Tennis-Training im Wohnzimmer

Presseaussendung der TU Wien vom 14.03.2022

TU Wien und VR Motion Learning entwickeln gemeinsam einen virtuellen Tennistrainer. Dieser soll zukünftig nicht nur Bewegungsabläufe analysieren, sondern den Spielenden auch Feedback geben können.

Bislang fanden Trainingseinheiten im Tennis vorwiegend auf dem Tennisplatz statt. Mit der Entwicklung eines virtuellen Tennistrainers soll es künftig möglich sein, Zuhause zu trainieren. Bereits seit März 2020 arbeiten die Partner, TU Wien und VR Motion Learning, an der Entwicklung ihres virtuellen Tennistrainers. Während bislang vor allem die Erkennung und Bewertung von Bewegungsabläufen analysiert und automatisiert wurde, konzentriert sich das Team nun auf die didaktische Komponente, um den Nutzer_innen hilfreiche Rückmeldung zu geben. Gefördert wird dieses Vorhaben durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, welche die Projektverlängerung Ende Jänner bekannt gab.

Training der KI

Mit dem entwickelten „Tennis-Simulator“ (Tennis Esports) können Nutzer_innen virtuelles Tennis erleben und physikalisch richtige Schläge durchführen. Der darauf aufbauende Tennistrainer richtet sich an Personen, die neu in den Sport einsteigen oder ihre Technik verbessern möchten. Denn richtig ausgeführt bringt Tennis nicht nur mehr Spaß, es lassen sich auch Verletzungen verhindern. Damit die angehenden Tennisspieler_innen von einem virtuellen Trainer lernen können, muss dieser zunächst mit entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet werden. Um zu analysieren, wie verschiedene Schläge wie Vorhand-Topspin, Rückhand-Slice oder Aufschlag korrekt ausgeführt werden, lud das Team zunächst erfahrene Tennisspieler_innen ein, um ihre Bewegungsabläufe – ebenso wie die Führung des Schlägers – mit Kameras aufzuzeichnen. Die so entstandene Datenbank an verschiedensten Schlägen konnte anschließend genauestens mit einer eigens entwickelten Künstlichen Intelligenz analysiert und verglichen werden.

„Am Ende der ersten Projektphase konnte der virtuelle Tennistrainer, basierend auf den als korrekt aufgezeichneten Schlägen, neue Bewegungsabläufe der Spieler_innen vollautomatisiert erfassen und bewerten“, sagt Hannes Kaufmann, Leiter der Gruppe Virtual und Augmented Reality und Professor für Virtual- und Augmented Reality an der TU Wien. „Die Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, ist die Implementierung einer Feedbackfunktion. Schließlich soll der Simulator auch zu einer verbesserten Spielleistung beitragen“. Die Feedbackfunktion gilt es nicht nur technisch umzusetzen, es sind auch Überlegungen notwendig, wie Lern- und Trainingseffekte am größten ausfallen. „Ein Vorteil, den uns die virtuelle Umgebung dabei bietet, ist, dass dieselbe Situation mehrfach durchlebt werden kann. Das Feedback zu einem Schlag kann folglich direkt umgesetzt werden“, erklärt Peter Kán vom Forschungsbereich Computer Graphics der TU Wien. Wird virtuell trainiert, stehen die Spielenden auf einem (virtuellen) Tennisplatz, auf dem sie sich frei bewegen können.

Auf dem Tennisplatz oder Zuhause?

Das Programm kann als Erweiterung zum klassischen Training auf dem Tennisplatz gesehen werden. Die Idee ist, menschlichen Trainer_innen ein Werkzeug an die Hand zu geben, um den Spielenden das Trainieren abseits vom Platz, alleine oder auch zu zweit, an verschiedenen Orten zu ermöglichen. „Damit zukünftig aber auch Zuhause trainiert werden kann, entwickeln wir in der kommenden Projektphase eine Version, die die Schlaganalyse ausschließlich anhand von vorhandenen VR Sensordaten vornimmt. Ein zusätzliches Kamerasysteme zur Bewegungserkennung ist dann nicht notwendig“, berichtet Peter Kán. Die Spielenden würden dann nur noch ein VR-Headset sowie einen Tennisschläger benötigen – die zuvor benötigte Tiefenkamera würde überflüssig. Trainiert werden kann bereits auf einer Fläche von 2×2 Metern, die sich auf bis zu 10×10 Meter erweitern lässt.

Mit Entwicklung einer Version für Zuhause reagiert das Team auf Hemmnisse wie das Fehlen eines_einer Trainingspartner_in oder mangelnder zeitlicher Flexibilität. Wichtig ist dem Entwicklungsteam dabei, eine Anwendung für Personen zu schaffen, die sich für den Sport Tennis interessieren, nicht primär für E-Sports. Der virtuelle Tennistrainer soll bereits Ende des Jahres für die Oculus Quest verfügbar sein. (Sarah Link)

Externer Link: www.tuwien.at

Smartes selbstlernendes Assistenzsystem für die Produktion

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2022

Die Effizienz von Produktionsmaschinen liegt oft weit unter den technischen Möglichkeiten. Der Grund: Erfahrene Mitarbeitende sind im Fall einer Störung häufig nicht verfügbar, anderen Arbeitskräften wiederum fehlt das Know-how, um die tatsächliche Fehlerursache zu beheben. Hier setzt das selbstlernende Assistenzsystem MADDOX an: Mit Methoden des maschinellen Lernens analysiert es Maschinen- und Prozessdaten, sucht per Mustererkennung nach ähnlichen Störungen in der Vergangenheit und präsentiert die Lösung auf dem Tablet. Entwickelt wurde das System von der Peerox GmbH, einem Spin-off des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV.

Bei einem Maschinenstillstand wird das Wissen erfahrener Kolleginnen und Kollegen benötigt. Doch diese sind häufig genau dann nicht vor Ort. Das weniger erfahrene Personal muss dann die Störung in Eigenregie beheben. Doch auch wenn umfangreiche Dokumentationen vorhanden sind, ist es im Fehlerfall und unter Zeitdruck eine große Herausforderung, die passenden Informationen zu finden. In der Folge wird nur selten die tatsächliche Ursache der Störung beseitigt, sodass sie in kurzen Abständen erneut auftritt. Ziel der Peerox GmbH ist es, dieses Alltagsszenario in Produktionsbetrieben zu vermeiden. Mit ihrem intelligenten, selbstlernenden Assistenzsystem MADDOX will sie die Effizienz in Produktionsunternehmen steigern, Ausschuss reduzieren und so einen Beitrag für die ökonomische und ökologische Produktion etwa von Lebensmitteln, Kosmetika und Pharmaprodukten leisten. Das Spin-off aus dem Fraunhofer IVV in Dresden wurde im Sommer 2019 mit Unterstützung des EXIST-Forschungstransfers, einem Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, von Andre Schult und Markus Windisch gegründet. Heute zählt das Unternehmen 17 Mitarbeitende.

»Viele Produktionsbetriebe haben eine Effizienz von kaum mehr als 60 Prozent, da ist noch Luft nach oben. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Ursache der Störung an der Maschine nicht behoben wird. Der Bediener erkennt nicht, ob ein Einschieber klemmt, der Sauger verstopft ist oder ein anderer Fehler vorliegt«, sagt Andre Schult, CEO der Peerox GmbH. Das Erfahrungswissen ist zwar vorhanden, aber die Mitarbeitenden mit der gewünschten Expertise sind im Notfall oft nicht greifbar. Mit Blick auf den demographischen Wandel, den Fachkräftemangel und die stärkere Fluktuation der Mitarbeitenden ist die Abhängigkeit von menschlichem Erfahrungswissen in der Produktion zunehmend ein großes Problem, das die Peerox GmbH mit MADDOX adressieren will, indem sie das Erfahrungswissen der Beschäftigten digitalisiert.

Wissenskarten mit Störungs- und Lösungshilfen

»Oftmals weiß der Mitarbeitende gar nicht, mit welchen Begriffen er nach der Fehlerursache suchen soll. Löst beispielsweise ein zerquetschter Joghurtbecher den Maschinenstillstand aus, kann man in der Dokumentation nach Band, Becher, Riemen oder einem anderen Schlagwort suchen. Wer dann nicht schnell fündig wird, gibt in der Regel auch auf zu suchen. Daher suchen wir mit MADDOX datenbasiert und nutzen Maschinendaten wie Druckverläufe, Temperaturen, Lichtschrankensignale oder Fehlercodes«, erläutert Schult. Ein eigens entwickelter selbstlernender Suchalgorithmus analysiert die Maschinendaten mithilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens und bildet Klassen ähnlicher Datenmuster. Diese werden mit digitalen Wissenskarten verknüpft. Vergleichbar einer Wiki-Seite werden durch die Mitarbeitenden auf diesen Wissenskarten Störungs- und Lösungsbeschreibungen visuell mit Texten, Bildern und Videos dokumentiert. Geht die Maschine in Störung, analysiert der Algorithmus die Datenmuster, sucht nach ähnlichen Klassen und schlägt dem User die verknüpfte Wissenskarte über ein plattformunabhängiges Tablet vor – so das Prinzip der Assistenzlösung. Trat das Problem – etwa eine verschmutzte Düse – vor vier Wochen schon einmal auf, wird ein Lösungsweg vorgeschlagen, den der Bediener ablehnen oder bestätigen kann. In Abhängigkeit davon lernt MADDOX dazu, welche Einträge aus der Datenbank in welcher Situation hilfreich waren. Der Algorithmus wird entsprechend trainiert und lernt sehr schnell dazu. Durch eine spezielle Form der Datenvorverarbeitung und Merkmalsreduktion lernt der Algorithmus besonders schnell.

Digitaler Helfer mit psychologischem Fachwissen

»MADDOX ist im Prinzip ein digitaler Kollege, der helfend zur Seite steht«, sagt der Ingenieur. Wichtig ist die psychologische Komponente. Das linuxbasierte Wissensmanagementsystem enthält viele Features, die menschliche Triebkräfte wie Hilfsbereitschaft und Wertschätzung berücksichtigen und die dazu anregen, es gern zu benutzen. Sie motivieren zum Bestätigen, Ablehnen, Korrigieren und Erweitern der Einträge und zum Teilen des Erfahrungswissens. Die entsprechenden Features konnten durch langjährige Zusammenarbeit mit Ingenieurpsychologen der TU Dresden in das System eingebunden werden. »Das unterscheidet unsere Kommunikationsplattform auch von anderen Wissensmanagementsystemen. Wir beziehen den psychologischen Faktor ein und können so das Engagement erhöhen, die Dokumentation verbessern und Betriebskosten senken«, resümiert Schult. Inzwischen ist die Kompetenz der Ingenieurpsychologie auch Teil des Forschungsteams Digitalisierung und Assistenzsysteme am Fraunhofer IVV.

Zunächst konzentriert sich das Unternehmen mit seinem Produkt auf den Markt für Verarbeitungs- und Verpackungsmaschinen, langfristig sollen auch andere Branchen wie die Halbleiter-, Automotive- und Chemieindustrie avisiert werden. Aktuell wird MADDOX in der Pharmaverpackung der Bayer AG in Leverkusen eingesetzt.

Die Peerox GmbH war 2020 mit ihrem selbstlernenden Assistenzsystem Preisträger beim sächsischen Gründerpreis. 2021 würdigte die Jury den erfolgreichen Überführungsprozess vom Fraunhofer-Institutsteil Verarbeitungstechnik des IVV in die Peerox GmbH mit dem 3. Platz des Sächsischen Transferpreises für Prof. Jens-Peter Majschak, Institutsleiter des Fraunhofer IVV.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Wie künstliche Intelligenz beim Kampf gegen Doping helfen kann

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 10.02.2022

Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft dazu beitragen, dass sportliche Wettkämpfe sauber und fair bleiben: Professor Wolfgang Maaß forscht mit seinem Team daran, Dopingverstöße mit selbstlernenden Computersystemen schneller und einfacher zu entlarven. In Projekten mit der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada arbeitet der Wirtschaftsinformatiker daran, Datensysteme, die er für die Industrie 4.0 entwickelt hat, mit Daten aus Doping-Kontrollen zu trainieren, um sportlichen Betrug effizient aufzudecken.

Ungleiche Chancen, unfairer Wettkampf, unsauberer Sport – wird gedopt, bleibt nicht nur die Gerechtigkeit auf der Strecke. Sportlerinnen und Sportler setzen auch ihre Gesundheit aufs Spiel. Der Kampf gegen Doping ist ein schwieriges Unterfangen. Sportbetrug zu entlarven, ist komplex und aufwändig. Künstliche Intelligenz könnte die Doping-Kontrolleure bei dieser Aufgabe unterstützen, ist Professor Wolfgang Maaß überzeugt. „Methoden künstlicher Intelligenz können die Doping-Kontrollverfahren beschleunigen und effizienter machen“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker. Normalerweise sorgen Maaß und sein Team mit ihren intelligenten Datensystemen an der Universität des Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) für Transparenz in der Industrie 4.0: Sie sagen früh und zuverlässig voraus, ob etwa Störungen an Anlagen oder in Lieferketten drohen und finden passende Lösungen. Jetzt will Maaß die smarten Computer-Algorithmen auch gegen Doping einsetzen. „Unsere Datensysteme sind auch über den Wirtschaftsbereich hinaus aufschlussreich“, erklärt er.

Die Ergebnisse von bislang drei Projekten, bei denen Maaß mit der Welt-Anti-Doping- Agentur Wada kooperiert, liefern deutliche Hinweise darauf, dass die mit Wirtschaftsdaten vortrainierten Saarbrücker KI-Systeme auch bei Doping funktionieren und Sportbetrugsfälle verschiedener Art schnell und zuverlässig erkennen können. „Unsere bisherigen Forschungsarbeiten verlaufen vielversprechend. Die KI-basierten Analysen von biochemischen und weiteren Daten aus Doping-Kontrollen liefern sehr gute Ergebnisse“, sagt Maaß. Seine Vision ist, die Arbeit der Doping-Labore in Zukunft durch Analysen im virtuellen Labor zu unterstützen.

Bei Doping-Kontrollen fallen zahlreiche Daten an. So werden in Trainings- und Wettkampfzeiten teils über längere Zeiträume Blut- und Urinproben genommen, in Laboren analysiert und auf verbotene Substanzen und Methoden hin untersucht. Auch weitere Informationen rund um die Athletinnen und Athleten kommen hinzu. Da die Kontrollen immer und überall erfolgen können, melden die Sportler zum Beispiel auch ihren aktuellen Aufenthaltsort. Mit allen solchen Daten können die angelernten KI-Datensysteme gefüttert werden, um Manipulationen auf die Spur zu kommen.

Mithilfe maschineller Lernmethoden und Deep Learning bringen die Forscherinnen und Forscher dem System bei, Doping treffsicher an typischen Mustern zu erkennen. Es lernt, winzigste, aber charakteristische Doping-Merkmale wie Puzzleteile zu identifizieren. Hierfür trainiert Maaß‘ Team das Computer-System mit den Daten aus Doping-Kontrollen vieler Athletinnen und Athleten. Das System ist in der Lage, alle möglichen Verknüpfungen in den Daten zu durchleuchten, das heißt, es begreift, wie die einzelnen Puzzleteile des mehrdimensionalen Puzzles eines Doping-Falles zusammenhängen.

Das KI-System erfasst und gewichtet etwa Blutmarker oder Steroidprofil-Daten in Urin, bezieht kausale und zeitliche Abläufe bei mehreren Proben ebenso mit ein wie die chemischen Umwandlungen der Stoffe im Körper oder auch die Wirk-Zusammenhänge des Dopingmittels. Mit etwas Training findet es in den digitalen Daten und Zahlenkolonnen Muster und kleinste Nuancen, die auf Abweichungen hindeuten und typisch für Dopingfälle sind. Auf diese Weise sagt es voraus, wie wahrscheinlich es bei einer bestimmten Puzzle-Konstellation ist, dass jemand verbotene Substanzen eingesetzt oder die Tests anderweitig verfälscht hat.

„Um komplexe Modelle trainieren zu können, brauchen wir sehr viel Datenmaterial, insbesondere zu positiven Dopingfällen. Mit sogenannten generativen maschinellen Lernverfahren – wir sprechen abgekürzt von ‘GAN‘ – können wir unseren Datenpool anreichern. Erst ein tiefes Verständnis der Daten und der zugrundeliegenden, biologischen Zusammenhänge erlaubt es uns, derartige KI-Modelle zu entwickeln und zu testen“, erklärt Wolfgang Maaß.

2015 testete Maaß in Kooperation mit der Wada erstmals, ob seine Datensysteme generell in der Lage sind, anhand einer anonymisierten Auswahl biochemischer Analyse-Daten Doping mit dem Mittel Erythropoetin, kurz „EPO“, aufzuspüren. Bei dieser Methode des Blutdopings wird die Zahl an roten Blutkörperchen erhöht, um mehr Sauerstoff zu transportieren und so die Leistung zu steigern. „Wir verwendeten als Datensatz für das Training mehrere Blutindikatoren und eine Reihe von Fragebögen über Aktivitäten der Sportlerinnen und Sportler“, erläutert Maaß. Beim Vergleich mit den tatsächlichen Ergebnissen der Dopingkontrollen zeigte das Datensystem bereits in diesem ersten, noch nicht spezifisch weiterentwickelten Stadium eine sehr gute Trefferquote.

Ein weiteres Projekt mit der Wada bestätigte die sehr gute Vorhersage-Qualität: Diesmal arbeiteten Maaß und sein Forschungsteam mit dem Fachbereich für Ernährung, Bewegung und Sport der Universität Kopenhagen im Rahmen einer Studie ebenfalls zu EPO-Doping zusammen. Ohne weitere Hintergrundinformationen werteten die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher mithilfe ihres Datensystems bestimmte Blutmarker und Blutwerte aus verschiedenen Trainingsgruppen mit insgesamt 50 Probandinnen und Probanden aus: Die Computer-Algorithmen erkannten die EPO-Doping-Gruppe und filterten diese aus den Vergleichsgruppen heraus – darunter auch eine Gruppe Sportler, deren Blutkörperchen-Zahl wegen Trainings in großer Höhe natürlich erhöht war.

Im jüngsten Projekt mit der Wada und dem Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln, dessen Ergebnisse das Team im Dezember vorgelegt hat, erkannten die Computer-Algorithmen durch spezielle Trainings auch anderweitige Manipulation über die klassischen Dopinganalysen hinaus: „Unser System kommt auch dem Austausch von Urinproben auf die Spur“, sagt Maaß. Diese Art des Betrugs, bei dem die Urinprobe eines gedopten Sportlers mit einer „sauberen“ Urinprobe vertauscht wird, ist für Doping-Kontrolleure extrem schwer nachzuweisen und mit höchst aufwändigen Analysen verbunden. Mit Deep-Learning-Trainings erkennt das Saarbrücker Datensystem auch die typischen Muster solcher Manipulationen. „Die Sensitivität und Spezifität unserer Methoden erreicht bereits jetzt hohes Niveau; wir können dies aber auch noch weiter verbessern. Dies lässt darauf schließen, dass der Einsatz von KI-Methoden im Doping die Kontrollen effektiv unterstützen kann“, sagt Maaß, der jetzt die Zusammenarbeit mit der Wada und der Sporthochschule Köln weiter intensivieren will.

Aktuell arbeitet Wolfgang Maaß daran, die Forschungsaktivitäten gegen Doping grenzüberschreitend auszuweiten: Er leitet den Aufbau eines deutsch-französischen Netzwerks, das den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Kampf gegen Doping intensivieren soll: Beteiligt hieran sind das französische Anti-Doping Labor in Paris (Laboratoire AntiDopage Français, LADF, Université Paris-Saclay), das französische Nationale Forschungsinstitut für Informatik und Automatisierung INRIA (Institut national de recherche en informatique et en automatique), die Sporthochschule Köln sowie Maaß‘ Lehrstuhl an der Saar-Universität und seine Forschungsgruppe „Smart Service Engineering“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI.

Externer Link: www.uni-saarland.de

Flugzeuge im Funkkontakt: TU Graz entwickelt Simulationstools zur Transponderbelastung

Pressemeldung der TU Graz vom 21.01.2022

Wenn Flugzeuge vom Radar verschwinden, kann das an überlasteten Transpondern liegen. Für Austro Control entwickelte die TU Graz ein Simulationstool zur Bestimmung der Transponderbelastung. Dieses wird nun im Auftrag der EUROCONTROL für den europäischen Luftraum ausgebaut.

Er gehört zur gesetzlichen Pflichtausstattung von zivilen Flugzeugen: der Transponder; ein elektronisches Gerät, das auf Radarabfragen antwortet und so der Flugsicherung und den Kollisionsvermeidungssystemen (air collision avoidance systems) anderer Luftfahrzeuge am Himmel hilft, die genaue Position des Flugzeugs zu ermitteln. Die Dauer, die das Signal vom Transponder bis zum Empfänger braucht, gibt Aufschluss über die genaue Position des Flugzeugs. Je nach Transpondertyp werden auch weiterführende Informationen übermittelt, etwa zu Flughöhe oder Flugkennung.

Hat ein Transponder besonders viele Signalabfragen zu bewältigen, besteht die Gefahr einer Überlastung – der Transponder antwortet dann nicht mehr auf alle Abfragen und im äußersten Fall auf gar keine Abfragen mehr. Das Flugzeug kann dadurch für kurze Zeit vom Radar verschwinden. Das Risiko eines solchen Szenarios ist zwar gering, aber gegeben.

„Ein Flugzeug, das plötzlich vom Bildschirm der Flugüberwachung verschwindet, ist immer höchst alarmierend“, sagt Helmut Schreiber vom Institut für Hochfrequenztechnik der TU Graz. Er untersuchte im Auftrag der österreichischen Flugsicherung Austro Control sämtliche Einflussfaktoren auf die Transponderbelastung und entwickelte darauf aufbauend das Simulationstool „TOPAS (Transponder Occupancy Analysis Software)“ für die Transponderbelastung im österreichischen Luftraum. Im Auftrag der EUROCONTROL wird dieses Tool nun für den gesamteuropäischen Luftraum weiterentwickelt. Unter dem Akronym ESIT (EUROCONTROL Simulator of Surveillance Interrogators and Transponders) arbeitet die TU Graz dafür eng mit Austro Control sowie mit der deutschen Firma SeRo Systems und der EUROCONTROL zusammen. „Für die Planung und den Ausbau von Flugsicherungsinfrastruktur ist es essentiell zu wissen, wie sich diese Infrastruktur auf die Transponderbelastung auswirkt. Das betrifft etwa das Hinzufügen neuer Radaranlagen oder Änderungen von Abfragestrategien. Da ist es wichtig herauszufinden, wo es bereits Hotspots gibt und eine Entlastung notwendig ist. Unsere Simulationswerkzeuge leisten hier einen wichtigen Beitrag“, so Schreiber.

Paul Bosman, Abteilungsleiter der ATM-Infrastruktur bei EUROCONTROL ergänzt: „Wir freuen uns über die hervorragende Zusammenarbeit mit der TU Graz, Austro Control und SeRo Systems. Die Simulationstools werden zu einer nachhaltigen Nutzung der kritischen Ressourcen Funkfrequenzen und Transponderkapazität beitragen, wovon alle europäischen Luftraumnutzer profitieren werden.“

Digitaler Zwilling

Einen raschen und ungefähren Überblick über die Transponderbelastung gibt eine relativ einfache Tabellenkalkulation. Sie berücksichtigt nur die Anzahl der Sensoren und der Flugzeuge, nicht aber deren räumliche Verteilung. Die Tools TOPAS und ESIT hingegen beziehen als digitaler Zwilling die tatsächlichen Positionen aller Radarsensoren und auch die reale Luftverkehrssituationen mit ein. „Mit so einer Simulation sind auch komplexere Abfragefolgen programmierbar, sowohl für ganze Radarsysteme als auch isoliert für einzelne Sensoren. Damit erzielen wir realistischere und genauere Ergebnisse: Wir erfahren konkret, wann und wo es welche Belastungssituationen für Transponder geben wird“, erklärt Helmut Schreiber.

Mit dem ESIT-Tool können Nutzer (staatliche Behörden, Flugsicherungen) die Transponderbelastung in ihrem Luftraum bestimmen, die durch eigene Systeme und die der Nachbarstaaten verursacht wird. Nachdem das Tool ausschließlich auf Servern der EUROCONTROL laufen wird, haben die Nutzer keinen Zugang zu sensiblen Daten der Infrastruktur anderer Länder.

Radar fragt, Transponder antwortet

Neben zivilen und militärischen Radarstationen an Flughäfen oder an neuralgischen Punkten wie der Koralpe, beanspruchen außerdem laufende Funkkontakte sogenannter Multilaterations-Systeme die Transponder. Österreichweit gibt es dafür rund 70 Sende- und Empfangsstationen. Die Multilateration, kurz MLAT, funktioniert wie ein umgekehrtes GPS: Mehrere Antennenstationen auf dem Boden tasten das ausgesandte Funksignal eines Transponders ab und schicken zusätzlich auch eigene Abfragen an den Transponder.

Je nach Entfernung des Flugzeugs erreichen die Funkwellen des Transponders die jeweiligen Empfangsantennen zu anderen Zeitpunkten. Jede Empfangsstation meldet den exakten Zeitpunkt, an dem sie das Signal erhalten hat, an einen Zentralrechner. So lässt sich der Weg des Flugzeuges mitverfolgen. Helmut Schreiber vom Institut für Hochfrequenztechnik der TU Graz erklärt: „MLAT-Systeme haben große Vorteile: Sie können teure Radarstationen ersetzen. Und der Ausfall eines einzelnen Empfängers ist weniger dramatisch als etwa der Ausfall einer ganzen Radarstation. Trotz dieser Vorteile können die laufenden Funkkontakte bei einer schlechten Konfiguration Transponder in einem außerordentlich hohen Maß belasten und ebenso dazu führen, dass ein Flugzeug quasi unsichtbar wird.“

Die Entwicklung der zivilen Flugüberwachung geht laut Schreiber in die Richtung, dass längerfristig auf Radaranlagen zumindest teilweise verzichtet werden kann: Flugzeuge bestimmen mittels Satellitennavigationssystem ihre Position selbst und schicken diese automatisch an die Flugüberwachung. Auch dies wird durch ESIT simuliert. Durch Berechnung der potentiellen Transponderbelastungen erhöhen TOPAS und ESIT somit die Sicherheit in der Luft für bestehende und zukünftige Systeme. (Susanne Filzwieser)

Externer Link: www.tugraz.at

Abgasanalyse mit dem Handy: Neue App lässt Diesel-Fahrer ihr Auto selbst überprüfen

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 06.10.2021

Informatiker der Universität des Saarlandes haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich unkompliziert und in Echtzeit ermitteln lässt, wie viele Abgase der eigene Diesel-PKW ausstößt. Dazu benötigt man die kostenlose App „LolaDrives“ und einen günstigen Bluetooth-Adapter, der das Diagnosesystem des Autos auslesen kann. Entwickelt wurde die App im Rahmen des DFG-geförderten transregionalen Sonderforschungsbereichs „Grundlagen verständlicher Softwaresysteme“ am Saarland Informatics Campus.

Nutzer können ihre Fahrdaten auf freiwilliger Basis für die Forschung bereitstellen.

Seit September 2017 muss ein Auto einen sogenannten „Real Driving Emissions (RDE)“-Test bestehen, um in der Europäischen Union zugelassen zu werden. Dabei werden die Abgasemissionen im Fahrbetrieb unter realistischen, alltäglichen Bedingungen gemessen. „Wir dachten uns: Dann sollte doch prinzipiell jeder selbst diesen Test durchführen können“, sagt Sebastian Biewer, Doktorand am Lehrstuhl „Dependable Systems and Software“ von Professor Holger Hermanns an der Universität des Saarlandes.

Anstatt Testequipment im Wert von Hunderttausenden Euros anzuschaffen, haben die Saarbrücker Informatiker die App „LolaDrives“ entwickelt. Diese verwendet „RTLola“, eine Technologie zur Analyse von Echtzeitsystemen von Bernd Finkbeiner, Professor an der Universität des Saarlandes und Faculty am Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (CISPA). Die App funktioniert in fast allen Autos ab Baujahr 2005. „Wichtig ist, dass der Wagen über eine Schnittstelle zur On-Board-Diagnose (OBD) verfügt“, sagt Sebastian Biewer. Die OBD ist ein Fahrzeugdiagnosesystem, das während der Fahrt abgasbeeinflussende Systeme und andere Steuergeräte, wie beispielsweise den Drehzahlmesser, überwacht. Mithilfe eines Bluetooth-Adapters wird auf die On-Board-Diagnose zugegriffen. Wenn der Wagen läuft, muss man das Handy per Bluetooth mit dem OBD-Adapter verbinden und die „LolaDrives“-App starten.

Das Programm erlaubt es dem Nutzer dann entweder, die Daten des Diagnosesystems auszulesen, oder es führt ihn Schritt für Schritt durch einen RDE-Test. „LolaDrives ist nach unserer Kenntnis die einzige App, die einen RDE-Test ermöglicht“, ergänzt Sebastian Biewer. Damit die App die Emissionswerte errechnen kann, muss die OBD-Schnittstelle des Wagens jedoch die passenden Daten zur Verfügung stellen – insbesondere die Werte des Stickoxid-Sensors des Abgassystems, der nur in Diesel-Fahrzeugen verbaut ist. Ob die passenden Daten abgerufen werden können und damit ein RDE-Test machbar ist, teilt „LolaDrives“ direkt nach dem Start eines Tests mit.

Den App-Entwicklern war es wichtig, die Benutzung so einfach wie möglich zu gestalten. Denn für einen gültigen RDE-Test müssen zahlreiche Bedingungen erfüllt sein: Die Fahrtdauer muss mindestens 90 bis 120 Minuten betragen, in festgelegten Distanzen in verschiedenen Abschnitten stattfinden (Innerorts, Landstraße und Autobahn), bestimmte Geschwindigkeitsvorgaben dürfen nicht verletzt werden und auch das Beschleunigungs- und Bremsverhalten spielt eine Rolle. „Unsere App zeigt all diese Elemente in einer leicht verständlichen Nutzeroberfläche an und führt strukturiert durch die verschiedenen Stufen des Tests, indem sie genau ansagt, was wann zu tun ist. Sie teilt mit, ob der Test erfolgreich war und auch, ob der Test durch den Verstoß gegen eine der Vorgaben unwiederbringlich gescheitert ist“, sagt Yannik Schnitzer, der als Student der Informatik bereits ab seinem zweiten Semester die Entwicklung der App vorangetrieben hat.

Nutzer können ihre Fahrdaten auf freiwilliger Basis und ohne Einschränkung der App-Funktionalitäten datenschutzkonform an die Forscher spenden. Informatik-Professor Holger Hermanns, Sprecher des transregionalen Sonderforschungsbereichs „Grundlagen verständlicher Softwaresysteme“, in dessen Rahmen die Forschung um „LolaDrives“ stattfindet, sagt dazu: „Anhand der Daten möchten wir eine Plattform aufbauen, mit der wir mehr Transparenz und Verständlichkeit in den KFZ-Bereich bringen wollen. Vergangene Skandale haben gezeigt, wozu es führt, wenn Hersteller verantwortungsloses Handeln durch Intransparenz verschleiern können. Wir wollen helfen, Softwareverhalten aufzudecken, das für den Hersteller der Software vorteilhaft, aber für den Benutzer oder die Gesellschaft unerwünscht ist.“

Die RDE-Tests, die mit der App durchgeführt werden, sind rechtlich nicht bindend. „Uns geht es darum, das Informationsbedürfnis der Nutzer zu stillen. Die Ergebnisse unserer RDE-Tests sind plausibel, wenn man sie im Kontext der veröffentlichten Emissions-Daten und Grenzwerte betrachtet. Aber letztendlich sind sie Annäherungen an die ‚echten‘ Tests, die zwingend mithilfe kostspieliger mobiler Mini-Labors durchgeführt werden müssen,“ sagt Professor Holger Hermanns.

„LolaDrives“ ist zurzeit für Android über den Google Playstore erhältlich. Eine Version für Apple-Geräte ist bereits in Entwicklung. Das Projekt verfügt zudem über ein begrenztes Kontingent an Bluetooth-OBD-Adaptern, die interessierten Datenspendern kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Originalpublikation:
Biewer S., Finkbeiner B., Hermanns H., Köhl M.A., Schnitzer Y., Schwenger M. (2021) RTLola on Board: Testing Real Driving Emissions on your Phone. In: Groote J.F., Larsen K.G. (eds) Tools and Algorithms for the Construction and Analysis of Systems. TACAS 2021. Lecture Notes in Computer Science, vol 12652. Springer, Cham.

Externer Link: www.uni-saarland.de