Bitterrezeptoren für Stevia-Süßstoffe entdeckt

Pressemitteilung der TU München vom 24.05.2012

Warum Stevia nicht nur süß, sondern auch bitter schmeckt:

Stevia gilt als gesunde Alternative zu Zucker. Die kürzlich von der Europäischen Union als Süßungsmittel zugelassenen Steviaprodukte haben aber auch Nachteile, zum Beispiel einen langanhaltenden, bitteren Nachgeschmack. Die dafür verantwortlichen Geschmacksrezeptoren auf der menschlichen Zunge haben Wissenschaftler der Technischen Universität München und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke nun identifiziert. Mit Zellkulturversuchen und sensorischen Tests konnten die Wissenschaftler zudem zeigen, dass Stevioside mit vielen Traubenzuckerbausteinen besonders süß schmecken. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Journal of Agricultural and Food Chemistry.

Auf der menschlichen Zunge gibt es nur einen Rezeptortyp, der für die Wahrnehmung von süßem Geschmack zuständig ist, etwa 25 verschiedene Rezeptoren hingegen für bittere Aromen. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke (DIfE) haben nun die beiden Geschmacksrezeptoren hTAS2R4 und hTAS2R14 ausfindig gemacht, die für den bitteren Nachgeschmack von Stevia sorgen.

Zwar sind die Extrakte der subtropischen Pflanze bis zu 300-mal süßer als herkömmlicher Zucker. Sie enthalten dabei kaum Kalorien und schonen die Zähne. Dennoch hat das „Honigkraut“ einen Beigeschmack: In hoher Konzentration sorgt es für lakritzartige, bittere Noten.

Die Wissenschaftler haben neun sogenannte Steviolglykoside untersucht, die für den intensiven Geschmack von Extrakten der Stevia-Pflanze sorgen. Wie süß oder bitter die unterschiedlichen Glykosid-Varianten wirken, haben die Forscher zunächst im Reagenzglas getestet: Dabei übernehmen speziell gezüchtete Zellen die Funktion von Geschmacksrezeptorzellen und reagieren wie eine künstliche Zunge auf die Glykosid-Moleküle. Damit konnten die Wissenschaftler diejenigen Rezeptortypen identifizieren, die durch Stevia aktiviert werden.

Darüber hinaus wurden sensorische Tests durchgeführt, bei denen eigens geschulte Probanden die Geschmacksintensität der Stevia-Bestandteile in Abhängigkeit von deren Konzentration beurteilen. Das Ergebnis der kombinierten Geschmackstests: Die Struktur der Glykosid-Moleküle ist ein entscheidender Faktor für den Süße- oder Bitterkeitsgrad von Stevia. „Je mehr Traubenzucker am Molekül gebundenen sind, desto süßer und weniger bitter“, erklärt Prof. Thomas Hofmann, der den TUM-Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und molekulare Sensorik inne hat. Der Stevia-Bestandteil Rebaudiosid D enthält zum Beispiel fünf Traubenzuckerbausteine und ist etwa fünfmal süßer und zu zwei Dritteln weniger bitter als Dulcosid A mit nur zwei Traubenzuckerbausteinen.

„Der bittere Beigeschmack der Steviolglycoside entsteht, indem die Glycoside die beiden Bittergeschmacks-Rezeptortypen auf der menschlichen Zunge aktivieren“, erklärt Anne Brockhoff vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Diese neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, den Bittergeschmack von Stevia-Produkten schon früh zu minimieren. „Beispielsweise können züchterische Maßnahmen oder auch die Aufreinigung bei der Gewinnung der Stevia-Produkte zielorientiert auf die besten Süßungskandidaten konzentriert werden“, ist sich TUM-Wissenschaftler Thomas Hofmann sicher.

Publikation:
Caroline Hellfritsch, Anne Brockhoff, Frauke Stähler, Wolfgang Meyerhof, Thomas Hofmann: Human Psychometric and Taste Receptor Responses to Steviol Glycosides, Journal of Agricultural and Food Chemistry, Mai 2012

Externer Link: www.tu-muenchen.de

Die Natur als Vorbild

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 18.04.2012

Neues Verfahren zur chemischen Synthese mit sichtbarem Licht

Die Natur macht es uns ständig vor: Bei der biologischen Photosynthese gelingt der Aufbau von vielschichtigen biologischen Molekülen durch die Nutzung von sichtbarem Licht. Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt haben in den vergangenen Jahren versucht, diesen erstaunlichen Vorgang mit Hilfe von technischen Verfahren zu imitieren. Regensburger Wissenschaftler des Graduiertenkollegs „Chemische Photokatalyse“ konnten in diesem Zusammenhang einen wichtigen Schritt nach vorne machen. Durch die Verknüpfung anorganischer Halbleiter mit organischen Katalysatoren gelang es den Mitgliedern des Forschungsverbundes um Prof. Dr. Burkhard König vom Institut für Organische Chemie der Universität Regensburg, die von der Verbindung absorbierte Lichtenergie für die chemische Synthese komplexer Moleküle zu nutzen.

Die Regensburger Forscher fanden heraus, dass es dabei auf die richtige Kombination der beiden Komponenten – des anorganischen Halbleiters und des organischen Katalysators – ankommt. Falsche Kombinationen sind inaktiv oder führen sogar zur Zerstörung der Katalysatorverbindung. Die Untersuchungen der Regensburger Chemiker erlauben es aber jetzt, die richtigen Kombinationen vorab zu bestimmen.

Anorganische Halbleiter werden in der modernen Elektronik verwendet. Darüber hinaus nutzen photovoltaische Solarzellen diese Materialien, um Lichtenergie in elektrischen Strom umzuwandeln. Die photochemische Anwendung von einfachen Halbleitern – beispielsweise von Titandioxid als Weißpigment in Wandfarben – beschränkte sich bislang auf den photokatalytischen Abbau von Verunreinigungen (unter anderem auf selbstreinigenden Oberflächen) oder die Halbleiter wurden für den Abbau von Gerüchen und zur Desinfektion genutzt. Auf der Grundlage der Arbeiten des Regensburger Forscherteams können anorganische Halbleiter nun auch für gezielte organische Synthesen eingesetzt werden, wodurch diese nicht nur effizienter, sondern auch umweltfreundlicher werden.

Die Untersuchungen der Regensburger Chemiker wurden vor Kurzem in der Online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht (DOI: 10.1002/anie.201108721). (Alexander Schlaak)

Externer Link: www.uni-regensburg.de

Was an der Oberfläche von Katalysatoren abläuft

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 10.04.2012

Mit Infrarot-Spektroskopie weisen Wissenschaftler Sauerstoff-Fehlstellen als aktive Zentren nach

Die heterogene Katalyse hat in der chemischen Industrie zentrale Bedeutung, etwa bei der Herstellung von Grund- und Feinchemikalien, in Abgaskatalysatoren oder zur chemischen Speicherung von Sonnenenergie. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben eine neue Messmethode der Infrarot-Spektroskopie entwickelt, um die Vorgänge an der Oberfläche von Oxiden zu untersuchen, die als Katalysatoren dienen. Ihre Ergebnisse stellen sie in der renommierten Zeitschrift „Angewandte Chemie“ vor.

Katalysatoren unterstützen viele chemische Reaktionen. Bei der heterogenen Katalyse liegen der als Katalysator dienende Stoff und die reagierenden Stoffe in verschiedenen Phasen vor – gewöhnlich ist der Katalysator ein Feststoff, die reagierenden Stoffe sind gasförmig. An der Oberfläche von katalytisch aktiven Feststoffen laufen hochkomplexe chemische Prozesse ab. Diese genau zu verstehen, ist unerlässlich, um Produkte weiter zu verbessern und Kosten zu senken. Bei Metallen sind die Prozesse schon gut bekannt. Die entsprechenden Umwandlungen an der Oberfläche von Oxiden – Verbindungen von Metallen oder Nichtmetallen mit Sauerstoff – sind hingegen noch weitgehend unerforscht.
 
Die Forscher um Professor Christof Wöll vom KIT und Professor Martin Muhler von der RUB untersuchten zunächst die Vorgänge an Oberflächen von Oxid-Einkristallen, um ihre Erkenntnisse dann auf Pulver, die technisch wichtigste Form von Oxidmaterialien, zu übertragen. Damit schlugen sie erstmals eine Brücke zwischen der Grundlagenforschung an Referenzsystemen und der angewandten Forschung an realen Katalysatoren. Ein neu entwickeltes Kombinationsgerät für die Infrarot-Spektroskopie (IR) ermöglichte dabei äußerst genaue Messungen der Schwingungsfrequenz von Kohlen-monoxid. Der genaue Wert dieser Schwingungsfrequenz reagiert sehr empfindlich auf Fehlstellen.
 
Solche Fehlstellen entstehen bei Oxidmaterialien durch das Entfernen einzelner Sauerstoffatome. „Als aktive Zentren verleihen Sauerstoff-Fehlstellen dem Material eine hohe katalytische Aktivität“, erklärt Professor Christof Wöll, Direktor des Instituts für Funktionelle Grenzflächen (IFG) des KIT. Die Karlsruher und Bochumer Forscher entwickelten mit einem neuen Kombinationsgerät für die Infrarot-Spektroskopie ein Verfahren, das sie zunächst an Referenzsystemen eichten. Dann bestimmten sie mithilfe des Hochleistungs-FTIR-Spektrometers der Firma Bruker Optics (VERTEX-Serie) erstmals Fehlstellendichten für pulverförmige reale Katalysatoren.
 
Zur Demonstration ihrer neuen Methode verwendeten die Forscher Rutil, die bedeutendste Modifikation des Titandioxids (TiO2). „Dieses auch als Weißpigment und in der Fotokatalyse eingesetzte Material ist normalerweise chemisch sehr träge und wird erst durch die Sauerstoff-Fehlstellen katalytisch aktiv“, erklärt Professor Christof Wöll. Bisher ließen sich solche Fehlstellen für Pulvermaterialien nur indirekt nachweisen, wie Professor Martin Muhler von der RUB erläutert.
 
Die Forscher, unter ihnen auch Dr. Mingchun Xu, Dr. Heshmat Noei und Dr. Yuemin Wang von der RUB sowie Dr. Karin Fink vom Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT, folgten mit ihrer Methode dem von Nobelpreisträger Gerhard Ertl entwickelten Ansatz der „Surface Science“. Das Potenzial ihrer Methode demonstrierten die Wissenschaftler, indem sie die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Kopplungsreaktion von Formaldehyd zu Ethylen untersuchten. Dabei bestätigte sich, dass die Dichte von Sauerstoff-Fehlstellen an der Oberfläche von r-TiO2-Nanopartikeln für die katalytische Aktivität des Oxidpulvers und damit die Ausbeute entscheidend ist. (or)

Publikation:
Mingchun Xu, Heshmat Noei, Karin Fink, Martin Muhler, Yuemin Wang, and Christof Wöll. The Surface Science Approach for Understanding Reactions on Oxide Powders: The Importance of IR Spectroscopy. Angewandte Chemie, online veröffentlicht am 5. April 2012. DOI: 10.1002/ange.201200585.

Externer Link: www.kit.edu

Züge im Leichtbauformat

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2012

Je weniger Züge wiegen, desto sparsamer fahren sie. Ein neues Material hält nun auch extremen Belastungen stand. Es eignet sich etwa für die Dieselmotoreinhausungen von Zügen – dieses Bauteil wird dadurch 30 Prozent günstiger und über 35 Prozent leichter als das Gegenstück aus Stahl und Aluminium.

Autos und Züge sollen energiesparender werden – die Hersteller versuchen daher, die gängigen Materialien durch leichtere zu ersetzen. Eine Hürde dabei: Die leichten Materialien sind nicht genauso belastbar wie Stahl und Aluminium, die Werkstoffe können nicht eins zu eins ersetzt werden. Vielmehr müssen die Hersteller abwägen, welche Bauteile abspecken dürfen und wie sich diese in das Gesamtsystem integrieren lassen.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT in Pfinztal haben nun ein Polyurethan-basierendes Sandwichmaterial entwickelt, das extrem belastbar ist – gemeinsam mit Bombardier GmbH, Krauss-Maffei Kunststofftechnik GmbH, Bayer MaterialScience AG, der DECS GmbH, dem DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, der Universität Stuttgart und dem Karlsruher Institut für Technologie. »Als Demonstrator haben wir daraus zunächst ein Bauteil hergestellt, das stark beansprucht wird und viele Anforderungen erfüllen muss: die Dieselmotoreinhausung von Zügen«, sagt Jan Kuppinger, Wissenschaftler am ICT. Diese Einhausung befindet sich unter der Fahrgastzelle, also zwischen Abteil und Schienen. Hier schützt sie den Motor vor Steinschlägen und die Umgebung vor eventuell ausgelaufenem Öl. Im Brandfall verhindert sie, dass sich die Flammen ausbreiten und erfüllt somit die geforderten Flamm- und Brandschutznormen für Schienenfahrzeuge. »Mit dem neuen Material können wir das Gewicht der Bauteile um mehr als 35 Prozent reduzieren, und die Kosten um 30 Prozent«, sagt Kuppinger.

Die Stabilität des Bauteils erreichen die Forscher durch einen Sandwich-Aufbau: Außen befindet sich jeweils eine glasfaserverstärkte Polyurethanschicht, innen ein Kern aus Pappwaben. Polyurethan ist ein Massenkunststoff aus zwei Komponenten, den man an verschiedene Anforderungen anpassen kann, er wird daher auch als „Werkstoff nach Maß“ bezeichnet. Aufgeschäumt ist er weich und dient beispielsweise als Material für Matratzen, in seiner kompakten Form dagegen ist er fest und hart. Die Forscher haben das Polyurethan durch verschiedene Zusätze zunächst so verändert, dass es die Brandschutznormen erfüllt. In einem zweiten Schritt haben die Partner das hierfür gängige Fertigungsverfahren, das Fasersprühen, optimiert: Sie haben einen Mischkopf entwickelt, mit dem sie auch komplexe Strukturen in der benötigten Größe herstellen können. Die hergestellte Dieselmotoreinhausung ist etwa 4,5 Meter lang und über zwei Meter breit. »Erstmals ist es gelungen, über dieses Verfahren ein so großes und komplexes Bauteil herzustellen, das den strukturellen Anforderungen genügt«, erläutert Kuppinger. Ein Problem beim Fasersprühen lag bisher darin, dass die Dicke der entstandenen Polyurethan-Sandwichdeckschichten nicht genau bestimmt werden konnte. Dies ist den Forschern nun gelungen: Sie haben die hergestellten Schichten mit einem Computer-Tomographen untersucht und über eine angepasste Auswerteroutine die genaue Schichtdicke ermittelt. Diese Informationen helfen dabei, die Festigkeit des Bauteils zu simulieren – und somit zu wissen, welche Belastung es aushält.

Einen Demonstrator der Dieselmotoreinhausung haben die Wissenschaftler in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderten Projekt PURtrain bereits hergestellt. Er hat den ersten Festigkeitstest mit Bravour bestanden: Dabei haben die Wissenschaftler in einem Versuchsstand Kräfte auf verschiedene Stellen des Demonstrators ausgeübt und gemessen, wie stark er sich verformt. In einem weiteren Schritt wollen die Forscher das Bauteil in einem realen Feldversuch testen. Verläuft er erfolgreich, dann können aus dem Material auch Dachsegmente, Seitenklappen und Windabweiser für die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie gefertigt und der Herstellungsprozess auf mittlere Stückzahlen zwischen 250 und 30 000 übertragen werden.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Mit Laserstrahlen Sprengstoff finden

Presseaussendung der TU Wien vom 27.02.2012

Eine Erfindung der TU Wien weist Chemikalien auf große Distanz nach – selbst wenn sie im Inneren von Behältern verborgen sind.

Von explosiven Substanzen hält man gern etwas Abstand, doch um sie aufzuspüren und chemisch nachzuweisen ließ sich ein recht enger Kontakt bisher nicht vermeiden. An der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, Chemikalien auch in geschlossenenen Gefäßen auf eine Entfernung von über hundert Metern genau zu untersuchen. Das Licht eines Laserstrahls wird von verschiedenen Substanzen auf charakteristische Weise gestreut – dadurch lässt sich sogar der Inhalt eines Containers chemisch analysieren ohne ihn zu öffnen.

„Chemischer Fingerabdruck“ im gestreuten Licht

„Die Methode, die wir verwenden, ist die Raman-Spektroskopie“, sagt Professor Bernhard Lendl vom Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien. Mit einem Laserstrahl beleuchtet man die Probe, die chemisch analysiert werden soll. Wird das Licht an den Molekülen der Probe gestreut, kann es seine Energie ändern. Beispielsweise können einzelne Photonen des Laserlichts Schwingungen in den Molekülen der Probe anregen und dadurch Energie abgeben. Damit ändert sich die Wellenlänge des Lichts und somit seine Farbe. Aus der genauen Farb-Zusammensetzung des gestreuten Lichts lässt sich daher ablesen, an welcher chemischen Substanz es gestreut wurde.

Messen aus großer Distanz – dank höchster Präzision

„Bisher musste man bei dieser Art der Raman-Spektroskopie den Laser und den Licht-Detektor in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Probe aufstellen“, erklärt Bernhard Zachhuber. Durch seine Weiterentwicklungen sind die Messungen nun aber auch auf große Distanzen möglich. „Von hundert Millionen Photonen regen nur einige wenige überhaupt einen Raman-Streuprozess in der Probe an“, sagt Bernhard Zachhuber. Diese gestreuten Lichtteilchen wiederum verteilen sich gleichmäßig in alle Richtungen. Nur ein winziger Bruchteil gelangt von der Probe zum Licht-Detektor. Aus diesem schwachen Signal muss möglichst viel Information herausgelesen werden. Das gelingt mit Hilfe eines leistungsfähigen Teleskops und hochempfindlichen Licht-Sensoren.

Die Forschungsgruppe an der TU Wien kooperierte bei diesem EU-Projekt von Anfang an mit der Industrie und mit potenziellen Anwendern aus dem Bereich der öffentlichen Sicherheit: Die spanische „Guardia Civil“ zeigte sich von Beginn an interessiert, im Zuge der Arbeiten konnte auch das österreichische Bundesheer war in die Forschungsarbeiten in Wien eingebunden werden. Auf einem Gelände des Bundesheeres konnte das Team der TU Wien ausprobieren, auf welche Distanzen sich Chemikalien auf diese Weise identifizieren lassen. Unter den getesteten Proben waren häufig verwendete Sprengstoffe wie TNT, ANFO oder Hexogen. Die Versuche verliefen äußert vielversprechend: „Selbst bei einem Abstand von über hundert Metern lassen sich die Substanzen noch zuverlässig nachweisen“, berichtet Engelene Chrysostom (TU Wien).

Ich messe was, was du nicht siehst …

Die Raman-Spektroskopie auf großen Distanzen funktioniert sogar, wenn die untersuchte Probe in einem undurchsichtigen Container versteckt ist. Der Laserstrahl wird zwar am Container gestreut, dringt aber teilweise auch ins Innere ein. Im Probematerial kommt es also immer noch zu Raman-Streuprozessen. „Die Schwierigkeit liegt darin, das Lichtsignal des Behälters vom Lichtsignal der Probe im Inneren zu unterscheiden“, sagt Bernhard Lendl. Das gelingt mit einem einfachen geometrischen Trick: Der Laserstrahl trifft auf einem kleinen, fokussierten Punkt am Container auf, verbreitert sich dann im Inneren aber stark. Das Lichtsignal, das vom Behälter kommt, geht also von einem geometrisch eng begrenzten Bereich aus, das schwache Lichtsignal des Inhalts wird von einem größeren Bereich ausgesandt. Richtet man also das Mess-Teleskop also nicht genau auf die Laser-Auftreffstelle, sondern ein Stück davon weg, misst man das charakteristische Lichtsignal des Inhalts – nicht das der Verpackung.

Vom Flughafen bis zum Mars

Die neue Methode könnte Sicherheitskontrollen auf Flughäfen einfacher machen – doch das mögliche Anwendungsgebiet ist noch viel größer. Raman-Spektroskopie auf große Distanzen ist überall dort interessant, wo es schwierig ist, ganz nah an das Untersuchungsobjekt heranzukommen. Für die Untersuchung von Eisbergen kann das genauso nützlich sein wie für Gesteinsuntersuchungen bei Mars-Missionen. Auch in der chemischen Industrie gibt es für solche Methoden ein breites Einsatzgebiet. Die Anmeldung zum Patent durch die TU Wien ist bereits erfolgt. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at