Wie Grundschüler von Tablet-Lernangeboten profitieren können

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 24.11.2016

Studie der Tübinger Bildungsforschung: Der Einsatz von Tablet-Programmen sollte auf Lernziele und die Voraussetzungen der Nutzer zugeschnitten sein

Grundschüler profitieren von Tablet-Lernangeboten im Unterricht – aber nur, wenn diese an die jeweiligen Lernziele sowie die kognitiven Fähigkeiten des einzelnen Kindes angepasst sind. Zu diesem Schluss kommen Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in einer Studie. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Learning and Individual Differences“ veröffentlicht.

Tablet-Computer lassen sich intuitiv durch Bildschirmberührung und Steuergesten bedienen. Auch jüngeren Kindern ist so prinzipiell der Zugang zu komplexen computerbasierten Lernangeboten möglich. Aber können sie derartige Angebote schon sinnvoll nutzen? Und führen komplexe Tablet-Apps für Grundschüler im Vergleich zu einfacheren Angeboten auch zu einem erhöhten Lernerfolg? Um dies zu beantworten, verglichen die Tübinger Forscher zwei verschiedene Tablet-Lernanwendungen und untersuchten, ob Kinder mit sogenannten Hypermedien ‒ das sind vernetzte Dokumente, die mit anderen Medien wie Grafik, Ton oder Video elektronisch verlinkt sind ‒ vertiefter lernen als mit einfacher strukturierten Tablet-Angeboten wie einem multimedialen E-Book zum Durchblättern.

Ihr Fazit: Das Lernen mit Hypermedien hat Vorteile für das mehrperspektivische Denken, also die Fähigkeit, ein Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dies funktioniert aber nur, wenn Schülerinnen und Schüler über ein hinreichend leistungsfähiges Arbeitsgedächtnis verfügen. Beim Faktenwissen schnitt die „einfache“ Lernumgebung eines E-Books besser ab.

Für die Studie entwickelten die Wissenschaftler zwei Arten von Lernmaterialien für Tablets, mit deren Hilfe sich Kinder Wissen über das Thema Biodiversität von Fischen aneignen sollten. Fast 200 Viertklässler aus Baden-Württemberg sollten sich in die Rolle eines Aquariummitarbeiters versetzen und mit zwei Dutzend verschiedenen Fischarten beschäftigen. Mit Hilfe von Tablets bewältigten sie konkrete Aufgaben zu verschiedenen Themenbereichen: Welches Futter brauchen einzelne Fischarten? In welchem Gewässer sind sie zuhause? Leben sie als Einzelgänger oder im Schwarm? Die Aufgaben waren so gestellt, dass die Kinder insgesamt sechs solcher thematischen Perspektiven einnehmen und miteinander in Beziehung setzen mussten. Damit sollte über reines Faktenlernen hinaus auch mehrperspektivisches Denken geschult werden, das für komplexe Problemstellungen wichtig ist.

Die Kinder der einen Gruppe erhielten ein hypermediales Tablet-Lernangebot. Als Ausgangspunkt wurden alle Fischarten in einer alphabetischen Anordnung abgebildet. Wenn die Kinder eine der Abbildungen auf dem Bildschirm berührten, erhielten sie zusätzlich einen Text und ein Video mit Informationen zur jeweiligen Fischart. Außerdem gab es sechs Schaltflächen, mit denen die Kinder die Fische automatisch thematisch umsortieren konnten, zum Beispiel im Hinblick auf Essgewohnheiten, Lebensraum oder Sozialverhalten. Die Kinder der zweiten Gruppe wurden nicht durch diesen hypermedialen Perspektivenwechsel unterstützt. Sie nutzten auf dem Tablet ein multimediales E-Book zum Durchblättern. Dies enthielt zwar die gleichen Informationen zu den verschiedenen thematischen Perspektiven, die Informationen wurden aber in der Reihenfolge vorgegeben, wie sie zum Lösen der Aufgaben gebraucht wurden.

Gemessen wurde, wie gut Kinder die einzelnen Aufgaben mit dem Tablet bearbeiteten und wie gut sie sich später an die dafür relevanten Fakten erinnern konnten. Außerdem wurde erfasst, wie gut sie das am Fisch-Beispiel erlernte mehrperspektivische Denken auch auf neue Problemsituationen in anderen Bereichen anwenden konnten. Schließlich wurde erhoben, wie gut ihr Arbeitsgedächtnis in Bezug auf Sprache, Zahlen und visuelle Informationen funktionierte. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass die Schüler sich Fakten besser merken konnten, wenn diese in der einfachen E-Book-Version präsentiert wurden. Das vertiefte Lernen im Sinne eines späteren mehrperspektivischen Denkens bei einer Transferaufgabe wurde aber besser mit dem komplexen hypermedialen Tablet-Lernangebot geschult. Dieser Vorteil fiel umso größer aus, je besser das Arbeitsgedächtnis der Kinder funktionierte. Nur für Kinder mit einer unterdurchschnittlichen Arbeitsgedächtniskapazität konnte kein Vorteil der Hypermedia-App gefunden werden.

„Das heißt nun aber nicht, dass hypermediale Tablet-Anwendungen leichtfertig im Unterricht  eingesetzt werden sollten“, erklärt Peter Gerjets vom Leibniz-Institut für Wissensmedien. Vielmehr kommt es immer darauf an, welches Lernziel man verfolgt und welche kognitiven Voraussetzungen die Schüler mitbringen. „Für Kinder, die über eine hohe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses verfügen, scheinen Hypermedia-Apps jedoch potenziell nützlich zu sein, um vertiefte Lernprozesse anzuregen.“

Publikation:
Kornmann, J.,  Kammerer, Y., Zettler, I., Trautwein, U. & Gerjets, P. (2016). Hypermedia exploration stimulates multiperspective reasoning in elementary school children with high working memory capacity: A tablet computer study. Learning and Individual Differences, 51, 273-283.

Externer Link: www.uni-tuebingen.de

Wie der Computer unsere Vorlieben errät

Presseaussendung der TU Wien vom 14.09.2016

Was unser Traum-Reiseziel ist, wissen wir oft selber nicht – doch Algorithmen, wie sie an der TU Wien und vom Spin-off-Unternehmen Pixtri entwickelt werden, machen intelligente Vorschläge.

Täglich versuchen Computer zu erraten, was uns gefallen könnte: Onlineshops schlagen uns neue Produkte vor, Filmstreaming-Anbieter versuchen, unseren Filmgeschmack zu verstehen, Werbefirmen wollen passende Werbebanner für uns auswählen. Doch oft liegen diese Empfehlungs-Tools auch ziemlich falsch. An der TU Wien hat man einen neuen Ansatz gewählt, der gemeinsam mit dem TU-Spin-off-Unternehmen Pixtri weiterentwickelt wird. Man versucht den User durch Bilder einem bestimmten Typus zuzuordnen. Bei komplizierten Aufgaben, etwa bei der Suche nach dem optimalen Reiseziel, liefert das neue Verfahren sehr gute Ergebnisse, die mit herkömmlichen Methoden nicht zu erzielen wären.

User analysieren statt Produkte bewerten

„Die meisten Empfehlungs-Tools haben einfach zu jedem Produkt eine Liste von Eigenschaften abgespeichert“, erklärt Julia Neidhardt vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien. „Man bekommt dann Produkte vorgeschlagen, die ähnliche Eigenschaften haben oder zu ähnlichen Kategorien gehören wie die, die man bereits gekauft hat.“ So ist es einfach, einem Käufer von Golfschlägern auch den Kauf von Golfbällen zu empfehlen – doch komplexe Aufgaben wie etwa die Auswahl eines Reiseziels können auf diese Weise kaum gelöst werden.

An der TU Wien versucht man es daher anders herum: Nicht das Produkt soll charakterisiert werden, sondern der User. Man bekommt eine Reihe von Bildern angezeigt und soll diejenigen auswählen, die einem am besten gefallen. Basierend darauf kann man einem bestimmten Urlaubertyp zugeordnet werden, und der Computer schlägt passende Reiseziele vor.

Die Idee geht auf Prof. Hannes Werthner zurück, der an der TU Wien die Arbeitsgruppe für e-commerce leitet. Was als Grundlagenforschung begann wurde bald zum wirtschaftlichen Erfolg – nicht zuletzt durch das TU-Spin-off Pixtri, einer Firma, die für verschiedene Anbieter Empfehlungs-Software herstellt. „Stimmungsbilder, die man über Bilder abfragen kann, sind für uns viel interessanter als die Hard Facts über unserer User, etwa das Alter oder der Wohnort“, erklärt Rainer Schuster von Pixtri, der selbst bei Hannes Werthner an der TU Wien promovierte.

Das System ist einfach zu bedienen, mit wenigen Mausklicks gelangt man zu einem Ergebnis, doch dahinter stecken mehr komplizierte Forschungsfragen als man auf den ersten Blick meinen könnte. „Wir unterscheiden sieben Reisefaktoren, um individuelle Vorlieben zu beschreiben – dabei konnten wir uns auf Einteilungen stützen, die es bereits gab“, sagt Rainer Schuster. „Eine Herausforderung ist es, die optimalen Bilder zu finden, dafür haben wir zahlreiche Tests mit vielen Versuchspersonen durchgeführt.“

Ein Foto von einem Traumstrand findet fast jeder schön, das sagt wenig über den Reisetyp des Users aus. Man muss daher für diesen Zweck nicht unbedingt Fotos auswählen, die sich als Umschlagbild für einen Reiseprospekt eignen würden, sondern Fotos, die statistisch gesehen besonders gut dafür eignen, zwischen unterschiedlichen Reisevorlieben zu unterscheiden.

Konzerttipps und Mode

Dasselbe Verfahren lässt sich auch für andere Zwecke einsetzen – etwa für die Suche nach passenden Veranstaltungen und Konzerten. „Wir können dann zusätzlich zu Bildern auch kurze Soundbytes verwenden“, sagt Schuster. Das muss kein Ausschnitt aus einem Musikstück sein, auch in diesem Bereich funktioniert die Zuordnung subtiler: Ob jemand einen Audioclip mit jubelnder Menge beim Rockkonzert gut findet, ob jemand das Geräusch einer geöffneten Bierdose ganz nach oben reiht – all das kann viel darüber aussagen, welche Veranstaltung dieser Person vorgeschlagen werden sollten. besser „Auch im Bereich Mode und Schmuck gibt es bereits Pläne, die Algorithmen von TU Wien und Pixtri zu verwenden, an konkreten Kooperationen wird bereits gearbeitet.“

„Noch komplizierter wird die Sache, wenn man nach der optimalen Lösung für mehrere Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sucht – zum Beispiel nach einem Urlaubsziel für eine Reisegruppe“, sagt Julia Neidhardt. „Da ist noch spannende Grundlagenforschung zu erledigen, aber wir sind zuversichtlich, dass wir auch dabei Erfolg haben werden.“ (Florian Aigner)

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Computersimulation kann Kindern Herzeingriffe ersparen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.09.2016

Kinder mit angeborenen Herzfehlern müssen oft eine lange Reihe von belastenden Untersuchungen und Eingriffen über sich ergehen lassen. Im EU-Projekt CARDIOPROOF haben Fraunhofer-Forscher eine Software entwickelt, mit denen sich bestimmte Interventionen im Vorfeld simulieren lassen. Erste Erfahrungen zeigen, dass man dadurch künftig auf manch einen Eingriff verzichten könnte.

Für die Eltern ist es zunächst ein Schock: Wird ihr Kind mit einer Aortenisthmusstenose geboren, ist die Aorta so stark verengt, dass früher oder später lebensgefährliche Herzprobleme drohen. Zum Glück lässt sich dieser Herzfehler heute gut behandeln, etwa durch das Einführen einer Gefäßstütze (Stent). Allerdings sind, verteilt über die Jahre, oft mehrere Eingriffe nötig – eine Belastung für Kind und Eltern. Das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen hat eine Software entwickelt, die verschiedene Arten von Interventionen simulieren kann und dadurch einen Vergleich zwischen ihnen ermöglicht. Dadurch könnte die Qualität der Therapie verbessert sowie die Notwendigkeit eines Eingriffs erwogen werden. So manche Operation könnte den jungen Patienten erspart bleiben. Die Arbeiten erfolgten im EU-Projekt CARDIOPROOF, das Ende 2016 abgeschlossen sein wird.

Ausgangspunkt für die Rechnersimulation sind Bilder, die ein Magnetresonanz-Scanner (MR-Scanner) von den Herzen der Patienten macht. Die Aufnahmen zeigen nicht nur die Form der Gefäße, sondern stellen auch den Blutfluss dar. »Daraus können unsere Algorithmen ermitteln, welche Blutdruck-Verhältnisse dort herrschen«, erläutert Dr. Anja Hennemuth, Forscherin bei Fraunhofer MEVIS. »Wichtig ist unter anderem, wie stark sich der Blutdruck vor und hinter einer Gefäßverengung unterscheidet.« Ausgehend von dieser sogenannten Druckfeldsimulation können die Experten verschiedene Arten von Interventionen im Rechner nachbilden und abschätzen, welche Auswirkungen der jeweilige Eingriff hätte.

Gefäßstützen virtuell testen

So ist es den Forschern möglich, einen virtuellen Ballonkatheter aufzublasen und zu prüfen, wie sich das auf Blutfluss und Blutdruck auswirken würde. Oder sie spielen am Rechner das Einsetzen verschiedenartiger Gefäßstützen durch. Mit diesem »virtuellen Stenting« sind sie in der Lage, herauszufinden, welches Stent-Modell am besten geeignet ist und an welcher Stelle es positioniert werden sollte. »Mit Hilfe unserer Software können die Mediziner fundierter entscheiden, welche Art von Eingriff am günstigsten ist, ob man ihn auf einen späteren Zeitpunkt verschieben sollte und ob eine Intervention überhaupt nötig ist«, erläutert Hennemuth.

CARDIOPROOF hat zum Ziel, ein praxistaugliches System für den klinischen Einsatz zu entwickeln. »Wir wollten die Methode so gestalten, dass sie für den Ablauf im Krankenhaus nutzbar ist«, betont Hennemuth. Dazu haben die Bremer Fachleute eng mit den am Projekt beteiligten Kliniken zusammengearbeitet. Unter anderem untersuchten sie, wie sich die neue Software am besten in die Abläufe in den Krankenhäusern integrieren lässt. Auch die Nutzeroberfläche wurde in enger Abstimmung mit den Ärzten entwickelt und getestet.

Software berechnet Blutströme und -drücke

Um zu prüfen, wie realitätsgetreu die Computersimulationen sind, haben die Experten klinische Studien am Deutschen Herzzentrum in Berlin durchgeführt. Dazu wurden die jungen Herzpatienten nach dem Eingriff nochmals per MR-Scanner untersucht. Dadurch ließen sich die Blutströme vor und nach der Intervention erfassen und mit den Simulationen abgleichen. Das Ergebnis: Das Softwaretool sagt die Blutströme und -drücke hinreichend genau voraus.

Mit Hilfe der webbasierten Software kann der Mediziner innerhalb von 30 Minuten Blutfluss und Blutdruck in der Aorta rekonstruieren. Anschließend lässt sich virtuell ein Eingriff durchspielen. Das Ergebnis dieser Simulation liegt in der Regel nach einer weiteren halben Stunde vor. »Wir haben die Eignung für die klinische Praxis gezeigt«, sagt Anja Hennemuth. »Die nächsten Schritte wären Qualitätssicherung, Zulassung und Überführung in eine kommerzielle Lösung.« Ein entsprechendes Anschlussprojekt ist bereits von LYNKEUS, einem der CARDIOPROOF-Industriepartner, bei der EU beantragt.

Dass die Computersimulationen nicht nur die Belastung für Kinder und Eltern senkt, sondern auch Kosten fürs Gesundheitssystem spart, hat ein weiterer Projektpartner ermittelt: Die London School of Economics analysierte im Detail, welchen finanziellen und organisatorischen Nutzen das neue Verfahren gegenüber der derzeitigen Praxis haben könnte. Das Ergebnis: Da die Software die Zahl von Komplikationen und Nachfolgebehandlungen verringern dürfte, könnten die Behandlungskosten pro Patient in einem Idealszenario bis zu zehn Prozent sinken.

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Achtung, der Roboter braucht Hilfe!

Presseaussendung der TU Wien vom 19.07.2016

Menschen sind bereit, einem Roboter zu helfen, wenn er sein Anliegen verständlich kommuniziert. Ein Forschungsprojekt der TU Wien untersucht die Kooperation zwischen Mensch und Maschine.

Roboter sind da um uns zu helfen, aber manchmal sind sie auch auf unsere Hilfe angewiesen. Wenn etwa der Weg des Roboters von einem unerwarteten Hindernis blockiert ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als einen Menschen um Unterstützung zu bitten. An der TU Wien wird untersucht, wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine am besten funktioniert. Experimente zeigen, dass die meisten Menschen sogar wiederholte Roboterfehler problemlos verzeihen – vorausgesetzt der Roboter sagt klar, was er braucht, und die Störung ist leicht zu beheben. Allerdings gibt es Unterschiede je nach kultureller Herkunft der Versuchspersonen.

Wichtig sind klare Fehlermeldungen

Wie wir mit Menschen kooperieren, haben wir gelernt. Ganz automatisch können wir uns in die Situation des anderen hineinversetzen, um seine Handlungen zu verstehen. Bei Maschinen fällt uns das viel schwerer – genau deshalb entwickelt man Aggressionen, wenn der Computer aus unerkennbarer Ursache zum dritten Mal abstürzt. Wenn wir nicht wissen, was da vor sich geht, dann ärgern wir uns.

„Wesentlich ist, dass der Roboter seinen Systemstatus klar und verständlich kommuniziert, dann akzeptieren wir auch Fehler“, sagt Astrid Weiss. Sie ist Soziologin, ausgezeichnet mit einem Hertha-Firnberg Stipendium, und forscht am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien in der Arbeitsgruppe Vision4Robotics unter der Leitung von Prof. Markus Vincze. In ihrer Forschung überträgt sie Konzepte aus der Soziologie auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine, um die Zusammenarbeit zu verbessern und bestehende Kommunikationsprobleme zwischen Menschen und Robotern genauer zu verstehen.

Simulierte Fehler

In einer Reihe von Experimenten, die Astrid Weiss gemeinsam mit dem Doktoranden Markus Banjones durchführte, mussten Versuchspersonen mit Hilfe eines Roboters Aufgaben lösen. Verwendet wurde dafür Hobbit, ein Haushalts-Hilfsroboter, der an der TU Wien entwickelt wurde und sich durch eine Kamera und ausgeklügelte Bildverarbeitungssoftware selbstständig im Raum orientieren kann. Die Versuchspersonen wussten allerdings nicht, dass immer wieder ein Mensch aus dem Nebenzimmer das Kommando über den Roboter übernahm und gezielt Fehler produzierte. Der Roboter wandte sich dann mit der Bitte um Hilfe an die Menschen: „Ich stecke fest“, hieß es dann, oder „ich habe die Orientierung verloren – bitte schieben Sie mich in die richtige Richtung.“

Die Versuchspersonen halfen bereitwillig. Meistens war es die Person, die dem Roboter zuletzt einen Befehl erteilt hatte, die sich zuständig fühlte, den Roboter wieder auf die richtige Bahn zu lenken. „Solche Beobachtungen können wir nutzen, um Algorithmen zu entwickeln, mit denen der Roboter in Zukunft entscheidet, wen er um Hilfe bittet“, sagt Astrid Weiss.

Nach den Experimenten wurden die Versuchspersonen darüber befragt, wie sie die Zusammenarbeit mit dem Roboter empfunden haben, ob sie den Roboter als hilfreich oder sogar als liebenswert einstufen würden. Erstaunlicherweise gaben manche Versuchspersonen an, es habe überhaupt keine Probleme gegeben. Ein leicht behebbarer Fehler des Roboters wird gar nicht erst als Funktionsstörung betrachtet, sondern als normaler Teil der Zusammenarbeit hingenommen. Auch wiederholte Störungen wurden verziehen, wenn die Versuchspersonen das Gefühl hatten, vom Roboter klar und verständlich über die Probleme informiert worden zu sein.

Kulturelle Unterschiede

Untersucht wurde auch, ob es Unterschiede zwischen Versuchspersonen aus Österreich, den USA und Japan gibt – mit erstaunlichen Ergebnissen: Während amerikanische und österreichische Testpersonen ähnliches, fehlertolerantes Verhalten zeigten, waren die Versuchspersonen aus Japan kritischer. „In Japan wird eher der Standpunkt vertreten, dass eine Maschine einwandfrei funktionieren soll – und wenn nicht, dann erwartet man, dass eine Fachkraft die Sache in Ordnung bringt“, sagt Astrid Weiss. „Das Konzept, dass Endnutzer den Roboter unterstützen sollen, ist dann weniger naheliegend.“ (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Weltrekord in der terrestrischen Funkübertragung

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 18.05.2016

Multi-Gigabit-Funk über höchste Distanzen

Den Inhalt einer handelsüblichen DVD in zehn Sekunden per Funk zu übermitteln, ist unvorstellbar schnell – und ein neuer Weltrekord der Datenübertragung. Mit einer Datenrate von 6 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) über eine Entfernung von 37 Kilometern hat ein Forschungsverbund unter Beteiligung von Forschenden der Universität Stuttgart und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) den Stand der Technik um den Faktor 10 übertroffen.

Durchgeführt wurde das Verbundprojekt ACCESS (Advanced E-Band Satellite Link Studies) von einer Forschungsgruppe um Prof. Ingmar Kallfass vom Institut für Robuste Leistungshalbleitersysteme (ILH) der Universität Stuttgart, dem Institut für Hochfrequenztechnik und Elektrotechnik (IHE) des KIT, der Radiometer Physics GmbH und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF.

Dem Team gelang die Rekord-Datenübertragung auf einer Strecke zwischen Köln und dem 36,7 km entfernten Wachtberg. Die Stationen standen auf dem 45-stöckigen Uni-Center in Köln und dem Gelände des Weltraumbeobachtungsradar TIRA am Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) in Wachtberg.

Rekord durch Einsatz neuester Technologie

Die extrem hohe Datenrate von 6 Gbit/s erzielte die Gruppe durch leistungsfähige Sender und Empfänger bei einer Radiofrequenz von 71–76 Gigahertz (GHz) im für den terrestrischen und Satellitenfunk freigegebenen „E-Band“. Nur in diesem Frequenzbereich mit Millimeterwellen stehen die erforderlichen hohen Nutzbandbreiten zur Verfügung. Nur hier lassen sich die enormen Datenraten verwirklichen.

Eine weitere Schwierigkeit ist die Abschwächung der Signale über größere Entfernungen. Entsprechend stark muss gesendet werden, entsprechend leistungsfähig muss am Ende der Verstärker sein. Schlüssel zu der einzigartigen Kombination aus Gigabit-Datenrate und Höchstdistanz bilden die leistungsfähigen Sender und Empfänger in Form voll monolithisch integrierter Millimeterwellen-Schaltungen (MMICs).

Den Schaltungen liegen zwei innovative Transistortechnologien zugrunde, die der Projektpartner Fraunhofer IAF entwickelt und hergestellt hat. Im Sender werden die breitbandigen Signale mit Hilfe von Leistungsverstärkern auf Basis des neuartigen Verbindungshalbleiters Galliumnitrid auf eine vergleichsweise hohe Sendeleistung von bis zu 1 W gebracht. Eine hoch gerichtete Parabolantenne strahlt die Signale ab. Im Empfänger sind rauscharme Empfangsverstärker auf Basis von Höchstgeschwindigkeitstransistoren, unter Verwendung von Indium-Gallium-Arsenid-Halbleiterschichten mit sehr hoher Elektronenbeweglichkeit, eingebaut. Sie sorgen für die Detektion der über die Entfernung äußerst stark abgeschwächten Signale.

Vielzahl an Anwendungsgebieten

Die Übertragung hoher Datenmengen per Funk über große Distanzen dient einer Vielzahl wichtiger Anwendungsgebiete: Die nächste Generation der Satellitenkommunikation erfordert einen immer größeren Datenfluss von Erdbeobachtungssatelliten zur Erde. Die Versorgung des ländlichen Raumes und entlegener Gebiete mit schnellem Internet ist bei einer Datenrate wie bei dem Versuch möglich. 250 Internetanschlüsse könnten mit 24 Mbit/s ADSL versorgt werden. Terrestrische Funkübertragung im E-Band eignet sich als kosteneffizienter Ersatz für das Verlegen von Glasfaser oder als Ad-hoc-Netz im Krisen- und Katastrophenfall, bis hin zur Verbindung von Basisstationen im Backhaul der Mobilkommunikation.

Bedarf ungebremst steigend

Dem ungebremst ansteigenden Bedarf an immer höheren Datenraten in fasergebundenen und drahtlosen Kommunikationsnetzen kann nur mit technologischen Innovationen bei der Netzinfrastruktur begegnet werden. Moderne Entwicklungen wie das Internet der Dinge und Industrie 4.0 stehen darüber hinaus erst an ihrem Anfang. Sie verlangen nach bisher nie dagewesenen aggregierten Datenmengen. Deren Verarbeitung und Übertragung in cloud-basierten Diensten bringt die Kommunikationsinfrastruktur bereits heute an ihre Grenzen. Auch in der Satellitenkommunikation führen die Fortschritte in der Erdbeobachtung und Weltraumforschung sowie Pläne eines weltumspannenden Satellitennetzes zu bisher ungelösten Herausforderungen in der Kommunikationsinfrastruktur.

Das Projekt im Überblick

ACCESS wurde zum 30. April beendet und findet seine Fortsetzung im Nachfolgeprojekt ELIPSE (E-Band Link Platform and Test for Satellite Communication). Ziel war die nächste Generation von Kommunikationssystemen für die schnelle Anbindung von Satelliten. Eine weitere Anwendung liegt aber auch im terrestrischen Richtfunk.

Neben der Universität Stuttgart, dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist der Industriepartner Radiometer Physics GmbH (A Rohde & Schwarz Company) beteiligt. Das Projekt wurde gefördert durch das Bundeministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Unterstützung leisteten das Fraunhofer FHR, das Uni-Center Köln und der Südwest-Rundfunk, die den Zugang zu ihren Gebäuden gewährten. (lg/le)

Externer Link: www.kit.edu