Dürrekatastrophen verstehen – durch eine Handy-App

Presseaussendung der TU Wien vom 03.10.2013

Die TU Wien arbeitet mit Satellitendaten, um Dürrekatastrophen besser zu verstehen. Eine Handy-App soll nun helfen, weitaus mehr Daten zu sammeln und langfristige Prognosen zu entwickeln.

Regenwolken sind weltweit problemlos aufzuspüren – man muss nur einen Blick auf Satellitenbilder werfen. Doch ob eine Hungersnot droht, wenn der Regen mal ausbleibt, ist sehr schwer vorherzusagen. Dürrekatastrophen hängen nämlich nicht nur vom Niederschlag, sondern auch von vielen weiteren Parametern ab. In Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen entwickelt die TU Wien nun eine Handy-App, mit der direkt in gefährdeten Gebieten wichtige Daten gesammelt werden sollen. Informationen über Niederschlag, Temperatur, Vegetation und Bodenfeuchte werden mit sozialen und ökonomischen Beobachtungen verknüpft. Dadurch will man Dürre- und Hungerkatastrophen besser verstehen lernen um in Zukunft rechtzeitig vorwarnen zu können.

Trockenheit bedeutet noch lange keine Hungersnot

Die Forschungsgruppe für Fernerkundung (Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien) arbeitet seit Jahren an Bodenfeuchte-Messungen. Aus den Daten von Satelliten, die mit Mikrowellen die Erdoberfläche abtasten, kann berechnet werden, wie feucht die Böden in unterschiedlichen Regionen sind.

Markus Enenkel beschäftigt sich mit dürregefährdeten Gebieten, insbesondere in Ostafrika. „Nicht jedes Niederschlags-Defizit führt zu Problemen“, erklärt er. „Die Frage ist: Wann und wie wirkt sich Trockenheit auf die Vegetation aus und welche Bedeutung hat das für die Nahrungsversorgung?“ Um diese Zusammenhänge erklären zu können ist die Bodenfeuchte ein entscheidender Parameter.

Doch nicht alle Daten können aus der Ferne mit Hilfe von Satelliten erhoben werden, viele entscheidende Fakten muss man direkt vor Ort untersuchen. Dazu gehören auch sozioökonomische Fragen: Wie sieht es in einer bestimmten Region mit künstlicher Bewässerung aus? Gibt es Zugang zu natürlichen Wasserquellen? Verbreiten sich bereits Krankheiten, die typischerweise mit Hungersnöten einhergehen? Sind Flüchtlingsströme zu beobachten? All das entscheidet letztlich darüber, wie dramatisch die Auswirkungen einer Dürre sein werden.

Daten sammeln über Handy-App

Das TU-Forschungsteam setzte sich schon ganz am Anfang des Projekts mit „Ärzte ohne Grenzen“ an einen Tisch, um besser zu verstehen, wo die Bedürfnisse von Hilfsorganisationen liegen. Ziel ist die Entwicklung einer Handy-App für MitarbeiterInnen von NGOs, die in dürregefährdeten Gebieten unterwegs sind. „So bekommen Helfer vor Ort Zugang zu relevanten Satellitendaten – in unserem Fall zu einem Dürre-Index. Wenn man sich die Situation vor Ort angesehen hat, gibt man die erhobenen Daten in die App ein. Sie werden dann an uns weitergeleitet und mit den Satellitendaten verknüpft“, erklärt Enenkel. Daraus erhält man ein umfassendes Bild der Lage, das letztendlich wiederum Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt werden soll.

Hoffnung auf Katastrophen-Prognose

Vielleicht gelingt es ja eines Tages, ähnlich gut vor Dürre und Hunger zu warnen, wie das heute bei Hochwasser oder auch bei der Ausbreitung ansteckender Krankheiten möglich ist. „Eine Prognose, die 1-2 Monate in die Zukunft blickt, ist realistisch“, meint Markus Enenkel. Das würde Hilfsorganisationen mehr Zeit geben, um Gegenmaßnahmen zu starten.

Mit der Handy-App gewann Markus Enenkel die Space App Challenge der FFG, des BMVIT und des Space Generation Advisory Council. Beim Space Generation Congress in Peking, China, präsentierte er die Idee vor einem internationalen Publikum. (Florian Aigner)

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Das Smartphone als Quadcopter-Pilot

Presseaussendung der TU Wien vom 19.08.2013

An der TU Wien gelang es, einen vollständig autonomen Quadkopter zu konstruieren. Die nötige Rechenpower wird von einem handelsüblichen Smartphone bereitgestellt.

Ein Quadcopter, der sich völlig autonom im Raum zurechtfinden kann wurde an der TU Wien entwickelt. Er kommt während des Fluges ohne menschliche Steuerungs-Eingriffe aus und muss im Gegensatz zu anderen Modellen auch nicht auf die Rechenpower eines am Boden stehenden Computers zurückgreifen. Die gesamte notwendige Rechenleistung ist mit an Bord – in Form eines handelsüblichen Smartphones.

Autonome Maschinen

Quadcopter sind in den letzten Jahren weltweit zu einem beliebten Spielzeug für die Forschung geworden. Die kleinen viermotorigen Fluggeräte eignen sich nicht nur hervorragend, um wissenschaftliche Ideen aus der Regelungstechnik auszuprobieren, damit sie sicher und stabil fliegen. Mit ihnen wird auch untersucht, wie Maschinen am besten ihre Umwelt wahrnehmen und autonom agieren können.

Das Virtual-Reality-Team der TU Wien beschäftigt sich seit Jahren mit dem digitalen Erfassen visueller Daten. „Es war für uns also eigentlich ein logischer Schritt, uns in Richtung Robotik weiterzuentwickeln und mal eine Kamera auf einen Quadcopter zu packen“, sagt Hannes Kaufmann vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien. Normalerweise werden Quadcopter von Menschen gesteuert oder sie funken ihre Daten an einen leistungsfähigen Rechner am Boden, der dann die nötigen Steuersignale zurückgibt. Der TU-Quadkopter ist hingegen völlig eigenständig.

Ein Smartphone als Auge und Gehirn

Ganz bewusst entschied man sich, kein teures vorgefertigtes Quadcopter-System zu kaufen, sondern aus sorgfältig ausgewählten Einzelteilen ein möglichst simples, kostengünstiges Gerät herzustellen. Das Herzstück – und der teuerste Bestandteil des TU-Quadcopters – ist ein Smartphone. Es liefert über die Kamera die nötigen Bilder und dient gleichzeitig als Steuerzentrale. Die ganze Intelligenz des Quadcopters, die ihm die Orientierung im Raum ermöglicht, konnte in eine Smartphone-App gepackt werden. Zusätzlich sorgt ein Micro-Controller für die Feinabstimmung der Rotor-Bewegung, sodass der Quadcopter stabil fliegt.

Der Quadcopter sollte Indoor-tauglich sein und selbst in kleinen Räumen gut funktionieren. Für die Steuerung ist das eine große Herausforderung, weil gerade an Wänden oder in Ecken die Aerodynamik ganz anders sein kann als im freien Raum. Außerdem musste aufgrund dieser Anforderung auf die Verwendung von GPS verzichtet werden – der Quadcopter muss sich ausschließlich durch visuelle Daten orientieren.

Um die Orientierungsfähigkeit des Quadcopters zu testen, brachte das TU-Team visuelle Codes am Boden an, die ähnlich wie QR-Codes funktionieren. Im Darüberfliegen erkennt der Quadcopter die Codes, sammelt Information und erzeugt so nach und nach eine virtuelle Landkarte seiner Umgebung. Hat er sich erst mal orientiert, kann er ganz gezielt bestimmte Orte ansteuern oder sich zu Regionen der Landkarte bewegen, die er noch nicht so gut kennt.

„Das Ziel ist, dass sich der Quadcopter in Zukunft dann auch ohne diese Codes auskommt und sich anhand von natürlich vorkommenden Orientierungspunkten, die aus den Kameradaten und auch von Tiefensensoren wie der MS Kinect gewonnen werden sollen, in der Umgebung zurechtfindet“, sagt Annette Mossel, die Chefdesignerin des Quadcopters. Sie entwickelte das Gerät gemeinsam mit den Diplomanden Christoph Kaltenriner und Michael Leichtfried.

Der Quadcopter als Allzweck-Bilderlieferant

Anwendungsideen für einen autonomen Quadcopter gibt es viele: Feuerwehrleute könnten ihn in ein brennendes Gebäude vorausschicken und sich ein 3D-Bild der Umgebung senden lassen, bevor sie sich selbst hineinwagen. Mini-Quadcopter könnten in großen, unübersichtlichen Gebäuden Menschen an die richtige Stelle leiten. Durch seine geringen Kosten könnte ein solcher Smartphone-Quadcopter auch für weniger wohlhabende Regionen der Erde interessant sein: Er könnte etwa Auskunft über Waldrodungen geben, ohne dass teure Geräte oder Helikopter-Überflüge notwendig sind.

Die Bauteile des TU-Quadkopters haben einschließlich Smartphone weniger als tausend Euro gekostet, rechnet das Team vor. Die monatelange Arbeitszeit, die in die Entwicklung von Elektronik und Computerprogrammen investiert wurde, ist in dieser Rechnung freilich nicht einberechnet. (Florian Aigner)

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Smarte Schlafanalyse

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.08.2013

Schlafstörungen sind weit verbreitet. Mithilfe von Smartwatches analysieren Forscher Bewegungsmuster im Schlaf und unterstützen Ärzte bei der Diagnose und Therapie. Davon sollen künftig Burnout-, aber auch Diabetes-Patienten profitieren.

Wieder eine durchwachte Nacht: Unzählige Menschen finden keinen Schlaf. Stundenlang wälzen sie sich in ihren Betten hin und her. Wenn sie endlich doch einschlafen, schrecken sie wenig später wieder hoch. Werden die Störungen chronisch, nehmen Betroffene oftmals an medizinischen Schlafstudien teil, um den Ursachen für ihre Schlafprobleme auf die Spur zu kommen. Bislang werden für diese Studien speziell entwickelte und sehr teure intelligente Spezialuhren eingesetzt. Ärzte lesen die aufgezeichneten Daten nur wöchentlich im Forschungslabor aus, was eine Analyse verlangsamt.

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD haben jetzt eine Software für handelsübliche Smartwatches entwickelt, die den Einsatz solcher Uhren in der Schlafforschung ermöglicht. »Eine Smartwatch kann vieles was wir vom Smartphone her kennen. Sie informiert über die aktuelle Uhrzeit, die neuesten SMS, E-Mails oder Aktivitäten in sozialen Netzwerken, aber sie leistet noch viel mehr. Für die Schlafforschung bieten diese mit Beschleunigungssensoren ausgestatteten Kleinstcomputer viele Möglichkeiten«, sagt Gerald Bieber, Wissenschaftler am Fraunhofer IGD. Der von Bieber und seinem Team entwickelte Algorithmus zur Schlaferkennung hilft, Anomalien im Schlaf zeitnah zu erkennen. Dazu werden Informationen wie Bettzeiten, Länge und Qualität des Schlafs aus den Sensordaten der Uhr abgeleitet und analysiert. »Unser Algorithmus erkennt Bewegungen und vergleicht diese mit bereits bekannten Schlaf- und Wachmustern. Dabei werden sowohl durch Atmen oder den Pulsschlag ausgelöste Mikrobewegungen als auch Makrobewegungen wie Zucken der Beine registriert.« Die aufgezeichneten Daten können Patienten von zu Hause aus über das Funkmodul der Smartwatch direkt an das Labor senden.

Burnout durch chronischen Schlafmangel

»Für den behandelnden Arzt ist ein solches digitales Schlaftagebuch ein wichtiges Mittel zur Diagnose von Schlafstörungen und für die Wahl der richtigen Therapie«, erklärt Bieber. »Die Schlafqualität gibt wichtige Hinweise auf Burnout.« Nicht Stress, sondern chronischer Schlafmangel ist Studien zufolge der eigentliche Burnout-Verursacher. Gründe für Einschlafbeschwerden, Schlafunterbrechungen oder nicht erholsamen Schlaf gibt es viele: Nebenwirkungen von Medikamenten, tagsüber zu wenig Bewegung oder schlicht und einfach die falsche Matratze.

Künftig wollen Bieber und seine Kollegen auch Bewusstlosigkeit im Schlaf erkennen. Davon sind Diabetiker oder Epileptiker betroffen. Diabetes-Typ-1-Patienten geraten nachts nicht selten in den Zustand der Unterzuckerung, der in ein lebensbedrohliches Zuckerkoma münden kann. Die Smartwatch mit der installierten Software würde in dieser Situation einen Alarm auslösen und Familienangehörige oder den behandelnden Arzt informieren. Derzeit sind die Forscher im Gespräch mit Krankenhäusern, um schon bald Testdaten von Komapatienten und somit reale Vergleichsdaten als Muster zu erhalten.

Aktuell wird die Smartwatch mit der Fraunhofer-Software in einer Pilotstudie eingesetzt. Gemeinsam mit dem Kurzentrum Vital & Physio und dem Matratzenwerk Malie untersuchen die Wissenschaftler das Schlafverhalten von Probanden auf rückenfreundlichen Matratzen. Im Fokus steht die Frage, ob die »richtige« Matratze bei Schlafstörungen helfen und für entspannte Nächte sorgen kann. Die erworbenen Kenntnisse zum Aktivitäts- und Schlafverhalten des Menschen können etwa bei der Stress- oder Burnout-Bekämpfung hilfreich sein. Das Fraunhofer IGD übernimmt innerhalb der Studie die Technologieentwicklung und -anpassung.

Im Schlaf Strom sparen

Aber nicht nur Menschen mit Schlafstörungen profitieren von der Smartwatch-App – Mietern und Hausbesitzern bietet sie sogar die Möglichkeit, Strom zu sparen. »Elf Prozent des Energieverbrauchs wird durch Stand-by-Geräte ausgelöst. Da unser sensibler Algorithmus erkennt, ob der Uhrenträger etwa beim Fernsehen auf der Couch einschläft, könnte die Smartwatch per Funk das TV-Gerät automatisch ausschalten. Moderne Fernseher sind bereits heute entsprechend ausgestattet, mit speziellen Netzwerksteckdosen lassen sich aber auch ältere Modelle nachrüsten«, sagt der Ingenieur. Auch Geräte wie Alarmanlagen, WLAN-Router oder Lampen lassen sich in Zukunft so ausschalten.

Externer Link: www.fraunhofer.de

„To See or Not to See“

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 11.07.2013

Forscher entwickeln neues Online-Tool zur Analyse von Shakespeare-Werken

Forscher der Universität Regensburg haben ein neues Online-Tool zur quantitativen Untersuchung von Shakespeare-Werken entwickelt. Welcher Shakespeare-Charakter sagt was und zu welchem Zeitpunkt? Wie häufig kommt er während des Stücks zu Wort? Mit der Anwendung „To See or Not to See“ lassen sich diese Fragen schnell beantworten und die jeweilige Auswertung grafisch darstellen. Das Projekt ist am Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur umgesetzt worden. Es ist eingefasst in das neue Modul „Digital Humanities“ an der Universität Regensburg, das die Geisteswissenschaften mit den Fächern Medieninformatik und Informationswissenschaft verbindet.

Im Rahmen des Moduls beschäftigen sich die Studierenden aus dem Masterstudiengang Medieninformatik und aus dem Masterstudiengang Informationswissenschaft konkret mit der Frage, wie Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bei ihrer Forschung durch digitale Tools und Ressourcen unterstützt werden können. Dabei kann die Regensburger Informationswissenschaft auf eine langjährige Tradition im Bereich digital unterstützter Geisteswissenschaften zurückblicken. So reichen etwa Beispiele für Projekte auf dem Feld der computer-basierten Lexikographie an der Universität Regensburg bis in die frühen 1970er Jahre zurück.

Allerdings greifen Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für die Analyse literarischer Texte im Allgemeinen nur selten auf computergestützte Verfahren zurück. Vor dem Hintergrund einer stetig zunehmenden Zahl von digital verfügbaren Texten stehen aber auch die Geisteswissenschaften vor neuen Herausforderungen. Hier setzt das Projekt „To See or Not to See“ an, das auf Dokumente der Folger Digital Texts Library zurückgreift. Die Anwendung bereitet die Dokumente visuell so auf, dass auch Forscher ohne weiterreichende Kenntnisse auf dem Feld der Programmierung quantitative Aspekte in Shakespeares Werken untersuchen können.

Entwickelt wurde das Tool vom Masterstudenten Thomas Wilhelm im Rahmen eines Seminars des Medieninformatikers Manuel Burghardt. (Alexander Schlaak)

Externer Link: www.uni-regensburg.de

Gegen Alterseinsamkeit: Virtueller Freundschafts-Coach für Senioren

Pressemitteilung der TU Graz vom 29.05.2013

Mit dem Alter kommt oft die Einsamkeit: Neue Kontakte knüpfen und Freundschaften aufrecht erhalten ist für viele Senioren nicht so einfach. Zugleich verlieren aber viele von ihnen zunehmend die Scheu vor Computern. Wissenschafter der TU Graz haben gemeinsam mit internationalen Partnern Konzepte für Computeranwendungen gegen Alterseinsamkeit entwickelt: Das Programm „Virtual Coach Reaches Out To Me“, kurz V2me, soll der Generation 65+ helfen, neue Freunde zu finden, gesellschaftlich aktiv zu werden und mobil und geistig fit zu bleiben. Das Konzept des interaktiven Freundschafts-Coach fand in ersten Tests in Pflegeheimen großen Zuspruch. Mit Mai startete die finale Evaluierungsphase des Prototyps mit einer breiten Benutzerstudie.

Unsere Gesellschaft wird immer älter – und im Alter oft auch immer einsamer. Durch Berufsaustritt und Todesfälle schrumpft das soziale Umfeld. „Die Alterseinsamkeit zu vermindern ist das Ziel von V2me. Ältere Menschen sollen neue Weggefährten und damit mehr Lebensfreude gewinnen. Ein Computerprogramm kann Menschen freilich nicht ersetzen, aber helfen, mit ihnen in Kontakt zu treten“, erklärt Sven Havemann vom Institut für Computergraphik und Wissensvisualisierung der TU Graz, dessen Team gemeinsam mit neun internationalen Partnern V2me entwickelt hat. Die Software benutzt einen virtuellen Coach in Form einer animierten 3D-Figur als direkte Ansprechperson für den Benutzer. „Der Coach motiviert den Benutzer, gesellschaftlich aktiv zu werden, sich mit anderen Personen in Verbindung zu bringen und unter Leute zu gehen. Das Ziel ist, nachhaltige Freundschaften zu schließen“, so Havemann.

„Freundschaftskurs“ für Senioren

Der V2me-Coach unterhält sich mit dem Benutzer in einem virtuellen Wohnzimmer. Er fragt nach dem Befinden und trainiert seinen Schützling in zwölf von Psychologen entwickelten „Freundschaftslektionen“ unter anderem, offen auf fremde Menschen zuzugehen, die Erwartungen an Freundschaft zu reflektieren, oder mit unbekannten Personen ein Gespräch anzufangen. Der Benutzer kann zudem je nach Interesse unterschiedlichen Gruppen beitreten. „Die Termine der Gruppentreffen, beispielsweise Wanderausflüge, landen genauso wie individuelle Veranstaltungsvorschläge direkt im digitalen Terminkalender. Der virtuelle Coach erinnert dann an diese Treffen“, schildert Havemann.

Alltagsleben als IT-Vorbild

Ein zentraler Aspekt des virtuellen Coach ist die Benutzerfreundlichkeit: „V2me ist seniorenfreundlich gestaltet. Symbole aus dem Alltagsleben helfen bei der Orientierung am Display, mit 3D-Computergrafik wird das Programm zum Leben erweckt“, so Havemann. Alle Anwendungen passieren in einem virtuellen Wohnzimmer, in dem die Kontakte, der individuelle Terminkalender und Wegbeschreibungen einfach verwaltet werden. Zusätzlich gibt es eine mobile Lösung für Tablet-PC mit einem benutzerfreundlichen Touch-Interface sowie eine Webplattform, über die sich Angehörige der Benutzer mit den Betreuern der Pflegeeinrichtung austauschen und selbst Termine eintragen können. Zur Anwendung kommen soll das Programm vorerst in Pflegeeinrichtungen, die mittlerweile schon fast überall über die entsprechende Hardware verfügen. In weiterer Folge soll V2me Senioren auch in den eigenen vier Wänden in Sachen Kontaktpflege coachen.

„Ich will es nicht mehr hergeben“

Seit Anfang Mai ist der Prototyp von V2me fertig und die erarbeiteten Konzepte werden nun von Psychologen in Amsterdam und Luxemburg in breiten Benutzerstudien getestet. Vorabversionen wurden bereits in verschiedenen Seniorenwohnheimen in Deutschland, Finnland und den Niederlanden auf den Prüfstand gestellt. „Die Reaktionen waren sehr positiv und haben uns gezeigt, dass dieser Coach gegen Alterseinsamkeit eine Lücke füllt. Ein Teilnehmer wollte es gar nicht mehr hergeben“, schildert Havemann. Die Evaluierung wird zeigen, ob der Computer bei einem so sensiblen Thema wie nachhaltige Freundschaft Unterstützung bieten kann und akzeptiert wird.

Die Wissenschafter der TU Graz arbeiten gemeinsam mit neun Partnern aus sechs verschiedenen Ländern an dem Projekt, darunter Universitäten, Forschungsinstitutionen, IT-Unternehmen im Pflege- und Gesundheitsbereich und eine Diakonie. Der Part der TU Graz liegt bei der Visualisierung und der Animation. „V2me“ wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt und ist Teil des EU-Projekts „AAL Joint Program“, das sich mit IT-Anwendungen zur Unterstützung älterer Menschen und Pflegebedürftiger beschäftigt.

Externer Link: www.tugraz.at