Quantenphysik: Angekündigter Zufall

Pressemeldung der Universität Wien vom 28.06.2010

Eine neuartige Quelle von verschränkten Lichtteilchen haben Wiener PhysikerInnen um Philip Walther und Anton Zeilinger von der Fakultät für Physik der Universität Wien und vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt. Diese erlaubt es erstmals nachzuweisen, dass ein verschränkter Zustand vorliegt ohne diesen zu messen. Sie publizieren dazu in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Nature Photonics“.

Zufällige Erzeugung von verschränkten Lichtteilchen

Bisher hatte die Standardquelle für verschränkte Photonen einen entscheidenden Nachteil: Der Emissionszeitpunkt war unbekannt und es ließ sich damit nicht feststellen, wann die Teilchen die Quelle verlassen. Diese spontane Emission der Teilchenpaare führte zu diversen Problemen bei experimentellen Realisierungen. Möchte man z.B. einen Quantencomputer auf der Basis von Photonen bauen, hieße das, dass man nicht genau weiß, wann die sogenannten Quantenbits, in diesem Fall in Form von Photonen, vorhanden sind. In der Praxis bedeutet dies, dass nach jedem vermuteten Rechenschritt Photonen gemessen werden müssen, um festzustellen, ob dieser erfolgreich war.

Eine Messung in der Quantenmechanik heißt im Allgemeinen auch eine Zerstörung des quantenmechanischen Zustandes – die Teilchen können für keine weitere Quantenrechnung verwendet werden. Die Anwendbarkeit eines optischen Quantencomputers war dadurch bisher stark begrenzt.

Signalisierte Emission von Verschränkung

Die von Wiener ForscherInnen realisierte Quelle von verschränkten Photonenpaaren, bei der die Emission der Paare angekündigt wird, macht eine Messung zur Anwesenheit der Teilchen überflüssig und ermöglicht eine Erweiterung des derzeitigen optischen Quantencomputers. Das Konzept dieser Quelle basiert auf zusätzlichen Hilfsteilchen, deren Messung eine Aussage über den Zustand der verbleibenden Teilchen ermöglicht. Im konkreten Fall des Wiener Experiments präparieren die ForscherInnen sechs Photonen in einem speziellen quantenmechanischen Zustand. Misst man nun vier dieser Photonen in einer festgelegten Konfiguration, so befinden sich die übrigen beiden Photonen in einem verschränkten Zustand. „Vier gleichzeitige Detektorklicks der vier Hilfsphotonen signalisieren also die Aussendung eines Paares verschränkter Photonen“, erklärt die am Experiment beteiligte Physikerin Stefanie Barz.

Für die Realisierung von auf Verschränkung basierenden Technologien, wie optischen Quantennetzwerken und photonischen Quantencomputern, ist diese wissenschaftliche Arbeit der Wiener PhysikerInnen ein wichtiger Schritt.

Verschränkung in der Quantenmechanik

Verschränkung ist eine Eigenschaft der Quantenmechanik, die kaum mit dem alltäglichen, makroskopischen Verständnis der Welt vereinbar ist und kein Gegenstück in der klassischen Physik besitzt. Sind zwei Lichtteilchen (Photonen) miteinander verschränkt, so bleiben sie über beliebige Distanzen verbunden. Führt man eine Messung, z.B. des Polarisationszustandes, an einem der beiden Teilchen durch, so ändert sich auf „spukhafte Weise“ auch der Zustand des anderen Teilchens.

Neben der fundamentalen Bedeutung von verschränkten Systemen, liefern diese auch vollkommen neue Ansätze zur Informationsverarbeitung und zur abhörsicheren Kommunikation unter Ausnutzung von quantenmechanischen Prinzipien. Verschränkte Photonen bilden daher seit vielen Jahren einen Ausgangspunkt für zahlreiche Grundlagenexperimente zur Quantenmechanik und sind die Basis für experimentelle Realisierungen von Konzepten zur Quanteninformationsverarbeitung. So wurden bereits einfache Quantencomputer realisiert, die die Gesetze der Quantenmechanik ausnutzen, um eine schnellere und sicherere Informationsverarbeitung zu ermöglichen.

Publikation:
Heralded generation of entangled photon pairs.
Stefanie Barz, Gunther Cronenberg, Anton Zeilinger, Philip Walther.
Nature Photonics. 27. Juni 2010. DOI 10.1038/NPHOTON.2010.156

Externer Link: www.univie.ac.at

Ersatzknochen aus der Laserschmelze

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Juni 2010

Ein Loch im Kopf wird im medizinischen Ernstfall häufig mit einem Implantat versorgt. Während Ersatz aus Titan lediglich Lücken schließt, fördert ein neuartiges resorbierbares Implantat die Regeneration des Körpers: Es ist maßgeschneidert und schwindet im selben Maße wie der Knochen nachwächst.

Kleinere Knochenverletzungen kann der Körper selbst ausheilen, bei größeren braucht er Hilfe. Häufig kommen dann Implantate zum Einsatz. Im Gegensatz zu Dauerlösungen aus Titan sollen resorbierbare Implantate fehlende Knochenteile nur so lange ersetzen, bis die Lücke geschlossen ist. Je nach Größe des Defekts, Alters und Gesundheitszustands des Betroffenen kann das Monate oder Jahre dauern. Ein neues Implantat verbessert die Voraussetzungen für den Heilungsprozess. Es entstand im Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung »Resobone« und wird für jeden Patienten maßgefertigt. Anders als der bisher übliche Knochenersatz ist es nicht massiv aufgebaut, sondern porös: In Abständen von wenigen hundert Mikrometern durchziehen feine Kanäle das Implantat. »Seine Passgenauigkeit und die perfekte Porenstruktur in Verbindung mit dem neuen Biomaterial versprechen einen bislang nicht erreichten vollständigen knöchernen Umbau«, fasst Priv.-Doz. Dr. Dr. Ralf Smeets vom Uniklinikum Aachen die Ergebnisse der ersten Verträglichkeitsuntersuchungen zusammen.

Die Porenkanäle schaffen eine Gitterstruktur, in die der angrenzende Knochen hineinwachsen kann. Ihr Grundgerüst besteht aus dem Kunststoff Polylactid, kurz PLA. Darin eingelagerte Körnchen aus Tricalciumphosphat (TCP) sorgen für Festigkeit und regen den natürlichen Knochenheilungsprozess an. In Form von Pasten, Granulaten und Halbzeugen haben sich TCP und PLA bereits als resorbierbare Implantate bewährt. Der Körper kann beide Stoffe etwa so schnell abbauen, wie der natürliche Knochen nachwächst. Das Material lässt sich aber nur dort einsetzen, wo es nicht zu stark belastet wird: So sollen die »Resobone«-Implantate vor allem fehlende Gesichts-, Kiefer- und Schädelknochen ersetzen. Sie können derzeit bis zu 25 Quadratzentimeter große Lücken schließen. Ihre besondere Struktur wird durch ein Fertigungsverfahren möglich, das am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen ursprünglich für den Aufbau industrieller Prototypen entwickelt wurde – das Selective Laser Melting (SLM): Ein hauchdünner Laserstrahl schmilzt den pulverisierten Werkstoff schichtweise zu Strukturen, die 80 bis 100 Mikrometer fein sein können.

Als Vorlage für die passgenaue Fertigung der Implantate dienen Computer-Tomographien des Patienten. Die Arbeitsabläufe von den CT-Aufnahmen über die Konstruktion des Implantats bis zu seiner Fertigung sind so aufeinander abgestimmt, dass sich Ersatz für ein defektes Jochbein in wenigen Stunden und ein fünf Zentimeter großes Schädelstück über Nacht herstellen lässt. Dazu kommt ein erheblicher Zeitgewinn während der Operation: »Bisher gibt es noch keine maßgefertigten resorbierbaren Implantate. Der Chirurg muss während der Operation TCP-Quader oder vorab entnommenes, patienteneigenes Knochenmaterial zuschneiden und in den Defekt einpassen«, erklärt Simon Höges, Projektleiter am ILT. Zudem verringert sich die Zahl der Operationen: Die Entnahme von Knochenersatz aus dem Beckenknochen des Patienten entfällt ebenso wie Folgeoperationen bei Kindern zum Austausch eines Dauerimplantats, das nicht mitgewachsen ist. »Unser Projektziel – eine geschlossene Prozesskette zur Herstellung individueller Knochenimplantate aus resorbierbaren Werkstoffen – haben wir erreicht«, zeigt sich Höges zufrieden. Nun sei es an den Projektpartnern, zu denen auch Implantathersteller gehören, die Ergebnisse in Produkte umzusetzen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

In Folie gebettet mit hohen Pulsenergien

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 16.06.2010

KIT-Forscher entwickeln ultraflachen Flüssigkeits-Farbstofflaser mit deutlich erhöhter Ausgangsleistung

Wissenschaftlern des KIT und der Technical University of Denmark ist es in einem gemeinsamen Projekt erstmals gelungen, in eine nur 1/3 Millimeter dicke Folie eingebettete Flüssigkeits-Farbstofflaser zu realisieren und gleichzeitig die Ausgangsleistung derartiger Laser deutlich zu erhöhen.

Unter Optofluidik versteht man flüssigkeitsbasierte optische und photonische Elemente oder Bauteile. Optofluidische Laser sind miniaturisierte Flüssigkeits-Farbstofflaser, die sichtbares Licht emittieren. Sie können als Lichtquelle für die integrierte Optik oder für integrierte photonische Sensorsysteme dienen. Durch die Zusammenarbeit der KIT-Nachwuchsgruppe von Dr.-Ing. Timo Mappes mit der Forschergruppe von Prof. Anders Kristensen der Technical University of Denmark konnte der KIT-Doktorand Christoph Vannahme nun erstmalig einen Laser realisieren, der in einer nur 1/3 Millimeter dicken Folie eingebettet ist und eine deutlich erhöhte Ausgangsleistung gegenüber herkömmlichen Lasern aufweist.

In einem leicht auf industrielle Fabrikation übertragbaren Prozess wird zur Herstellung der Laser zunächst eine Folie mit einer Kombination aus Nano- und Mikrostrukturen versehen. Diese geschieht durch Prägen mit einem Stempel bei erhöhter Temperatur. „Durch das Deckeln dieser Struktur mit einer weiteren Folie entsteht so ein Mikrokanal mit nur 1,6 Mikrometer Höhe, das entspricht dem 40sten Teil eines Haardurchmessers“, erläutert Christoph Vannahme, Doktorand am Institut für Mikrostrukturtechnik und am Lichttechnischen Institut des KIT. „Die Breite des Mikrokanals misst 0,5 Millimeter und der Kanalboden ist mit einer Nanostruktur versehen. Leitet man eine Farbstoffflüssigkeit durch diesen Kanal und regt den Farbstoff zum Leuchten an, so entsteht aufgrund der Strukturierung Laserlicht“, beschreibt Vannahme den Prozess.

Die Periode der Nanostruktur bestimmt die Farbe – die Wellenlänge – des Laserlichts. Mit zwei verschiedenen Perioden können mit derselben Flüssigkeit unterschiedliche Laserwellenlängen erzeugt werden. Das Kanaldesign ermöglicht hohe Pulsenergien von mehr als 1 Mikrojoule und schmale Bandbreiten des Laserlichts. Da die Flüssigkeit durch den Mikrokanal gepumpt wird, werden die Farbstoffmoleküle ständig ausgetauscht und dadurch sehr lange Betriebsdauern erreicht.

Im Rahmen eines durch das Karlsruhe House of Young Scientists (KHYS) geförderten Auslandsaufenthaltes arbeitete Christoph Vannahme für sechs Monate an der Technical University of Denmark und entwickelte dort den neuen Laser. Der Laser kann in mikrooptische Analysesysteme integriert werden, die Vannahme im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelt. Nun wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Optics Express veröffentlicht.

Das KHYS ist die Kommunikations- und Interaktionsplattform für alle Doktoranden und jungen Postdoktoranden des KIT. Als zentrale Beratungs- und Servicestelle begleitet das KHYS alle Doktoranden vom Beginn ihrer Doktorarbeit bis zu ihrem erfolgreichen Abschluss und unterstützt sie bei ihrer weiteren Karriereplanung. Mit dem KHYS-Auslandsstipendium werden Reise- und Lebenshaltungskosten für einen drei- bis sechsmonatigen Forschungsaufenthalt bezuschusst. Der Auslandsaufenthalt stellt eine Erweiterung der Forschungsarbeit dar und bietet Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, ihre wissenschaftlichen und interkulturellen Kompetenzen zu erweitern und andere Wissenschaftssysteme kennen zu lernen.

Christoph Vannahme schloss sein Physikstudium an der Universität Paderborn mit Auszeichnung ab; bereits bei seiner Bewerbung am KIT war für ihn die aktive Unterstützung der Auslandsaufenthalte durch das KHYS mit ausschlaggebend für die Annahme der Doktorandenstelle. (sf)

Bibliographische Daten:
„Optofluidic dye laser in a foil“, Christoph Vannahme, Mads Brøkner Christiansen, Timo Mappes, Anders Kristensen, (2010), Optics Express 18 (9): 9280-9285, DOI: 10.1364/OE.18.009280.

Externer Link: www.kit.edu

Quantenturbo für verlustfreien Strom

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 07.06.2010

Quanteneffekte verstärken die Supraleitung von Zinn-Nanopartikeln drastisch

Wann ein Metallteilchen den elektrischen Widerstand verliert, ist auch eine Frage seiner Größe. Die Temperatur, unterhalb derer ein Material zu einem Supraleiter wird, kann nämlich drastisch steigen – wenn der Stoff als Nanokügelchen mit bestimmtem Durchmesser vorliegt. Das haben Forscher des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung mit Kollegen aus Regensburg und Lissabon nachgewiesen, indem sie Zinn-Nanopartikel mit einem Rastertunnelmikroskop untersuchten. Demnach verstärken Quanteneffekte in den winzigen Teilchen die Supraleitung um bis zu 60 Prozent, aber nur bei „magischen“ Größen, die eine Theorie auf den Nanometer genau vorhersagt. Diese Ergebnisse liefern neue Ansatzpunkte, um der verlustfreien Stromleitung auch bei Raumtemperatur näherzukommen. (Nature Materials, Juni 2010)

Mit Materialien, die Strom auch bei sommerlichen Temperaturen noch ohne Widerstand transportieren, ließe sich eine Menge Energie sparen. Supraleiter können das – im Prinzip. Doch die derzeit besten Supraleiter geben ihren Widerstand erst unterhalb von rund minus 170 Grad Celsius auf. Obwohl die Supraleitung bei Raumtemperatur noch immer in weiter Ferne liegt, sind ihr die Forscher des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung ein kleines Stück näher gekommen: Sie haben die kritische Temperatur, unterhalb derer ein Material zum Supraleiter wird, im Labor dramatisch angehoben, indem sie Nanopartikel bestimmter Größe erzeugten.

Die kritische Temperatur steigt – die Physiker sprechen von einer Verstärkung der Supraleitung -, weil die Energiezustände in Nanoteilchen quantisiert sind. In einem größeren Stück des Materials bilden sie dagegen ein breites Band, das sich über das gesamte Material ausdehnt. Für viele Atome ergeben sich nämlich sehr viele dicht beieinander liegende Zustände. Die wenigen Atome in einem Nanoteilchen können dagegen nur eine kleine Zahl von Zuständen besetzen. Die Beschränkung der Quantenzustände ändert die Eigenschaften nanoskopischer Systeme abrupt und oft unvorhergesehen. „In niederdimensionalen Supraleitern ist eine der überraschendsten Konsequenzen, dass Schaleneffekte auftreten, die die Supraleitung verstärken“, sagt Klaus Kern, Direktor am Stuttgarter Max-Planck-Institut.

Theoretisch haben Physiker diese Schaleneffekte bereits seit längerem vorhergesagt. Demnach bilden metallische Nanopartikel elektronische Schalen – ähnlich den Schalen, auf denen sich die Elektronen in einzelnen Atomen anordnen. Auch die Elektronen in den Nanopartikeln besetzen nun diese Schalen. Bei bestimmten Anzahlen schließen sich die Elektronen in den Schalen leichter zu Cooper-Paaren zusammen, die sich ohne Widerstand durch das Material bewegen können. Wann sich in den Schalen die „magischen“ Anzahl von Elektronen versammeln, hängt auch von der Größe und Form der Partikel ab.

„Die Experimente, um die vorhergesagten Quanteneffekte zu bestätigen, sind extrem anspruchsvoll und erreichen die Grenze des technisch Möglichen“, sagt Sangita Bose, die zusammen mit Ivan Brihuega zum ersten Mal untersucht hat, wie die Größe den supraleitenden Zustand individueller Nanopartikel beeinflusst.

Die Forscher haben in einem extrem guten Vakuum zunächst exakte Halbkugeln aus Zinn und Blei gezüchtet, deren Höhen sie gezielt zwischen einem und 50 Nanometern einstellten. Mit einem speziellen Rastertunnelmikroskop, das Forscher des Max-Planck-Instituts entwickelt haben, untersuchten die Physiker anschließend die elektronischen Eigenschaften der Nanoteilchen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von rund minus 273 Grad Celsius. Mit sehr hoher Auflösung bestimmten sie für jedes individuelle Teilchen die supraleitende Energielücke. Aus den Energielücken ergeben sich dann die kritischen Temperaturen, bei denen sie Supraleitung auftritt.

Die Experimente zeigten, dass die supraleitende Energielücke der Zinn-Nanopartikel sehr empfindlich auf die Partikelgröße reagiert. Sie nimmt allerdings weder kontinuierlich ab noch steigt sie stetig an, sondern springt vielmehr stark hin und her. „Das sieht zunächst aus wie Rauschen, entspricht aber den Vorhersagen der Theorie“, sagt Klaus Kern. Die Größe braucht sich nur um Bruchteile eines Nanometers zu ändern, und schon springt die kritische Temperatur in die Höhe, bevor sie im nächst kleineren Partikel schon wieder drastisch abfällt. Für Blei-Nanopartikel fällt der Effekt weit schwächer aus. In beiden Materialien tritt allerdings überhaupt keine Supraleitung mehr auf, wenn die Partikel kleiner als vier Nanometer sind. „Das wurde zwar bereits vor 50 Jahren theoretisch vorhergesagt, wir haben das aber jetzt zum ersten Mal an einzelnen Partikeln nachgewiesen“, sagt Ivan Brihuega.

Um die experimentellen Ergebnisse theoretisch zu unterfüttern, haben Antonio M. García-García, Wissenschaftler am Instituto Superior Technico in Lissabon, und Juan D. Urbina von Universität Regensburg, Korrekturen für die endliche Ausdehnung und Form der Partikel in die Standard-BCS-Theorie für Supraleiter eingeführt. Ihre Berechnungen geben die experimentellen Ergebnisse sehr gut wieder. Sie spiegeln auch wider, dass die Supraleitung mit der Größe der Zinn-Nanopartikel stark variiert. Im Blei tritt der Effekt allerdings kaum auf. „Das unterschiedliche Verhalten der beiden Metalle lässt sich mit der unterschiedlichen Kohärenzlänge erklären, die die räumliche Ausdehnung der Elektronenpaare für die Supraleitung beschreibt“, sagt Sangita Bose. Die Kohärenzlänge im Zinn ist viel größer als im Blei, was Zinn weitaus empfindlicher gegenüber Quanteneffekten macht.

Da die quantenmechanischen Schaleneffekte in allen Materialien auftreten, lassen sie sich nutzen, um die Supraleitung in vielen Materialien zu verstärken. „Damit eröffnet das ‚Quanten-Engineering‘ durch die gezielte Nanostrukturierung eine völlig neue Perspektive für die Supraleitung und bietet auch vielversprechende technologische Aussichten“, so Klaus Kern. [Fkf]

Originalveröffentlichung:
Sangita Bose, Antonio M. García- García, Miguel M. Ugeda, Juan D. Urbina, Christian H. Michaelis, Ivan Brihuega and Klaus Kern
Observation of shell effects in superconducting nanoparticles of Sn
Nature Materials, Juni 2010; DOI: 10.1038/NMAt2768

Externer Link: www.mpg.de

Pflanzen als Vorbild

Pressemitteilung der Universität Freiburg vom 28.05.2010

Freiburger Biologen entwickeln selbstreparierende Membranen

Für Pflanzen ist Wundheilung eine Selbstverständlichkeit. Nach dem Vorbild der Wundversiegelung bei Lianen ist Forscherinnen und Forschern der Uni Freiburg nun die Übertragung auf technische Materialien im Labormaßstab gelungen. Eine erste technische Anwendung ist eine selbstheilende Membran für pneumatische, also luftgefüllte Strukturen, wie etwa Reifen. Das Forschungsteam um die Biologin Dr. Olga Speck vom Kompetenznetz Biomimetik hat eine bionische Beschichtung entwickelt, die Verletzungen pneumatischer Strukturen schnell und effizient repariert. Das Projekt wird seit 2006 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Bionik – Innovationen aus der Natur“ gefördert. In dem interdisziplinären Forschungsprojekt arbeiten Biologen des Botanischen Gartens der Universität Freiburg und Chemiker des Freiburger Materialforschungszentrums sowie Physiker und Ingenieure des schweizerischen Materialprüfungsamts EMPA Dübendorf an Selbstheilungsprozessen in Natur und Technik.

Selbstreparierende Schäume verhindern beziehungsweise vermindern den Luftaustritt bei Beschädigung von Membranen, wie sie in der Tensairity®-Technologie, einer aufblasbaren Leichtbautragstruktur, eingesetzt werden. Bei Verletzungen mit Nägeln bis zu einem Durchmesser von fünf Millimetern verringerte das Forschungsteam die Geschwindigkeit des Druckabfalls im Vergleich zu unbeschichteten Membranen und erzielte einen Selbstreparatureffekt. Eine Weiterentwicklung im industriellen Maßstab erfolgt derzeit in Kooperation mit der Firma Rampf Giessharze GmbH & Co. KG. Grafenberg, die den Dichtungsschaum für die Forschungsprojekte liefert. So können in Zukunft zum Beispiel mit Tensairity®-Technologie erbaute Veranstaltungshallen oder Behelfsbrücken mit der selbstreparierenden Beschichtung aus Formschaum ausgestattet werden. „Selbst Luftmatratzen oder Schlauchboote könnten vielleicht eines Tages von den luftigen Konstruktionen profitieren“, sagt Dr. Olga Speck.

Externer Link: www.uni-freiburg.de