Virtueller Navigationsassistent für komplexe Gebäude

Presseaussendung der TU Wien vom 18.05.2015

Augmented Reality Indoor Navigation: TU Wien und Startup-Unternehmen entwickeln Software, die in das Live-Bild der Smartphone Kamera automatisch die richtigen Wegweiser einblendet.

Nur noch dreißig Minuten bis zum Anschlussflug. Bis dahin muss noch das richtige Gate und eine öffentliche Toilette gefunden werden, und ein schneller Kaffee wäre auch noch gut. In Flughäfen und anderen großen Gebäuden ist es oft schwer, sich zu orientieren – ganz besonders, wenn man im Stress ist. Der „Personal Indoor Assistant“, entwickelt von TU Wien und dem Startup-Unternehmen „Insider Navigation“, macht es nun einfacher, den richtigen Weg zu finden. Man muss nur die entsprechende App am Smartphone starten, die Software erkennt dann im Kamerabild anhand der Gebäudestruktur millimetergenau den Standort und kann direkt ins Live-Bild die passenden Wegweiser einblenden.

Bilderkennung in Echtzeit

„Viele Navigations-Systeme verwenden GPS- oder WLAN-Daten“, sagt Hannes Kaufmann, Leiter des Teams für interaktive Mediensysteme an der TU Wien (Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme). „Unser Ansatz ist ganz anders: Das Bild wird automatisch nach charakteristischen Punkten durchsucht und mit einer gespeicherten Karte des Gebäudes verglichen“, erklärt Kaufmann. Dadurch kann man die Position viel genauer bestimmen, eine Präzision im Millimeterbereich ist möglich. Gleichzeitig lässt sich auch leicht ausrechnen, in welche Richtung die Kamera gerade blickt.

Dadurch können Wegweiser und wichtige Informationen direkt ins Bild eingefügt werden. Man läuft durch den Flughafen und sieht auf dem Handy das Echtzeit-Bild der Umgebung, angereichert um hilfreiche digitale Zusatzinformation, die man gerade braucht. Man spricht von „Augmented Reality“.

Erfolgreiche Tests am Flughafen Wien-Schwechat

Am Flughafen Wien-Schwechat wurde der „Personal Indoor Assistant“ bereits erfolgreich getestet. Das mobile Tracking-System von TU Wien und Insider Navigation blendet nicht nur Hinweispfeile an, um den richtigen Weg anzuzeigen. Es liefert auch nützliche Zusatzinformation, etwa die persönliche Abflugzeit oder die verbleibende Wegzeit zum Abflug-Gate, oder Live-Updates, zum Beispiel über Gate-Änderungen. Nicht nur in Flughäfen oder Bahnhöfen, sondern auch in Shoppingcentern oder Krankenhäusern wäre die neue Technologie gut einsetzbar.

Um in einem belebten Raum zu funktionieren, der sich im Lauf der Zeit auch immer wieder verändert, muss das Ortserkennungssystem sehr flexibel sein. An der TU Wien hat man daher einen Algorithmus entwickelt, der die Umgebung auch dann zuverlässig erkennt, wenn das aktuelle Bild nur teilweise mit den gespeicherten Daten übereinstimmt. Tausende markante Punkte im Bild werden erkannt und mit der Datenbank verglichen. „Auch wenn mal 70% der Punkte verdeckt sind macht das nichts“, sagt Kaufmann. Am Gebäude selbst sind keine Änderungen nötig. Man braucht weder Sendeanlagen noch spezielle QR-Codes, genau wie ein Mensch erkennt der Algorithmus die Position alleine anhand der charakteristischen visuellen Eigenschaften der Umgebung.

Das System funktioniert ohne GPS und zusätzliche Hardware. Betreiber von Flughäfen und ähnlichen Einrichtungen könnten die Technologie in ihre bestehenden Apps integrieren, damit wäre sie für User kostenlos.

Clemens Kirner, Gründer und CEO von Insider Navigation, hat zusätzlich zu Indoor Navigation auch noch weitere Ideen: „Augmented Reality bietet für Betreiber und Mieter auch ganz neue Marketing- und Service Möglichkeiten. Man kann abhängig vom Aufehaltsort personalisiert Information einblenden – virtuelle Werbeplakate, 3D-Objekte und sogar Videos.“

Vom Forschungslabor direkt auf den Markt

Der „Personal Indoor Assistant“ ist das Ergebnis eines Gemeinschaftsprojekts von TU Wien und der Firma Card-emotion, das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert wurde. Aufgrund des Erfolges wurde „Insider Navigation“ gegründet, ein eigenes Startup-Unternehmen. Wichtige Komponenten der neuen Technologie sind bereits patentiert. „Für dieses Jahr sind bereits mehrere Pilotsysteme beauftragt. Ziel ist es bis Ende des Jahres den ersten Kunden online zu schalten. Nun sind wir gespannt, wo es überall zum Einsatz kommt. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.“ erklärt Hannes Kaufmann. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Intelligente Jonglierbälle: Forschungsprojekt der FH OÖ kommt mit Crowdfunding auf den Markt

Pressemeldung der FH Oberösterreich vom 09.02.2015

Die Forschungsgruppe Embedded Systems am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich hat Hightech-Jonglierbälle entwickelt, die jetzt via Crowdfunding finanziert und vermarktet werden. Die „Juggglow“ getauften Bälle, die für Profis wie Anfänger geeignet sind, können nicht nur Jongliermuster erkennen. Über die dazugehörige kostenlose Smartphone-App ist es z.B. auch möglich, coole Lichteffekte einzustellen und Erfolge mit Freunden zu teilen. Entdecken und unterstützen können Interessierte das kreative Projekt auf Indiegogo.

Profi-Jongleuren und allen, die es werden wollen, steht dank Forschern des FH OÖ-Studiengangs Hardware-Software-Design in Hagenberg schon bald eine neue Art von Hightech-Jonglierbällen zur Verfügung.

„Wir haben Juggglow komplett an der FH entworfen. Das erste Funktionsmuster wurde im Rahmen eines Studentenprojekts im Master Embedded Systems Design für die Jonglierweltmeister Jonglissimo entwickelt. Dieser Ball wurde dann in unserer Forschungsgruppe völlig neu entwickelt und perfektioniert, damit er mit dem Smartphone kommunizieren kann, leichter wird und billiger zu produzieren ist. Jetzt bringen wir unsere Jonglierbälle über die Crowdfunding-Plattform Indiegogo auch tatsächlich auf den Markt”, erklärt Projektleiter Josef Langer, Professor am FH OÖ-Department für Embedded Systems Design.

Von Forschern und Studierenden entwickelt

Neben Dr. Langer sind seine Kollegen DI (FH) Christian Saminger und Dr. Michael Roland sowie die Studierenden Bernhard Berger, Martin Haiden und Andreas Lehner aus dem Master Embedded Systems Design und Michael Kiesenhofer aus dem Bachelor Hardware-Software-Design die kreativen Köpfe hinter Juggglow. Sie alle sind stolz darauf, dass ihr Projekt nun die Chance hat, via Crowdfunding den Markteintritt zu schaffen.

„Wir wollen zunächst die 10.000 Euro-Hürde auf Indiegogo erzielen, die zugehörige Kampagne läuft noch bis 7. März“, erklärt Langer. Im Rahmen der ersten Fundraising-Etappe können Interessierte auch bereits Jonglierbälle bestellen, die zwischen 56 und 89 Euro pro Stück kosten, je nachdem wie viele Bälle auf einmal gekauft werden.

Hightech-Ausstattung und Gratis-App

Die Juggglow-Jonglierbälle sind mit moderner Funktechnologie, RGB-LEDs und Beschleunigungssensoren ausgestatten. So lassen sich nicht nur Lichteffekte von simplen Farbabfolgen bis hin zu komplexen, verschiedenfarbigen Licht-Choreografien für die Bälle einstellen. Auch die Anzahl der erfolgreichen Würfe, die Wurfhöhe und Bestleistungen sind damit stets in der zugehörigen Juggglow-App abrufbar, die für Android und iOS zur Verfügung stehen wird. Dies unterstützt die eigene Leistungssteigerung und erlaubt, sich mit anderen zu messen.

Als Lernplattform auch im Studium eingesetzt

An der FH in Hagenberg werden auch künftige Studierende von Hardware-Software-Design und Embedded Systems Design mit diesen Jonglierbällen in Kontakt kommen. „Das Projekt hat hervorragend zu unserer Forschungsarbeit im Bereich Bluetooth Low Energy, Vernetzung und Echtzeitsysteme gepasst, deren Ergebnisse wir immer auch in die Lehre einfließen lassen. Unsere Erfahrungen und Erkenntnisse in Sachen Fangdetektion, Zustandserkennung bei den Bällen, Miniaturisierung des Systems und Energiemanagement sind auch für unsere Studierenden von großem Interesse”, sagt Langer.

Externer Link: www.fh-ooe.at

GPS im Gebäude: Forscher der TU Graz bauen Prototyp für Innenraum-Positionsbestimmung per Mobiltelefon

Pressemitteilung der TU Graz vom 12.02.2015

Exakte Lokalisierung in Innenräumen hat Potential für Rettungskräfte, Industrie und autonome Systeme

Satellitenbasierte Lokalisierungssysteme wie das US-amerikanische GPS oder das europäische Pendant Galileo gehören heute dank „smarter“ Mobiltelefone zu unserem Alltag – zumindest unter freiem Himmel. Im Gebäudeinneren ist die Positionsbestimmung mangels Satellitensignalen nicht möglich, wäre aber insbesondere für Rettungskräfte oder die Industrie sehr vorteilhaft. Forscher der TU Graz entwickeln alternative Technologien und setzen dabei auf reflektierte Funksignale. Mit der kürzlich zuerkannten Förderung PRIZE des BMWFW baut das Grazer Team nun einen Prototyp ihres „virtuellen“ Satellitensystems für das Mobiltelefon.

Wir sind heute daran gewöhnt, überall zuverlässig unseren genauen Aufenthaltsort per Mobiltelefon bestimmen zu können – satellitenbasierten Lokalisierungssystemen wie GPS sei Dank. Im Straßenverkehr, beim Stadtbummel oder bei Ausflügen in der Natur funktioniert das meist einwandfrei. Sobald man aber ein Gebäude betritt, sind die Satellitensignale nicht mehr vorhanden. „Besonders Rettungskräfte, die Industrie oder jegliche Einrichtungen mit erheblichen Besucherströmen würden enorm von der exakten Positionsbestimmung von Personen und Objekten in Innenräumen profitieren“, weiß Klaus Witrisal vom Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz. „Allerdings braucht es dann oft eine Genauigkeit im Zentimeterbereich“. Gemeinsam mit Paul Meissner, Erik Leitinger und weiteren Kollegen der TU Graz entwickelt er neue Konzepte für exakte, zuverlässige Innenraum-Lokalisierungssysteme.

Eine „virtuelle“ Satellitenkonstellation

„Vereinfach gesagt ist unser Lösungsansatz eine ‚virtuelle‘ Konstellation von Satelliten. Wenn wir die Geometrie des Gebäudes kennen, beispielsweise aus einem Gebäudeplan, können wir die von Wänden reflektierten Funksignale als Informationsquelle nehmen, mehrere Pfade nachvollziehen und die Position zentimetergenau bestimmen“, erklärt der Forscher. Ein wesentlicher Vorteil der erprobten Technologie: Sie lässt sich in mobile Endgeräte integrieren. Klaus Witrisal erläutert: „Die verwendeten Funksignale können Kleidung und Objekte durchdringen und über größere Distanzen übertragen werden. Zudem lassen sich Sender und Empfänger günstig bauen und mit geringem Stromverbrauch betreiben“. Die Grazer Technologie hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie lässt sich anders als bisherige Versuche zur Innenraum-Lokalisierung nicht durch blockierte Sichtverbindungen oder sich überlagernde Signalreflexionen stören, weil auch reflektierte Signale aktiv verwendet werden.

Unsicherheiten automatisch berücksichtigt

Die wesentliche Erfindung der Grazer, die sich momentan in der Patentierungsphase befindet, ist die automatische Schätzung der durch die reflektierten Funksignale bedingten Informations-Unsicherheiten. „Eine Leichtbauwand reflektiert ein Funksignal wesentlich schwächer als eine Wand aus Stahlbeton“, gibt Paul Meissner ein Beispiel. Parameter, die aus den Funksignalen extrahiert werden, erlauben die optimale Kombination der verschiedenen Signalpfade der Funkreflektionen. Das Konzept der Grazer Techniker braucht keine Kenntnis der Baumaterialien und keinen zentimetergenauen Bauplan. Es berücksichtigt solche Informationen und Unsicherheiten automatisch und direkt bei der Lokalisation.

Prototyp dank PRIZE-Förderung des BMWFW

Was relativ einleuchtend klingt, war bislang nur im Versuchsaufbau am Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz möglich. Im Februar 2015 wurde das Projekt mit der Prototypenförderung PRIZE des BMWFW bedacht – die Forscher tüfteln nun an der Integration der Technologie in mobile Endgeräte.

Das Wissenstransferzentrum Süd unterstützt anschließend bei der Verwertung des geförderten Prototypen. Die über die Austria Wirtschaftsservice (aws) abgewickelte Prototypenförderung PRIZE erfolgt im Rahmen des vom BMWFW lancierten Programms „Wissenstransferzentren und IPR-Berwertung“, mit dem die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter gestärkt werden soll.

Externer Link: www.tugraz.at

Verbesserte Schnittstelle für Quanten-Internet

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 15.01.2015

Ein Quantennetzwerk benötigt effiziente Schnittstellen, über die Information von Materie auf Licht und umgekehrt übertragen werden kann. Wie dieser Informationstransfer unter Ausnutzung eines kollektiven Quantenphänomens optimiert werden kann, zeigen Innsbrucker Physiker um Rainer Blatt und Tracy Northup nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Seit einigen Jahren sind Quantencomputer keine reine Theorie mehr. Im Labor haben Forscher die ersten Bausteine eines zukünftigen Quantenrechners bereits realisiert und erfolgreich getestet. Über ein Dutzend unterschiedliche Technologien kommen dabei zum Einsatz. Der am weitesten fortgeschrittene Ansatz sind Ionenfallen, in denen einzelne geladene Atome mit Hilfe von Lasern sehr gut kontrolliert werden können. Diese Idee wurde von Ignacio Cirac und Peter Zoller entwickelt und von einem Team um den Innsbrucker Experimentalphysiker Rainer Blatt federführend in die Realität umgesetzt. Die Gruppe am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck hat 2013 auch erstmals die Quanteninformation eines in einer Ionenfalle gespeicherten Atoms gezielt auf ein Photon übertragen und damit den Grundbaustein für eine Schnittstelle zwischen Quantenprozessoren und Lichtleitern geschaffen. Nun haben die Physiker um Blatt dieses Interface noch einmal verbessert, indem sie sogenannte superradiante Zustände ausnutzen.

Zuverlässige Schnittstelle

„Will man ein Quantennetzwerk mit gefangenen Ionen realisieren, benötigt man ein effizientes Interface, über das die Quanteninformation von Teilchen auf Photonen übertragen werden kann“, erklärt Projektleiterin Tracy Northup aus dem Team von Rainer Blatt. „In unserer Schnittstelle positionieren wir zwei Ionen zwischen zwei stark reflektierenden Spiegeln. Dann verschränken wir die Teilchen und koppeln sie beide an den optischen Resonator.“ Die kollektive Wechselwirkung zwischen den Teilchen und dem Resonator kann nun so eingestellt werden, dass die Erzeugung von Photonen verstärkt wird. „Diesen Zustand nennt man superradiant“, erläutert Bernardo Casabone, der Erstautor der aktuellen Arbeit. Um die Eignung für die Quanteninformationsverarbeitung zu demonstrieren, schreiben die Forscher einen Quantenzustand in die verschränkten Teilchen ein und übertragen diesen auf das Photon. Aufgrund der superradianten Wechselwirkung wird das Photon fast doppelt so rasch erzeugt wie im früheren Experiment. „Durch die Ausnutzung der Superradianz wird der Informationstransfer von den Teilchen auf das Photon wesentlich zuverlässiger“, freut sich Casabone über das gelungene Experiment. Damit verringern sich auch die technischen Voraussetzungen für den Bau solcher Schnittstellen.

Schreib-Lese-Einheit für Quantenspeicher

In ihrem Experiment konnten die Innsbrucker Physiker über die Wechselwirkung zwischen den Teilchen und dem optischen Resonator auch subradiante Zustände erzeugen. Dabei wird die Emission von Photonen unterdrückt statt verstärkt. „Auch diese Zustände sind interessant, weil die Quanteninformation dadurch für den Resonator unsichtbar wird und so geschützt werden kann“, sagt Tracy Northup. Damit ist es sogar denkbar, durch ein Hin- und Herschalten zwischen sub- und superradianten Zuständen die Quanteninformation in den Teilchen gezielt abzufragen. In einem zukünftigen Quantencomputer könnten so adressierbare Lese- und Schreib-Operationen an einem Quantenregister realisiert werden.

Unterstützt werden die Physikerinnen und Physiker der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bei ihren Forschungen zu einer Quanten-Schnittstelle vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der europäischen Union und der Tiroler Industrie.

Publikation:
Enhanced quantum interface with collective ion-cavity coupling. B. Casabone, K. Friebe, B. Brändstatter, K. Schüppert, R. Blatt, and T. E. Northup. Phys. Rev. Lett. 114, 023602 DOI: 10.1103/PhysRevLett.114.023602

Externer Link: www.uibk.ac.at

Gebt dem Computer eine Psyche!

Presseaussendung der TU Wien vom 12.01.2015

Wer intelligente Computer haben will, muss ihnen Emotionen und Triebe einprogrammieren. An der TU Wien verknüpft man nun Computertechnik und Psychologie.

Computer können schneller rechnen, präziser Daten verwalten und besser Schach spielen als wir. Aber so richtig intelligent sind sie noch immer nicht – auch wenn man seit den Fünfzigerjahren an künstlicher Intelligenz forscht. Situationen zu verstehen, intuitiv zu reagieren und vorausschauende Entscheidungen zu treffen fällt Computern immer noch schwer. An der TU Wien kam man zu dem Schluss: Für echte Intelligenz braucht man Triebe, Emotionen, Gefühle. Viele elektronische Schaltelemente ergeben zusammen noch keine Intelligenz, man braucht übergeordnete Strukturen, wie man sie aus der menschlichen Psychologie kennt. Solche Strukturen werden nun an der TU Wien nun untersucht und entwickelt.

Ideen aus der Psychologie für den Computer

Sigmund Freud suchte nach Strukturen im menschlichen Geist: Er unterschied Bewusstes und Unbewusstes, er führte Kategorien wie das Ich, das Über-Ich und das Es ein. „Genau solche Strukturen haben wir nun auch als Funktionen in die künstliche Intelligenz eingeführt“, erklärt der Elektrotechniker Samer Schaat. Am Institut für Computertechnik der TU Wien lässt man daher seit Jahren die Psychologie in die künstliche Intelligenz miteinfließen.

Durch die Verbindung von Psychologie und Computertechnik entwickelte man einen groben Schaltplan der künstlichen Entscheidungsfindung, der nun als Basis für intelligente Computerprogramme dient. Dieser grobe Strukturplan legt fest, wie Erinnerungen, neue Wahrnehmungen oder innere Triebe Einfluss auf den aktuellen emotionalen Zustand ausüben, wie dadurch die Bewertung einer Situation beeinflusst wird und wie sich daraus neue Entscheidungen ergeben.

Essen, fliehen, kämpfen?

So gelingt es dem Team, intelligentes Verhalten nachzustellen. Zunächst wurden ganz einfache Welten programmiert, in denen eine künstliche Intelligenz mit künstlicher Psyche Entscheidungen treffen muss: Sie kann beispielsweise Hunger haben, sich aber gleichzeitig in einer bedrohlichen Situation befinden. Ist es nun besser zu essen, zu fliehen, oder gar die Konfrontation zu suchen? „Erst wenn man psychologische Effekte einbaut, zeigt das Programm ein Verhalten, das wir als menschenähnlich oder intelligent bezeichnen würden“, sagt Samer Schaat.

Die Evolution hat hunderte Millionen Jahre gebraucht, um psychische Strukturen hervorzubringen – die Entwicklung ging von einfacher Signalübertragung zwischen Nervenzellen über Triebe und Instinkte bis zu höheren kognitiven Fähigkeiten. „Man kann daher nicht erwarten, dass solche psychologischen Strukturen bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz ganz einfach von selbst auftauchen, nur weil man immer größere Computer verwendet. Wir verfolgen einen Top-Down-Ansatz: Die grobe Funktionsstruktur muss von vornherein vorgegeben werden“, sagt Samer Schaat. Man beginnt mit einer Programmarchitektur, die an die Psychologie angelehnt ist, und entwickelt dann den eigentlichen Programmcode.

Dass man Computer auf unterschiedlichen Ebenen betrachten muss, ist nicht neu: Es gibt die Ebene der elektronischen Bauteile, die Ebene des Betriebssystems, die Ebene der Anwendungsprogramme – und für jede Ebene gibt es eigene Sprachen und Werkzeuge. Darüber noch eine Zusatzebene einzuführen, die eine Rolle ähnlich der menschlichen Psyche spricht, ist im Grunde naheliegend.

Intelligente Häuser und computersimulierte Marktforschung

„In den letzten Jahren haben wir viel über die psychologischen Strukturen gelernt, die wir für die Programmierung künstlicher Intelligenz brauchen“, sagt Samer Schaat. „Nun sind wir so weit, die Erkenntnisse auch anzuwenden.“ Dabei geht es nicht darum, einen Menschen zu simulieren. Intelligenz ist beispielsweise auch bei der Steuerung von Haustechnik gefragt. Ein Gebäude könnte den inneren Trieb haben, möglichst wenig Energie zu verbrauchen und gleichzeitig den Bewohnern ein angenehmes Raumklima zu bieten. Derzeit wird daran gearbeitet, eine künstliche Psyche für solche Aufgaben zu entwickeln.

Sogar für die Sozialwissenschaft soll diese Art von Forschung nützlich sein: „Wir entwickeln derzeit auch ein System, das Konsumentscheidungen simuliert – ganz konkret die Wahl zwischen Ökostrom und herkömmlichem Strom“, sagt Schaat. Auch hier haben verschiedene psychologische Mechanismus einen Einfluss – etwa der Drang nach sozialer Anerkennung, wenn man eine moralisch als gut empfundene Entscheidung trifft. So könnte durch Computer-Psyche eine neue Forschungsmethode entstehen, die etwa für die Marktforschung interessante Daten liefert. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at