Längeres Leben für Lithium-Schwefel-Batterien

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.04.2013

Elektroautos haben nach wie vor einen schweren Stand auf Deutschlands Straßen. Die Fahrzeuge sind zu teuer und ihre Reichweite zu gering. Doch jetzt ist ein Durchbruch bei der leistungsfähigen und kostengünstigen Lithium-Schwefel-Batterie gelungen.

Mehr als 40 Millionen Autos rollen derzeit über Deutschlands Straßen. Lediglich ein Bruchteil davon fährt jedoch mit elektrischer Energie. Rund 6400 Fahrzeuge sind es aktuell laut Verkehrsministerium. Die Gründe liegen in der vergleichsweise geringen Reichweite und den hohen Kosten der Stromspeicher: Käufer müssen nach wie vor mehrere Tausend Euro für die Akkus auf den Tisch legen und die Suche nach einer Aufladestation beginnt oft schon nach den ersten 100 Kilometern. Forscher tüfteln deshalb an effizienteren Technologien. Äußerst vielversprechend ist dabei die Lithium-Schwefel-Batterie. Sie ist wesentlich leistungsfähiger und kostengünstiger als die bislang bekanntere Lithium-Ionen-Variante. Doch bislang ist sie wegen ihrer geringen Lebensdauer noch in keinem Auto zu finden. Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern.

Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden haben jetzt ein neues Batteriedesign entwickelt, dass die Aufladezyklen von Lithium-Schwefel-Akkus um das Siebenfache erhöht. »Bisher kam man bei Tests kaum über 200 Zyklen hinaus. Durch eine besondere Kombination aus Anoden- und Kathodenmaterial konnten wir nun die Lebensdauer von Lithium-Schwefel-Knopfzellen auf 1400 Zyklen ausdehnen«, beschreibt Dr. Holger Althues, Leiter »Chemische Oberflächentechnologie« am IWS den Durchbruch seines Teams. Die Anode ihres Prototyps besteht nicht – wie sonst üblich – aus metallischem Lithium, sondern aus einer Silizium-Kohlenstoff-Verbindung. Diese ist wesentlich stabiler, da sie sich bei jedem Ladevorgang weniger verändert als das Lithium-Metall. Denn je stärker sich das Anodenmaterial verformt, desto mehr vermischt es sich mit dem flüssigen Elektrolyten, der zwischen Anode und Kathode liegt und den Strom transportiert. Bei diesem Vorgang zersetzt sich die Flüssigkeit in Gas und Feststoffe. Die Batterie trocknet aus. »Im Extremfall ›wächst‹ die Anode bis zur Kathode und sorgt mit einem Kurzschluss für den vollständigen Zusammenbruch der Batterie«, erklärt Althues.

Entscheidend für die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer einer Batterie ist das Zusammenspiel von Anode und Kathode. Beim Lithium-Schwefel-Modell bildet elementarer Schwefel die Kathode. Der Vorteil: Schwefel ist im Vergleich zum knappen Kobalt – dem hauptsächlich in Lithium-Ionen-Batterien verwendeten Kathodenmaterial – in nahezu unbegrenzten Mengen verfügbar und dadurch günstiger. Doch auch der Schwefel tritt mit dem flüssigen Elektrolyt in Wechselwirkung. Die Leistungsfähigkeit der Batterie sinkt, im schlimmsten Fall verliert sie vollständig an Kapazität. Die Forscher am IWS nutzen poröse Kohlenstoffe, um diesen Vorgang zu entschleunigen. »Wir haben die Poren der Kohlenstoffe exakt angepasst, damit sich der Schwefel dort einlagern kann und sich langsamer mit dem Elektrolyt verbindet«, veranschaulicht Althues. Zusammen mit seinen Kollegen hat der Forscher eine Methode entwickelt, um diese speziellen Kathoden herzustellen.

Doppelt so weit fahren

Die Experten vom IWS messen die Leistungsfähigkeit einer Batterie in Watt-Stunden pro Kilogramm (Wh/kg). Von Lithium-Schwefel-Batterien versprechen sie sich langfristig eine Energiedichte von bis zu 600 Wh/kg. Zum Vergleich: Aktuell verwendete Lithium-Ionen-Akkus kommen lediglich auf maximal 250 Wh/kg. »Mittelfristig realistisch sind eher Zahlen um 500 Wh/kg. Das heißt, man kann bei identischem Batteriegewicht doppelt so weit fahren«, so Althues. Im Umkehrschluss sind deutlich leichtere Batteriemodelle möglich. Das ist nicht nur für Automobil-, sondern auch für Smartphone-Hersteller interessant: Die mobilen Alleskönner würden mit leichteren Akkus deutlich an Gewicht verlieren. »Vielleicht macht Lithium-Schwefel ja sogar das elektrische Fliegen möglich. Bis dahin muss aber noch viel passieren«, ergänzt Althues. Aktuell arbeiten die Wissenschaftler daran, das Material weiter zu optimieren und es an größeren Batteriemodellen einzusetzen. Auch auf geeignete Herstellungsmethoden wollen sie ihr Augenmerk legen. Denn nur so besteht die Chance, dass die Technologie es in den Massenmarkt schafft und sich die Zahl der Elektroautos auf deutschen Straßen entscheidend vergrößert.

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Photovoltaik-Anlagen, die nicht blenden

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2013

Blenden Photovoltaikanlagen Piloten bei Start oder Landung, kann das riskant sein. Eine neue Software soll künftig bereits bei der Planung solcher Anlagen berechnen, wann und wo Blendungen auftreten und wie sie sich vermeiden lassen.

Der Pilot ist im Landeanflug, als ihn plötzlich gleißendes Licht blendet – hervorgerufen durch eine großflächige Photovoltaikanlage, in der sich die Sonne spiegelt. In Flughafennähe stellen solche Blendungen ein großes Sicherheitsrisiko dar. Auch in der Nähe von Autobahnen erhöhen sie die Unfallgefahr. Bevor eine Photovoltaikanlage gebaut werden darf, berechnen Ingenieure daher für einige ausgewählte Beispieltage im Jahr, wann und wo die störenden Lichtreflexionen auftreten – insbesondere dann, wenn Flughäfen, Autobahnen oder größere Wohngebiete in der Nähe liegen.

Künftig soll das einfacher gehen – und umfassender: Mit einer Software, die Blendungen auf Knopfdruck dreidimensional darstellt. Entwickelt wird sie von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin gemeinsam mit ihren Kollegen des Landesamts für Umwelt, Naturschutz und Geologie in Mecklenburg-Vorpommern und verschiedenen Solarplanern. »Die Software erstellt eine 3D-Ansicht von allen Seiten zu jeder beliebigen Uhr- und Jahreszeit«, sagt Alexander Wollert, Wissenschaftler am FIT. »Dabei rekonstruieren wir die ganze Szene in einem dreidimensionalen Raum, mit Karte, Höhenprofil, Sonne, dreidimensionalen Gebäuden und Photovoltaikanlagen.« Die Forscher simulieren also den Sonnen- und Blendverlauf für jede beliebige Zeiteinheit und in beliebiger Richtung. Dabei berücksichtigen sie sowohl die Höhe verschiedener Bodenflächen als auch Hindernisse wie Bäume oder Lärmschutzwände.

Reflexionen ermitteln

Die Planer können die PV-Anlage am Monitor beliebig verschieben und erfahren sofort, wann und wo es dadurch Konflikte gibt. Bei welchem Sonnenstand, zu welcher Tagesund Jahreszeit blenden die Solarmodule? In welcher Richtung treten die Reflexionen auf – sind beispielsweise auch Menschen betroffen, die nicht in Richtung des Sonnenkraftwerks schauen? Und was kann man tun, damit die Blendungen ausbleiben? So können die Anlagenplaner beispielsweise die Ausrichtung und den Neigungswinkel der Elemente ändern. Reicht das nicht aus, um die Störeffekte zu vermeiden, lässt sich die Software auch um andere Modelle von Photovoltaikmodulen mit einer matteren Oberfläche erweitern. Sie reflektieren die Sonne zwar weit weniger als übliche Module, sind allerdings auch teurer.

Für die Region um den Frankfurter Flughafen haben die Forscher die Software bereits erstellt und getestet. Darauf aufbauend entwickeln sie nun eine Version, die Photovoltaikbetreibern in ganz Deutschland weiterhelfen soll. »Die Software bezieht ihr Kartenmaterial dynamisch vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie«, erklärt Wollert. »Von dort lädt sie automatisch das benötigte Kartenmaterial herunter sowie passende Karten zur Höheninformation. Diese Informationen kombiniert sie zu einer dreidimensionalen Ansicht der jeweiligen Umgebung, die die Basis für alle weiteren Berechnungen bildet.« Im kommenden Jahr, erwartet Wollert, dürfte die Software einsatzbereit sein.

Interessant ist die Anwendung auch für private Anlagen: Denn mitunter kommt es zu Gerichtsverfahren, wenn Nachbarn sich durch das Blenden belästigt fühlen. Mit der Software ließe sich dieses Problem künftig umgehen – und der nachbarschaftliche Frieden bliebe erhalten.

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Gesundes Saatgut – umweltfreundlich behandelt

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2013

Um Samen von Schädlingsbefall zu befreien, behandeln Landwirte das Saatgut chemisch. Forscher haben eine Methode entwickelt, die Erreger ohne Umweltbelastung abzutöten. Erste Saatgutlieferanten setzen das Verfahren jetzt kommerziell ein.

Auf Saatgut tummeln sich Pilze, Bakterien und Viren. Um diese abzutöten und so zu verhindern, dass sich Pflanzenkrankheiten ausbreiten können, wird die Saat in der Regel chemisch gebeizt. Doch in jüngster Zeit ist diese Methode in Verruf geraten. Einigen chemischen Beizmitteln wurde die Zulassung entzogen, aber auch Neuzulassungen sind stark zurückgegangen. Und nicht zuletzt hat ein schwerer Fall von E.coli-Infektionen durch Sprossensaatgut, der im Sommer 2011 für Schlagzeilen sorgte, die Rufe nach Alternativen laut werden lassen. Eine umweltfreundliche Methode, Saatgut von Keimen zu befreien, haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dresden entwickelt. Sie behandeln die Saat mit Elektronen, die innerhalb von Millisekunden die DNA der Schädlinge zerstören. Durch einen speziellen apparativen Aufbau wirken die Elementarteilchen nur auf der Oberfläche und in der Samenschale. Der Keimling im Inneren des Samenkorns wird nicht getroffen, die Keimfähigkeit des Saatguts somit nicht beeinträchtigt.

»Im Getreidesaatgut finden sich fast nur pilzliche Erreger, doch durch den Klimawandel ist es mittlerweile zunehmend von Bakterien aus dem Süden befallen, gegen die es noch keine chemischen Mittel gibt. Unsere Behandlung mit niederenergetisch beschleunigten Elektronen hingegen wirkt gegen bakterielle und pilzliche Schaderreger. Auch können Schädlinge gegen dieses Verfahren keine Resistenzen ausbilden«, sagt Frank-Holm Rögner, Diplom-Physiker und Abteilungsleiter am FEP. Da der Forscher und sein Team keine chemischen Zusatzstoffe verwenden, vernichten sie mit ihrer Methode die Keime auf umweltschonende Weise. Saatgutüberschuss kann problemlos verfüttert werden.

Dass die Keimfähigkeit des so behandelten Samens gleichwertig mit der des chemisch gebeizten Saatguts ist, konnten die Experten seit langem unter Beweis stellen: Seit zwei Jahrzehnten versuchen sie, ihre Methode zu etablieren und weiterzuentwickeln. 2002 bauten sie eine mobile Demonstrationsanlage, mit der sie seither deutschlandweit Testbehandlungen durchführen. Doch obwohl die EPPO (European and Mediterranean Plant Protection Organization) das Verfahren sowohl für die konventionelle als auch für die ökologische Landwirtschaft empfiehlt, konnte sich die Technologie bislang nicht am Markt durchsetzen, und kam nicht über den Demonstrationsstatus hinaus. Ein Grund für den ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolg seien unter anderem die Landwirte, die erst mit langjährig guten Praxisergebnissen in Verbindung mit den Empfehlungen ihres Saatgutlieferanten oder Fachberaters überzeugt werden könnten, neue Ideen fachfremder Wissenschaftler aber selten ernst nähmen, so Rögner.

Nun arbeiten die Forscher mit der Nordkorn Saaten GmbH zusammen. 2010 ließ sich Nordkorn das Verfahren erstmals mit dem mobilen Demonstrator – einem Truck, auf dem sich die Anlage befindet – direkt am Heimatstandort in Güstrow vorführen. Der Saatgutproduzent war begeistert, schließlich lief der Prototyp Hunderte von Stunden mit einem Durchsatz von bis zu 30 Tonnen pro Stunde – das Vertrauen in die Robustheit der Technik war gegeben. Inzwischen hat Nordkorn die Pilotanlage gemeinsam mit dem langjährigen Saatgutpartner des FEP, der BayWa AG, gekauft und das FEP mit dem Bau einer zweiten maßgeschneiderten Anlage beauftragt. Dieses Unikat soll Ende Juni 2013 in Güstrow in Betrieb gehen. Gemeinsam mit BayWa und Nordkorn sowie einem Anlagenbauer ist auch die Weiterentwicklung der Anlage geplant, unter anderem soll die Technik preiswerter und kompakter werden. Zur Zeit bemühen sich die Forscher und ihre Partner um eine Projektförderung.

Die Forscher vom FEP sind zuversichtlich, dass sich die Elektronenbehandlung langfristig als Erfolgsgeschichte erweisen wird. Hierfür spricht einiges: Ab 2015 müssen Landwirte nachweisen, dass sie sich bemühen, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern und den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu senken. »Hier können wir mit unserer Anlage einen wesentlichen Beitrag leisten«, sagt Rögner. Sollte sich die Elektronenbehandlung breiter durchsetzen, könnten die Forscher vom FEP ihr Verfahren an Anlagenbauer lizensieren.

Derzeit treiben die Wissenschaftler ihre Auslandsaktivitäten voran. Das FEP bemüht sich, die Elektronenbehandlung in den chinesischen und in den indischen Markt einzuführen. »Hier sehen wir aufgrund der großen Saatgutproduktionsmengen gute Chancen«, sagt Rögner.

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Reha für zu Hause

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.01.2013

Nach Unfällen oder Operationen folgen oft lange Rehabilitationsmaßnahmen. Künftig können Patienten die Übungen zu Hause durchführen – und doch sichergehen, dass sie die richtigen Bewegungen ausführen. Möglich macht dies eine neue Reha-Technologie.

Gekonnt gleitet der Skifahrer durch die weiße Landschaft, doch auf einer vereisten Stelle verliert er das Gleichgewicht – der wohlverdiente Winterurlaub endet im Krankenhaus. Nach der Operation soll eine Reha helfen, die Bewegungsfähigkeit wieder herzustellen. Dafür braucht der Patient viel Geduld und Ausdauer. Vielen Verletzten würde es leichter fallen, die Übungen zu Hause zu machen, als wochenlang in der Reha-Klinik auszuharren. Und auch nach einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus ist es wichtig, dass der Patient in der häuslichen Umgebung weiterhin übt.

Künftig soll eine neue Technologie die Patienten stärker motivieren, ihre Übungen durchzuführen – und Rehamaßnahmen daheim oder unterwegs ermöglichen, etwa in Pausen am Arbeitsplatz. Experten sprechen hier von Telerehabilitation. Die Grundlage dafür ist eine Technologie, die Forscher am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin entwickelt haben. Sie besteht aus einem Übungseditor, einer Reha-Box und einer mobilen Sensoreinheit, die an das Smartphone angeschlossen wird. Der Therapeut konzipiert im Übungseditor ein Trainingsprogramm, das speziell auf den Patienten zugeschnitten ist und dessen Anspruch sich von Woche zu Woche steigert. Dieses Programm kann der Patient in seiner Wohnung nutzen – mit Hilfe der Reha-Box – einer Art Mini-PC für Fernsehgeräte. Der kleine Rechner verfügt über einen Internetanschluss, eine Kamera und ein Mikrofon. Auf dem Fernsehbildschirm sieht der Patient Übungsabläufe, die er nachmachen kann. Die Reha-Box analysiert die Daten, die die Kamera vom übenden Patienten aufnimmt. Zuvor werden mit einer Software die Körperdaten jedes Patienten in drei Dimensionen modelliert und auf ein biomechanisches Computermodell übertragen. Sind die Angaben ausgewertet, sendet die Box sie via Internet an das Reha-Zentrum, wo der Therapeut den Fortschritt des Patienten nachvollzieht und Übungen entsprechend anpasst.

Mobile Einheit misst Vital- und Bewegungsdaten

Neben den Bewegungsdaten ist es für die Therapeuten wichtig, die Vitaldaten des Patienten zu kennen – also Puls, Sauerstoffsättigung und gegebenenfalls auch EKG. So können sie nicht nur einschätzen, ob der Betroffene die Übungen richtig ausführt, sondern auch, wie stark sie ihn belasten. Das ist besonders wichtig bei Menschen, die eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben. »Wir haben daher zusätzlich eine mobile Einheit entwickelt«, sagt Dr. Michael John, Projektleiter am FOKUS. »Sensoren in einem Brustgurt, einer Uhr oder einem Walking-Stock messen die Vitaldaten wie Puls und Blutdruck oder Bewegungsqualität und senden sie an ein Smartphone.« Über den Übungseditor kann der Therapeut Schwellwerte einstellen: Steigt etwa der Puls des Patienten über einen Wert an, der für ihn als Limit eingegeben wurde, ertönt ein Warnsignal.

Die mobile Einheit ergänzt einerseits die Reha-Box, soll dem Patienten künftig aber auch ermöglichen, seine Übungen unterwegs durchzuführen – etwa beim Walken in der Freizeit oder in der Pause im Büro. »Wir arbeiten daran, auch mit der mobilen Einheit die Bewegungsqualität des Patienten analysieren zu können. Dazu verwenden wir Motion-Tracking-Sensoren, die die Bewegungen der Gliedmaßen zueinander und im Raum analysieren«, erläutert John. Ein weiterer Punkt, an dem die Forscher momentan arbeiten, ist ein Übertragungsstandard für die Bewegungsdaten. Wie standardisiert man diese Werte, damit sie von verschiedenen Geräten gelesen werden können? Für die Vitaldaten gibt es einen solchen Standard bereits, den ISO 11073. Er spezifiziert, wie die Daten zwischen den Geräten übertragen werden, und sorgt so dafür, dass sie zwischen Sensoren, Smartphone und medizinischen Geräten verschiedener Hersteller fehlerfrei übermittelt werden. »Für die Bewegungsdaten entwickeln wir einen solchen Standard gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten«, so John.

Wichtig bei der Entwicklung aller Einheiten war es den Forschern, die Anforderungen der Patienten und Physiotherapeuten bestmöglich zu berücksichtigen. Sie haben daher alle drei Komponenten – den Übungseditor, die Reha-Box und die mobile Einheit – in zahlreichen Vorstudien von Patienten und Therapeuten testen lassen und entsprechend modifiziert. Ab Februar 2013 folgt nun der Feldtest mit einer größeren Gruppe von Patienten, ab Sommer 2013 könnte das System dann einsatzbereit sein.

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Schiffsrümpfe bewuchsfrei halten

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.12.2012

Spezielle Unterwasseranstriche verhindern, dass Muscheln und andere Organismen am Schiffsrumpf anwachsen – doch biozid wirkende Lacke sind ökologisch bedenklich. Forscher haben mit Industriepartnern eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt.

Liegt ein Schiff längere Zeit vor Anker, siedeln sich an seinem Rumpf Algen, Muscheln und Seepocken an. Dieses Problem – man bezeichnet es als Biofouling – verursacht jedes Jahr wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe: Der biologische Bewuchs der Unterwasserfläche begünstigt deren Korrosion. Die Ablagerungen erhöhen die Rauheit des unter Wasser liegenden Rumpfes und bremsen dadurch die Fahrt des Schiffes. Je nachdem, wie stark der Bewuchs ist, steigt dadurch der Treibstoffverbrauch um bis zu 40 Prozent. Bei einem größeren Containerschiff können so jährliche Mehrkosten im millionenstelligen Bereich entstehen.

Bisherige Gegenmaßnahmen haben alle erhebliche Nachteile: Eine Möglichkeit ist, den Rumpf im Abstand von etwa drei bis fünf Jahren im Trockendock mit Sandstrahlgebläsen zu reinigen. Dabei wird jedoch auch die Lackierung entfernt und muss danach erneuert werden. Biozide Anstriche unterbinden zwar einen Bewuchs, gefährden jedoch auch die Umwelt, da sie sich in Wasser und Sedimenten anreichern. Die besonders giftigen Organozinn-Verbindungen sind deshalb seit einigen Jahren verboten und auch die bislang noch zulässigen Kupferanstriche sollen in absehbarer Zeit durch giftfreie Lösungen ersetzt werden.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM am Standort Halle haben im Rahmen des vom BMWi geförderten Projektkonsortiums »Gesteuertes Antifoulingschichtsystem aus Nanokompositen für die Schifffahrt« (GANaS) eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt. »Das elektrochemisch aktive Anstrichsystem erzeugt an der Schiffsrumpfoberfläche regelmäßig wechselnde pH-Werte. Damit lässt sich eine Besiedelung wirksam verhindern, ohne auf Biozide zurückgreifen zu müssen«, erklärt Prof. Manfred Füting vom IWM in Halle, der das Projekt koordiniert.

Elektrisch geladene Lacke

Der neuartige Anstrich basiert auf Nanokompositlacken der Firma NTC, die mit unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten versehen wurden und in einem Mehrschichtsystem auf den Schiffsrumpf aufgebracht werden. Wird das System »angeschaltet«, fließen schwache Ströme im Bereich von 0,1 Milliampere (mA) pro Quadratzentimeter durch diese Schichten. In bestimmten Zeitintervallen werden diese dann umgepolt. Aufgrund wasserelektrolytischer Prozesse ändert sich dadurch der pH-Wert des Wassers in der unmittelbaren Umgebung. Muscheln, Algen und Seepocken fühlen sich jedoch nur bei bestimmten, konstanten Bedingungen wohl und wachsen deshalb nicht am Schiffsrumpf an. Das Grundprinzip der ständig wechselnden pH-Werte geht auf eine patentierte Entwicklung des Projektpartners bioplan GmbH zurück. Dabei ist es egal, ob das Schiff in der rauen Ostsee oder in karibischen Gefilden unterwegs ist: Stromdichte und Zeitintervalle können über eine Benutzerschnittstelle eingestellt und so der jeweiligen Gewässersituation angepasst werden. Die Energieversorgung wird über Photovoltaikmodule oder über Landstrom sichergestellt. »Mit den Lackentwicklungen im GANaS-Projekt sind wir auf dem Weg zu einer praktikablen Lösung«, so Füting.

Füting und seine Kollegen haben bei ihrer Entwicklung in erster Linie Behördenschiffe, etwa Ölhavarie- oder  Feuerlöschboote im Blick: Diese liegen die meiste Zeit im Hafen, müssen aber bei Bedarf sofort einsatzbereit sein. »Wenn so ein Schiff stark bewachsen ist, erreicht es die Geschwindigkeit gar nicht mehr, die es eigentlich bräuchte, um schnell zum Einsatzort zu gelangen«, gibt Füting zu bedenken.

Tests mit den ersten Prototypen in der Schiffswerft Barth verliefen vielversprechend: Ein Boot der Fischereiaufsicht in Mecklenburg-Vorpommern testet derzeit die Lackentwicklungen und hat bisher den Nachweis für Bewuchsfreiheit und Haltbarkeit erbracht. Nachfolgeprojekte sind bereits in Planung: »Da wird es dann vor allem darum gehen, unser System zu vervollkommnen und für die industrielle Fertigung und den Praxiseinsatz zu optimieren«, so Füting.

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