Lebendige Fabrik

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Oktober 2011

Neue Produkte kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Die Folge: Die Waren werden mit Produktionsanlagen und IT-Systemen gefertigt, die ursprünglich für die Herstellung ganz anderer Modelle vorgesehen waren. Entwickler wollen die Fabrik smarter machen, so dass sie auf Änderungen eigenständig reagiert.

Wenn von DNA die Rede ist, denkt man sofort an Biologie und Lebewesen. Denn das DNA-Molekül, das in jeder Zelle steckt, enthält den verschlüsselten Bauplan von Menschen, Tieren oder Pflanzen. Doch auch eine Fabrik besitzt einen solchen Masterplan. Jeder moderne Produktionsbetrieb ähnelt mit seiner komplexen Struktur einem lebenden Organismus. Und genau wie in der Biologie sind alle Komponenten miteinander verknüpft und müssen aufwändig koordiniert werden. Das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe ist nun – gemeinsam mit den Fraunhofer-Instituten IPA in Stuttgart und IPT in Aachen – angetreten, die »Fabrik-DNA« zu entschlüsseln.

Hinter dem griffigen Schlagwort stehen handfeste Ziele: Es geht darum, die Kosten zu senken, die bei Veränderungen von Produkten oder Maschinen entstehen. Denn bisher klappt das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine einer Fabrik noch nicht optimal. Das zeigt sich vor allem dann, wenn ein neues Produkt hergestellt werden soll, etwa ein Automodell. Sogar das Hinzufügen eines Manipulators in eine Produktionsstraße oder auch nur ein Update des Betriebssystems machen Ärger, weil sich jede Änderung auf den gesamten Betrieb auswirkt. Was fehlt, sind intelligente Verknüpfungen zwischen den Komponenten: den hergestellten Produkten, den fertigenden Produktionsanlagen und den steuernden IT-Systemen. Hier setzen die Experten vom IOSB an. Mit neuen Schnittstellen wollen sie die Fabrik smarter machen, so dass sie auf Änderungen eigenständig reagiert. Dabei profitieren die Forscher von ihrer jahrelangen Erfahrung mit Softwarelösungen für Fabriken. Sie arbeiten vor allem mit der Daimler AG zusammen. In den Fertigungshallen für den C-Klasse-Mercedes läuft das Produktionsleitsystem »ProVis.Agent«, das rund 2000 Maschinen steuert.

Es geht primär darum, die Produktionsanlagen und die IT-Systeme intelligent zu verknüpfen. Wenn heute das Produkt wechselt, wird zunächst die Produktionsstraße neu zusammengestellt. Erst danach folgt die Konfiguration des IT-Systems. Dazu müssen die Daten jeder Maschine, die zur Straße gehört, von Hand in den Rechner eingegeben werden. Weil es sich dabei um eine Vielzahl kryptischer Zeichenkombinationen handelt, ist die Arbeit langwierig und fehleranfällig. »Und den Fehler merkt man erst, wenn die Anlage läuft«, sagt IOSB-Bereichsleiter Dr. Olaf Sauer. Der Forscher und sein Team haben einen eleganteren Weg gefunden: Ein Mitarbeiter steckt einen Datenstecker ein, und die Sache ist erledigt – »Plug-and-work« heißt das Zauberwort. Das ist wie beim heimischen Computer. Wer früher ein Periphergerät anschließen wollte, musste den entsprechenden Treiber installieren. Heute genügt es, einen USB-Stecker einzustöpseln. Das neue Gerät kommuniziert darüber mit dem PC und beschreibt sich selbst. In der modernen Fabrik soll es ähnlich zugehen, auch wenn dort alles komplizierter ist. So gibt es viele unterschiedliche Maschinen von verschiedenen Herstellern. Und von einer standardisierten Software oder auch nur einer einheitlichen Software-Sprache ist die Sparte weit entfernt. Die Forscher haben deshalb einen digitalen Dolmetscher erfunden und patentieren lassen. Der übersetzt die jeweiligen digitalen Gerätebeschreibungen in die genormte Maschinensprache CAEX (Computer Aided Engeneering Exchange). Diese Daten landen auf einem speziellen Datenspeicher, den das Institut ebenfalls zum Patent angemeldet hat. »Die beiden Komponenten genügen, um die einfache Steckerlösung zu verwirklichen. Wenn die Daten darüber fließen, entwirft der Rechner ein Prozessführungsbild der neuen Fertigungsstraße, ganz ohne Hilfe«, sagt Sauer. Dass das Verfahren funktioniert, haben die Informatiker bereits auf einer kleinen Modellanlage mit vier Komponenten – zwei Transportbändern, einem Drehtisch und einem Prüfgerät – gezeigt. An der ersten konkreten Anwendung wird bereits gearbeitet.

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Zu 99,999999999997 Prozent sicher: Informatiker präsentieren Konzept für drahtlose Fahrradbremse

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 13.10.2011

Informatiker an der Universität des Saarlandes haben eine drahtlose Fahrradbremse entwickelt und deren Funktionsfähigkeit an einem sogenannten Cruiser Bike demonstriert. Darüber hinaus bewiesen sie die Zuverlässigkeit des Bremssystems mit mathematischen Methoden, die auch bei Steuersystemen von Flugzeugen oder chemischen Fabriken zum Einsatz kommen.

Das „Cruiser Bike“ ähnelt eher einem Easy-Rider-Motorrad ohne Motorblock als einem herkömmlichen Fahrrad. Doch gerade an der gradlinigen, langgestreckten Fahrradgabel fällt besonders gut auf, was das neu entwickelte Bremssystem so besonders macht: Weder schlängelt sich ein Bremskabel den Lenker hinunter, noch steht ein Bremsgriff für die Vorderbremse vom Lenker ab.

Die drahtlose Fahrradbremse stellt für die Forscher jedoch weitaus mehr als nur eine akademische Spielerei dar. „Drahtlose Netze funktionieren nie hundertprozentig, das ist technologisch bedingt“, erklärt Professor Holger Hermanns, der an der Saar-Uni den Lehrstuhl für Verlässliche Systeme und Software leitet und zusammen mit seiner Gruppe die drahtlose Fahrradbremse entwickelte. Dennoch gehe man zunehmend dazu über, Systeme drahtlos zu realisieren, die, wie eine einfache Fahrradbremse, immer funktionieren müssen. „Konkrete Pläne existieren zum Beispiel für den künftigen Europäischen Zugverkehr“, berichtet Hermanns und führt weiter aus, dass Experimente mit Zügen und Flugzeugen viel zu aufwändig seien und bei Fehlfunktion sogar Menschen gefährden könnten. Stattdessen sollen von den Saar-Informatikern entwickelte mathematische Methoden das Zusammenspiel der Komponenten automatisch überprüfen. „Die drahtlose Fahrradbremse bietet uns die notwendige Spielwiese, um diese Methoden für den Einsatz in weitaus komplexeren Systemen zu optimieren“, so Hermanns.

Daher untersuchte seine Forschergruppe den Brems-Prototypen mit Rechenverfahren, die sonst bei Steuersystemen von Flugzeugen oder chemischen Fabriken zum Einsatz kommen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Bremse zu 99,999999999997 Prozent zuverlässig sei. „Das bedeutet, dass drei aus einer Billiarde Bremsversuchen fehlschlagen“, erklärt Hermanns und fügt hinzu: „Das ist nicht perfekt, aber dennoch akzeptabel.“

Um zu bremsen, muss der Fahrradfahrer lediglich den rechten Gummigriff am Lenker fest umgreifen. Je stärker er greift, desto stärker bremst, wie von Geisterhand, die Scheibenbremse im Vorderrad. Möglich macht dies ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten. Im schwarzen Gummigriff ist ein Drucksensor integriert, der ab einem bestimmten Druck einen kleinen Sender aktiviert. Dieser sitzt in einem blauen Kunststoffkästchen von der Größe einer Zigarettenschachtel, das ebenfalls an der Lenkstange befestigt ist. Seine Funksignale gehen unter anderem an einen Empfänger am Ende der Radgabel. Dieser wiederum gibt das Signal an einen „Aktuator“ weiter, der es in eine mechanische Bewegung umsetzt, die letztendlich die Scheibenbremse greifen lässt. Um die Ausfallssicherheit zu erhöhen, befinden sich in den Speichen des Hinterrades und an der Gabel des Vorderrades jeweils ein weiterer Sender. Sie fungieren als sogenannte Replikatoren, indem sie das Senden des Bremssignals wiederholen. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, dass die entscheidende Funknachricht auch dann noch rechtzeitig ankommt, wenn die anderen Funkverbindungen zu langsam sind oder gar ganz ausfallen. Die Saar-Informatiker haben unter anderen herausgefunden, dass noch mehr Replikatoren nicht unbedingt noch mehr Sicherheit bieten. „Wenn es schlecht konfiguriert ist, können es auch ganz schnell drei aus fünf Bremsversuchen sein, die schiefgehen“, so Hermanns.

Mit der aktuellen Ausstattung schafft es das Cruiser Bike spätestens nach 250 Millisekunden zu bremsen, was bei einer Geschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde einem Reaktionsweg von zwei Metern entspricht. Dabei wollen es die Forscher jedoch nicht belassen. „Es ist jetzt nicht mehr schwer, ein Antiblockiersystem und Antischlupfregelung zu integrieren. Das ist schnell gemacht.“ Nach ersten Gesprächen mit namhaften Herstellern sucht Hermanns bereits ein Ingenieursbüro, das die drahtlose Fahrradbremse umsetzt. Die Arbeiten zu der drahtlosen Fahrradbremse wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereiches „Automatic Verification and Analysis of Complex Systems“ (AVACS) unterstützt. Die Ergebnisse haben die Saar-Informatiker im Fachaufsatz „A Verified Wireless Safety Critical Hard Real-Time Design“ dokumentiert, der von der weltweiten Ingenieursorganisation IEEE publiziert wurde.

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Software für unfallfreie Straßen

Pressemitteilung der Universität Passau vom 15.09.2011

Das Institut FORWISS der Universität Passau forscht mit Autoherstellern und Zulieferern in einem EU-geförderten Projekt an der nächsten Generation von Sicherheitssystemen für intelligente Fahrzeuge. Demonstrationsfahrzeuge testen erste Softwaremodule des Projekts interactIVe im Herbst.

„Wir wollen einen für alle Teilnehmer sichereren Verkehr – das heißt weniger verletzte Fußgänger und Radfahrer, weniger Auffahrunfälle und Vorrichtungen gegen Sekundenschlaf.“ An diesem Ziel arbeitet Dr. Erich Fuchs, Geschäftsführer des Instituts FORWISS der Universität Passau, gemeinsam mit Autoherstellern wie Daimler, BMW, Ford und Volvo, Zulieferern wie Continental und weiteren Forschungseinrichtungen im von der EU geförderten Projekt interactIVe. Die Beteiligten wollen unter der Projektleitung von Ford Europa Sicherheitstechnik vereinfachen, vereinheitlichen und breiter einsetzbar machen. Wenn die 29 Projektpartner ihre Arbeit an interactIVe 2013 abschließen, wollen sie die Voraussetzung geschaffen haben, dass Systeme wie Spurwechsel- und Bremsassistenten oder Abstandsregler nicht nur in Luxusautos verbaut werden, sondern ihren Weg auch in den Kleinwagen der Studentin, in den Kombi der jungen Familie und den Mittelklasse-Firmenwagen finden. So wie der typische Disco-Unfall – mit überhöhter Geschwindigkeit aus der Kurve fliegen – durch die flächendeckende Verbreitung von ESP deutlich abgenommen hat, soll der Fahrer in Zukunft durch weitere elektronische Assistenten unterstützt und dadurch die Sicherheit im Straßenverkehr verbessert werden. FORWISS erhält in diesem Projekt für die Softwareentwicklung eine Fördersumme von ca. EUR 500.000 aus dem 7. Rahmenprogramm der EU.

Das Projekt will die einzelnen Funktionen miteinander vernetzen. „Bisher funktioniert jede einzelne Anwendung abgeschlossen für sich. Ein Sensor beobachtet allein für einen bestimmten Zweck die Umgebung, ein extra Chip verarbeitet getrennt von anderen Funktionen dessen Daten. Wir wollen, dass z.B. die Kamera des Spurwechselassistenten, der GPS-Empfänger des Routenplaners und das Radar der Abstandsregulierung ihre Daten auf einer gemeinsamen Plattform fusionieren, die dann die Ergebnisse allen Anwendungen zur Verfügung stellt“, erklärt Eva Lang, Mitarbeiterin im Projekt. Durch die Kombination von Informationen aus verschiedenen Sensoren bietet die Elektronik dem Fahrer ein genaueres und zuverlässigeres Bild der Umgebung, ihrer Risiken und kann bessere Handlungsempfehlungen geben. Das Fahrzeug erkennt noch sicherer und robuster, wenn der Fahrer die reguläre Spur verlässt oder wenn Hindernisse auftauchen, und verhindert Crashs durch aktive Bremsunterstützung.

Durch eine gemeinsame Plattform müsste auch nicht jede Anwendung über eigene Sensoren verfügen, die Zahl der Bauteile könnte sinken. „Allein in einem 7er BMW arbeiten momentan je nach Ausstattung bis zu 70 Prozessoren“, erläutert Sebastian Pangerl, ebenfalls Mitarbeiter im Projekt. Verlagert man die Komplexität der Sicherheitstechnik von der Hard- auf die Software, könnte man eventuell einige sparen. Die von FORWISS programmierten Schnittstellen sollen es im Rahmen von interactIVe auch ermöglichen, dass die zentrale Plattform mit den gängigen Sensoren unterschiedlicher Hersteller kompatibel ist. Auch das macht den Einsatz von Sicherheitstechnik günstiger und für kleinere Automodelle attraktiver. Die erste Version der von FORWISS entwickelten Software wird noch in diesem Jahr in Demonstrationsfahrzeugen aufgespielt und getestet. Die Chancen für eine Marktreife dieses neuen Sicherheitskonzeptes schätzen Fuchs, Lang und Pangerl aus Erfahrung hoch ein. FORWISS war von 2004 bis 2008 bereits an einem Vorgängerprojekt zur Kollisionsvermeidung bzw. -abschwächung beteiligt. Solche Systeme wie z.B. ein Bremsassistent sind heute im aktuellen 5er BMW, im Ford Focus und in Modellen von Volvo verfügbar. (Steffen Becker)

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Fernsehen ohne schwarze Balken

Presseaussendung der JKU Linz vom 09.09.2011

Informatiker der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz haben ein Verfahren entwickelt, um Videoinhalte so an ein Bildschirmformat anzupassen, dass keine Seitenverhältnisse mehr verändert oder Bildinhalte abgeschnitten werden. Fernsehbilder mit schwarzen Balken, Verzerrungen oder fehlenden Elementen gehören damit der Vergangenheit an. Das Projekt wurde während der weltgrößten wissenschaftlichen Konferenz für Computergrafik (der ACM Siggraph) bereits ausgezeichnet.

Der Fernsehzuseher kennt es zur Genüge: Man besitzt ein modernes TV-Gerät, das darauf ausgelegt ist, Filme in bester Bildqualität (HD) und im 16:9 Format zu genießen. Werden diese aber im alten 4:3 Format ausgestrahlt, sind schwarze Balken im Bild zu sehen, die einfach ungenutzt bleiben – entweder oben und unten, oder links und rechts. Heutige Fernsehgeräte nutzen daher Möglichkeiten, den Inhalt an das Bildschirmformat anzupassen. Entweder wird der Videoinhalt in eine oder beide Richtungen skaliert, um damit den gesamten Bildinhalt zu füllen – das so genannte „Stretching“, oder er wird in beide Richtungen gleich skaliert, sodass das originale Seitenverhältnis erhalten bleibt und der Bildschirminhalt gefüllt wird – das „Zooming“. Beide Varianten haben Nachteile: Beim Stretching bleibt das originale Seitenverhältnis des Videoinhaltes nicht erhalten, Proportionen (insbesondere Gesichter oder Personen) werden unnatürlich verzerrt. Das Zooming dagegen führt dazu, dass Inhalte in einer Richtung abgeschnitten und gar nicht mehr auf dem Bildschirm angezeigt werden.

Display Pixel Caching: Bildkorrektur ohne Verzerrungen oder Abschneiden

Wissenschafter vom Institut für Computergrafik der JKU unter der Leitung von Prof. Oliver Bimber haben nun eine weitere Variante der Bildkorrektur, das sogenannte Display Pixel Caching (DPC), entwickelt. Damit gehören schwarze Balken, Verzerrungen oder abgeschnittene Bilder endgültig der Vergangenheit an.

DPC belässt zunächst den Originalvideoinhalt unangetastet, er wird also weder „gestretcht“ noch „gezoomt“, und das Videobild erscheint unverändert im Original. Das System analysiert in Echtzeit (selbst für große Videoauflösungen wie Full-HD) die Bewegungen innerhalb des Videos, die durch Kameraschwenks oder Objektbewegungen entstehen. Diese Bewegungen werden aufgeteilt und Bild für Bild zu einem immer größer werdenden Panoramabild zusammen gesetzt. Diese Panoramabilder füllen dann schrittweise die normalerweise leer bleibenden Randbereiche auf dem Bildschirm. Dabei werden keine Seitenverhältnisse verändert (es kommt also nicht zu unnatürlichen Verzerrungen wie bei Stretching) oder Bildinhalte abgeschnitten (wie bei Zooming). Im Gegenteil: die Panorama-Bilder zeigen mehr Inhalt als ein einzelnes originales Videobild. Dieser zusätzliche Inhalt entsteht durch die Ansammlung der Inhalte von vorherigen Videobildern.

Im Rahmen einer initialen Benutzerstudie hat sich gezeigt, dass Probanden das DPC in den meisten Fällen als Verbesserung bewerten und gegenüber den existierenden Verfahren zur Bildkorrektur bevorzugen.

Ausgezeichnetes Forschungsprojekt

DCP hat bei einem internationalen Wissenschaftswettbewerb bereits für Furore gesorgt und so der JKU-Informatik einen großen Erfolg beschert: Clemens Birklbauer belegte mit seiner am Institut für Computergrafik verfassten Masterarbeit, in der er sich mit dem Projekt beschäftigt hat, bei der von der ACM („Association for Computing Machinery“ – die weltgrößte wissenschaftliche Vereinigung für Computing und Informatik) veranstalteten Student Research Competition den sensationellen 2. Platz der Special Interest Group on Computer Graphics and Interactive Techniques (ACM Siggraph). Verliehen wurde die Auszeichnung auf der gleichnamigen Konferenz, die Anfang August in Vancouver, Kanada, stattgefunden hat. Geschlagen wurde das JKU-Team nur von der renommierten University of Cambridge, den dritten Platz belegte die University of Tokyo. (Manfred Rathmoser)

Externer Link: www.jku.at

Digitalen Quantensimulator gebaut

Presseinformation der Universität Innsbruck vom 01.09.2011

Dem Wunsch, auch sehr komplexe Phänomene an einem Modell untersuchen zu können, sind Physiker der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck ein wesentliches Stück näher gerückt. Sie haben im Labor einen digitalen, und damit universellen Quantensimulator realisiert. Mit ihm kann im Prinzip jedes beliebige physikalische System effizient simuliert werden. Die Fachzeitschrift Science berichtet darüber in ihrer Online-Ausgabe Science Express.

Vor knapp zwei Jahren bildeten Forscher um Rainer Blatt und Christian Roos von der Universität Innsbruck die Eigenschaften eines sich nahe an der Lichtgeschwindigkeit bewegenden Teilchens in einem Quantensystem nach. Dazu haben sie die Eigenschaften des Teilchens mit Hilfe von Lasern in ein stark gekühltes Kalziumatom eingeschrieben und dieses mittels Messungen untersucht. So konnten sie die sogenannte Zitterbewegung von relativistischen Teilchens simulieren, die in der Natur nie direkt beobachtet wurde. Nun haben die Innsbrucker Physiker anstelle dieses analogen Ansatzes einen digitalen verwendet. Mit einem digitalen, universellen Quantensimulator lässt sich potentiell jedes beliebiges physikalische System effizient simulieren. „Wir haben in unserem Experiment gezeigt, dass die Methode funktioniert und dass wir damit andere Systeme virtuell nachbilden und untersuchen können“, erklärt Benjamin Lanyon vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Wollen wir ein anderes Phänomen studieren, müssen wir unseren Simulator lediglich umprogrammieren.“

Quantencomputer at its best

Zur Simulation nutzen die Innsbrucker Physiker die Bausteine eines Quantencomputers. Die mathematische Beschreibung des zu untersuchenden Phänomens wird dazu in Form von Rechenschritten in den Quantencomputer programmiert. Im Experiment dienen in einer Vakuumkammer gefangene und mit Lasern stark abgekühlte Kalziumatome als Träger von Quantenbits. „Wir schreiben die gewünschten Anfangszustände des zu untersuchenden Systems in die Quantenbits ein und führen mit Hilfe von Laserpulsen die einzelnen Rechenschritte durch“, erklärt Christian Roos. In zwei Experimenten an der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) haben Roos und seine Kollegen dies an bis zu sechs Quantenbits mit bis zu 100 Rechenoperationen durchgespielt. „Das Neue daran: Es werden Interaktionen und Dynamiken simuliert, die im Quantencomputer selbst gar nicht vorhanden sind“, zeigt sich Benjamin Lanyon begeistert. Er ist überzeugt davon, dass dies eine der aussichtsreichsten Anwendungen eines zukünftigen Quantencomputer sein wird. „Dafür benötigen wir allerdings noch wesentlich mehr Quantenbits. Das heißt, wir müssen deutlich mehr Ionen – bis zu 40 – so exakt kontrollieren und ansteuern wie in unserem Experiment“, sagt Lanyon.

Theoretischer Ansatz erstmals bestätigt

Physikalische Phänomene werden oftmals durch Gleichungen beschrieben, die zu kompliziert sind, um sie exakt lösen zu können. Daher stützt sich die Wissenschaft oft auf Computersimulationen, um offene Fragen am Modell untersuchen zu können. Da diese Strategie selbst für relativ kleine Quantensysteme an der mangelnden Rechenleistung herkömmlicher Computer scheitert, hat der amerikanische Physiker Richard Feynman vorgeschlagen, diese Phänomene in Quantensystemen selbst experimentell zu simulieren. 1996 bestätigte der Theoretiker Seth Lloyd diesen Ansatz: Quantencomputer können so programmiert werden, dass sie jedes beliebiges physikalische System effizient simulieren. Voraussetzung dafür sind freilich eine extrem gute Beherrschung der Technologie des Simulators. All dies hat die erfolgreiche Forschungsgruppe um Rainer Blatt mit ihren Experimenten zu Quantencomputern in den vergangenen Jahren in Innsbruck aufgebaut. So konnten die Physiker jetzt erstmals einen digitalen, universellen Quantensimulator experimentell erproben.

Die nun in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Forschungsarbeit wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Kommission und der Tiroler Industrie unterstützt.

Publikation:
Universal digital quantum simulation with trapped ions. BP Lanyon, C Hempel, D Nigg, M Müller, R Gerritsma, F Zähringer, P Schindler, JT Barreiro, M Rambach, G Kirchmair, M Hennrich, P Zoller, R Blatt, CF Roos. Science Express am 1. September 2011. DOI: 10.1126/science.1208001

Externer Link: www.uibk.ac.at