fussenegger ist überzeugt, dass sie mit der neuen Methode auch andere Zelltypen aus Stammzellen des Körperfetts erzeugen können. «Und die meisten Menschen haben überschüssiges Fett, aus dem sich die Vorläuferzellen gewinnen lassen.»

Literaturhinweis:
Saxena P, Heng BC, Bai P, Folcher M, Zulewski H, Fussenegger, M. A programmable synthetic lineage-control network that differentiates human IPSCs into glucose-sensitive insulin-secreting beta-like cells. Nature Communications, published online April 11th 2016. DOI: 10.1038/NCOMMS11247

Externer Link: www.ethz.ch

Herzspende aus München

Presseinformation der LMU München vom 05.04.2016

Können Organe aus dem Tier irgendwann einmal helfen, Menschenleben zu retten? LMU-Forscher haben jetzt ein Schweineherz so modifiziert, dass es im Tiermodell immerhin gut zweieinhalb Jahre lang schlagen konnte, ohne abgestoßen zu werden.

Tausende Menschen warten derzeit allein in Deutschland auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Doch ob Herz, Leber, Lunge oder Niere – der Bedarf übersteigt bei Weitem die Zahl der Organe, die zur Verfügung stehen. Seit Langem forschen Wissenschaftler in aller Welt daran, Organe aus Tieren als Ersatz nutzbar zu machen. Allerdings gibt es bislang kaum überwindbare Hürden, vor allem sind es die Abstoßungsreaktionen, die verhindern, dass ein fremdes Organ im Körper auf Dauer überleben kann. Jetzt ist es Forschern der National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, USA, gelungen, ein Schweineherz im Körper eines Affen 945 Tage schlagen zu lassen – mehr als doppelt so lange wie in allen Versuchen jemals zuvor. Mit einer vergleichsweise einfachen und wenig toxischen Behandlung haben sie das Immunsystem des Affen so weit unterdrückt, dass es das implantierte Herz nicht abstößt. Davon berichten die Forscher im renommierten Fachmagazin Nature Communications.

Beteiligt an den Arbeiten sind auch Forscher vom Genzentrum der LMU: Eckhard Wolf, Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie, und sein Mitarbeiter Nikolai Klymiuk haben Schweine genetisch so verändert, dass sich ihr Herz besonders gut für eine solche Transplantation eignet. Schweine könnten sich für den Menschen als potenzielle Organspender erweisen, weil ihr Stoffwechsel dem des Menschen weitgehend ähnelt.

Die Modifikation der Spenderschweine, die die LMU-Forscher vorgenommen haben, verhindert, dass das Blut von Primaten, wenn es durch die Gefäße im Schweineherz fließt, Gerinnsel bildet. Für diesen Prozess spielen das Thrombin im Blut und das Thrombomodulin auf den Blutgefäßzellen eine wichtige Rolle. Wenn sie aneinander binden, wird eine gerinnungshemmende Substanz, das sogenannte Protein C, aktiviert. Bei der Transplantation eines fremden Organs ist dieser Schritt jedoch gehemmt, weil das Thrombin des Affen in Verbindung mit dem Thrombomodulin vom Schwein nicht ausreichend in der Lage ist, Protein C zu aktivieren. Dadurch kommt es mit der Zeit zur Ausbildung von Thromben, was wiederum die Abstoßung beschleunigt. Die LMU-Forscher haben genetisch mehrfach veränderte Schweine generiert, die auf ihren Blutgefäßzellen das menschliche Thrombomodulin haben. Damit konnten sie das Problem der unerwünschten Blutgerinnung im transplantierten Schweineherz lösen. Wissenschaftler in den USA haben ähnliche genetische Veränderungen durchgeführt, aber das in der NIH-Studie am längsten überlebende Herz hatte die von den LMU-Wissenschaftlern entwickelte genetische Modifikation.

Wolfs Gruppe ist beteiligt an dem Sonderforschungsbereich zur Xenotransplantation, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Dresden, Hannover und München fördert. Sprecher des SFB ist der Herzchirurg Professor Bruno Reichart vom Klinikum der LMU.

Publikation:
Nature Communications 2016

Externer Link: www.uni-muenchen.de

Neuer Biomarker entdeckt

Presseinformation der LMU München vom 03.03.2016

Die Demenzforscher Christian Haass und Michael Ewers haben einen Marker entdeckt, der in sehr frühen Alzheimerstadien Abwehrmechanismen des Gehirns anzeigt.

Die Alzheimer-Demenz wird durch krankhafte Veränderungen im Gehirn verursacht. Es sammeln sich giftige Eiweißklumpen an, die die Nervenzellen schädigen. Dabei handelt es sich um kleine Eiweißfragmente, die sogenannten Beta-Amyloid-Peptide, die sich bereits Jahre vor dem Auftreten von Demenzsymptomen im Gehirn ablagern. Die Forscherteams von Christian Haass, Inhaber des Lehrstuhls für Stoffwechselbiochemie der LMU und Sprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in München, und Michael Ewers, Professor am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am Klinikum der LMU, zeigten nun erstmals, dass im Nervenwasser die Konzentration des Proteins TREM2 in einem frühen Stadium der Alzheimererkrankung deutlich erhöht ist. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Protein TREM2 eine wichtige Rolle für den Verlauf der Alzheimer- und vielleicht sogar anderer Demenzerkrankungen spielt und offenbar einen Abwehrmechanismus von Fresszellen widerspiegelt, die im Gehirn geschädigte Nervenzellen und giftige Ablagerungen, wie zum Beispiel Beta-Amyloid, entfernen“, sagt Christian Haass. Darüber berichten die Forscher aktuell in der Fachzeitschrift EMBO Molecular Medicine.

Das Gen TREM2 ist wichtig für die Funktion spezialisierter Fresszellen im Gehirn, die Mikrogliazellen genannt werden. Die Mikrogliazellen haben eine Art Wächterfunktion im Immunsystems des Gehirns und sorgen dafür, dass giftiges Material entsorgt wird. Dabei ist das Protein TREM2 entscheidend. Die Demenzforscher um Haass und Ewers haben nun erstmals eine erhöhte Konzentration des Proteins im Nervenwasser von Patientinnen und Patienten nachgewiesen, die an einem frühen Stadium von Alzheimer litten. In Patienten mit Genveränderungen, die zu einem Verlust von TREM2 führen, konnten die Forscher bereits in einer früheren Publikation zeigen, dass hier die Fresszellen Amyloid-Ablagerungen und totes Zellmaterial nicht mehr so gut entfernen können.

Biomarker bringt mehrfachen Nutzen

In ihrer Studie haben die Forscher insgesamt mehr als 400 Patientinnen und Patienten mit Alzheimererkrankung untersucht, die unterschiedlich stark fortgeschritten war, sowie eine Gruppe gesunder Personen. Unter anderem wurde ihnen Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Die Datenanalyse ergab, dass ein Fragment des TREM2-Proteins am stärksten in der Rückenmarksflüssigkeit bei jenen Personen nachweisbar war, die nur eine leichte kognitive Beeinträchtigung hatten. Bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz war die Konzentration dagegen wieder niedriger. „Das spiegelt die Aktivität der Mikrogliazellen wider, die im Laufe der Krankheit abnimmt, wodurch vermutlich weniger Beta-Amyloid-Peptide und totes Zellmaterial abtransportiert werden“, erläutert Christian Haass. „Wir glauben, dass sich mithilfe unseres Biomarkers die Fähigkeit der Gehirnzellen beobachten lässt, giftiges Material abzubauen.“

Die Studie gibt keine abschließende Antwort, ob der erhöhte TREM2-Spiegel Ursache oder Konsequenz des Fortschreitens der Krankheit ist. Die Forscher vermuten jedoch, dass der Anstieg von TREM2 eine Reaktion der Mikrogliazellen auf erste Verletzungen von Nervenzellen im Gehirn ist. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass TREM2-Veränderungen einen frühen Krankheitsprozess in der Entwicklung der Alzheimer-Demenz widerspiegeln. Damit wird TREM2 auch aus therapeutischer Perspektive interessant“, sagt Michael Ewers.

Der neue Biomarker könnte in zukünftigen klinischen Studien die Möglichkeit bieten, die Effektivität von neuen anti-inflammatorischen Behandlungsansätzen messbar zu machen. Auch ist zu erwarten, dass mit der Messung von TREM2 im Nervenwasser ein frühes Behandlungszeitfenster festgelegt werden kann. Die LMU-Forscher schlagen vor, die Konzentration von TREM2 im Rahmen einer Längsschnittstudie zu verfolgen, bei der Patienten mit Genveränderungen, die familiären Alzheimer verursachen, über einen längeren Zeitraum kontinuierlich nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht werden.

Publikation:
EMBO Molecular Medicine, doi: 10.15252/emmm.201506123

Externer Link: www.uni-muenchen.de