Heidelberger Forscher entschlüsseln wichtigen Teil des zellulären Proteintransportsystems

Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 04.04.2014

Mit Hilfe der Strukturbiologie wird ein zentrales Element des Signal-Erkennungspartikels charakterisiert

Mit ihren Forschungen zum zellulären Proteintransport ist es Heidelberger Wissenschaftlern gelungen, ein weiteres wichtiges Element dieses komplexen Transportsystems strukturell und funktionell zu charakterisieren. Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte Signal-Erkennungspartikel, kurz SRP, das als molekularer „Postbote“ für die Sortierung und Membraninsertion von Proteinen sorgt. Das Team um Prof. Dr. Irmgard Sinning vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg hat jetzt einen zentralen SRP-Bestandteil entschlüsselt, über den bisher nur wenig bekannt war. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden heute in „Science“ veröffentlicht.

Jede Zelle enthält Hunderte von Proteinen, von denen mehr als ein Drittel für den Einbau in Zellmembranen oder den Export aus der Zelle heraus sortiert werden muss. Zum Einsatz kommt dabei ein molekularer „Postbote“ – das SRP. Ohne die SRP-Logistik bricht der zelluläre Verkehr zusammen. Mit Hilfe eines eingebauten Transportsignals werden SRP-Pakete bereits an den Synthesefabriken der Zelle – dies sind die Ribosomen – abgeholt. Von dort aus geht es zum Postausgang, dem Translokations-Kanal. Im menschlichen Organismus ist das SRP ein makromolekularer Komplex, der aus einer Ribonukleinsäure, der SRP-RNA, und sechs daran gebundenen Proteinen besteht. Während mittlerweile vier dieser Proteine im atomaren Detail bekannt sind, haben sich die beiden größten – SRP68 und SRP72 – bisher „hartnäckig einer näheren Untersuchung verweigert“, wie Prof. Sinning sagt.

Der von Irmgard Sinning geleiteten Abteilung Strukturbiologie ist es jetzt gelungen, einen essentiellen Teil des SRP-Systems – die RNA-Bindedomäne von SRP68 – zu charakterisieren. Dabei ging es den Wissenschaftlern um die Frage, wie eben dieses Protein an der SRP-RNA bindet. Wie die Heidelberger Forscher herausgefunden haben, besitzt SRP68 ein sogenanntes argininreiches Motiv (ARM). Dieses sorgt nicht nur für die Bindung, sondern ändert dabei auch signifikant die Struktur der SRP-RNA. Der „starke ARM“ biegt die RNA in ihre funktionsfähige Form. „Ohne diese Änderung könnte das SRP nicht richtig an das Ribosom binden, und der Transport der dort produzierten Proteine zum Translokations-Kanal würde blockiert“, erläutert Prof. Sinning.

Die Analyse früherer elektronenmikroskopischer und biochemischer Daten lässt noch weitere Schlüsse zu: Durch das Verbiegen der RNA werden zwei Basen nach außen gedrückt, die einen direkten Kontakt mit dem Ribosom ausbilden. Bei Erreichen des Translokations-Kanals wird dieser Kontakt wieder aufgelöst, und die beiden Basen stehen für die Regulation des Antriebssystems der Translokation zur Verfügung. „Mit unseren Forschungsarbeiten zum ,starken ARM‘ der Proteintranslokation konnten wir einen der letzten weißen Flecke des SRP-Systems beschreiben“, betont Dr. Klemens Wild aus der Abteilung von Prof. Sinning.

Originalpublikation:
J.T. Grotwinkel, K. Wild, B. Segnitz and I. Sinning: SRP RNA Remodeling by SRP68 Explains Its Role in Protein Translocation, Science (4 April 2014), Vol. 344 no. 6179 pp. 101-104, doi: 10.1126/science.1249094

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Wie Bakterien Widerstand leisten

Presseinformation der LMU München vom 25.03.2014

Elektronenmikroskopische Bilder zeigen zum ersten Mal strukturelle Veränderungen im bakteriellen Ribosom, die bei der Resistenzbildung gegen das Antibiotikum Erythromycin auftreten.

Multiresistente Bakterien, bei denen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen, sind in der Medizin ein immer größeres Problem. Manche Bakterien besitzen von Natur aus Resistenzgene, andere erwerben sie durch Mutationen oder den Austausch mit anderen Bakterien. Um Resistenzen zu verhindern und möglicherweise neue, wirksame Antibiotika zu entwickeln, ist es wichtig, die Mechanismen der Resistenzbildung zu verstehen. Für das Antibiotikum Erythromycin, das zu den sogenannten Makrolidantibiotika gehört, erzielte der LMU-Biochemiker Daniel Wilson dabei nun einen entscheidenden Fortschritt: Dem Wissenschaftler gelang es mit seinem Team zum ersten Mal, Einblick in die Mechanismen zu erhalten, wie Resistenzgene gegen Erythromycin aktiviert werden.

Strukturelle Veränderungen initiieren Resistenzbildung

Wie die meisten Antibiotika dockt auch Erythromycin an den bakteriellen Ribosomen an, den Proteinfabriken im Inneren der Erreger. Dort verhindert es die Herstellung neuer Proteine, die für das Überleben und die Vermehrung der Krankheitserreger notwendig sind. Einer der Hauptwege, wie es zur Resistenzbildung kommt, ist eine Veränderung der ribosomalen RNA: Durch das Andocken von Erythromycin an das Ribosom werden Resistenzgene aktiviert, die die Übertragung von zwei zusätzlichen Methylgruppen auf die ribosomale RNA initiieren. „Diese strukturelle Veränderung erschwert dann die Bindung von Erythromycin an das Ribosom und hemmt damit seine Wirksamkeit“, sagt Wilson.

„Die für die Resistenzbildung notwendigen Enzyme werden aber nur produziert, wenn sie auch benötigt werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Signalpeptid ErmBL“, sagt Wilson. Die genetische Information zur Produktion neuer Proteine wird aus dem Zellkern von dem Botenmolekül mRNA in das Ribosom übermittelt, wo anhand dieser Vorlage Proteine synthetisiert werden. Verrät das Signalpeptid die Anwesenheit von Erythromycin, hält das Ribosom die Herstellung des Signalpeptids ErmBL zunächst an. Dieser Stopp ermöglicht der mRNA die Ausbildung einer neuen Struktur. Dadurch werden die ansonsten unzugänglichen Resistenzgene für die Zellmaschinerie erreichbar und können aktiviert werden.

„Die strukturellen Grundlagen dieses Stopps der Proteinsynthese waren bisher völlig unbekannt“, sagt Wilson. „Wir konnten nun mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie erstmals ein durch Signalpeptid und Antibiotikum gestopptes Ribosom abbilden. Dies ermöglicht uns einen strukturellen Einblick in die Mechanismen, wie die Resistenzbildung induziert wird“, sagt Wilson.

Antibiotikum lenkt Signalpeptid um

Dabei zeigte sich zur Überraschung der Wissenschaftler, dass das Signalpeptid ErmBL und Erythromycin nicht direkt miteinander interagieren. Stattdessen scheint die Anwesenheit von Erythromycin die Eiweißkette, aus der das Signalpeptid besteht, im Inneren des Ribosoms umzuleiten. Dabei nimmt ErmBL eine spezielle Struktur an, die das aktive Zentrum des Ribosoms hemmt.

„Diese Erkenntnisse könnten zukünftig helfen, bessere Makrolidantibiotika zu entwickeln“, ist Wilson überzeugt. „Zuerst müssen wir aber die Mechanismen im Ribosom noch besser verstehen“. Als ersten Schritt auf diesem Weg arbeiten die Wissenschaftler nun daran, die Auflösung der kryoelektronenmikroskopischen Aufnahmen zu verbessern und auch andere durch Wirkstoffe gestoppte Ribosomen zu untersuchen. (göd)

Publikation:
Nature Communications 2014

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Neue Gene für bipolare Störung entdeckt

Medienmitteilung der Universität Basel vom 12.03.2014

Erst himmelhoch jauchzend und dann wieder zu Tode betrübt – so stellen sich die extremen Stimmungswechsel für Menschen mit einer bipolaren Störung dar. Unter Leitung von Wissenschaftlern aus Bonn, Mannheim und Basel hat ein internationales Forscherteam zwei neue Genregionen identifiziert, die mit der verbreiteten manisch-depressiven Erkrankung zusammenhängen. Darüber hinaus konnten die Forscher drei weitere Verdachtsgene bestätigen. Sie nutzten in der weltweit einmaligen Studie Patientenzahlen in bisher nicht gekannten Umfang. Die Ergebnisse sind jetzt im renommierten Fachjournal «Nature Communications» veröffentlicht.

Rund ein Prozent der Bevölkerung erkrankt im Laufe seines Lebens an einer bipolaren Störung, die auch als manisch-depressive Krankheit bekannt ist. Die Patienten durchlaufen eine wahre Achterbahn der Emotionen: Im extremen Wechsel erleben sie manische Phasen mit Grössenwahn, gesteigertem Antrieb und vermindertem Schlafbedürfnis sowie depressive Episoden mit stark gedrückter Stimmung bis hin zu Suizidgedanken.

Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig verstanden, jedoch haben über psychosoziale Auslöser hinaus genetische Faktoren einen grossen Anteil. «Für die Ausprägung einer bipolaren Störung hat nicht ein einzelnes Gen einen starken Effekt, sondern es sind offenbar sehr viele verschiedene Gene beteiligt, die mit Umweltfaktoren auf komplexe Weise zusammenwirken», sagt Prof. Sven Cichon, Direktor der Abteilung Medizinische Genetik am Universitätsspital Basel.

Erbgut-Daten von rund 24’000 Menschen

In den vergangenen Jahren war es den Wissenschaftlern bereits gelungen, mehrere Gene zu entschlüsseln, die mit der bipolaren Störung in Zusammenhang gebracht werden. Bei der Suche nach weiteren genetischen Risikoregionen nutzten die Forscher um Prof. Markus M. Nöthen vom Universitätsklinikum Bonn, Prof. Marcella Rietschel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim und Prof. Sven Cichon vom Universitätsspital Basel nun in einer internationalen Forschungskollaboration Patientenzahlen in bisher nicht gekannten Umfang: Es wurden neue Erbgut-Daten von 2’266 Patienten mit manisch-depressiver Erkrankung und 5’028 Kontrollpersonen gewonnen, mit bestehenden Datensätzen zusammengefügt und gemeinsam analysiert. Insgesamt wurden Daten über das Erbgut von 9’747 Patienten mit Daten von 14’278 gesunden Menschen verglichen.

Die Fahndung nach Genen, die an der manisch-depressiven Erkrankung beteiligt sind, gleicht einer Suche im Heuhaufen. «Die Beiträge einzelner Gene sind so gering, dass sie normalerweise im Grundrauschen genetischer Unterschiede nicht zu erkennen sind», erklärt Sven Cichon, Professor für Medizinische Genetik an der Universität Basel. «Erst wenn die DNA von extrem vielen Patienten mit bipolarer Störung gegen das Erbgut von einer ebenfalls sehr grossen Zahl an gesunden Menschen abgeglichen wird, schälen sich Unterschiede statistisch abgesichert heraus».

Zwei neue Genregionen entdeckt und drei bekannte bestätigt

Die Forscher erfassten mit automatisierten Analyseverfahren im Erbgut der Patienten und Vergleichspersonen jeweils rund 2,3 Millionen verschiedene genetische Marker. Die anschliessende Auswertung mit biostatistischen Methoden ergab insgesamt fünf Risikoregionen auf der DNA, die mit der bipolaren Störung in Zusammenhang stehen. Davon wurden zwei neu entdeckt: Das Gen «ADCY2» auf Chromosom fünf und die sogenannte «MIR2113-POU3F2»-Region auf Chromosom sechs. Drei bereits bekannte Risikoregionen «ANK3», «ODZ4» und «TRANK1» wurden bereits in vorangegangenen Studien beschrieben. «Diese Genregionen, die mit der bipolaren Störung zusammenhängen, wurden durch die aktuelle Untersuchung statistisch besser abgesichert», sagt die Psychiaterin Prof. Marcella Rietschel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.

Besonders interessieren sich die Forscher nun für die neu entdeckte Genregion «ADCY2». Sie codiert ein Enzym, das an der Weiterleitung von Signalen in Nervenzellen hinein beteiligt ist. «Das passt sehr gut zu Beobachtungen, dass bei Patienten mit bipolarer Störung die Signalübertragung in bestimmten Regionen des Gehirns beeinträchtigt ist», erklärt der Bonner Humangenetiker Prof. Markus Nöthen. Die Wissenschaftler klären mit ihrer Fahndung nach genetischen Regionen die biologischen Grundlagen der manisch-depressiven Krankheit Schritt für Schritt auf, dies mit dem Ziel, Ansatzpunkte für neue Therapien zu identifizieren.

Originalbeitrag:
Mühleisen, Leber, Schulze et al.
Genome-wide association study reveals two new risk loci for bipolar disorder
Nature Communications | DOI: 10.1038/ncomms4339

Externer Link: www.unibas.ch

Klinisch erprobter Wirkstoff überwindet in Zellkultur Resistenz gegen mögliche neue Tumortherapie

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 26.02.2014

Molekularbiologen der Saar-Universität haben im Labor eine Strategie entwickelt, um bei einem neuen Therapieansatz für Prostatakarzinompatienten Resistenzen zu überwinden und möglicherweise auch die Zellmigration, also die Wanderung von Krebszellen, zu unterdrücken. Die neue Therapie, an der weltweit mehrere Arbeitsgruppen forschen, greift in den Kalziumhaushalt der Krebszellen ein, um sie abzutöten. Bei etwa der Hälfte aller untersuchten Prostatatumoren konnte das Forscherteam um Professor Richard Zimmermann und Dr. Markus Greiner jedoch einen Resistenzmechanismus in den Zellen nachweisen, der ein Hindernis für die neue Therapie darstellen könnte. Die Molekularbiologen fanden heraus, dass eine erhöhte Konzentration des Proteins Sec62 Ursache dieser Resistenz ist. Ihre Laborergebnisse in Zelllinien deuten darauf hin, dass ein Wirkstoff, der früher gegen psychische Störungen eingesetzt wurde, der Resistenz entgegenwirken und außerdem die Zellmigration unterbinden kann. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift BMC Cancer.

Gegen das Prostatakarzinom, die häufigste bösartige Erkrankung des Mannes, wird derzeit ein neuer Therapieansatz erforscht. US-Wissenschaftler haben in den letzten Jahren so genannte Thapsigargin-Analoga entwickelt, die gezielt Krebszellen abtöten, indem sie die Kalziumspeicher in diesen Zellen entleeren. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Saar-Universität in Homburg konnten jedoch in aktuellen Forschungsarbeiten zeigen, dass bei etwa der Hälfte der Prostatakarzinompatienten die Tumorzellen einen Resistenzmechanismus gegen eine solche Therapie aufweisen. „Dieser Resistenzmechanismus ist auf eine erhöhte Konzentration des Proteins Sec62 zurückzuführen“, erläutert Professor Richard Zimmermann. Der hohe Sec62-Gehalt bewirkt in der Zelle, dass das Protein „Calmodulin“ die Kanäle verschließt, aus denen das Kalzium aus dem Kalziumspeicher, dem so genannten endoplasmatischen Retikulum, ausströmen soll. „Das ist der Grund dafür, dass Tumorzellen mit erhöhtem Sec62-Gehalt resistenter gegenüber der Therapie mit Thapsigargin-Analoga sind“, erläutert Zimmermann.

Zimmermanns Arbeitsgruppe am Institut für Medizinische Biochemie und Molekularbiologie hat im Labor mit Hilfe von Zellkulturen hierfür möglicherweise eine Lösung gefunden, die jetzt im Fachblatt BMC Cancer veröffentlicht wurde. „Wir konnten in Tumorzelllinien nachweisen, dass dieser Nachteil mithilfe der Substanz Trifluoperazin, kurz TFP, aufgehoben werden kann. Dieser Wirkstoff wurde bereits als Neuroleptikum unter dem Markennamen Jatroneural® gegen psychische Störungen eingesetzt“, sagt Dr. Markus Greiner, Forscher in der Arbeitsgruppe von Professor Zimmermann. „TFP bindet direkt an das Protein Calmodulin an und verhindert, dass es die Kanäle verschließt“, erklärt Greiner.

Sec62 erwies sich nicht nur beim Prostata-, sondern auch beim Schilddrüsen- und Lungenkarzinom als wichtiger Tumormarker, also als Substanz, die in Tumorzellen in erhöhter Konzentration auftritt. Die Homburger Forscher bringen das Protein mit einer aggressiveren Erkrankung und somit einer schlechteren Prognose in Verbindung. Auch bei Tumoren, die bereits Metastasen gebildet hatten, fanden sie einen erhöhten Sec62-Gehalt. „Kalzium ist ein wichtiges Signalmolekül für die Wanderung von Zellen, die so genannte Zellmigration, die Voraussetzung für die Bildung von Metastasen ist“, sagt Markus Greiner. Das Kalzium sorgt in der Zelle dafür, dass diese ihre Bewegungsrichtung erkennen kann. Werden die Tumorzellen mit TFP behandelt, leert sich der Kalziumspeicher, die Zelle verliert sozusagen die Orientierung. „Dies führt zu einem fast vollständigen Stopp der Zellmigration“, erklärt der Molekularbiologe.

„Wir schlagen eine kombinierte Behandlung mit TFP und Thapsigargin-Analoga vor. Diese könnte in Zukunft eine mögliche Therapieoption für viele Patienten sein, deren Tumor ansonsten aufgrund des hohen Sec62-Gehalts nicht mit Thapsigargin therapierbar wäre“, erläutert er. Ihre Ergebnisse werden die Homburger Forscher in den nächsten Jahren in weiteren Studien im Labor überprüfen, bevor an eine klinische Erprobung gedacht werden kann.

Originalveröffentlichung:
Linxweiler M., Schorr S., Schäuble N., Jung M., Linxweiler J., Langer F., Schäfers H.-J., Cavaliè A., Zimmermann R., and Greiner M.: Targeting cell migration and Endoplasmic Reticulum stress response with calmodulin antagonists: Mimicking Sec62-depletion phenotypes by small molecule treatment, BMC Cancer, 2013, 13:574; doi: 10.1186/1471-2407-13-574

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Schweißdrüsen heilen Wunden

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.02.2014

Aus eigenen Schweißdrüsen können Stammzellen gewonnen werden, die sich besonders gut zur Wundheilung eignen. Sie bilden Hautzellen und managen den Heilungsprozess. Der Körper stößt sie nicht ab und sie können ambulant entnommen werden.

Alles begann mit der Bauchspeicheldrüse. Prof. Charli Kruse, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie EMB in Lübeck, erinnert sich noch gut daran. Die Forscher hatten Zellen des Organs isoliert und in einer Petrischale für Forschungszwecke kultiviert – um die Funktion des Eiweißes Vigilin zu untersuchen, das in den Drüsenzellen gebildet wird. »Plötzlich stellten wir fest, dass sich diese auf ungewöhnliche Art und Weise vermehrten: Durch das Mikroskop erkannten wir in der Schale Drüsenzellen – aber auch Nerven- und Muskelzellen.« Aus dem Drüsengewebe hatten sich Stammzellen gebildet, die sich vermehrten und zudem unterschiedliche Zelltypen bilden konnten. Schnell zeigte sich, dass dies auch mit anderen Drüsenzellen funktionierte: »Wir arbeiteten uns langsam vom Körperinnern nach außen und landeten schließlich auf der Haut – bei den Schweißdrüsen. Auch hier dasselbe Ergebnis: Eine Petrischale voller Stammzellen.« Bisher waren Schweißdrüsen wenig beachtet worden: Labortiere wie Mäuse oder Ratten haben diese nur an den Pfoten. Der Mensch besitzt bis zu drei Millionen – vor allem an den Fußsohlen, den Handflächen, in den Achselhöhlen und auf der Stirn.

Die Stammzellen zur Heilung stammen aus der Achsel

Biologen und Mediziner nutzen Stammzellen, um aus ihnen neues Gewebe zu gewinnen – zum Beispiel, um kranke oder verletzte Zellen zu ersetzen. Insbesondere bei der Wundheilung spielen sie eine wichtige Rolle. Ideal sind körpereigene Stammzellen, da sie der Körper nicht abstößt. Diese lassen sich jedoch nur in aufwendigen Operationen aus dem Knochenmark oder dem Blut gewinnen. »An Schweißdrüsen kommt man wesentlich einfacher heran. Ein kleiner ambulanter Eingriff beim Hautarzt genügt. Uns reichen weniger als drei Millimeter Achsel-Haut aus, um Stammzellen zu gewinnen«, erklärt Kruse. Transplantiert man diese Stammzellen in Hautwunden, so können sie die Wundheilung positiv beeinflussen. Ob die Zellen dabei selbst neue Hautzellen und Blutgefäße bilden oder durch das Ausscheiden von Wachstumshormonen Immunzellen aktivieren und so die Heilungsvorgänge managen, ist Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten.

Die Wissenschaftler haben den positiven Effekt auf die Wundheilung am Tiermodell und an menschlicher Haut in der Petrischale nachgewiesen. Die Forscher legten dafür millimetergroße lebende Schweißdrüsen aus einer Hautprobe unter einem Mikroskop frei. Die darin enthaltenen Zellen vermehrten sie außerhalb des Körpers und regten sie an, andere Zelltypen zu bilden: »Wir besiedelten mit ihnen ein Trägermaterial und setzten dieses auf eine Wunde, die wir zuvor einer Testhaut zugefügt hatten.« Das Ergebnis: Die Wunde heilte mit den Stammzellen deutlich schneller und besser als ohne. Der Träger gibt den Zellen eine feste Struktur. Er besteht zum Beispiel aus Kollagen, einem Strukturprotein des menschlichen Bindegewebes, das später durch körpereigene Faserproteine ersetzt wird. »Ohne diese Struktur würden die Zellen vom Blutstrom erfasst und abtransportiert werden. Sie müssen möglichst fest auf der Wunde bleiben. Nur dann können sie mit der Haut reagieren und sich am Heilungsprozess beteiligen«, so Kruse. Er arbeitet beim Thema Wundheilung eng mit der plastischen Chirurgie der Universität Lübeck zusammen.

Seit Ende letzten Jahres kooperiert die EMB mit der Bioenergy CellTec GmbH, die ihren Firmensitz von Köln nach Lübeck verlegt hat. Für die Entwicklung von neuen Produkten in der Wundheilung nutzt das Biotech-Unternehmen ein neuartiges Trägermaterial. Ein Biopolymer, welches sich besonders gut für die Kombination mit Zellen eignet. Es ist hydrophil – wasserliebend – und so behandelt, dass es für Zellen besonders attraktiv ist, dort zu siedeln. Nun wollen beide Partner ihre Entwicklungen zusammenführen und gemeinsam Produkte herstellen, die Wunden schneller und besser heilen lassen. »Insbesondere für chronische Wunden, die oft über einen langen Zeitraum nicht verheilen, gibt es bisher noch keine effektive Therapie«, sagt Dr. Kathrin Adlkofer, Geschäftsführerin von Bioenergy. Die dauerhaft offenen Stellen entstehen durch kranke Venen oder Arterien, Diabetes, Tumore, Infektionen oder Hauterkrankungen.

Die Lübecker Wissenschaftler haben bereits weitere Anwendungen im Kopf: »Die Stammzellen aus den Schweißdrüsen lassen sich nicht nur einfach kultivieren, sie sind auch sehr vielseitig.« Kruse und sein Team erproben bereits eine Therapie für die Makula-Degeneration – eine Krankheit der Netzhaut, mit der vor allem ältere Menschen zu kämpfen haben. Auch Implantate stößt der Körper weniger ab, wenn diese in körpereigene Stammzellen eingehüllt sind. Kruse: »Auf lange Sicht ist eine Zellbank denkbar, in die ein junger Mensch Stammzellen seiner eigenen Schweißdrüsen einlagern kann. Aus der kann er sich dann bedienen, wenn er neue Zellen benötigt – zum Bespiel nach einer Krankheit oder einem Unfall.«

Externer Link: www.fraunhofer.de