Magnesium ist essenziell für das Immunsystem, auch im Kampf gegen Krebs

Medienmitteilung der Universität Basel vom 19.01.2022

Der Magnesiumspiegel im Blut spielt eine wichtige Rolle dabei, wie gut das Immunsystem Krankheitserreger oder Krebszellen bekämpfen kann: Forschende der Universität und des Universitätsspitals Basel berichten im Fachjournal «Cell», dass T-Zellen ausreichend Magnesium brauchen, um korrekt funktionieren zu können. Die Erkenntnisse sind potenziell wichtig für Krebsbetroffene.

Magnesiummangel hängt mit verschiedenen Erkrankungen wie Infektionen und Krebs zusammen. Aus früheren Studien weiss man, dass sich Krebsgeschwüre schneller im Körper von Mäusen ausbreiten, wenn die Tiere eine magnesiumarme Ernährung erhalten. Auch ihre Abwehrkräfte gegen Grippeviren waren beeinträchtigt. Wie genau dieser Mineralstoff das Immunsystem beeinflusst, war bisher jedoch wenig erforscht.

Forschende um Prof. Dr. Christoph Hess vom Departement Biomedizin der Universität und des Universitätsspitals Basel und dem Departement Medizin der Universität Cambridge haben entdeckt, dass T-Zellen entartete oder infizierte Zellen nur in magnesiumreicher Umgebung wirksam eliminieren können. Konkret spielt Magnesium eine Rolle für die Funktion eines Oberflächen-Proteins der T-Zellen namens LFA-1.

LFA-1 funktioniert als Andockstelle, welche für die Aktivierung von T-Zellen wichtig ist. «Im Ruhezustand ist diese Andockstelle jedoch quasi zugeklappt und kann daher infizierte oder entartete Zellen nicht effizient binden», erklärt Christoph Hess. «Hier kommt das Magnesium ins Spiel: Ist Magnesium in der Umgebung der T-Zellen in ausreichender Menge vorhanden, bindet es an LFA-1 und sorgt dafür, dass das Protein in offener Position verbleibt und somit aktiv sein kann.»

Relevanz für Krebsbetroffene

Die Erkenntnis, dass Magnesium für die Funktion von T-Zellen essenziell ist, hat potenziell grosse Relevanz für moderne Immuntherapien gegen Krebs: Diese zielen darauf ab, das Immunsystem – insbesondere cytotoxische T-Zellen – gegen die Krebszellen zu mobilisieren. Die Forschenden konnten in experimentellen Modellen zeigen, dass die Erhöhung der lokalen Magnesiumkonzentration in Tumoren die Immunantwort der T-Zellen gegen Krebszellen verstärkte.

«Um diese Beobachtung klinisch prüfen zu können, suchen wir nun Wege, die Konzentration von Magnesium in Tumoren gezielt zu steigern», berichtet Christoph Hess. Dass solche Strategien erfolgversprechend sind, zeigen weitere Analysen des Forschungsteams um Hess und seinen Mitarbeiter Dr. Jonas Lötscher, Erstautor der Studie: Anhand von Daten aus bereits abgeschlossenen Studien mit Krebsbetroffenen konnten die Forschenden nachweisen, dass Immuntherapien bei Patientinnen und Patienten mit zu tiefen Magnesiumspiegeln im Blut schlechter wirkten.

Ob eine regelmässige Magnesiumeinnahme allgemein einen Einfluss auf das Krebsrisiko hat, lasse sich aufgrund der bisherigen Daten nicht beantworten, so Lötscher. «Als nächsten Schritt planen wir prospektive Studien, um den klinischen Effekt von Magnesium als Katalysator des Immunsystems zu prüfen.»

Originalpublikation:
Jonas Lötscher et al.
Magnesium sensing via LFA-1 regulates CD8+ T cell effector function.
Cell (2022), doi: 10.1016/j.cell.2021.12.039

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Eigenentwickelter Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zeigt starke Immunantwort

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 24.11.2021

Ergebnisse der Phase-I-Studie in Fachzeitschrift Nature publiziert

Am Universitätsklinikum Tübingen wurde im November 2020 unter Leitung von Prof. Dr. Juliane Walz in der KKE Translationale Immunologie der Medizinischen Klinik (Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Helmut Salih) die klinische Erprobung eines eigenentwickelten Impfstoffs (CoVac-1) gegen SARS-CoV-2 begonnen. Nun liegen die Ergebnisse der Phase-I-Studie vor und belegen eine potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen das Coronavirus. Die Ergebnisse sind aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert. Derzeitig befindet sich die Studie in der zweiten Phase. Ziel ist, in Patienten und Patientinnen mit Antikörpermangel eine breite und starke T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen SARS-CoV-2 zu induzieren, um so schwere Covid-19-Krankheitsverläufe zu verhindern.

T-Zellen spielen eine bedeutende Rolle bei der Covid-19-Erkrankung. Das konnte das Forschungsteam um Prof. Walz, Leiterin der klinischen Studie, bereits in mehreren wissenschaftlichen Publikationen belegen. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten wurden im Blut von Personen mit überstandener Covid-19-Erkrankung diejenigen Peptide identifiziert, die für eine Erkennung und Langzeitschutz durch T-Zellen speziell beim SARS-CoV-2-Virus von Bedeutung sind. „Genau die Peptide, die eine bedeutende Rolle bei der Langzeitimmunität nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion spielen, werden nun in unserem CoVac-1 Impfstoff eingesetzt“, erklärt Juliane Walz. Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, die auf der Oberfläche von Tumorzellen, aber auch auf Virus befallenen Zellen dem Immunsystem und hier speziell den T-Zellen präsentiert werden. Dies ermöglicht dem Immunsystem, „fremde“ und infizierte Zellen zu erkennen und diese zu eliminieren. Die Idee für den Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologen.

Ergebnisse der Phase-I-Studie

CoVac-1 wurde in einer klinischen Phase-I-Studie in gesunden Probanden und Probandinnen zwischen 18 und 80 Jahre eingesetzt. Hier konnte bei guter Verträglichkeit eine äußerst potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2 belegt werden.

Insgesamt wurden 36 Probandinnen und Probanden im Rahmen der Studie einmalig geimpft. Bei wenigen Teilnehmenden wurden leichte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit beobachtet, schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Bei allen Probandinnen und Probanden entwickelte sich an der Impfstelle eine lokale Verhärtung. „Diese Lokalreaktion wird für unseren Impfstoff erwartet und gewünscht. Sie ist Ausdruck der Bildung eines Depots an der Impfstelle, das einen schnellen Abbau des Impfstoffs verhindert und so eine langanhaltende Immunreaktion ermöglicht“, erklärt Dr. Jonas Heitmann, einer der Erstautoren der Studie.

Bei allen Studienteilnehmenden lag vier Wochen nach der Impfung die gewünschte breite und starke T-Zell-Immunantwort gegen SARS-CoV-2 vor. In ersten Folgeuntersuchungen blieben diese Immunantworten in unveränderter Stärke bestehen. Darüber hinaus sind die durch CoVac-1 aktivierten T-Zell-Antworten deutlich stärker ausgeprägt als die bei Genesenen nach natürlicher Infektion und auch potenter als die T-Zell-Immunität, die durch zugelassene mRNA- oder Vektorimpfstoffe erzeugt wird. Anders als bei den bislang zugelassenen Impfstoffen richtet sich die CoVac-1-induzierte T-Zell-Immunität nicht nur gegen das Spike Protein, sondern gegen verschiedene Virusbestandteile. Die Wirksamkeit des Impfstoffes wird durch keine der bekannten SARS-CoV-2-Varianten negativ beeinflusst.

Eigene Impfstoffentwicklung, Herstellung und Erprobung

CoVac-1 wird im Wirkstoffpeptidlabor und der sogenannten GMP-Einheit des Universitätsklinikums und der Medizinischen Fakultät Tübingen hergestellt. Auch hier wird auf die langjährige Erfahrung und Expertise bei der Produktion von Impfstoffen für Krebserkrankte zurückgegriffen. Die klinische Evaluation des Impfstoffs erfolgt in der KKE Translationale Immunologie, einer deutschlandweit einzigartigen Einrichtung im Department Innere Medizin des Universitätsklinikums. Diese wurde etabliert, um innovative Immuntherapiekonzepte möglichst rasch in ersten klinischen Studien erproben zu können, damit Patienten und Patientinnen schnellstmöglich von neuen Erkenntnissen der Forschung profitieren.

Weitere Entwicklung von CoVac-1

Auf Grundlage dieser Studienergebnisse wurde bereits im Juni die Phase-II-Studie gestartet, die CoVac-1 in Patienten und Patientinnen mit angeborenem oder erworbenem Immunglobulinmangel untersucht. Hierzu gehören beispielsweise Leukämie- oder Lymphompatientinnen und -patienten, die auf Grund ihrer Erkrankung oder einer Therapie keine ausreichende durch antikörpervermittelte Immunität aufbauen können.

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Immunzellen gegen hartnäckige Viren: With a little help from my friends

Medienmitteilung der Universität Basel vom 09.11.2021

Viren wie HIV oder der Erreger von Hepatitis C können das Immunsystem überrennen. Ein Ansatz zur Entwicklung von Impfstoffen gegen diese chronischen Infektionen zielte bisher auf die sogenannten B-Gedächtniszellen des Immunsystems. Forschende der Universität Basel berichten nun, dass diese Zellen die Hilfe anderer Gedächtniszellen brauchen, um den Organismus effektiv gegen chronische Viren zu verteidigen. Eine wichtige Erkenntnis für das Impfstoff-Design.

Ein Arsenal aus Immunzellen verteidigt den Organismus gegen Krankheitserreger. Bei einer Virus-Infektion produzieren B-Zellen passende Antikörper, die das Virus inaktivieren. Ein Teil dieser B-Zellen stirbt nach der Infektion oder Impfung wieder ab, doch einige B-Zellen verbleiben als Gedächtniszellen im Körper, um bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger rascher die richtigen Antikörper zu produzieren. Impfstoffe zielen unter anderem auf die Bildung solcher B-Gedächtniszellen ab.

Viren wie HIV oder das Hepatitis-C-Virus überrennen jedoch die Abwehr der B-Gedächtniszellen – eine Hürde für die Entwicklung effizienter Impfstoffe. Um dieses Hindernis zu überwinden, untersucht das Forschungsteam um Prof. Dr. Daniel Pinschewer vom Departement Biomedizin der Universität Basel das Zusammenspiel der Immunzellen bei chronischen Virusinfektionen.

«Ein Problem ist, dass die B-Gedächtniszellen angesichts der Dauerpräsenz des Erregers und der damit einhergehenden Entzündung in eine Art Panikreaktion verfallen», erklärt Pinschewer. Aus einem Programm der Vermehrung und Reifung wechseln sie allesamt in den Modus der Antikörperproduktion und gehen bald darauf zugrunde. Über mögliche Abhilfe für dieses Problem berichtet das Team nun im Fachjournal «PNAS».

T-Helfer-Gedächtniszellen verhindern Panikreaktion

Für ihre Experimente studierten die Forschenden die Infektion von Mäusen mit einem Maus-Virus namens Lymphozytäres Choriomeningitis Virus (LCMV), das bei den Tieren zu einer chronischen Infektion führt. Dabei stellten sie fest, dass die B-Gedächtniszellen für eine nachhaltige Reaktion auf die Viren die Hilfe anderer Immunzellen brauchen: nämlich T-Helfer-Gedächtniszellen, deren Bildung ebenfalls durch passende Impfstrategien ausgelöst werden kann.

Regten die Forschenden bei den Versuchstieren vorgängig zur LCMV-Infektion die Bildung von passenden T-Helfer-Gedächtniszellen an, verhinderten letztere nach der Infektion die Panikreaktion der B-Gedächtniszellen. «Anstatt dass sich der gesamte Bestand an B-Zellen im erfolglosen Kampf gegen die Viren verausgabt, bleibt dank der T-Helfer-Gedächtniszellen eine Reserve an B-Zellen zurück, die sich weiter vermehren und reifen und die Abwehr gegen das Virus aufrechterhalten», so Dr. Kerstin Narr, die Erstautorin der Studie.

Die Rolle der T-Helfer-Gedächtniszellen bei der Impfung gegen chronische Viren sei bislang unzureichend berücksichtigt worden. «Die Erkenntnis, dass man über diese Zellen eine nachhaltigere Immunantwort durch B-Gedächtniszellen fördern kann, hat direkte Relevanz für Strategien zur Entwicklung neuer Impfstoffe gegen HIV und Hepatitis C», betont Pinschewer.

Originalpublikation:
Kerstin Narr et al.
Vaccine-elicited CD4 T cells prevent the deletion of antiviral B cells in chronic infection
PNAS (2021), doi: 10.1073/pnas.2108157118

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Das verborgene Talent der Pilze

Presseaussendung der TU Wien vom 04.10.2021

An der TU Wien wurde eine Methode entwickelt, um die Genome von Pilzen zu interpretieren. Das Ziel: Vorhersagen, welche Gene für die Herstellung wertvoller Substanzen wichtig sind und bei welchen es sich um Lückengene handelt.

Neben uns Menschen existieren mehrere Millionen Pilze-Stämme auf der Erde, wobei die meisten von ihnen in der Lage sind, sogenannte Sekundärmetaboliten herzustellen. Sekundärmetaboliten sind Stoffe, die für das Überleben nicht primär notwendig sind, aber zum Beispiel der chemischen Verteidigung dienen. Manche Sekundärmetaboliten, wie etwa Penicillin, sind auch für den Menschen von großem Nutzen, weshalb Forschende gezielt nach solchen Substanzen suchen. Ein vielversprechender Ansatz dazu ist, innerhalb der Genome von Pilzen nach zuständigen Genen zu suchen und diese zu aktivieren.

Ein Team unter der Leitung von Christian Derntl, TU Wien, entwickelte daher eine bioinformatische Methode, um die dafür notwendigen Gene und sogenannte Gap Genes (dt. Lückengene) auseinanderzuhalten. Dazu werden die genomischen Daten von Pilzen auf einen ähnlichen evolutionären Hintergrund hin untersucht. Die Methode mit dem Namen „FunOrder“ publizierte das Forschungsteam in der Fachzeitschrift PLOS Computational Biology.

Heilmittel durch Stress

Im Labor produzieren Pilze von Natur aus eher selten Sekundärmetaboliten – unter anderem, da sie nicht für lebensnotwendige Prozesse wie Zellwachstum benötigt werden. In ihrem natürlichen Lebensraum dagegen produzieren Pilze Stoffe wie Antibiotika, wenn sie in Stress geraten und sich gegenüber konkurrierenden Organismen verteidigen müssen. Aufgrund der optimalen Wachstumsbedingungen im Labor ist es daher notwendig, die entsprechenden Gene gezielt einzuschalten und den Organismus so zur Synthese des gewünschten Sekundärmetabolits zu bewegen. Das wiederum setzt das Wissen über die dafür kodierenden Gene voraus. „Vor allem bei Pilzen ist das Potenzial groß, neue Sekundärmetaboliten zu finden. Dass diese nicht ohne Weiteres unter Laborbedingungen produziert werden, erschwert jedoch die Suche danach“, schildert Christian Derntl den Weg zu neuen Heilmitteln.

Gezielte Gen-Aktivierung

Gene, die für Sekundärmetaboliten zuständig sind, clustern oft zusammen. Das heißt, sie befinden sich in unmittelbarer Nähe auf der DNA. So gibt es ein Hauptgen, das die chemische Grundstruktur des Sekundärmetaboliten vorgibt und sich aufgrund seiner Größe gut erkennen lässt. Enzyme modifizieren dann dieses chemische Grundgerüst, um so den fertigen Sekundärmetabolit zu erhalten. In den Clustern befinden sich aber auch oft Gap Genes, die nur zufällig in den Gen-Clustern liegen, für die Synthese der Sekundärmetaboliten jedoch nicht notwendig sind. Um nun neue Sekundärmetaboliten zu finden, verfolgt das Team um Christian Derntl einen Bottom-up-Ansatz. „Dazu versuchen wir die Cluster einzuschalten und so neue Substanzen zu finden,“ erklärt Derntl. Logischerweise sollen dafür nur die essentiellen Gene, nicht jedoch die Gap Genes aktiviert werden. Ganz genau dafür wurde die Methode FunOrder entwickelt. „Wir wollen vorhersagen, welche Gene wir im Labor berücksichtigen müssen und welche nicht“ fasst der Erst-Autor der Studie, Gabriel Vignolle, zusammen. Denn bestehende Methoden ermöglichen es zwar, die Cluster zu identifizieren, können aber nicht vorhersagen, welche Gene notwendig sind und welche nicht.

FunOrder bringt mehr als Spaß

Eine zentrale Frage, die sich die Wissenschaftler_innen um Christian Derntl stellten, war, wie sich genetische Daten sinnvoll interpretieren lassen. „Wir leben in einem Zeitalter, in dem sich Genome ganz einfach und kostengünstig sequenzieren lassen“, erklärt Derntl. „Auch im Internet sind unzählige Datensätze vorhanden. Da stehen wir eher vor der Herausforderung, die Daten sinnvoll auszuwerten und zu strukturieren. Die Bioinformatik kann uns dabei helfen.“ So entwickelte das Team das Computerprogramm FunOrder, das als Input verschiedene Gene erhält. Mit Hilfe einer speziell dafür entwickelten Datenbank kann FunOrder Gene mit ähnlichem evolutionären Hintergrund identifizieren. “Wir konnten in Folge zeigen, dass genau diese ko-evoluierten Gene funktionell notwendig sind und sich so von den Gap Genes unterscheiden lassen“, erklärt Gabriel Vignolle.

Dabei eignet sich die Methode nicht nur zur Analyse und Strukturierung vorhandener Daten, auch die Genome neu entdeckter Pilze können so untersucht werden. Der Quellcode für das Programm ist öffentlich zugänglich, die Analysen können also von Wissenschaftler_innen weltweit durchgeführt werden.

Das Projekt ist aus dem Doktoratskolleg „Bioactive – Technologies for Drug Discovery and Production“ heraus entstanden, in dem Vignolle aktiv ist. (Sarah Link)

Originalpublikation:
Gabriel A. Vignolle, Denise Schaffer, Leopold Zehetner, Robert L. Mach, Astrid R. Mach-Aigner, Christian Derntl: FunOrder: A robust and semi-automated method for the identification of essential biosynthetic genes through computational molecular co-evolution, PLOS Computational Biology, 2021.

Externer Link: www.tuwien.at

Alternative zum Fischfang: Zellbasierter Fisch aus dem Bioreaktor

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.08.2021

Schon heute gelten rund 90 Prozent aller Fischbestände als maximal befischt oder überfischt, so die Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Doch angesichts der wachsenden Weltbevölkerung sind immer mehr Menschen auf Fisch als Proteinquelle angewiesen. Eine Lösung für das Problem hat die Bluu GmbH – eine Ausgründung des Fraunhofer-Entwicklungszentrums für Marine und Zelluläre Biotechnologie EMB, die als assoziiertes Zentrum der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE angehört. Das Unternehmen hat sich auf die Produktion von zellbasiertem Fisch spezialisiert. Er wird aus echten Fischzellen hergestellt und im Bioreaktor gezüchtet. Im Gegensatz zu wild gefangenem Fisch geht dies nicht zu Lasten des Tierwohls.

Bluu Biosciences ist das erste Unternehmen Europas, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von zellbasiertem Fisch spezialisiert hat. Auch weltweit gibt es aktuell nur eine Handvoll Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind. Bluu Biosciences schließt damit eine Marktlücke: Fast überall werden heute mehr Fische gefangen, als natürlich nachwachsen können. Das gefährdet die Ernährungsgrundlage von hunderten Millionen von Menschen. Mit Hilfe von moderner Biotechnologie erzeugter, zellbasierter Fisch kann künftig einen entscheidenden Beitrag zur globalen Versorgungssicherheit bei tierischem Protein leisten.

»Wir sehen hier einen stark wachsenden Markt. In Kreislaufwirtschaft hergestellten Produkten gehört die Zukunft«, sagt Dr. Sebastian Rakers, Gründer und Geschäftsführer der Bluu GmbH. Im Mai 2020 startete er mit Simon Fabich das Unternehmen. Ziel ist es, die Produkte im ersten Schritt über Restaurants auf den Markt zu bringen. Später sollen auch Supermärkte beliefert werden. Ende 2023 nennt Rakers als realistischen Termin für die Markteinführung. Zum Portfolio gehören zunächst hybride Produkte wie Fischbällchen, Fischstäbchen und Fischtartar, die sich aus einem Mix aus Zellkomponenten und pflanzlichen Proteinen zusammensetzen. Fischfilet wird erst zu einem späteren Zeitpunkt marktreif sein. Hier bedarf es noch weiterer Forschungsarbeit. Die Herausforderung besteht darin, die porösen Gerüststrukturen derart aufzubauen, dass ausreichend Nährstoffe und Sauerstoff an die Zellen gelangen. »Nur wenn dies gewährleistet ist, können die auf den Gerüststrukturen wachsenden Zellen sich so strukturieren und ausbilden, wie sie es im natürlichen Fischgewebe auch tun würden«, erläutert der Biologe, der auf zwölf Jahre Forschungsarbeit mit Fischzellen am Fraunhofer EMB zurückblicken kann.

Zelllinien aus adulten Stammzellen

Dr. Rakers und sein Team isolieren die Zellen aus einer Biopsie, also aus einem Stück adultem Fischgewebe. Die isolierten Zellen, ähnlich Vorläuferzellen oder adulten Stammzellen, werden im Labor in einer In-vitro-Kultur vermehrt. Da sie nicht altern, können sie sich unendlich häufig teilen. Anschließend werden die Zellen im Bioreaktor mit einem Nährmedium ernährt. Der Reaktor umfasst derzeit maximal fünf Liter. Um ein marktfähiges Produkt zu erhalten, ist jedoch ein größerer Reaktor erforderlich. »So weit sind wir noch nicht, da zunächst die Prozessschritte verfeinert werden müssen, die die Zellen zum Wachsen benötigen. Die Herausforderung für uns ist aktuell noch der Schritt in die industrielle Produktion«.

Frei von Gentechnik, Antibiotika und Umweltgiften

Die Vorteile der zellbasierten Fischproduktion sind vielfältig. »Die Schlachtung von Fischen entfällt und idealerweise ist eine Biopsie nur einmalig erforderlich«, führt der Forscher einen der vielen Pluspunkte auf. 30 Prozent aller Fischbestände sind überfischt, 60 Prozent sind maximal befischt. Die nicht landbasierte Aquakultur wiederum, die vor allem im vorigen Jahrzehnt stark gewachsen ist und mit Massentierhaltung einhergeht, führt zu einer Verschmutzung der Meere und zur Eutrophierung der Gewässer, insbesondere in Bereichen mit wenig Strömung. Weitere Vorteile des kultivierten Fisches sind sein hoher Nährwert sowie die Verfügbarkeit und die damit verbundenen kurzen Lieferketten. Fischprodukte aus Fischzellen sind frei von Gentechnik, Antibiotika und Umweltgiften. Sie können bedarfsgerecht dezentral produziert werden. Anders als Aquakultur kann eine zellbasierte Fabrik weltweit überall aufgebaut werden.

Verzicht auf Fötales Kälberserum

Aktuell konzentrieren sich die Forschenden auf die Optimierung der Medien, um eine kostengünstige Produktion der Fischzellen sicherzustellen und Zellcharakteristika wie Geschmack und Textur zu verfeinern. Dies gelingt, indem man beispielsweise den Anteil an Omega-3-Fettsäuren als wichtigen Geschmacksträger erhöht. Die dafür erforderliche Technologie wurde aus dem Fraunhofer EMB auslizensiert. Darüber hinaus arbeiten die Forscher daran, Fötales Kälberserum (FKS) durch andere, pflanzenbasierte Wachstumsfaktoren zu ersetzen und eine FKS-freie Produktion zu erzielen. »FKS wird aus dem Blut von Kuhfeten gewonnen und ist ein Hauptbestandteil vieler Nährmedien, die zur Aufzucht und Kultivierung von Zellen in der Zellkultur benötigt werden«, erklärt Rakers. »Unser erster Prototyp wird komplett FKS-frei sein.« Bei ihren Forschungsarbeiten kooperert die Bluu GmbH nach wie vor eng mit dem Fraunhofer EMB.

Externer Link: www.fraunhofer.de