Krebsstammzellen – Kurze RNA spielt eine wichtige Rolle

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 23.09.2011

Regensburger Forscher entdecken neuen Tumorhemmer

Krebsstammzellen sind besonders heimtückisch. Im Unterschied zu normalen Krebszellen überstehen Stammzellen eine Chemo- oder Strahlentherapie häufig unbeschadet. Sie verkriechen sich in Nischen und können dort für längere Zeit in einer Art Ruhezustand verharren, bevor sie irgendwann wieder erwachen, sich teilen und neues Tumorwachstum anregen. So sind sie mitunter dafür verantwortlich, dass der Krebs nach einer ersten erfolgreichen Behandlung wiederkehrt. Seit einigen Jahren sind Krebsstammzellen deshalb in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Denn sie sind der zentrale Gegner im Kampf gegen Krebs. Die Ausschaltung von Stammzellen könnte ein Ansatz für die Entwicklung neuer Krebstherapien sein. Allerdings gibt es eine Reihe offener Fragen, gerade was die Zusammenhänge auf molekularer Ebene angeht.

Einem Forscherteam der Universität Regensburg gelang es nun, über die Untersuchung der Bedeutung von kleinen RNA-Molekülen für die Entwicklung von Stammzellen des Glioblastoms – des häufigsten bösartigen Hirntumors bei Erwachsenen – etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Die sogenannten MikroRNAs (miRNAs) sind kleinste Formen der Ribonukleinsäure, die wesentliche Funktionen bei der Genregulation in Zellen erfüllen. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Gunter Meister vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie konnten nachweisen, dass miRNAs auch in den Stammzellen des Glioblastoms produziert werden. Mehr noch: einzelne miRNA-Typen finden sich nach der Analyse der Forscher sogar in einer sehr großen Zahl in den Tumorstammzellen und scheinen auch deren Eigenschaften als Stammzellen zu festigen.

Vor diesem Hintergrund analysierten die Forscher die Funktionsweise dieser bestimmten miRNA-Typen. Als Zielmolekül der miRNA identifizierten die Wissenschaftler das Protein CAMTA1. Die miRNA-Moleküle regulieren demnach die Zahl der CAMTA1-Proteine in den Zellen. Je weniger miRNA-Moleküle existieren, desto mehr CAMTA1-Proteine liegen vor. Über Versuche mit Nacktmäusen konnten die Forscher zudem klären, dass eine erhöhte Zahl von CAMTA1-Proteinen das Wachstum von Glioblastom-Tumoren im Allgemeinen hemmt – CAMTA1 tritt also als Tumorsuppressor bzw. -hemmer auf. Entsprechend geht eine verstärkte Produktion von CAMTA1 in den Zellen mit einer erhöhten Überlebenschance von Patienten mit Glioblastom-Erkrankung einher. Die Untersuchungen der Regensburger Forscher könnten die Grundlage für neue Behandlungsmöglichkeiten bei der Bekämpfung des Glioblastoms darstellen.

Die Ergebnisse des Teams um Gunter Meister sind vor kurzem in der international renommierten Fachzeitschrift „EMBO Journal“ veröffentlicht worden, die von der „Nature Publishing Group“ herausgegeben wird (DOI: 10.1038/emboj.2011.301). (Alexander Schlaak)

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Hirntumore bei Kindern

Presseinformation der LMU München vom 19.09.2011

Regulatorisches Protein neuer Ansatzpunkt für Therapie

Medulloblastome sind die häufigsten bösartigen Hirntumoren im Kindesalter. Der Krebs entsteht aus unreifen embryonalen Zellen und kann noch nicht kausal behandelt werden. Wissenschaftler um Privatdozent Ulrich Schüller vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU konnten nun zeigen, dass das regulatorische Protein FoxM1 essentiell für das Wachstum der Tumorzellen ist. Dabei korreliert der FoxM1-Level signifikant mit der Überlebensdauer der Patienten. Deshalb eignet sich das Protein als prognostischer Marker, der in Zukunft Ärzten helfen könnte, die Aggressivität des Tumors einzuschätzen und eine optimale Therapiestrategie für den Patienten zu entwickeln. Und auch für neue Therapien könnte FoxM1 ein Ansatzpunkt sein: Schüller gelang es, FoxM1 mit dem Antibiotikum Siomycin A herunter zu regulieren und so das Wachstum der Tumorzellen zu hemmen. „Sollten sich diese Ergebnisse in weiteren Versuchen im Labor und am lebenden Organismus bestätigen, könnte Siomycin sich als wirksames Medikament entpuppen“, hofft Schüller. (Clinical Cancer Research, published OnlineFirst 14.September 2011)

Forschungen der letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass Medulloblastome durch die Fehlregulation bestimmter Signalwege verursacht werden. Schüller untersuchte mit seiner Gruppe, ob der Transkriptionsfaktor FoxM1 für das Tumorwachstum eine Rolle spielt und ob er sich als therapeutischer Angriffspunkt für eine kausale Therapie eignet.

Transkriptionsfaktoren regulieren die Umsetzung der im Erbmolekül DNA enthaltenen Informationen in Proteine. Forkhead-Box-Proteine (Fox) sind Transkriptionsfaktoren, die vor allem das Zellwachstum – die sogenannte Proliferation, die Zellspezialisierung und die Lebensdauer von Zellen steuern. FoxM1 aktiviert die Proliferation, indem es die entsprechenden Gene an- und proliferationshemmende Gene abschaltet. Da unkontrollierte Proliferation ein Charakteristikum von Krebszellen ist, ist FoxM1 auch für die Krebsforschung sehr interessant. Für verschiedene Krebsarten – etwa Brustkrebs, Lungenkrebs oder Prostatakrebs – wurden bereits erhöhte FoxM1-Level im erkrankten Gewebe nachgewiesen und gezeigt, dass das Protein für das Tumorwachstum notwendig ist. Schüller konnte mit seinem Team nun nachweisen, dass dies auch für Medulloblastome gilt.

„Ein wichtiges Ergebnis ist auch, dass der FoxM1-Level in Medulloblastomen mit der Überlebensdauer der Patienten korreliert“, sagt Schüller. Da FoxM1 im Labor relativ einfach bestimmbar ist, eignet sich das Molekül daher möglicherweise als prognostischer Marker, der für Therapieentscheidungen eine Rolle spielen könnte: Moderne Behandlungskonzepte kombinieren die chirurgische Tumorentfernung mit Chemo- und Strahlentherapien, die aber schwere Nebenwirkungen haben. Allerdings gibt es sechs Untergruppen von Medulloblastomen, deren Aggressivität und klinische Prognose recht unterschiedlich ist. „Deshalb wäre ein guter prognostischer Marker um die Aggressivität des Tumors einzuschätzen sehr wünschenswert“, sagt Schüller – so könnte die Art der Behandlung besser an den Patienten angepasst werden und der Arzt muss nicht möglicherweise mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Da FoxM1 für das Wachstum der Tumorzellen essentiell ist, ist das Protein auch ein hoch interessanter Ansatzpunkt für neue Therapien: Mithilfe des Antibiotikums Siomycin A, das gezielt die Produktion von FoxM1 bremst, gelang es Schüller tatsächlich, das Wachstum von Medulloblastomzellen zu hemmen. Damit werden die Ergebnisse anderer Wissenschaftler unterstützt, die die hemmende Wirkung von Siomycin A auf Brustkrebszellen berichteten. Besonders wichtig: Schüllers Untersuchungen zeigten, dass FoxM1 zwar für das Tumorwachstum essentiell ist, im Rahmen der normalen Entwicklung aber offensichtlich durch andere Faktoren kompensiert werden kann – seine Blockade durch Siomycin A also keine negativen Folgen für gesunde Zellen hat. Daher eröffnet Siomycin A möglicherweise zum ersten Mal die Chance, in die Mechanismen der Tumorentstehung einzugreifen und Medulloblastome kausal anzugreifen.

Die Arbeiten entstanden im Rahmen der von der Deutschen Krebshilfe geförderten Max-Eder-Nachwuchsgruppe „Pädiatrische Neuroonkologie“, die von Ulrich Schüller geleitet wird. (göd)

Publikation:
„Expression of FoxM1 is required for the proliferation of medulloblastoma cells and indicates worse survival of patients“;
M. Priller, J. Poschl, L. Abrao, A.O. von Bueren, Y.-J. Cho, S. Rutkowski, H.A. Kretzschmar, U. Schüller;
Clinical Cancer Research, Published OnlineFirst, 14.September 2011;
doi: 10.1158/1078-0432.CCR-11-1214

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Profiler auf Zellebene

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 01.09.2011

Forschern der ETH Zürich und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist es gelungen, ein biologisches Computernetzwerk in menschliche Zellen einzubauen. Das Netzwerk erkennt Krebszellen anhand einer logischen Rechenoperation mit fünf krebsspezifischen Faktoren und führt zu deren Zerstörung.

Wissenschaftler arbeiten schon seit geraumer Zeit an biologischen Computern, die in lebenden Zellen arbeiten. Sie sollen beispielsweise verschiedene Moleküle im Innern einer menschlichen Körperzelle erkennen, die wichtige Informationen über den Gesundheitszustand der Zelle preisgeben und eine entsprechende Behandlung einleiten. Nun sind Yaakov (Kobi) Benenson, Professor für Synthetische Biologie der ETH Zürich und MIT-Professor Ron Weiss mit einem Team von Wissenschaftlern diesem Ziel einen grossen Schritt näher gekommen.

In einer Publikation, die soeben in «Science» erschienen ist, stellen sie einen Schaltkreis aus verschiedenen Genen vor, der zwischen Krebszellen und gesunden Zellen unterscheiden und richtig – sprich mit Zelltod der entarteten Zellen – reagieren kann. Dieses Netzwerk erkennt im Inneren der Zelle fünf Krebs-spezifische molekulare Faktoren sowie deren Konzentration. Weil der Schaltkreis nur funktioniert, wenn alle Faktoren in der Zelle vorhanden sind, muss die Identifizierung der Zelle sehr spezifisch erfolgen.

Krebszellen selektiv in den Tod schicken

Die Forscher testeten das Gen-Netzwerk in verschiedenen Kulturen menschlicher Zellen: Krebszellen aus dem Gebärmutterhals, den sogenannten HeLa-Zellen, und gesunden Zellen. Diese Experimente waren erfolgreich. Nachdem die Forscher den genetischen Biorechner der Zellkultur eingeschleust hatten, starben die HeLa-Zellen ab. Die gesunden Zellen hingegen blieben vom Zelltod verschont.

Für diesen Erfolg war viel Vorarbeit nötig. Benenson und sein Team mussten erst herausfinden, welche Kombination von Molekülen einzigartig für die HeLa-Zellen sind. Als Signalmoleküle dienten verschiedene Arten von Mikro-RNS (miRNA). Die Forschenden mussten erst ein miRNS-Profil identifizieren, das für eine HeLa-Zelle typisch ist. Doch im Körper gibt es rund 250 verschiedene Zelltypen und unzählige Varianten von Krebszellen, wovon hunderte im Labor ge-züchtet werden können. Noch grösser ist die Vielfalt von miRNS: 500 bis 1000 verschiedene Arten sind aus menschlichen Zellen bekannt. «Jeder Zelltyp, unabhängig davon ob gesund oder krank, hat verschiedene miRNS-Moleküle, die an- oder abgeschaltet sind», sagt Benenson.

Fünf Faktoren für Krebsprofil

Ein miRNS-Profil zu erstellen, ist einer Krankheitsdiagnose ähnlich: «Ein Merkmal allein, wie beispielsweise Fieber, kann eine Krankheit nicht zuverlässig bestimmen. Je mehr Faktoren ein Arzt kennt, desto zuverlässiger wird seine Diagnose», erklärt der Professor, der vor eineinhalb Jahren von Harvard an die ETH Zürich gekommen ist. Sein Team hat deshalb nach mehreren Faktoren gesucht, die Krebszellen zuverlässig von gesunden Körperzellen unterscheiden. In ihrem Versuch mit den HeLa-Zellen konnten die Wissenschaftler schliesslich fünf miRNSs identifizieren, die in einer bestimmten Konzentrationen vorliegen mussten, damit das Gen-Netzwerk die Zelle präzise und zuverlässig als Krebszelle identifizieren kann.

Operationen wie in einem Rechner

Jeder Faktor muss mit einem ‚AND‘- oder einem AND NOT-Befehl mit dem nächsten logisch verknüpft sein, damit am Schluss das richtige Resultat erzielt werden kann. Dass der Zellcomputer gleich fünf verschiedene Faktoren miteinander verknüpfte und daraus die richtige Diagnose stellen konnte, sind für Benenson ein grosser Erfolg und ein wichtiger Schritt.

In einem nächsten Schritt will er diese Zellcomputer in einem geeigneten Tiermodell testen. Zukünftige Anwendungen könnten bei Diagnose und Therapie liegen. Allerdings gibt es noch ein paar schwierige Probleme zu lösen, wie etwa die fremden Gene in einer Zelle effizient und sicher zu halten. Die Gene in die Zellen zu bringen, ist ebenfalls nicht einfach. Für seinen Ansatz braucht der ETH-Professor nur eine temporäre Genzugabe, wozu die Methoden, viral oder chemisch, noch nicht völlig ausgreift sind. «Von einer voll funktionalen Behandlungsmethode für Menschen sind wir noch immer sehr weit entfernt. Diese Arbeit aber ist ein erster, wichtiger Schritt, der die Machbarkeit solch selektiver Diagnosemethode aufzeigt», sagt Benenson.

Veröffentlichung:
Zhen Xie, Liliana Wroblewska, Laura Prochazka, Ron Weiss and Yaakov Benenson. Multi-input RNAi-based logic circuit for identification of specific cancer cells. To appear in Science issue of Sept 2, 2011

Externer Link: www.ethz.ch

Wie Gene reguliert werden: Das Bild fügt sich zusammen

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 17.08.2011

Forscher klären Ursprung von „kleiner RNA“

Wissenschaftler haben den Ursprung einer Klasse von kleinen Ribonukleinsäuren (sRNA für „small RNA“) geklärt. Diese Entdeckung kann zu einem besseren Verständnis der gesamten menschlichen Genaktivität beitragen. So könnten die Wissenschaftler in Zukunft gezielt Gene regulieren und steuern, die an der Entstehung bestimmter Krankheiten beteiligt sind.

Vor kurzem war es noch so einfach: Jahrzehntelang betrachtete man die Ribonukleinsäure (RNA) als ein Molekül, dessen Rolle im Wesentlichen darin zu bestehen schien, als „Bote“ die genetische Information von der DNA im Zellkern in die äußeren Bereiche der Zelle zu transportieren. Dort kann die genetische Information dann als Vorlage für die Produktion von Proteinen dienen. In Form der sogenannten mRNA (für „messenger RNA“) fungiert die RNA dabei als Informationsträger für die Synthese von Proteinen in der Zelle. Für ihre eigene Produktion – die Transkription – ist die mRNA wiederum auf die „molekulare Maschine“ RNA Polymerase II (RNAPII) angewiesen.

Technische Fortschritte haben in den letzten Jahren aber einen tieferen Einblick in die molekularen Prozesse in den Zellen ermöglicht. Dabei wurden neben der mRNA auch weitere RNA-Klassen identifiziert. Allerdings konnten der Ursprung und die Funktion nicht vollständig geklärt werden. Ein internationales Forscherteam, an dem neben Prof. Dr. Gunter Meister und Anne Dueck vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie der Universität Regensburg auch Wissenschaftler aus Aarhus, Kopenhagen und Martinsried bei München beteiligt waren, konnte nun den Ursprung einer großen Klasse von sRNA-Molekülen klären.

Die sRNA besteht lediglich aus bis zu 25 Nukleotiden, den Grundbausteinen der Nukleinsäuren DNA und RNA, während beispielsweise mRNA eine Länge von mehreren Tausend Nukleotiden aufweisen kann. Im Gegensatz zu „klassischer“ RNA dienen die sRNA-Moleküle nicht direkt zur Herstellung von Proteinen, sondern greifen regulierend in die vielfältigen Prozesse ein, die auf dem Weg von der nackten genetischen Information zum fertigen Protein ablaufen. Obwohl klein und unscheinbar, sind sie also durchaus „big player“ im Netzwerk der genetischen Regulation.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen konnten die Forscher die „Ursprungsorte“ der sRNA identifizieren. Dabei konnten sie zeigen, dass die extrem kurze sRNA ein Produkt des Abbaus der mRNA durch zelluläre Enzyme sein kann. Wenn mRNA produziert wird, passiert der vordere Teil des mRNA-Moleküls einen Tunnel, der durch die RNA Polymerase II (RNAPII) gebildet wird. Die maximale Länge von sRNA-Molekülen entspricht erstaunlicherweise genau der Länge dieses Tunnels. So entstehen die sRNA-Moleküle scheinbar genau dann, wenn die Produktion bzw. Transkription der mRNA abgebrochen wird und das unvollendete mRNA-Molekül vom zellulären Enzym Dicer aufgespalten wird, während das eine sRNA-Molekül im geschützten Tunnel verbleibt. Die Wissenschaftler konnten zudem weitere sRNAs beobachten, die als Beiprodukt oder Überbleibsel eines Prozesses entstehen, den man in der Forschung „splicing“ nennt. Auch dieser Prozess ist von herausragender Bedeutung für die Produktion der wichtigen mRNA.

Es ist bekannt, dass die Produktion bzw. der Transkriptionsprozess von mRNA sehr anfällig für Fehlfunktionen oder Defekte ist. Die Forscher konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass eine Vielzahl von mRNA-Molekülen unvollendet bleibt und diese daraufhin rasch „ausrangiert“ werden. Allerdings besteht das Resultat solcher unvollendeten Transkriptionsprozesse von mRNA nicht aus „genetischem Müll“, sondern aus sRNA-Molekülen, die ihrerseits wiederum wichtige Funktionen im Rahmen der Genregulation übernehmen; frei nach dem Motto: „Doppelt genäht hält besser“.

Die Forscher wollen ihre Beobachtungen nun ausweiten. Dabei werden weitere Genomuntersuchungen sowie die Analyse ausgewählter Gene im Vordergrund stehen. Dadurch soll geklärt werden, wie die RNA Polymerase II (RNAPII) während der Frühphase der mRNA-Transkription kontrolliert wird. Darauf aufbauend könnten künftig auch gezielt Gene reguliert und gesteuert werden, die an der Entstehung bestimmter Krankheiten beteiligt sind.

Die Ergebnisse der Forscher sind vor kurzem in der weltweit bekannten Fachzeitschrift „Nature Structural and Molecular Biology“ veröffentlicht worden (DOI: 10.1038/nsmb.2091). (Alexander Schlaak)

Externer Link: www.uni-regensburg.de

Zentraler Schalter für das Immunsystem

Pressemitteilung der Universität Bonn vom 15.08.2011

Forscher der Universität Bonn entdecken, wie Abwehrzellen durch ein einziges Gen „scharf“ werden

Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Bonn hat einen zentralen Schalter für die Steuerung des Immunsystems entdeckt. Das Protein SATB1 verwandelt weiße Blutkörperchen, die eine hemmende Wirkung haben, in angreifende Abwehrzellen. Mit diesem Schalter lässt sich das Immunsystem entweder „scharf“ machen oder gezielt herunterfahren. Die Wissenschaftler hoffen, dass sich mit dem wissenschaftlichen Ergebnis Krebs und chronische Entzündungen besser bekämpfen lassen.

Wie Polizisten gehen die T-Lymphozyten – oder kurz T-Zellen – im Körper ständig auf Streife. Sie zählen zu den weißen Blutkörperchen und überwachen, ob es an den Körperzellen zu irgendwelchen krankhaften Veränderungen kommt. Ist das der Fall, verwandeln sie sich in Killerzellen und zerstören die erkrankten Zellen. Allerdings sollte das in der richtigen Dosierung erfolgen. „Das körpereigene Abwehrsystem muss einerseits auf einen Angriff durch Krankheitserreger sehr schnell reagieren können, etwa wenn die nächste Sommergrippe droht“, berichtet Prof. Dr. Joachim Schultze, Direktor Genomforschung und Immunregulation am Institut Life and Medical Sciences (LIMES) der Universität Bonn. Andererseits darf die Abwehrreaktion aber auch nicht zu heftig sein, weil sonst das körpereigene Gewebe angegriffen wird. So genannte Autoimmunerkrankungen sind dann die Folge.

Bei dieser feinen Austarierung des Immunsystems helfen spezialisierte Lymphozyten – die regulatorischen T-Zellen. Sie greifen immer dann bremsend ein, wenn die körpereigenen Streifenpolizisten zu aktiv sind.  „Die regulatorischen T-Zellen nehmen über spezielle Andockstellen auf ihrer Oberfläche wahr, wenn zu viele angreifende Kollegen unterwegs sind“, sagt Prof. Schultze. Ein Protein namens SATB1 macht die T-Zellen für die Bekämpfung von Krankheitserregern scharf. „SATB1 wird in den Abwehrzellen hochgefahren, um eine Immunantwort zu ermöglichen“, führt Prof. Schultze aus. Die regulatorischen T-Zellen als „Bremser“ haben dagegen das SATB1 abgeschaltet.

Hemmende Zellen lassen sich in Angreifer umprogrammieren

Diese Erkenntnis ist sehr wichtig für das Verständnis und die Therapie von Krankheiten. „Tumore können sich entwickeln, weil das Immunsystem von den Krebszellen gehemmt wird“, berichtet der Immunologe. Mit SATB1 lassen sich die bremsenden regulatorischen T-Zellen in Angreifer umprogrammieren, die dann die Krebsgeschwüre abtöten. „Umgekehrt ist bei chronischen Entzündungen die Immunantwort dauerhaft zu stark“, sagt Prof. Schultze. Die hochgeschaukelte Abwehrreaktion ließe sich also durch Abschalten von SATB1 auf ein normales Maß herunterregeln.

Die Forscher zeigten an Mäusen, dass dies grundsätzlich möglich ist. So lange die Zahl der angreifenden und der hemmenden T-Zellen in den Tieren in einem Gleichgewicht ist, bleiben die Mäuse gesund. Regelten die Forscher aber durch die Übertragung eines Gens, das das Protein SATB1 codiert, die Zahl der Abwehrzellen hoch, erkrankten die Mäuse an einer chronischen Darmentzündung. Schalteten die Wissenschaftler jedoch das SATB1-Gen ab, überwogen die hemmenden T-Zellen in den Tieren und es kam zu keinen Entzündungen.

Ergebnisse lassen auf bessere Therapien hoffen

„Erstmals zeigten wir, dass durch den Transfer eines einzigen Gens hemmende T-Zellen in normale Abwehrzellen verwandelt werden können“, sagt Prof. Schultze. „Die angreifenden und die hemmenden T-Zellen sind nicht verschiedene Typen, wie bislang angenommen.“ Beide verfügten zwar über ganz verschiedene Ausprägungen, ließen sich aber mit SATB1 ineinander umprogrammieren. „Das ist wie die Hauptsicherung in einem Gebäude“, führt der Immunologe aus. „Es reicht, sie herauszudrehen – dann muss man nicht in jedem Zimmer einzeln das Licht ausschalten.“

Während der Immuntherapie von Tumorerkrankungen wird üblicherweise versucht, zuerst das fehlprogrammierte Abwehrsystem komplett auszuschalten, damit anschließend aus dem Knochenmark neue Abwehrzellen entstehen können. Dies funktioniert aber bei vielen Patienten im höheren Alter nicht mehr so gut. „Mit SATB1 könnten bereits vorhandene hemmende T-Zellen in angreifende umgewandelt werden, die die Tumore bekämpfen“, schlägt der Immunologe vor. Bis zu einer solchen Therapie sei es aber noch ein weiter Weg. (Johannes Seiler)

Publikation:
Repression of the genome organizer SATB1 In regulatory T cells is required for suppressive function and inhibition of effector differentiation, Fachmagazin „Nature Immunology“, DOI: 10.1038/ni.2084

Externer Link: www.uni-bonn.de